Rechtswegbeschwerde
Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit für Streitigkeiten im Bereich des AsylbLG
Behördliche Anordnung des Umzuges eines Asylbewerbers in ein anderes Übergangsheim (hier Umsetzung des Betroffenen in eine
separat abgeschlossene Wohnung)
Erbringung von Sachleistungen nach § 3 AsylbLG
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im zugrunde liegenden Eilverfahren gegen einen Umzug in ein anderes Übergangsheim, den die Antragsgegnerin
ihm und seinen Familienangehörigen gegenüber angeordnet hat.
Der im Jahr 1981 geborene Antragsteller ist serbischer Staatsangehöriger. Nachdem er seit 1993 mehrfach in die Bundesrepublik
eingereist war und Asyl- bzw. Asylfolgeanträge gestellt hatte, die sämtlich bestandskräftig abgelehnt wurden, reiste er zuletzt
im Mai 2014 freiwillig aus. Am 19.11.2014 reiste er gemeinsam mit seinem Vater und seiner Schwester erneut in die Bundesrepublik
ein und stellte einen Asylfolgeantrag. Mit Bescheid vom 20.11.2014 bewilligte ihm die Antragsgegnerin Leistungen nach §
1a AsylbLG; ab 01.12.2014 gewährte sie ihm auch den Differenzbetrag zu Leistungen nach §
3 AsylbLG unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Die Unterbringung erfolgte zunächst - gemeinsam mit seinem Vater und seiner Schwester
- im Übergangsheim X 98 in E; ab 16.12.2014 wurden dort auch seine inzwischen ebenfalls eingereiste Ehefrau sowie das gemeinsame
Kind untergebracht. Zum 19.01.2015 erfolgte auf Veranlassung der Antragsgegnerin ein Umzug in das Übergangsheim L 148e in
E.
Am 14.07.2015 hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg nachgesucht und vorgetragen, ihm und seiner Familie sei von einem Mitarbeiter der Stadt E (Herr L oder L) angedroht
worden, am 15.07.2015 in eine andere Wohnung umziehen zu müssen. Er habe sich in der Wohnung L 148e mit Möbeln usw. gut eingelebt.
Der Umzug sei allein aus Verärgerung gegen ihn angeordnet worden; er sei angeblich schon öfter schlecht aufgefallen. Er habe
sich allerdings niemals schlecht benommen oder gegen die Hausvorschriften verstoßen. Einige Bewohner und auch der Sicherheitsmann
könnten dies bestätigen. Sein Sohn sei krank geworden, auch seine Mutter sei psychisch sehr krank. Er und seine Familie seien
sehr verzweifelt. Sinngemäß hat er beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollzug des angedrohten
Umzugs von der Wohnung L 148e in eine andere Wohnung zu untersagen.
Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, Gegenstand der Auseinandersetzung sei eine ordnungsbehördliche Zuweisung
in einem asylrechtlichen Verfahren. Leistungen nach dem
AsylbLG stünden nicht im Streit; Unterkunftskosten seien für die bisherige Wohnung übernommen worden und würden auch zukünftig für
die neue Wohnung übernommen. Bei der Zuweisung handele es sich um eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit nach §
40 VwGO, für die eine besondere Zuweisung nach §
51 SGG nicht eingreife. Die Zuständigkeit des SG werde daher bezweifelt. Die Antragsgegnerin hat die Verweisung an das zuständige Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf beantragt.
Nach Anhörung des SG vom 16.07.2015 zu einer beabsichtigten Verweisung hat auch der Antragsteller mit Schriftsatz vom 16.07.2015 die Verweisung
des Eilantrags an das VG Düsseldorf beantragt.
Das SG hat mit Beschluss vom 17.07.2015 den Sozialrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das VG Düsseldorf verwiesen.
Der Antragsteller begehre keine Leistungen nach dem
AsylbLG, deren Höhe vom SG zu überprüfen wäre; er wende sich vielmehr gegen eine ordnungsbehördliche Zuweisung in eine andere Unterkunft. Dabei handele
es sich um eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit, für die gem. §
40 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet sei.
Hiergegen hat der Antragsteller am 28.07.2015 Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf den Beschluss des erkennenden Senats
vom 27.01.2012 - L 20 AY 140/11 B verwiesen. Daraus ergebe sich, dass bei Streitigkeiten im Bereich des
AsylbLG die Sozialgerichtsbarkeit zuständig sei.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, die vom Antragsteller zitierte Rechtsprechung sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig,
da es nicht um die Leistungsgewährung nach dem
AsylbLG gehe. Es handele sich ausschließlich um eine Umsetzung vom Übergangsheim L (Jugendherbergsunterbringung) in das Übergangsheim
I Straße 332-334 in E (Unterbringung in separat abgeschlossenen Wohnungen). Die Leistung "Wohnen" werde insoweit als Sachleistung
erbracht. Während im Übergangsheim L eine Strompauschale angefallen sei, müsse der Antragsteller nunmehr seine individuellen
Stromkosten aus dem Regelsatz entrichten. Die Leistung "Wohnen" werde auch zukünftig als Sachleistung erbracht. Nach Rücksprache
mit der Einrichtung sei der Antragsteller mit der Verbesserung seiner Wohnsituation zufrieden. Insoweit sei fraglich, ob er
tatsächlich noch ein Interesse an der Fortführung des Verfahrens habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
1. Die nach §
17a Abs.
4 S. 3
GVG i.V.m. §
172 Abs.
1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.
Zu Unrecht hat das SG den Sozialrechtsweg für unzulässig erklärt. Der Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten ist nicht nach §
40 Abs.
1 S. 1
VwGO eröffnet, denn es besteht insoweit die abdrängende Sonderzuweisung nach §
51 Abs.
1 Nr.
6a SGG. Danach entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der
Sozialhilfe und des
Asylbewerberleistungsgesetzes.
Ob es sich bei der hier zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Streitigkeit (vgl. zur Abgrenzung zu zivilrechtlichen Streitigkeiten
die sog. "Sonderrechtstheorie", dazu ausführlich Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, § 51 Rn. 3c m.w.N.) um eine Angelegenheit der Sozialhilfe und des
AsylbLG handelt, entscheidet sich anhand der Rechtsnorm, aus der die von dem Betroffenen begehrte Rechtsfolge abzuleiten ist (vgl.
Senat, Beschluss vom 27.01.2012 - L 20 AY 140/11 B m.w.N.).
Die streitentscheidende Frage, ob die Antragsgegnerin berechtigt ist, den Antragsteller mit sofortiger Wirkung vom Übergangsheim
L 148e in das Übergangsheim I Straße umzusetzen, beurteilt sich aber allein nach den Regelungen des
AsylbLG. Der Antragsteller ist Leistungsberechtigter nach §
1 Abs.
1 AsylbLG. Von seinem Anspruch auf Grundleistungen wird - da er nicht in einer Aufnahmeeinrichtung im Sinne von §
44 des
Asylverfahrensgesetzes (
AsylVfG) untergebracht ist - gem. §
3 Abs.
2 S. 4
AsylbLG u.a. der Bedarf für Unterkunft und Heizung umfasst, der gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht wird. Als Sachleistung
soll die Unterbringung von Ausländern, die - wie der Antragsteller - nicht (mehr) verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung
zu wohnen, nach §
53 Abs.
1 S. 1
AsylVfG in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften erfolgen. Die Antragsgegnerin hat diesen Bedarf bisher durch das Zurverfügungstellen
der Unterkunft im Übergangsheim L 148e im Wege der Sachleistung gedeckt. Soll dieser Bedarf zukünftig durch Erbringung einer
anderen Sachleistung gem. §
3 Abs.
2 S. 4
AsylbLG - nämlich der Unterbringung im Übergangsheim I - erbracht werden, ist für das zugrundeliegende Eilverfahren im Kern streitentscheidend,
in welcher konkreten Weise die Antragsgegnerin die Sachleistung nach §
3 AsylbLG zu erbringen hat. Folglich ist allein die leistungsrechtliche Beziehung zwischen dem Antragsteller als Asylbewerber und der
Antragsgegnerin als Leistungsträgerin nach dem
AsylbLG betroffen, die durch die Vorschriften des
AsylbLG bestimmt wird (vgl. Senat, a.a.O.; VG Aachen, Beschluss vom 28.11.2005 - 6 L 823/05).
Nicht bestimmt wird die maßgebliche Frage hingegen von anderen Normen; insbesondere sind ordnungsbehördliche - speziell §
14 OBG NRW - sowie asylverfahrensrechtliche oder aufenthaltsrechtliche Regelungen nicht streitentscheidend. Sie können zwar möglicherweise
Auswirkungen auf die praktische Durchführung der Unterbringung und den leistungsrechtlichen Anspruch auf Übernahme von Unterkunftskosten
haben; eine abweichende Bestimmung des Streitgegenstandes folgt hieraus jedoch nicht (vgl. Senat, a.a.O.). Im
AsylVfG ist insoweit nur das Prinzip festgeschrieben, dass Asylbewerber nach der Entlassung aus der Aufnahmeeinrichtung in der Regel
in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden sollen (§
53 AsylVfG). Diese Vorgabe richtet sich damit unmittelbar an die zur Unterbringung verpflichteten Gemeinden, sie regelt hingegen nicht
die Beziehung zwischen Leistungsempfänger und Leistungsträger. Die konkrete Einweisung in die als kommunale öffentlich-rechtliche
Einrichtung organisierte Unterkunft erfolgt nach den Bestimmungen der maßgeblichen gemeindlichen Satzung der Antragsgegnerin
- hier die "Benutzungs- und Gebührensatzung für die Übergangsheime der Stadt E für ausländische Flüchtlinge vom 11.12.2001
- Übergangsheim-Gebührensatzung ausländische Flüchtlinge" (Amtsblatt für die Stadt E 41/2001, S. 483; abrufbar unter https:
// www.e.de/fa/ortsrecht/medien/S50.04 Uebergangsheim-Gebuehrensatzung ausl. Fluechtlinge.pdf, abgerufen am 26.08.2015) -
durch Verwaltungsakt. Diese kommunale Satzung enthält aber unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das
AsylbLG allein die Ausgestaltung der Verpflichtung aus §
3 AsylbLG zur Bereitstellung von Unterkünften und die verfahrensmäßige Behandlung der Einweisung von Leistungsberechtigten in die jeweiligen
Übergangsheime, nicht hingegen die bei der Zuteilung der Sachleistung "Unterkunft" zu beachtenden inhaltlichen Maßstäbe. Diese
beurteilen sich allein anhand von §
3 AsylbLG (vgl. VG Aachen, a.a.O.; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 27.02.2015 - 12 E 159/15).
Für die Rechtsverhältnisse nach dem
AsylbLG weist §
51 Abs.
1 Nr.
6a SGG die Zuständigkeit den Sozialgerichten zu. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und nach §
17a Abs.
3 GVG die Zulässigkeit des Sozialrechtsweges festzustellen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG. Zwar hat auch der Antragsteller - ebenso wie die Antragsgegnerin - die Verweisung beantragt. Dieser Antrag wurde jedoch
nur auf den ausdrücklichen Hinweis des SG gestellt, aus dem sich ergibt, dass das SG die Verweisung auch ohne seinen Antrag beschlossen hätte.
3. Die weitere Beschwerde zum Bundessozialgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung nach §
17a Abs.
4 S. 4 und 5
GVG zugelassen.