Sozialversicherungspflicht von Minderheitsgesellschaftern einer GmbH ohne Sperrminorität
Tatbestand:
Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status der Klägerin und Berufungsbeklagten (im Folgenden: Klägerin) seit 1.
September 2007.
Die Klägerin ist am 1965 geboren und hat eine Ausbildung zur Wirtschaftskauffrau absolviert. Seit 1. Juni 1996 arbeitet sie
bei der Beigeladenen zu 4., seit 1. Juli 2004 ist sie Gesellschafterin der Beigeladenen zu 4. mit einem Gesellschaftsanteil
von 20 %.
Am 1. Dezember 2006 schloss die Klägerin mit der Beigeladenen zu 4. einen Vertrag, wonach sie ab 1. Januar 2007 die eigenverantwortliche
Leitung des kaufmännischen Bereichs der Beigeladenen zu 4. einschließlich der vollständigen Personalverantwortung aller in
diesem Bereich beschäftigten Mitarbeiter übernahm und gleichzeitig in die Geschäftsleitung eintrat (§ 1 Abs. 2 des Vertrages).
Nach § 1 Abs. 3 des Vertrages hat sie uneingeschränkte Handlungsvollmacht und Verfügungsvollmacht über das Betriebskonto und
nimmt alle Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahr; § 1 Abs. 4
enthält ihre Erklärung, sie sei aufgrund der ausgeübten Tätigkeit und ihrer Stellung im Betrieb bereit, das Unternehmen weiterhin
wirtschaftlich zu unterstützen, beispielsweise durch Übernahme von Bürgschaften. Nach § 1 Abs. 5 des Vertrages entscheidet
sie selbst unter Wahrung der Interessen des Unternehmens über die Aufnahme etwaiger Nebentätigkeiten oder Ehrenämter. Nach
§ 2 Abs. 1 war als monatliches Entgelt der Betrag von "zunächst brutto 4.750,00 EUR" vereinbart, nach Abs. 2 der Vorschrift
erhält sie zusätzlich eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 10 % des Jahresüberschusses entsprechend der anzustellenden Gewinn-
und Verlustrechnung nach Abzug der Verlustvorträge, aber vor Abzug der anfallenden Steuern und vor Abzug der Tantiemen selbst.
Mit Abs. 3 erklärte sie sich bereit, die Gewinnbeteiligung dem Unternehmen mit Fälligkeit als Darlehen zur Verfügung zu stellen.
Die Arbeitszeit, den Arbeitsort und die Ausgestaltung ihrer Tätigkeit bestimmt sie gemäß § 3 des Vertrages selbständig unter
Berücksichtigung der Interessen des Unternehmens, dabei wurde von einer Vollzeittätigkeit ausgegangen.
Aus einer Mitgliedsbescheinigung der Beklagten und Berufungsklägerin (im Folgenden: Beklagte) vom 12. Juni 2007 geht hervor,
dass die Klägerin seit 1. September 2007 Mitglied bei der Beklagten ist. Mit Schreiben vom 24. Juli 2007 an die Beklagte beantragte
die Klägerin die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung gemäß §
28h Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV).
In einem von der Klägerin bereits am 28. November 2006 unterschriebenen "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung
eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH im Rahmen eines Anfrageverfahrens gemäß §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV" wird angegeben, der Bruder der Klägerin, M R, halte eine Stammeinlage von 20 %, ihre Tante C W eine Stammeinlage von 27
%, ihr Cousin T M eine Stammeinlage von 33 % und sie selbst eine Stammeinlage von 20 %. Die Klägerin könne durch Sonderrechte
Gesellschaftsbeschlüsse herbeiführen oder verhindern. Ihre Tätigkeit sei aufgrund von familienhaften Rücksichtnahmen durch
ein gleichberechtigtes Nebeneinander zu anderen Gesellschaftern geprägt. Ihre durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit betrage
50 bis 60 Stunden. Sie unterliege keinem Weisungsrecht der Gesellschaft bezüglich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung und
könne ihre Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten. Ihre Abberufung/Kündigung sei theoretisch möglich,
in der Praxis aufgrund Familienzugehörigkeit, besonderer Fachkenntnisse und Gesellschaftsanteilen jedoch nicht möglich. Eine
Vereinbarung hinsichtlich der Vergütung im Falle einer Arbeitsunfähigkeit sei nicht getroffen worden. Von ihrer Vergütung
werde Lohnsteuer entrichtet. Die Verbuchung der Vergütung erfolge als Lohn/Gehalt und Betriebsausgabe. Die GmbH werde nach
außen von den Geschäftsführern B. M und T M vertreten und von A K, M R und der Klägerin als Prokuristen. M R bestätigte in
einer Erklärung zu diesem Antrag, dass die Klägerin in der Praxis nicht dem Direktionsrecht der Gesellschafterversammlung
unterliege. Aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit, ihrer besonderen Unternehmenskenntnisse und ihres Gesellschaftsanteils habe
sie maßgeblichen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen und Gesellschaftsbeschlüsse. Zu keiner Zeit sei es zu Beschlüssen
oder Einzelanweisungen gekommen, die ihre Tätigkeit betroffen hätten.
Mit Bescheid vom 24. August 2007 an die Klägerin führte die Beklagte aus, die Klägerin sei zwar als Gesellschafterin an der
GmbH in Höhe von 20 % beteiligt, aber nicht als Geschäftsführerin tätig. Die GmbH werde von ihr nicht nach außen vertreten,
somit habe sie keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der GmbH. Seit jeher werde das Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe
verbucht und Lohnsteuer entrichtet. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen müsse daher
festgestellt werden, dass sie aufgrund ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 4. seit dem 1. September 2007 grundsätzlich
der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege.
Mit Schreiben vom 17. September 2007 legte die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch ein und führte aus, es spiele keine
Rolle, dass sie nicht Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 4. sei. Gesellschafter der Beigeladenen zu 4. seien außer ihr
ausschließlich Familienmitglieder. Bei einer derartigen Familien-GmbH komme es nicht darauf an, ob die herausragende Position
eines mitarbeitenden Familienangehörigen als Geschäftsführertätigkeit vertraglich vereinbart sei. Mit den für die Zeit ab
1. September 2009 geschlossenen vertraglichen Vereinbarungen hätten die Beteiligten zum Ausdruck gebracht, dass sie die Beigeladene
zu 4. als gemeinsames gleichberechtigtes Miteinanderleben erleben und gestalten würden. Dies finde sich nicht nur in der gleichberechtigten
Aufgabenverteilung wieder, sondern auch in der Vereinbarung über die Gewinnbeteiligung. Außerdem sei die Klägerin entsprechend
ihrem Gesellschaftsanteil Miteigentümerin der Betriebsstätte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Im Bescheid vom 24. August 2007 sei zutreffend
festgestellt worden, dass die Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Beigeladenen zu 4. stehe und der Kranken-,
Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherungspflicht unterliege. Belege dafür, dass sie zum 1. September 2007 in die Geschäftsleitung
gewechselt sei, seien nicht vorgelegt worden. Auch die Regelungen des Arbeitsvertrages sprächen für die Annahme einer abhängigen
Beschäftigung. Ein unternehmerisches Risiko, das nur vorliegen könne, wenn der wirtschaftliche Erfolg des eingesetzten Kapitals
bzw. der eingesetzten Arbeitskraft ungewiss sei, sei nicht gegeben. Bei Diensten höherer Art wie der Tätigkeit der Klägerin
bei der Beigeladenen zu 4. fehle es regelmäßig an Einzelweisungen. Das Weisungsrecht bleibe dennoch bestehen, weil sich auch
die Arbeitsleistung leitender Arbeitnehmer an einer funktionsgerechten Teilhabe am Arbeits- und Betriebszweck ausrichte. Die
Tatsache, dass das Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe gebucht und Lohnsteuer entrichtet werde, sei zudem ein deutliches Indiz
für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Auch die Behauptung, dass die Klägerin anteilig über Anlage- und Umlaufvermögen
verfüge, führe nicht zu der Annahme eines unternehmerischen Risikos. Die Bereitstellung von Anlage- und Umlagevermögen könne
für sich allein nicht zu einem sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis führen.
Gegen den Widerspruchsbescheid ist am 19. November 2007 Klage vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG) mit dem Begehren, festzustellen, dass die Klägerin seit dem 1. September 2007 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-,
Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege, erhoben worden. Es müsse berücksichtigt werden, dass es sich um
einen Familienbetrieb handele. Der Eintritt der Klägerin in die Geschäftsleitung ergebe sich aus der vertraglichen Vereinbarung
vom 1. Dezember 2006. Zudem trage sie ein Unternehmerrisiko, das sich nicht nur aus ihrer Kapitalbeteiligung von 20 % am Gesellschaftsvermögen
ergebe, sondern auch daraus, dass sie sich grundsätzlich zur Übernahme von Bürgschaften und Darlehen in den vertraglichen
Vereinbarungen bereit erklärt habe und zusätzlich zu ihrem festen monatlichen Gehalt eine Gewinnbeteiligung erhalte. Dem Umstand
des Miteigentums an der Betriebsstätte sei keine Beachtung geschenkt worden. Auch sei nicht beachtet worden, dass sich im
Hinblick auf die Anzahl der Gesellschafter bereits daraus, dass die Klägerin 20 % der Geschäftsanteile der Beigeladenen zu
4. halte, ein maßgeblicher Einfluss auch auf die Entscheidungen der Gesellschaft ergebe.
Mit Schreiben vom 12. Februar 2008 hat die Klägerin einen Nachweis über das Grundeigentum der Beigeladenen zu 4. an der Betriebsstätte
vorgelegt, ferner die Abschrift einer Urkundenrolle über die Bestellung einer Grundschuld an dem Grundstück und die Übertragung
des Gesellschaftsanteils auf sie im Jahre 2004 nebst Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen zu 4. In § 10 des Gesellschaftsvertrages
sind die genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäfte (teilweise 2/3-Mehrheit der Gesellschafter und teilweise einfache Mehrheit)
aufgeführt, in § 15 ist u.a. bestimmt, "jede 10.000,00 DM gewährt eine Stimme". Auf die vorgelegten Unterlagen wird Bezug
genommen.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2010 hat die Beklagte dem SG ein Protokoll einer Gesellschafterversammlung der Beigeladenen zu 4. vom 31. März 2010 übersandt, in welchem eine Stimmrechtsvereinbarung
der Gesellschafter der Beigeladenen zu 4. enthalten ist. Diese, von allen Gesellschaftern der Beigeladenen unterschriebene,
Stimmrechtsvereinbarung hat folgenden Inhalt:
"Zum formalen Nachweis im Rechtsverkehr halten wir die zwischen ihnen bestehende Vereinbarung wie folgt fest:
Zwischen uns als Gesellschaftern der R + C GmbH besteht eine Vereinbarung zur Stimmrechtsbindung, nach der die uns zustehenden
Stimmrechte als Gesellschafter der R + C GmbH nur abgestimmt, d. h. nur einstimmig ausgeübt werden dürfen. Die Vereinbarung
dient dem Erreichen und dem Erhalten einer effizienten und gemeinschaftlichen Führung des auf einen gemeinsamen Entschluss
hin gegründeten Unternehmens.
Diese Vereinbarung ist kündbar. Die Kündigung bedarf der Textform und hat mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gegenüber
den jeweils anderen Vertragsparteien per Einschreiben zu erfolgen. Das Recht zu einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung
aus wichtigem Grund bleibt hiervon unberührt."
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 11. November 2010 hat die Klägerin unter Bezugnahme auf die Stimmrechtsvereinbarung vom 31. März 2010 noch erklärt, es
habe bereits von Anfang an unter den Gesellschaftern ein Einstimmigkeitsverhältnis bestanden.
Mit Urteil vom gleichen Tage hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Beigeladene
zu 4. seit dem 1. September 2007 nicht der Gesamtsozialversicherungspflicht unterliege.
Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, die Gesamtwürdigung der Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 4. ergebe, dass die Umstände,
die für eine selbständige Tätigkeit gegenüber denjenigen, die für eine abhängige Beschäftigung sprächen, überwögen. Für eine
selbständige Tätigkeit spreche, dass die Klägerin den ihr übertragenen Aufgabenbereich selbständig und eigenverantwortlich
ausführe. Auch sei sie nach der tatsächlichen Gestaltung ihrer Tätigkeit hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort ihrer Tätigkeit
im Wesentlichen weisungsfrei. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ihr durch die Gesellschafterversammlung
in wesentlichem Umfang tatsächlich Weisungen erteilt würden bzw. worden seien. Dass der Klägerin im Vertrag vom 1. Dezember
2006 zugestanden worden sei, über die Aufnahme etwaiger Nebentätigkeiten und Ehrenämter zu entscheiden, spreche ebenfalls
gegen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung, ebenso wie der Umstand, dass keinerlei vertragliche Regelung hinsichtlich
Urlaub und Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall getroffen worden seien. Entscheidend für die Annahme einer selbständigen
Tätigkeit spreche schließlich ihr wesentliches eigenes Unternehmerrisiko. Ein solches sei hier vorliegend zum einen bereits
nach der vertraglichen Ausgestaltung der Vergütungsregelung mit Gewinnbeteiligung und zur-Verfügung-Stellen der Gewinnbeteiligung
als Darlehen gegeben, auch wenn die Klägerin nach ihren Angaben bislang noch keine derartige Gewinnbeteiligung erhalten habe
und erfolgsabhängige Zulagen bei Diensten höherer Art nicht unüblich seien. Entscheidend sei, dass sich aus der tatsächlichen
Durchführung des Vertrages ergebe, dass die Klägerin die vertraglich vereinbarte Grundvergütung für die von ihr durchgeführte
Tätigkeit zunächst in den Jahren 2007 und 2008 aufgrund einer von den Gesellschaftern im Hinblick auf die wirtschaftliche
Entwicklung des Unternehmens getroffenen Vereinbarung nicht in vollem Umfang erhalten habe und sich somit ihr wesentliches
eigenes Unternehmerrisiko auch tatsächlich realisiert habe. Dem stünden die Zahlung von Lohnsteuer sowie die Verbuchung als
Betriebsausgabe nicht entgegen, auch wenn dies im Regelfall auf eine abhängige Beschäftigung schließen lasse.
Gegen das ihr am 20. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. Januar 2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung
der Berufung ist ausgeführt worden, die Gesamtwürdigung der Umstände spreche dafür, dass die Klägerin in einem abhängigen
Beschäftigungsverhältnis stehe. Insbesondere sei der Umstand, dass die Klägerin nur über 20 % der Gesellschaftsanteile verfüge
und keine Geschäftsführertätigkeit ausübe, dafür maßgeblich, dass sie nicht als Selbständige zu beurteilen sei.
In einem Handelsregisterauszug vom 25. Oktober 2013 wird unter "Allgemeine Vertretungsregelung" aufgeführt, dass, soweit nur
ein Geschäftsführer bestellt sei, dieser die Gesellschaft allein vertrete. Bei mehreren Geschäftsführern werde die Gesellschaft
durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten. Der Geschäftsführer
T M habe die Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte
abzuschließen. Gesamtprokura gemeinsam mit einem Geschäftsführer oder einem anderen Prokuristen ist nach dem Handelsregisterauszug
der Klägerin, Herrn A K und Herrn M R erteilt.
Mit Schreiben vom 25. Oktober 2013, 30. Oktober 2013, 31. Oktober 2013 und 8. November 2013 haben die Beteiligten die Zustimmung
zu einer Übertragung der Sache auf die Vorsitzende als Einzelrichterin erklärt.
Die Beklagte beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts vom 11. November 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Berufung zurückzuweisen.
Mit Schreiben vom 20. November 2013 hat die Klägerin noch mitgeteilt, ihre monatliche Vergütung habe von September 2007 bis
Januar 2009 3.950,00 EUR, von Februar 2009 bis Dezember 2010 4.550,00 EUR, von Januar 2011 bis Februar 2013 5.323,13 EUR,
im März 2013 5.350,00 EUR, von April 2013 bis Juli 2013 4.500,00 EUR und seit August 2013 5.350,00 EUR betragen. Im Termin
zur mündlichen Verhandlung vom 22. November 2013 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darüber hinaus die Kopie einer
selbstschuldnerischen Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 100.000,00 EUR vom 10. Juni 2013 überreicht, die von der Klägerin,
Herrn T M und Herrn M R unterschrieben ist. Angesichts der im Termin vorgelegten Höchstbetragsbürgschaft und da bis zum Termin
hinsichtlich der Stimmbindungsvereinbarung vom 31. März 2010 keine Ausführungen der Beteiligten erfolgt waren, ist Gelegenheit
zur abschließenden Stellungnahme gegeben und der Rechtsstreit vertagt worden.
Die Klägerin, die Beklagte, die Beigeladene zu 1., 3. und 4. haben sich im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22. November
2013 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Die Beigeladene zu 2. hat sich mit Schriftsatz
vom 3. Dezember 2013 ebenfalls mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2013 hat die Klägerin noch ergänzend vorgetragen und insbesondere ausgeführt, sie erhalte
eine "Zunächst"Vergütung, abhängig vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zuzüglich einer 10 %-igen Gewinnbeteiligung.
Die Zahlung des Entgeltes richte sich damit nach der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens und stelle kein festes monatliches
Entgelt dar. Die Klägerin habe sich vertraglich bereit erklärt, ihre Gewinnbeteiligung dem Unternehmen als Darlehen zur Verfügung
zu stellen und auch generell ihre Bereitschaft zur Übernahme von Bürgschaften erklärt. Diese Vereinbarungen seien auch tatsächlich
umgesetzt worden. So ergebe sich aus der tatsächlichen Durchführung des Vertrages, dass die Klägerin die darin benannte Vergütung
nicht erhalten, sondern diese, eben abhängig vom Unternehmenserfolg, zunächst unterschritten worden sei, später überschritten,
dann wieder darunter gefallen sei. Gleichsam sei auch der Fall des Erfordernisses zusätzlicher privater Haftung für betriebliche
Verbindlichkeiten eingetreten, soweit die Klägerin eine Bürgschaftsübernahme erklärt habe. Damit trage sie persönlich direkt
unternehmerisches Risiko, zumal neben der Übernahme von Risiken auch Chancen genutzt werden könnten und die Klägerin maßgeblichen
Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft nehmen könne. Grundlage hierfür bilde die seit 2007 bestehende, im Jahr 2010
auch schriftlich abgefasste Stimmbindungsvereinbarung, die bewirke, dass eine Beschlussfassung nur einheitlich getragen und
von allen Gesellschaftern bewirkt werden könne. Grundsätzlich stehe jedem Gesellschafter das Stimmrecht aus § 47 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) zu. Er könne darüber hinaus Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft nehmen. Durch einen Stimmbindungsvertrag -
wie dem vorliegenden - verpflichteten sich die Gesellschafter, zumeist im Rahmen einer
BGB-Innengesellschaft, das Stimmrecht nur in der vereinbarten Art und Weise auszuüben. Derartige Stimmbindungen seien als Vereinbarungen
eines koordinierten Abstimmungsverhaltens außerhalb der Gesellschaftersatzung bzw. des Gesellschaftsvertrages formfrei vereinbar,
grundsätzlich zulässig und wirksam. Auch in der Rechtsprechung sei für Gesellschaften mit beschränkter Haftung einheitlich
anerkannt, dass Stimmbindungsverträge wirksam seien. Die Bindung könne in verschiedenen rechtlichen Formen erfolgen, insbesondere
durch Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Ein Stimmrechtsbindungsvertrag wie er hier vorliege, stehe in keinem
Widerspruch zum Gesellschaftsvertrag, da die Stimmbindungsvereinbarung lediglich den Weg vorgebe, wie Mehrheitserfordernisse
des Gesellschaftsvertrages erreicht würden. Sie sei Ausdruck der in Deutschland geltenden Vertragsfreiheit. Die Stimmbindungsvereinbarung
sei ein Vertrag, der die Parteien binde. Er bilde mithin das der Beurteilung zu Grunde zu legende Rechtsverhältnis. Rechte
und Pflichten aus einer solchen Abrede seien einklagbar und vollstreckbar, es könne sogar einstweiliger Rechtsschutz usw.
in Anspruch genommen werden. Habe aber die Klägerin einen durchsetzbaren Anspruch auf Einhaltung der Stimmbindung, könne sie
entsprechendes Verhalten also gerichtlich geltend machen und vollstrecken, sei dies nichts anderes als ein maßgeblicher Einfluss
auf die Beschlussfassung der GmbH. Vertragliche Abreden seien dort, wo sie rechtlich wirksam seien, beachtliche Tatsachen
für die Beurteilung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung. Wirksame Abreden seien dann auch für die Vertragschließenden
selbst verbindlich und könnten nicht etwa nach Maßgabe ihrer jeweiligen Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete
beschränkt werden. Die grundsätzliche Formlosigkeit und jederzeitige Kündbarkeit der Stimmbindungsvereinbarung führe zu keiner
anderen Würdigung. Die Kündigungsmöglichkeit sei Dauerschuldverhältnissen immanent, gelte gleichermaßen auch für Gesellschaftsverträge
etc. Hinzu komme, dass gerade die Möglichkeit von Konflikten der Grund gewesen sei, die Stimmbindungsabrede zu verschriftlichen,
da die Beteiligten hätten klarstellen wollen, dass solche nur durch gemeinsames Agieren überstanden werden könnten. Es könne
nicht unterstellt werden, dass ein Konfliktfall zur Kündigung der Vereinbarung führe. Hinzu komme, dass, wenn man mögliche
Verhaltensweisen der Beurteilung anstelle gegebener Verträge zugrunde legen wolle, eine Beurteilung unmöglich gemacht werde.
So sei schon nicht ersichtlich, dass im Konfliktfall eine Kündigung tatsächlich erfolge. Gleichermaßen wahrscheinlich sei,
dass die Beteiligten die Vereinbarung ernst nähmen und eine gemeinsame Lösung des Konfliktes anstrebten. Selbst wenn man davon
ausgehe, dass eine Kündigung erfolge, dürfe aber auch nicht unterstellt werden, die Tätigkeit würde fortgesetzt und der Betroffene
füge sich in die Rechtsmacht der anderen. Wahrscheinlicher erscheine, dass in einem solchen Fall, der ja ein offensichtlich
unüberbrückbares Zerwürfnis darstelle, auch die Zusammenarbeit ein Ende finde. Genau diesen Unwägbarkeiten habe das Bundessozialgericht
mit seiner "Schönwetterrechtsprechung" eine Absage erteilt, indem es auf die vertraglichen Regelungen abstelle. Den Entscheidungen
sei gerade nicht zu entnehmen, dass die Kündigungsmöglichkeit von wirksamen Verträgen Einfluss auf die Statusentscheidung
habe, vielmehr habe jeweils eine abweichende praktische Handhabe zur Beurteilung gestanden, die die Verträge unangetastet
gelassen habe. Des Weiteren werde darauf hingewiesen, dass vorliegend keiner der Gesellschafter allein über die Rechtsmacht
aus dem Gesellschafteranteil verfüge, Beschlüsse allein herbeizuführen oder zu verhindern. Entsprechend wäre vorliegend, würde
man allein auf die Beteiligungshöhe abstellen wollen, ein Unternehmen gegeben, das keinen Unternehmer ausweise. Hinzuweisen
sei weiter darauf, dass die beiden anderen im Unternehmen tätigen Gesellschafter, Herr R und Herr M, jeweils als nichtsozialversicherungspflichtig
durch die jeweilige Einzugsstelle beurteilt worden seien, was im Rahmen einer Betriebsprüfung nicht beanstandet worden sei.
Ausweislich des Protokolls zur Schlussbesprechung habe die Betriebsprüfung keine Beanstandungen ergeben und der sozialversicherungsrechtliche
Status der aktiven Gesellschafter sei ausdrücklich vermerkt. Gerade der sozialversicherungsrechtliche Status des Herrn R könne
nur identisch zum vorliegend streitigen Sachverhalt beurteilt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aus beiden
Rechtszügen und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Beigeladenen zu 3. verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch die Vorsitzende und Berichterstatterin als Einzelrichterin und im schriftlichen Verfahren entscheiden,
da die hierfür erforderlichen Einverständniserklärungen erteilt wurden.
Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet. Das SG hat, soweit die Zeit ab dem 31. März 2010 betroffen ist, die angefochtenen Bescheide der Beklagten zu Recht aufgehoben und
festgestellt, dass die Klägerin nicht der Pflichtversicherung in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung und nach dem
Recht der Arbeitsförderung unterliegt. In der Zeit vom 1. September 2007 bis zum 30. März 2010 war die Klägerin abhängig beschäftigt
und in der Renten- Kranken- und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung pflichtversichert. Insoweit musste
das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen werden. Soweit die Klägerin nicht Beschäftige i. S. d. §
7 Abs.
1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) ist, war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte war vorliegend zur Entscheidung über die Gesamtsozialversicherungspflicht befugt. Nach §
28h Abs.
2 Satz 1
SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung und erlässt den Widerspruchsbescheid. An sie ist der Gesamtsozialversicherungsbeitrag
zu zahlen, sie überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und macht die Beitragsansprüche geltend (§
28h Abs.
1 SGB IV). § 28i
SGB IV bestimmt die für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zuständige Einzugsstelle. Dies ist nach Satz 1 der Vorschrift grundsätzlich
die Krankenkasse, von der die Krankenversicherung durchgeführt wird, vorliegend somit die Beklagte. Eine Zuständigkeit der
Deutschen Rentenversicherung Bund aufgrund der Vorschrift des §
7a Abs.
1 Satz 1
SGB IV, wonach die Beteiligten bei letzterer schriftlich die Entscheidung beantragen können, ob eine Beschäftigung vorliegt, ist
vorliegend nicht gegeben.
Die beiden Verfahren stehen grundsätzlich gleichwertig nebeneinander, wobei die Zuständigkeit der Einzugsstelle zum einen
durch die Vorschrift des §
7a Abs.
1 Satz 1 i.V.m. Abs.
2 SGB IV, wonach die Beteiligten bei der Deutschen Rentenversicherung Bund beantragen können, den Status des Erwerbstätigen feststellen
zu lassen, sofern nicht die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein
Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet haben, eingeschränkt ist und zum anderen dadurch, dass nach §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV die Einzugsstelle einen Antrag nach Satz 1 zu stellen hat, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers ergibt, dass der Beschäftigte
Angehöriger bzw. (seit 1. September 2009) Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgeber oder geschäftsführender
Gesellschafter einer GmbH ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 KR 15/10 R - juris Rn. 22ff.; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2. Juli 2013 - L 1 KR 572/11 - juris Rn. 35 f.). Vorliegend sind jedoch die Voraussetzungen des §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV nicht erfüllt und ein weiteres Feststellungsverfahren war, soweit ersichtlich, nicht bereits eingeleitet. Zudem hat die Klägerin
bei der Beklagten ausdrücklich einen Antrag auf "sozialversicherungsrechtliche Beurteilung gemäß §
28 h SGB IV" gestellt. Dem von ihr bereits am 28. November 2006 ausgefüllten "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung
eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH im Rahmen eines Anfrageverfahrens gemäß §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV" lässt sich nicht entnehmen, dass sie abweichend hiervon eine Feststellung gemäß §
7a Abs.
2 SGB IV durch die Deutsche Rentenversicherung Bund begehrte. Ohnehin ist dieser Feststellungsbogen im Falle der Klägerin nicht einschlägig,
da sie nicht Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 4 ist.
Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegen
grundsätzlich Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen)
Beschäftigung ist §
7 Abs.
1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§
7 Abs.
1 S 1
SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung
in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich
bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.
Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten
Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRS; vgl zuletzt BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. April 2013 - B 12 KR 19/11 R - juris Rn. 13).
Die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine
wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis
der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst
das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer
gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung entstehende tatsächliche
Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der
nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechtes unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition
nicht wirksam abgedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinn gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung
auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (so schon BSG, Urteil vom 8. August 1990 - 11 RAr 77/89 - juris - Leitsatz 1). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen
abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich
zulässig ist (BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - juris Rn. 16).
Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall, da die Klägerin nicht im eigenen, sondern einem fremden Betrieb tätig ist.
Die alleinige Unternehmensinhaberin ist die Beigeladene zu 4, die als GmbH ein Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit
ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen und deren verwandtschaftlichen
oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss (BSG, aaO., Rn. 18). Zu berücksichtigen ist insoweit, dass ein in einer leitenden Funktion in einer GmbH Tätiger nicht deshalb
als selbständig Tätiger anzusehen ist, weil er gegenüber den Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt. Maßgebend
ist vielmehr die Bindung an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter. Deshalb hat das BSG bei den sog. Fremdgeschäftsführern in der Regel eine abhängige Beschäftigung angenommen. In gleicher Weise wird bei Geschäftsführern,
die zwar zugleich Gesellschafter sind, jedoch weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte
Sperrminorität verfügen, in der Regel eine abhängige Beschäftigung angenommen. Eine abweichende Beurteilung kommt nur dann
in Betracht, wenn besondere Umstände den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (z. B. BSG, Urteil vom 6. März 2003 - B 11 AL 25/02 R - juris Rn. 17).
In Anwendung dieser Grundsätze war die Klägerin (nur) in der Zeit vom 1. September 2007 bis 30. März 2010 Beschäftigte i.
S. d. §
7 Abs.
1 SGB IV.
Ausgangspunkt der Prüfung ist der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 4. geschlossene Vertrag vom 1. Dezember 2006,
nach dem die Klägerin vollzeitig tätig und jedenfalls in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 4. eingebunden war. Indiz
für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist weiter die Vereinbarung eines regelmäßigen monatlichen Entgeltes. Zwar
hat die Klägerin im weiteren Verlauf nicht dieses - an sich wirksam vereinbarte - Entgelt erhalten, sondern ein an der jeweiligen
Ertragslage der Beigeladenen zu 4. orientiertes Entgelt, das jedoch der Höhe nach dem ursprünglich vereinbarten Entgelt im
Wesentlichen vergleichbar war. Die im Übrigen getroffenen Regelungen - eigenverantwortliche Leitung des kaufmännischen Bereichs
der Beigeladenen zu 4., uneingeschränkte Handlungsvollmacht und Verfügungsvollmacht über das Betriebskonto, Gewinnbeteiligung,
selbständige Bestimmung von Arbeitszeit, Arbeitsort und Ausgestaltung ihrer Tätigkeit - sind, da es sich um Dienste höherer
Art handelt, jedenfalls mit der Feststellung abhängiger Tätigkeit vereinbar und lassen für sich genommen ebenso wenig wie
die Übernahme einer Bürgschaft nicht den Schluss auf das Vorliegen abhängiger oder selbständiger Tätigkeit zu (vgl. hierzu
BSG, aaO., Rn. 28f). Für eine abhängige Tätigkeit spricht darüber hinaus, dass der Klägerin nach dem Vertrag vom 1. Dezember
2006 die eigenverantwortliche Leitung nur des kaufmännischen Bereichs der Beigeladenen zu 4. und der Personalverantwortung
in diesem Bereich oblag.
Entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbständigen bzw. abhängigen Tätigkeit ist auch bei Familiengesellschaften
die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. der Unternehmensführung abzuwenden (BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 R 14/10 R - juris Rn. 28). Diese Möglichkeit hatte die Klägerin bis zum 30. März 2010 nicht; insbesondere nicht allein aufgrund ihrer
Beteiligung an der Beigeladenen zu 4., da eine Beteiligung von 20 % ohne gleichzeitig vereinbarte Sperrminorität keine rechtliche
Möglichkeit eröffnet, unliebsame Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu verhindern.
Dabei bezweifelt das Gericht nicht, dass die Gesellschaft nach dem Willen ihrer Gesellschafter bereits vor dem 31. März 2010
einvernehmlich geführt werden sollte bzw. wurde. Jedoch kann von einer rechtlich bindenden Vereinbarung der Gesellschafter
der Beigeladenen zu 4. dahin, dass sie ihr Stimmrecht nur einheitlich ausüben wollten, erst für die Zeit ab dem 31. März 2010
ausgegangen werden. Anhaltspunkte dafür, dass vor diesem Zeitpunkt bereits ein entsprechender Rechtsbindungswille der Gesellschafter
vorhanden war, war, finden sich allenfalls insoweit, als in dem am 26. November 2006 von dem Gesellschafter R und der Klägerin
unterschriebenen "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer
GmbH im Rahmen eines Anfrageverfahrens gemäß §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV" angegeben wird, die Klägerin könne durch Sonderrechte Gesellschaftsbeschlüsse herbeiführen oder verhindern. Jedoch enthält
der Feststellungsbogen keine Hinweise darauf, um welche Sonderrechte es sich hierbei handeln könnte, obwohl es nahegelegen
hätte, an dieser Stelle auf eine rechtlich bindende Vereinbarung der Gesellschafter zur einheitlichen Stimmabgabe hinzuweisen.
Dies ist nicht nur nicht erfolgt, sondern der Gesellschafter R hat in der dem Feststellungsbogen angefügten Erklärung wiederum
ausgeführt, die Klägerin unterliege in der Praxis nicht dem Direktionsrecht der Gesellschafterversammlung und darüber hinaus
ausdrücklich festgehalten, sie habe "aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit, ihrer besonderen Unternehmenskenntnisse und ihres
Gesellschaftsanteils" maßgeblichen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen und Gesellschaftsbeschlüsse. Die über die genannten
Umstände weit hinaus gehende Einflussmöglichkeit aufgrund einer Stimmbindungsvereinbarung wird auch an dieser Stelle nicht
aufgeführt. Hieraus kann nur geschlossen werden, dass ein rechtlich verbindlicher Wille der Gesellschafter zur einheitlichen
Stimmabgabe zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestanden hatte. Hiermit in Übereinstimmung steht, dass auf die Frage im Feststellungsbogen,
ob eine Abberufung/Kündigung möglich sei, nicht geantwortet wurde, dies sei wegen einer internen Verpflichtung zur einheitlichen
Stimmabgabe nicht möglich, sondern von einer (theoretischen) Kündigungsmöglichkeit ausgegangen wurde, die jedoch in der Praxis
aufgrund Familienzugehörigkeit, besonderer Fachkenntnisse und Gesellschaftsanteil nicht möglich sei. Auch hier fehlt ein Hinweis
auf eine - rechtlich bindende - Stimmbindungsvereinbarung, die eine Kündigung der Klägerin deutlich mehr erschwert hätte als
ihre besonderen Fachkenntnisse oder ihre Familienzugehörigkeit.
Des Weiteren ist weder im Antrag vom 24. Juli 2007 noch im Widerspruchsschreiben vom 17. September 2007 noch im Rahmen der
Klagebegründung bzw. dem weiteren Schriftverkehr im Klageverfahren auf eine Stimmbindungsvereinbarung hingewiesen worden,
obwohl jeweils dargelegt und auch ausführlich begründet worden ist, dass die Klägerin gleichberechtigt in der Firma mit den
anderen Gesellschaftern arbeite. So ist in der Klagebegründung ausgeführt worden, es sei nicht ausreichend beachtet worden,
dass die Klägerin einen Gesellschaftsanteil von 20 % innehabe und sich bereits hieraus ein maßgeblicher Einfluss auf die Gesellschaft
ergebe. Auch in diesem Zusammenhang kann aus der Nichterwähnung einer Stimmbindungsvereinbarung nur geschlossen werden, dass
ein rechtlich verbindlicher Wille der Gesellschafter zur einheitlichen Stimmabgabe zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestanden
hat.
Damit hatte die Klägerin nicht die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter
Gesellschafter-Geschäftsführer ihr nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden. Ohnehin blieb ihre Position innerhalb des
Unternehmens deutlich hinter der organschaftlich begründeten Stellung eines Geschäftsführers zurück. Insoweit ist zu berücksichtigen,
dass bereits aufgrund einer Unterordnung unter den Geschäftsführer regelmäßig von einer Beschäftigung auszugehen ist (BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - juris Rn. 25 m. w. N.; vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - juris Rn. 14 f.).
Jedoch hatte die Klägerin ab dem 31. März 2010 die Rechtsmacht, ihr nicht genehme Weisungen abzuwenden.
Zwar begründet die an diesem Tag zwischen allen Gesellschaftern der Beigeladenen zu 4. geschlossene sog. Vereinbarung zur
Stimmrechtsbindung lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung zu einer einstimmigen Stimmabgabe. Dies hat zur Folge, dass
eine Stimmabgabe in der Regel auch dann gültig ist, wenn sie entgegen einem wirksamen Stimmbindungsvertrag erfolgt; ein Mangel
des Gesellschafterbeschlusses wird durch eine Stimmabgabe entgegen der Stimmvereinbarung grundsätzlich nicht bewirkt (Zöllner
in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 47 Rn. 117). Bindungswidrig abgegebene Stimmen sind hiernach gültig, so dass eine Stimmbindungsvereinbarung keinen unmittelbaren
Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft hat; sie reicht noch nicht in den Bereich hinein, der wegen seines organisationsrechtlichen
Charakters durch Satzung bzw. Satzungsänderung in der dafür vorgesehenen Form geregelt werden muss (OLG Köln, Urteil vom 25.
Juli 2002 - 18 U 60/02 - juris Rn. 62). Deshalb begründen Stimmbindungsverträge nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen im Regelfall
nur zwischen den an ihnen beteiligten Gesellschaftern schuldrechtliche Ansprüche und ein Streit um die Rechtsfolgen der Verletzung
einer Stimmbindungsvereinbarung ist grundsätzlich nur unter den an der Vereinbarung Beteiligten und nicht mit der Hauptgesellschaft
auszutragen (Saarländisches OLG, Urteil vom 24. November 2004 - 1 U 202/04 - juris Rn. 54 m.w.N.).
Anderes gilt jedoch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht nach eigener Prüfung anschließt,
bei Stimmbindungsverträgen, an denen alle Gesellschafter einer Gesellschaft beteiligt sind. Haben sich alle Gesellschafter
außerhalb der Satzung ihren Mitgesellschaftern gegenüber schuldrechtlich verpflichtet, Gesellschaftsbeschlüsse nur einstimmig
zu fassen, können nämlich Beschlüsse, die in Übereinstimmung mit der Satzung der Gesellschaft (idR mit der Mehrheit bzw. einer
Zweidrittelmehrheit der Stimmen), jedoch unter Verstoß gegen eine alle Gesellschafter bindende schuldrechtliche Verpflichtung
ergangen sind, mit der Klage gegen die Gesellschaft angefochten werden, da in diesem Falle kein Grund besteht, die vertragswidrig
überstimmten Gesellschafter auf den umständlichen Weg einer Klage gegen die Mitgesellschafter zu verweisen, um durch deren
Verurteilung zu einer gegenteiligen Stimmabgabe den Beschluss aus der Welt zu schaffen (Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom
20. Januar 1983 - II ZR 243/81 - juris Rn. 11; bestätigt in BGH, Urteil vom 27. Oktober 1986 - II ZR 240/85 - juris Rn. 15; Zöllner in: aaO.).
Da die Klägerin hiernach einen unter Verletzung der Stimmbindungsvereinbarung vom 31. März 2010 ergangenen Gesellschafterbeschluss
wegen dieser Verletzung durch Klage gegen die Gesellschaft anfechten könnte, ist ihre Rechtsmacht ab diesem Zeitpunkt der
eines Gesellschafters mit Sperrminorität vergleichbar, da sie seither aufgrund der ihr durch die Stimmbindungsvereinbarung
verliehenen Rechtsmacht ihr nicht genehme Beschlüsse und Weisungen abwenden kann Damit ist sie für die Zeit ab dem 31. März
2010 nicht (mehr) Beschäftigte i.S.d. §
7 Abs.
1 SGB IV (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - juris Rn. 14).
Aus der (abhängigen) Beschäftigung der Klägerin (1. September 2007 bis 30. März 2010, s.o.) folgt die Versicherungspflicht
in den Zweigen der Sozialversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V], § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Elftes
Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI], § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]) und nach dem Recht der Arbeitsförderung
(§ 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]). Die Klägerin war auch nicht etwa wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze
ab dem 1. Februar 2009 bis zum 30. März gemäß §
6 Abs.
1 Nr.
2 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei, obwohl sie in dieser Zeit mit 4.550,00 EUR monatlich (vgl. insoweit
das Schreiben der Klägerin vom 20. November 2013) ein über der maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenze (4.050,00 EUR monatlich
in 2009 und 4.162,50 EUR monatlich in 2010) liegendes Einkommen erzielte, da nach der vom 1. Januar 2009 bis 30. Dezember
2010 maßgeblichen Fassung des §
6 Abs.
1 Nr.
1 SGB V Versicherungsfreiheit nur dann gegeben war, wenn die jeweils maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze an drei aufeinander folgenden
Kalenderjahren überstiegen wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.