Unstatthaftigkeit der Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren aufgrund Nichterreichens des erforderlichen Beschwerdewerts
Anforderungen an die Bestimmung des Beschwerdewerts für ein Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
Gründe
I.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorläufige Verpflichtung zur Zahlung weiterer Leistungen für
die Kosten der Unterkunft (KdU) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) vom 11. März bis 31. August 2015.
Die Antragsteller und Beschwerdegegner bezogen als Bedarfsgemeinschaft laufende Leistungen nach dem SGB II. Mietvertraglich sollten für die 82 m² große Wohnung monatlich eine Kaltmiete i.H.v. 320 € und Nebenkosten i.H.v. 180 € zahlen
sein. Vermieter war eine GmbH, deren Gesellschafter u.a. der Vater der Beschwerdegegnerin zu 1. war.
Für den Bewilligungsabschnitt von September 2014 bis Februar 2015 hatte der Beschwerdeführer bestandskräftig nur KdU für die
Nebenkosten wie Abfallgebühren, Ab- und Trinkwasserabschläge bewilligt. Er ging nicht von einer ernsthaften mietvertraglichen
Zahlungspflicht aus.
Auf den Weiterzahlungsantrag der Beschwerdegegner bewilligte der Beschwerdeführer diesen mit Bescheiden vom 21. Februar und
20. Juni 2015 vom 1. März bis 31. August 2015 wiederum nur KdU für die anfallenden Abfallgebühren, Ab- und Trinkwasserabschläge
(insgesamt: 935,84 €) sowie den Mehrbedarf für Warmwassererzeugung nach § 21 Abs. 7 SGB II i.H.v. 18,48 €/Monat (insgesamt: 110,88 €).
In ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Magdeburg vom 11. März 2015 haben die Beschwerdegegner die
vorläufige Zahlung der kalten Mietkosten abzüglich der bereits gezahlten Kosten geltend gemacht. Sie haben u.a. auf eine fristlose
Kündigung vom 25. November 2014 verwiesen.
Das Sozialgericht hat den Beschwerdeführer mit Beschluss vom 6. Juli 2015 verpflichtet, den Beschwerdegegnern „vorläufig vom
11. März bis 31. August 2015, Kosten der Unterkunft in Höhe von 320 €, abzüglich der bereits gewährten monatlichen Kosten
der Unterkunft, die durch Bescheid vom 21. Februar 2015 festgestellt wurden, zu gewähren.“ Im Übrigen ist der Antrag abgelehnt
worden. In der Begründung des Beschlusses heißt es, von der vereinbarten Miete seien wie beantragt die Kosten der Warmwassererzeugung,
Trinkwasserkosten und Abfallgebühren abzuziehen.
Der Beschwerdeführer hat den Beschluss mit Ausführungs- und Änderungsbescheiden vom 23. sowie 25. Juli und 27. August 2015
umgesetzt. Dabei hat er den Beschwerdegegnern vorläufig für den 11. bis 31. März 2015 KdU i.H.v. 250,65 € und für die Zeit
vom 1. April bis 31. August 2015 i.H.v. 301,52 €/Monat bewilligt. Insgesamt ist ein Nachzahlbetrag von 677,08 € ausgezahlt
worden.
Am 28. Juli 2015 hat der Beschwerdeführer Beschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er ist der Auffassung,
in der Gesamtschau spreche mehr gegen eine entgeltliche Durchführung des Mietvertrags und eine daraus resultierende Pflicht
zur Übernahme einer Kaltmiete.
Auf den richterlichen Hinweis vom 17. Dezember 2020 hinsichtlich der fraglichen Zulässigkeit der Beschwerde hat der Beschwerdeführer
unter dem 24. Februar 2021 weiter ausgeführt: Er sei vom Sozialgericht zur Zahlung von 1.920 € (320 € x 6 Monate) abzüglich
der bereits gewährten 935,16 € verpflichtet worden; die Differenz betrage also 984,16 €. Auch bei Abzug des Mehrbedarfs nach
§ 21 Abs. 7 SGB II sei die Beschwerdesumme von 750 € erreicht. Dass die Ausführungs- und Änderungsbescheide teilweise fehlerhaft seien, habe
keinen Einfluss auf die Statthaftigkeit seiner Beschwerde.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Juli 2015 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegner haben keine Ausführungen gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten des Beschwerdeführers
haben vorgelegen.
II.
1.
2.
Sie ist aber nicht statthaft im Sinne vom § 172 Abs. 3 Nr.
1 i.V.m. §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG. Danach ist die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung
nicht zulässig wäre. Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss
des Landessozialgerichts (LSG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung
oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 € nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende
oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
a.
Wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr sind hier nicht im Streit.
b.
Der Beschwerdewert von mehr als 750 € wird hier nicht erreicht. Denn Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nur die vorläufige
Verpflichtung zur Zahlung von weiteren 677,08 €.
Der Wert des Beschwerdegegenstands bemisst sich danach, was mit dem Rechtsmittel verfolgt wird. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt
der Einlegung der Beschwerde; eine spätere Änderung ist nicht von Bedeutung (Böttiger in: Breitkreuz-Fichte,
SGG, 2. Aufl., §
172 Rn. 45a). Dabei orientiert sich der Begriff der „Hauptsache“ in §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG an der fiktiven Frage, ob in einem Verfahren der Hauptsache über den im einstweiligen Rechtsschutz streitigen Antrag eine
potentielle Berufung der Zulassung bedürfte (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 12. November 2020, L 5 AS 257/19 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. August 2018, L 9 SO 413/18 B ER).
Der Beschluss vom 21. Februar 2015 ist hinsichtlich der Höhe der tenorierten vorläufigen Zahlungsverpflichtung auslegungsbedürftig
gewesen, da das Sozialgericht für die einzelnen Monate des Verpflichtungszeitraums keine konkreten Zahlungsbeträge festgestellt
hat.
Der Beschwerdeführer hat den Beschluss umgesetzt und den Beschwerdegegnern mit den Ausführungs- und den Änderungsbescheiden
für den Zeitraum vom 11. März bis 31. August 2015 vorläufig einen Betrag für die KdU von insgesamt weiteren 677,08 € bewilligt
und ausgezahlt. Dies ist der Betrag, der aus Sicht des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung den Beschwerdegegnern
vom Sozialgericht vorläufig zugesprochen worden ist. In dieser Höhe hat er sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
beschwert gefühlt.
Es hat auch zwischen den Beteiligten kein Streit darüber bestanden, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur die vorläufige
Verpflichtung zur Zahlung von weiteren 677,08 €, und nicht etwa eines höheren Betrags ist. So haben die Beschwerdegegner nicht
gemäß §
199 Abs.
1 Nr.
2 SGG die Vollstreckung aus dem Beschluss über einen höheren zu zahlenden Betrag eingeleitet. Auch hat der Beschwerdeführer nach
Kenntnis der fehlerhaften Umsetzung des Beschlusses im Dezember 2020 keinen Bescheid zur Änderung der Ausführungs- und Änderungsbescheide
erlassen und auch nicht vorläufig einen höheren Betrag bewilligt.
Nicht von Bedeutung ist dabei der Einwand im Schriftsatz vom 20. Februar 2021, dass der Beschwerdeführer - bei korrekter Umsetzung
des sozialgerichtlichen Beschlusses - mit einem Betrag von mehr als 750 € beschwert gewesen wäre. Dabei handelt es sich um
eine nachträgliche Erhöhung des Beschwerdewerts, die unzulässig ist. Maßgeblich ist allein der Wert des Beschwerdegegenstands
zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§
177 SGG).