Gründe:
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Ablehnung des Vorsitzenden der 16. Kammer des Sozialgerichts (SG) Magdeburg wegen der Besorgnis der Befangenheit.
In der Hauptsache verfolgt der Kläger die Herausgabe des Bescheides der Beklagten vom 13. April 2007. Nachdem der Richter
am SG R. am 1. Januar 2010 für das Verfahren zuständig geworden war, bat er die Beklagte um Übersendung des vorgenannten Bescheides.
Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2010 übersandte die Beklagte eine Zweitschrift des Bescheides an das SG, das diese an den Kläger weiterleitete. Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2010 erhob der Kläger beim SG Widerspruch gegen den "ihm jetzt bekannt gegebenen Bescheid der Beklagten". Mit gerichtlichem Schreiben vom 26. Februar 2010
bat der Richter am SG R. den Kläger um Mitteilung, ob die Herausgabeklage als erledigt angesehen werde. Unter dem 8. Mai 2010 und dem 30. Juni
2010 teilte der Kläger mit, er habe diese Verfügung nicht erhalten; im letztgenannten Schriftsatz gab er an, gleichzeitig
stelle er "Ablehnungsantrag, wegen Prozessverschleppung und vorsätzlicher Rechtsverweigerung". Unter dem 9. und 10. Juli 2010
hat der Kläger die Ablehnungsbegründungen im Hinblick auf ein aufklärendes Schreiben des Richters am SG R. erweitert. Diese Schriftsätze sind vom SG an das beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt geführte Verfahren L 8 B 11/08 SO weitergeleitet worden. Nach der Entscheidung im Verfahren L 8 B 11/08 SO mit Beschluss vom 3. Mai 2011 hat das LSG die angeforderten Akten unter dem 12. August 2011 an das SG zurückgesandt, wo sie dem Richter am SG R. am 18. August 2011 vorgelegt worden sind.
Mit Schriftsatz vom 14. September 2011 hat der Richter am SG R. den Kläger darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Der Rechtsstreit
sei in der Hauptsache durch die Übersendung des Bescheides erledigt; ein Rechtsschutzbedürfnis für die Fortsetzung des Verfahrens
bestehe nicht. Mit Gerichtsbescheid vom 14. Oktober 2011 hat der Richter am SG R. die Klage abgewiesen, da es der Klage nach der Übersendung des angeforderten Bescheides an dem notwendigen Rechtsschutzinteresse
fehle. Dem Gerichtsbescheid ist die Rechtsmittelbelehrung beigefügt, dieser könne nicht mit der Berufung angefochten werden;
deshalb könne von den Beteiligten die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragt werden. Der Gerichtsbescheid ist dem
Kläger am 27. Oktober 2011 zugestellt worden.
Am 8. November 2011 hat der Kläger einen weiteren Ablehnungsantrag gegen den Richter am SG R. gestellt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren über das Gesuch beantragt. Dieser sei aufgrund
der Missachtung seines Vortrags gerechtfertigt. Nach seinem Kenntnisstand sei das Verfahren beim LSG unbeendet. Daneben beantrage
er die Durchführung der mündlichen Verhandlung und erhebe hilfsweise Nichtzulassungsbeschwerde.
Der Richter am SG R. hat die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt und mitgeteilt, keine Stellung zu nehmen.
II. Der 8. Senat des LSG ist für die Entscheidung über den Ablehnungsantrag des Klägers zuständig, obwohl §
60 Abs.
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) mit Wirkung zum 1. Januar 2012 gestrichen worden ist (Art. 8 Nr. 4 Buchst.b i.V.m. Art. 23 Abs. 1 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze
vom 22. Dezember 2011, BGBl. I, 3057) mit der Folge, dass nunmehr das SG für die Entscheidung über die Befangenheitsanträge zuständig ist. Denn nach dem Grundsatz der perpetuatio fori werden Zuständigkeiten
eines Gerichts, die bei Eintritt der Rechtshängigkeit begründet waren, durch spätere Änderungen nicht berührt; das zunächst
zuständige Gericht bleibt somit zuständig (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage, §
94 Rdnr. 9; Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 11. Dezember 2001, juris). Der am 8. November 2011 gestellte Ablehnungsantrag
gegen den Richter am SG R. ist am 17. November 2011 beim LSG Sachsen-Anhalt eingegangen ist, weshalb das nach §
60 Abs.
1 Satz 2
SGG a.F. zuständige LSG weiterhin zur Entscheidung berufen ist.
Das Ablehnungsgesuch ist zulässig, obwohl im erstinstanzlichen Verfahren bereits ein Gerichtsbescheid erlassen worden ist.
Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch jedoch weiterhin, da der Kläger den Antrag
auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt hat, damit der Gerichtsbescheid als nicht ergangen gilt (§
105 Abs.
3 2. Halbsatz
SGG) und in Folge dessen weiterhin die Zuständigkeit des Richters am SG R. für die Durchführung des erstinstanzlichen Verfahrens besteht.
Das Ablehnungsgesuch ist jedoch unbegründet. Für die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen gelten gemäß §
60 Abs.
1 Satz 1
SGG die §§
41 bis
44,
45 Abs.
2 Satz 2,
47 bis 49 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) entsprechend. Nach §
42 Abs.
2 ZPO findet die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen
die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Die Besorgnis der Befangenheit des Richters ist anzunehmen, wenn objektive
Umstände gegeben sind, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen. Geeignet,
Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen, sind nur solche objektiven Gründe, die vom Standpunkt
des Ablehnenden aus bei verständiger Betrachtung die Befürchtung aufkommen lassen können, der Richter stehe der Sache nicht
unvoreingenommen gegenüber und werde damit nicht unparteiisch entscheiden. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des
Ablehnenden sind unerheblich (vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO, 70. Auflage 2012, §
42 Rdnr. 10). Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich befangen ist oder er sich für befangen hält. Entscheidend
ist allein, ob aus Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach Meinung eines ruhig und vernünftig
denkenden Beteiligten Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (Hartmann, aaO.).
Zweifel können beispielsweise erheblich sein, wenn der Richter den Eindruck vermittelt, er wolle das Vorbringen von Beteiligten
aus unsachgemäßen Erwägungen nicht zur Kenntnis nehmen. Nach allgemeiner Auffassung kann die Ablehnung grundsätzlich nicht
erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Denn im Ablehnungsverfahren
geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren
Überprüfung allein den Rechtsmittelgerichten vorbehalten ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist indes dann geboten, wenn
die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen - insbesondere
verfassungsrechtlichen - Grundsätzen entfernen, dass sie aus Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar
erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken
(Zöller/Vollkommer,
ZPO, 29. Auflage, 2012, §
42 Rdnr. 9, 24, 28 m.w.N.). Aus den genannten Gründen schützt das Richterablehnungsverfahren gerade nicht gegen (angeblich)
unrichtige Rechtsansichten des Richters und auch nicht gegen eine (angeblich) unzutreffende oder unzureichende Ermittlung
eines Sachverhalts durch den Richter. Nur bei leicht feststellbarer und gravierender Fehlerhaftigkeit, die den Schluss auf
eine unsachliche Erwägung oder eine unsachliche Einstellung des Richters erlaubt, kann ausnahmsweise die Besorgnis der Befangenheit
gerechtfertigt sein.
Nach Würdigung des Vorbringens des Klägers und Durchsicht der Verfahrensakte lassen sich bei Anlegung eines objektiven Maßstabes
keine Anhaltspunkte für die Parteilichkeit oder Voreingenommenheit des abgelehnten Richters erkennen. Aus der Art der Verfahrensführung
ergeben sich keine Besonderheiten, die darauf schließen lassen könnten, der Vorsitzende der 16. Kammer des SG sei dem Kläger gegenüber voreingenommen oder parteilich.
Der Kläger hat die Befangenheitsrüge auf eine Prozessverschleppung und eine vorsätzliche Rechtsverweigerung durch den abgelehnten
Richter gestützt. Dieser Vorwurf kann angesichts des oben geschilderten Verfahrensganges nicht nachvollzogen werden. Die Zeiträume,
in denen der abgelehnte Richter das Verfahren nicht fördern konnte, fallen in die Bearbeitung der vom Kläger gestellten Ablehnungsanträge
und Beschwerden beim LSG - insbesondere in dem entgegen der Behauptung des Klägers inzwischen beendeten Verfahren L 8 B 11/08 SO - vor dem Beginn der Zuständigkeit des Richters am SG R ...
Weitere auf konkrete Verfahren bezogene und erhebliche Aspekte für eine etwaige Befangenheit des abgelehnten Richters hat
der Kläger weder vorgetragen noch sind sie sonst für den Senat erkennbar. Das Verfahren ist daher von dem nach der Geschäftsverteilung
des SG zuständigen Richter am SG R. fortzusetzen.
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen, da dieser für das Ablehnungsverfahren nicht zulässig ist. Die Bewilligung
von PKH setzt gemäß §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
114 Satz 1
ZPO ein eigenständiges Verfahren voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Mai 1984 - VIII ZR 298/83 -, BGHZ 91, 311, 312). Bei dem Ablehnungsverfahren handelt es sich nicht um ein eigenständiges Verfahren (vgl. Gehrlein in Münchner Kommentar
zur
ZPO, 3. Auflage 2008, §
46 Rdnr. 1).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§
177 SGG).