Einstweiliger Rechtsschutz
Beschwerdeeinlegung in elektronischer Form
Qualifizierte elektronische Signatur
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die Höhe der zu berücksichtigenden Bedarfe für Unterkunft
und Heizung. Mit Beschluss vom 13. September 2017 hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung
vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin weitere Leistungen in Höhe von monatlich 28,62 EUR zu gewähren und den Antrag
im Übrigen - insbesondere auch wegen des Differenzbetrags zwischen den als angemessen anerkannten und den tatsächlichen Unterkunftskosten
in Höhe von monatlich 290,00 EUR - abgelehnt.
Gegen den der Antragstellerin am 14. September 2017 zugestellten Beschluss ist am selben Tag für sie Beschwerde eingelegt
worden. Der Beschwerdeschriftsatz ist an das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) übersandt worden. Die
Nachricht hat keine qualifizierte elektronische Signatur enthalten.
Mit Verfügung vom 22. September 2017 hat der Berichterstatter die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass die Beschwerde
in elektronischer Form, aber ohne die erforderliche qualifizierte elektronische Signatur erhoben worden sei und deshalb den
Formerfordernissen an eine wirksame Beschwerdeerhebung nicht genüge. Der Formmangel könne entweder durch schriftliche Übersendung
eines handschriftlich unterschriebenen Beschwerdeschriftsatzes oder durch erneute elektronische Übersendung unter Verwendung
einer qualifizierten elektronischen Signatur innerhalb der Beschwerdefrist geheilt werden.
Am 23. September 2017 hat die Antragstellerin mitgeteilt, dass sie über keine Signaturkarte verfüge. Am 26. September 2017
ist beim Landessozialgericht ein Schriftsatz vom 23. September 2017 unter dem Briefkopf der Antragstellerin eingegangen, mit
dem (erneut) Beschwerde gegen den Beschluss vom 13. September 2017 eingelegt worden ist und der die handschriftliche Paraffe
"gez." und danach den maschinenschriftlich geschriebenen Namen der Antragstellerin enthalten hat.
Am 5. Oktober 2017 ist unter dem Namen der Antragstellerin ein weiterer Schriftsatz in Reaktion auf ein Schreiben des Antragsgegners
vom 29. September 2017 eingegangen, wiederum über das EGVP ohne qualifizierte elektronische Signatur übermittelt. Dieser Schriftsatz
enthält eine eingescannte handschriftliche Unterschrift der Antragstellerin.
II.
Die Beschwerde ist zu verwerfen. Sie ist unzulässig, weil sie nicht der gesetzlichen Form entspricht.
Nach §
173 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ist die Beschwerde binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift
des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der
Frist bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird
(§
173 Satz 2
SGG). Neben der Schriftform ist für die Einlegung der Beschwerde auch die elektronische Form zulässig, weil der elektronische
Rechtsverkehr für das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht durch Rechtsverordnung zugelassen ist (§
65a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
1 Abs.
1 Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit Gerichten und Staatsanwaltschaften [ERVV SH] i.V.m. Nr. 31 Anlage
zu § 1 ERVV SH). Für Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, ist jedoch gemäß §
65a Abs.
1 Satz 3 und 4
SGG i.V.m. §
2 Abs.
3 Satz 1 ERVV SH eine qualifizierte elektronische Signatur vorgeschrieben. Daran gemessen genügt die Beschwerde der Antragstellerin
weder der Schriftform noch der elektronischen Form.
Die Beschwerdeschrift vom 14. September 2017 ist zwar über das EGVP dem Landessozialgericht innerhalb der Beschwerdefrist
zugegangen. Er ist aber nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 Signaturgesetz (SigG) vom 16. Mai 2001 (BGBl. I S. 876) in der Fassung des Gesetzes vom 18. Juli 2016 (BGBl. I S. 1666) versehen gewesen, obwohl diese nach § 2 Abs. 3 Satz 1 ERVV SH erforderlich gewesen ist. Danach sind elektronische Dokumente
mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen, sofern für die Einreichung u.a. die Schriftform vorgesehen ist.
§
173 Satz 1 und
2 SGG sehen aber für die Beschwerdeerhebung eben gerade das Schriftformerfordernis vor.
Der Formmangel ist auch nicht geheilt worden, obwohl der Berichterstatter die Antragstellerin mit Verfügung vom 22. September
2016 und damit i.S. des §
65a Abs.
2 Satz 3
SGG unverzüglich auf den Formmangel hingewiesen hat und der Antragstellerin die Heilung des Formmangels daher ohne weiteres noch
möglich gewesen wäre; inzwischen scheidet eine Heilung wegen Ablaufs der Beschwerdefrist aus.
Eine Heilung ist insbesondere nicht durch die erneute Beschwerdeschrift vom 23. September 2017, eingegangen am 26. September
2017 eingetreten. Denn diese Beschwerdeschrift wahrt das Schriftformerfordernis des §
173 Satz 2
SGG nicht. Die Schriftlichkeit setzt grundsätzlich einen eigenhändig unterschriebenen Schriftsatz voraus; darüber hinaus ist
auch die telegrafische oder - im Wege der Telekopie - fernschriftliche Einreichung zulässig (vgl. nur Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
173 Rn. 3). Auch ein Telefax müsste aber grundsätzlich die eigenhändige Unterschrift wiedergeben (Leitherer, a.a.O, § 151 Rn. 3d). Eine Namensparaphe genügt dem Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift nicht (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 1975 - 11 RA 189/74 - SozR 1500 § 151 Nr 3); noch weniger wird dem Erfordernis dadurch Rechnung getragen, dass dem maschinenschriftlich aufgezeichneten Namen lediglich
handschriftlich die Buchstaben "gez." für "gezeichnet" vorangestellt worden sind. Denn dieser Zeichnung kann gerade nicht
hinreichend zuverlässig und ohne Beweisaufnahme entnommen werden, dass das Schriftstück dem Gericht mit Wissen und Wollen
des Berechtigten zugeleitet worden ist (dazu BSG, Urteil vom 6. Mai 1998 - B 13 RJ 85/97 R - SozR 3-1500 § 151 Nr 3).
Eine Heilung ist schließlich auch nicht durch den Schriftsatz vom 5. Oktober 2017 eingetreten, der eine eingescannte Unterschrift
der Antragstellerin enthalten hat. Dabei kann dahinstehen, ob der Rechtsauffassung zu folgen ist, wonach auch die elektronische
Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Telefax-Empfangsgerät des Gerichts (so genanntes "Computerfax")
das Schriftformerfordernis wahrt (Leitherer, a.a.O., § 151 Rn. 3e m.w.N.). Denn vorliegend ist der Schriftsatz nicht an ein
Telefaxendgerät des Gerichts gesendet worden, sondern dem Gericht über das EGVP zugegangen. In diesem Falle sind allerdings
zwingend die - hier mangels qualifizierter elektronischer Signatur wiederum nicht eingehaltenen - Anforderungen der elektronischen
Form zu beachten; der Ausdruck einer solchen Beschwerdeschrift durch das Gericht vermag unabhängig davon, wie die Unterschrift
generiert wurde, den Anforderungen an die Schriftform nicht zu genügen (BSG, Urteil vom 12. Oktober 2016 - B 4 AS 1/16 R - juris Rn. 16).
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend §
193 Abs.
1 Satz 1, Abs.
4 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).