Rücknahme eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren; Pflicht zur Überprüfung des Sachverhalts
Gründe
I.
Die Beschwerde richtet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.
Die Kläger begehren in der unter dem Aktenzeichen S 10 AS 51/12 vor dem Sozialgericht Itzehoe anhängigen Hauptsache die Rücknahme eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 21. Januar
2010 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).
Mit zwei Bescheiden vom 21. Januar 2010 hatte der Beklagte die Entscheidung über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Kläger für die Monate September und Oktober 2009 im Hinblick auf höheres Einkommen des Klägers zu 2) ganz aufgehoben
und die Erstattung der erfolgten Zahlungen in Höhe von jeweils 11,00 EUR pro Person und Monat gegenüber beiden Klägern getrennt
geltend gemacht. Dabei hat sich der Beklagte auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X in Verbindung mit § 50 Abs. 1 SGB X gestützt.
Einen nicht weiter begründeten Antrag der Kläger auf Überprüfung des an die Klägerin zu 1) gerichteten Bescheides nach § 44 SGB X lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2011 ab und führte
zur Begründung aus, es sei weder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen, noch sei das Recht unrichtig angewandt worden.
Die gesetzlichen Grundlagen der Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung legte der Beklagte nochmals dar.
Gegen diese Verwaltungsentscheidungen richtet sich die am 9. Januar 2012 bei dem Sozialgericht Itzehoe eingegangene Klage
in der Hauptsache.
Ausführungen zur Begründung der Klage haben die Kläger trotz konkreter und wiederholter Aufforderung durch das Sozialgericht
Itzehoe vom 30. Mai 2012, 31. August 2012 und 1. November 2012 bisher nicht gemacht. Insbesondere ist nicht dargelegt worden,
inwieweit der Beklagte bei seiner Aufhebungsentscheidung vom 21. Januar 2010 das Recht unzutreffend angewandt habe oder inwieweit
von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei.
Mit Beschluss vom 18. April 2013 hat das Sozialgericht Itzehoe die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren
abgelehnt. Dabei hat es zur Begründung ausgeführt, es räume der beabsichtigten Rechtsverfolgung keine hinreichenden Erfolgsaussichten
ein. Die Kläger hätten einen Änderungsanspruch im Hinblick auf den zur Überprüfung gestellten Ausgangsbescheid nicht dargelegt.
Da weder neue Tatsachen noch eine konkrete Beschwer vorgetragen seien, dürfe sich die Verwaltung im Rahmen des Verfahrens
nach § 44 SGB X ohne erneute Sachprüfung auf die Bestandskraft berufen (BSG, Urteil vom 3. Februar 1988 - 9/9a RV 18/86). Im Übrigen könne das Gericht bei eigener summarischer Prüfung nicht erkennen, dass der Bescheid vom 21. Januar 2010 fehlerhaft
sei.
Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 22. April 2013 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Kläger
vom 13. Mai 2013. Eine Begründung der Beschwerde ist trotz Aufforderung durch den beschließenden Senat und Fristsetzung bis
22. August 2013 nicht erfolgt.
II.
Die Beschwerde ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 2011 - L 6 AS 52/11 B PKH -, zitiert nach [...]) zulässig, auch wenn der Wert der Beschwer einen Betrag von 750,00 EUR nicht übersteigt, da für
eine entsprechende Anwendung des §
127 Abs.
2 Satz 2 Halbsatz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) seit der Änderung des §
172 Abs.
3 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zum 11. August 2010 kein Raum mehr ist.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Prozesskostenhilfeantrag der Kläger mangels hinreichender
Erfolgsaussicht abgelehnt.
Nach §
73a SGG in Verbindung mit §
114 ff.
ZPO ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn eine Partei nach ihren wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen die Kosten
der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine Beiordnung nach §
121 Abs.
2 ZPO setzt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe voraus. Hinreichende Erfolgsaussicht in diesem Sinne verlangt nicht die Gewissheit
des Erfolges, erfordert aber zumindest die realistische Möglichkeit Obsiegens. Dies ist auch zu bejahen, wenn die der Klage
zugrunde liegende Rechtsansicht vertretbar ist und die Klage danach Erfolg hätte oder wenn die Sachentscheidung des Gerichts
umfangreiche Ermittlungen voraussetzt.
Nach diesen Maßstäben bietet die Klage vom 9. Januar 2012 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Soweit das Sozialgericht
gestützt auf eine ältere Entscheidung des Bundessozialgerichts bereits die Pflicht des Beklagten zu einer erneuten Sachprüfung
im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X bei Fehlen einer Begründung des Überprüfungsantrages verneint hat, ist eine Differenzierung geboten. Im Überprüfungsverfahren
nach § 44 SGB X haben Verwaltung und Gerichte auch ohne neues Vorbringen des Antragstellers zu prüfen, ob bei Erlass des bindend gewordenen
Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006 - B 2 U 24/05 R -, [...]; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. März 2011 - L 22 R 921/09 -, [...]). Ein zwei- oder mehrstufiges Prüfungsschema mit der Folge, dass ein Antragsteller mangels eigenem Vortrag auch
dann erfolglos bliebe, wenn der frühere Verwaltungsakt erkennbar rechtswidrig ist, besteht im Überprüfungsverfahren nach §
44 SGB X gerade nicht (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X Rdn. 34). Hinzuweisen ist aber darauf, dass § 44 Abs. 1 SGB X zwei unterschiedliche Rücknahmegründe vorsieht, nämlich die unrichtige Anwendung des Rechts bei Erlass des Ausgangsverwaltungsaktes
und die Annahme eines falschen Sachverhalts. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und
Beweismittel ankommen (vgl. BSG a. a. O.; LSG Berlin-Brandenburg, a. a. O.). Hält ein Antragsteller einen bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakt für rechtswidrig,
weil von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erwiesen hat, so kann von ihm verlangt werden, die fehlerhaften
Tatsachen zumindest zu benennen oder neue Tatsachen, die insgesamt zu einem anderen Sachverhalt führen, vorzutragen. Sofern
nicht ohne Weiteres erkennbar ist, welche Tatsachen, die Grundlage des früheren Verwaltungsaktes waren, unrichtig sind, können
weitere Sachverhaltsermittlungen von der Verwaltung und den Gerichten nicht gefordert werden, denn trotz der in § 20 Abs. 1 SGB X und §
103 SGG vorgesehenen Amtsermittlung sind Behörden und Gerichte nicht zu Ermittlungen ins Blaue hinein verpflichtet.
Nach diesen Maßstäben bietet das Überprüfungsbegehren der Kläger keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Kläger haben
während des gesamten Verfahrens weder im Antrags- und Widerspruchsverfahren noch im Klage- und Beschwerdeverfahren vorgetragen,
ob und inwieweit die Entscheidung vom 21. Januar 2010 in tatsächlicher Hinsicht unrichtig sein soll. Im Rahmen der Überprüfungsentscheidung
ist daher auch von dem damals ermittelten Sachverhalt auszugehen. Ausgehend davon hat der Beklagte das Recht bei Erlass des
Verwaltungsaktes vom 21. Januar 2010 auch nicht unrichtig angewandt. Er hat vielmehr zutreffend erkannt, dass das Einkommen
des Klägers zu 2) nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch auf den grundsicherungsrechtlichen Hilfebedarf der Klägerin zu 1) anzurechnen war und dass er wegen der nachträglichen
Änderung in der Höhe des Einkommens des Klägers zu 2) gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 gültigen Fassung in Verbindung mit §
330 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) berechtigt war, eine rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung ohne Ausübung von Ermessen vorzunehmen. Der Beklagte
hat ferner folgerichtig festgestellt, dass der Umfang der Aufhebungsentscheidung gemäß § 50 Abs. 1 SGB X einen Erstattungsanspruch gegenüber den Klägern in entsprechender Höhe bedingt. Ferner hat er zutreffend erkannt, dass der
Erstattungsanspruch im Hinblick auf das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit von Verwaltungsakten nach § 33 SGB X zu individualisieren war und ist dem Individualisierungsgebot sowohl hinsichtlich der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft
als auch der betroffenen Monate nachgekommen.
Das Sozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass bezogen auf den Kläger zu 2) bereits deshalb keine hinreichende Erfolgsaussicht
besteht, weil er durch den zur Überprüfung gestellten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid gar nicht beschwert ist. Dies ist
zutreffend, weil die Kläger bei Stellung des Überprüfungsantrages am 8. Februar 2011 den zu überprüfenden Bescheid durch Angabe
der Blattzahl in der Verwaltungsakte gekennzeichnet haben und das Überprüfungsbegehren so auf den an die Klägerin zu 1) ergangenen
Bescheid vom 21. Oktober 2010 beschränkt haben. Selbst wenn man entgegen dieser eindeutigen Bezeichnung des Leistungsbegehrens
das Überprüfungsbegehren als auch auf den an den Kläger zu 2) gerichteten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom gleichen
Tag bezogen werten wollte, ergäbe sich keine hinreichende Erfolgsaussicht. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen Bezug
genommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
73a Abs.
1 SGG i. V. m. §
127 Abs.
4 ZPO.
Diese Entscheidung ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.