Gründe:
I
Streitig ist, ob die Beklagte berechtigt ist, eine Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung unter Berücksichtigung
einer fiktiven rumänischen Rente ruhend zu stellen.
Der 1945 in Rumänien geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und Inhaber des Vertriebenenausweises A. In Rumänien
war er von 1962 bis 1975 unterbrochen von Ausbildungszeiten erwerbstätig. Im August 1975 übersiedelte er in die Bundesrepublik
Deutschland.
Im Februar 2008 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Altersrente für langjährig Versicherte
wegen Vollendung des 63. Lebensjahres. Mit Schreiben vom 7.3.2008 beantragte er gemäß Art 44 VO (EWG) 1408/71 die Verschiebung
der Antragsgleichstellung. Die Beklagte teilte ihm darauf mit Schreiben vom 18.3.2008 mit, dass beabsichtigt sei, die ihm
aus Rumänien zustehende Rente in deren voraussichtlicher Höhe anzurechnen, auch wenn er diese tatsächlich nicht beziehen sollte.
Eine derartige Anrechnung rechtfertige sich aus § 2 FRG iVm § 31 FRG. Der Anrechnungsbetrag sei auf Basis eines rumänischen Rentenpunktes für die Altersrente eines durchgehend beschäftigten
Durchschnittsverdieners ermittelt worden und entspreche umgerechnet 33,92 Euro Monatsrente für deckungsgleiche deutsche und
rumänische Zeiten nach Art 107 VO (EWG) 574/72.
Mit dem als "Mitteilung über die vorläufige Leistung" titulierten Bescheid vom 28.4.2008 gewährte die Beklagte dem Kläger
ab dem 1.4.2008 eine Altersrente für langjährig Versicherte. Unter Berücksichtigung der persönlichen Entgeltpunkte (EP) des
Klägers, des Rentenartfaktors bei Altersrenten und des aktuellen Rentenwerts setzte die Beklagte die Höhe der Rente auf monatlich
474,41 Euro fest (Anlage 1). Gleichzeitig stellte sie fest, dass die Rente ab 1.5.2008 in Höhe des Bruttobetrags der Leistung
aus der ausländischen Sozialversicherung ruhe (Anlage 7). Die Rente mindere sich daher um den zu berücksichtigenden Betrag
von 33,92 Euro. Den Widerspruch des Klägers, der sich gegen den Einbehalt dieses Betrags richtete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 17.7.2008 zurück.
Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das SG Koblenz mit Urteil vom 24.3.2009 die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen
Bescheide verurteilt, dem Kläger die Rente ohne Anwendung des § 31 Abs 1 FRG ungekürzt auszuzahlen. Die Berufung der Beklagten hat das LSG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 18.11.2009 zurückgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Das SG habe die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger die Rente ohne Anwendung des § 31 Abs 1 FRG ungekürzt auszuzahlen. Die Rechtsnorm biete keine tragfähige Rechtsgrundlage für die sog Fiktivanrechnung. Aus dem Wortlaut
der Norm ergebe sich eindeutig, dass das Ruhen eines Teils der deutschen Rente nur für den Fall der tatsächlichen Auszahlung
einer ausländischen Leistung angeordnet werde. Dem Kläger werde eine rumänische Rente aber ersichtlich nicht gezahlt. Eine
analoge Anwendung des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG auf den Fall der Nichtgewährung und Nichtauszahlung einer ausländischen Leistung scheide aus. Eine planwidrige Regelungslücke
sei insoweit nicht zu erkennen. Einziger Zweck des § 31 FRG sei es, Doppelleistungen für ein und dieselbe rentenrechtliche Versicherungszeit zu vermeiden. Mehr oder etwas anderes habe
der Gesetzgeber nicht erreichen wollen. Ebenso spreche eine Betrachtung der Vorgängerregelung gegen das Vorliegen einer Gesetzeslücke.
Nach § 1 Abs 5 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes vom 7.8.1953 (BGBl I 848 [FAG]) sei ein Leistungsanspruch nach
§ 1 Abs 1 erloschen, wenn für denselben Versicherungsfall von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle
außerhalb des Bundesgebiets oder des Landes Berlin eine Leistung "gewährt wird oder auf Antrag gewährt würde". Damals habe
das Gesetz eine Fiktivanrechnung ausdrücklich vorgesehen. Dies zeige, dass dem Gesetzgeber die Möglichkeit des Bestehens von
Leistungsansprüchen gegen einen ausländischen Versicherungsträger oder eine ausländische andere Stelle bei einer entsprechenden
Antragstellung durchaus bewusst gewesen sei. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber nach der Ablösung des FAG durch das FRG jederzeit und vielfach die Möglichkeit gehabt, § 31 Abs 1 Satz 1 FRG zu modifizieren. Dies habe er gleichwohl nicht getan. Hieran seien die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Leistungsträger
und die Gerichte gebunden. Ebenso wenig könne ein Fiktivabzug einer ausländischen Rente auf §
46 Abs
2 SGB I gestützt werden. Auch könne dem Kläger ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht vorgeworfen werden, da er mit der Aufschiebung
der rumänischen Rente ein ihm ausdrücklich eingeräumtes Gestaltungsrecht ausgeübt habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG. Das Berufungsgericht habe verkannt, dass im Rahmen der Rechtsfortbildung eine analoge Anwendung des § 31 FRG zulässig und geboten sei. Eine planwidrige Regelungslücke liege vor. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 6.8.1986 - 5a RKn 22/85 - BSGE 60, 176 = SozR 2600 § 57 Nr 3) sei eine solche ua dann gegeben, wenn das Schweigen des Gesetzes darauf zurückzuführen sei, dass sich
der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben habe. Dies
sei hier der Fall. § 31 FRG müsse im Zusammenhang mit seiner Entstehung und den damaligen Verhältnissen gesehen werden. Zum Zeitpunkt der Schaffung der
Norm habe es keine über- bzw zwischenstaatlichen Regelungen gegeben, die den FRG-Berechtigten Ansprüche auf eine ausländische Rente für die im Vertreibungsgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten verschafft
hätten. Hätten solche Regelungen existiert, hätten sie nach der damaligen Fassung des § 2 FRG zum Verlust der FRG-Zeiten und der darauf beruhenden deutschen Rentenansprüche geführt. Angesichts der damaligen Verhältnisse in den FRG-Herkunftsländern (Abgrenzung gegenüber westlichen Staaten, Diskriminierung von Aus- und Übersiedlern, fehlende Konvertierbarkeit
der dortigen Währungen) habe es für die FRG-Berechtigten auch praktisch kaum Möglichkeiten gegeben, ausländische Rentenleistungen zu erhalten. Vor diesem Hintergrund
sei es konsequent gewesen, in Ablösung des zuvor geltenden § 1 Abs 5 FAG in § 31 FRG auf "ausgezahlte" Geldleistungen abzustellen. Regelungen für nicht in Anspruch genommene Rentenleistungen seien überflüssig
gewesen. Die ursprüngliche Rechtslage habe durch die Ergänzung des § 2 FRG um einen Satz 2 durch das Gesetz vom 18.6.1991 (BGBl II 741) eine wesentliche Änderung erfahren. Danach sei auch bei Anwendung
über- bzw zwischenstaatlichen Rechts die Weitergeltung des FRG möglich, wenn die Abkommen entsprechende ausdrückliche Regelungen enthielten. Dies stelle eine Abschwächung der Ausschlussregelung
dar, die der Gesetzgeber angesichts des häufig noch deutlich niedrigeren Rentenniveaus in den Herkunftsländern und damit aus
Vertrauensschutzgründen getroffen habe. Der Gesetzgeber habe den Vertrauensschutz in Erwartung entsprechender ausländischer
Rentenleistungen und der daraus folgenden Anwendung des § 31 FRG eingeräumt. Wenn die Berechtigten weiterhin die Rechtsvorteile des FRG in Anspruch nehmen könnten, sollten die vorrangigen ausländischen Renten angerechnet werden. Die weitere Anwendung des FRG sei insoweit auf den verbleibenden Differenzbetrag beschränkt unabhängig davon, ob die ausländische Rente gezahlt werde oder
nicht. Diese Regelungsabsicht komme in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 12/470) deutlich zum Ausdruck. Die Änderung des §
2 FRG habe Auswirkungen auf § 31 FRG. Die Vorschrift betreffe jetzt und insbesondere Fälle des über- und zwischenstaatlichen Rechts. Im Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten
und den Vertragsstaaten - im vorliegenden Fall Rumänien - hätten sich die früher allenfalls theoretischen, aber nicht durchsetzbaren
Rentenansprüche nunmehr in rechtlich gesicherte und von den Berechtigten zumutbar realisierbare Ansprüche auf Rentenzahlungen
gewandelt. Für den Gesetzgeber sei weder zum Zeitpunkt der Änderung des § 2 FRG noch anlässlich der später abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen absehbar gewesen, dass die FRG-Berechtigten die ihnen zustehenden ausländischen Rentenansprüche nicht in Anspruch nehmen würden. Es habe daher keine Veranlassung
bestanden, für solche Fälle eine gesetzliche Regelung zu schaffen.
Das Verhalten der FRG-Berechtigten, ihre ausländischen Rentenansprüche ohne sachgerechte Gründe nicht zu realisieren, sei rechtsmissbräuchlich.
Das europäische Gemeinschaftsrecht stehe einer Kürzung von Rentenansprüchen nach § 31 FRG bei einem praktisch unbegrenzten Aufschub der Rentenansprüche eines Mitgliedstaates der Europäischen Union zu Lasten eines
anderen Mitgliedstaates nicht entgegen. Generell löse ein Rentenantrag im Rahmen des Gemeinschaftsrechts nach Art 44 Abs 2
VO (EWG) 1408/71 in allen Mitgliedstaaten die Feststellung der Rentenansprüche aus. Als Ausnahme von diesem Grundsatz eröffne
Satz 2 der Regelung das vom Kläger genutzte Dispositionsrecht, die Feststellung von Ansprüchen bei Leistungen wegen Alters
in anderen Mitgliedstaaten aufzuschieben. Entsprechende Bestimmungen enthalte Art 22 Abs 3 des mit Rumänien abgeschlossenen
Sozialversicherungsabkommens vom 8.4.2005. Dem Sinn und Zweck nach sollten mit diesen Regelungen lediglich Nachteile vermieden
werden, die durch unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen zur Altersrente in einzelnen Mitgliedstaaten entstehen könnten.
Nachteile der genannten Art seien im vorliegenden Fall weder ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden. Ein sachlicher
Grund für den Aufschub der rumänischen Rentenleistung sei nicht erkennbar. Er diene allein dazu, die Anwendung des § 31 FRG zu umgehen. Damit erweise sich die Inanspruchnahme des Dispositionsrechts als rechtsmissbräuchlich. Durch diese rechtsmissbräuchliche
Verhaltensweise sei eine planwidrige Regelungslücke entstanden, die für den Gesetzgeber nicht vorhersehbar gewesen sei und
die folglich im Wege der Analogie geschlossen werden könne.
Die Fiktivanrechnung stehe auch im Einklang mit den Grundsätzen des Fremdrentenrechts, das vom Prinzip der Subsidiarität geprägt
sei. Aus den Regelungen der §§ 2 und 31 FRG werde deutlich, dass die originären ausländischen Rentenansprüche, die durch über- und zwischenstaatliches Recht auf einer
gesicherten rechtlichen Grundlage beruhten, Vorrang vor den versicherungsfremden Leistungen des FRG hätten. Auch das BSG habe im Urteil vom 17.10.2006 (B 5 RJ 21/05 R - SozR 4-5050 § 15 Nr 3 RdNr 27) ausgeführt, dass unabhängig davon, ob man den Entschädigungs- oder den Eingliederungscharakter
des Fremdrentenrechts betone, es immer noch das Grundanliegen des Fremdrentenrechts sei, Nachteile in der gesetzlichen Rentenversicherung
von Personen abzuwehren, denen die Realisierung ihrer in der früheren Heimat erarbeiteten Rentenanwartschaften von Deutschland
aus abgeschnitten sei.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. November 2009 und des Sozialgerichts Koblenz vom 24. März 2009
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. November 2009 zurückzuweisen.
Er hält die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend. Ergänzend weist der Kläger darauf hin, dass Rumänien jahrelang
nach Schaffung des Abkommens bzw Anwendung der VO (EWG) 1408/71 und insbesondere bei Erlass des angefochtenen Bescheids keinerlei
Zahlungen nach Deutschland erbracht habe.
II
Die Revision ist insoweit begründet, als die Beklagte auf die Leistungsklage des Klägers zur Auszahlung der ungekürzten Rente
verurteilt worden ist. Soweit sich die Revision gegen die teilweise Aufhebung der angefochtenen Bescheide richtet, ist sie
hingegen unbegründet.
Der als "Mitteilung über die vorläufige Leistung" titulierte Bescheid vom 28.4.2008 enthält mehrere Verwaltungsakte iS von
§ 31 SGB X, die jeweils selbstständig angefochten werden bzw in Bindung erwachsen können; dies sind die Entscheidungen über Rentenart,
Rentenhöhe, Rentenbeginn und Rentendauer (vgl hierzu BSG SozR 3-2600 § 300 Nr 7 S 26) sowie die Anordnung, dass der monatliche Zahlbetrag der Rente in Höhe des Bruttobetrages der Leistung aus der
ausländischen Sozialversicherung ab 1.5.2008 ruht. Hiermit hat die Beklagte die Regelung getroffen, dass die Rente aus der
deutschen Rentenversicherung nicht in der festgestellten Höhe von monatlich 474,41 Euro, sondern um die ausländische Leistung
gemindert zu zahlen ist. Der Kläger hat den Bescheid vom 28.4.2008 angegriffen, soweit mit diesem eine fiktive rumänische
Rente von monatlich 33,92 Euro angerechnet wird. Die Anfechtung des Klägers beschränkt sich damit auf die ihn belastende Ruhensanordnung.
Die Anfechtungsklage im dargelegten Umfang ist zulässig.
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht Art 45 Abs 4 VO (EWG) 574/72 entgegen, nach dem der zur Zahlung der Leistung verpflichtete
Träger den Antragsteller darauf aufmerksam macht, dass die Leistung vorläufiger Art ist und nicht angefochten werden kann.
Zum einen ist die VO (EWG) 574/72 durch Art 96 Abs 1 Satz 1 VO (EG) 987/2009 mit Wirkung vom 1.5.2010 aufgehoben worden und
deren durch Art 96 Abs 1 Satz 2 VO (EG) 987/2009 angeordnete partielle Weitergeltung für bestimmte, im Einzelnen aufgeführte
Zwecke (Buchst a bis c) hier nicht einschlägig. Damit kann sich die VO (EWG) 574/72 auf die Prozessvoraussetzungen, die im
Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müssen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl 2008 vor §
51 RdNr
20), ohnehin nicht mehr auswirken. Abgesehen davon ist Art 45 Abs 4 VO (EWG) 574/72 nicht dahin zu verstehen, dass er den gerichtlichen
Rechtsschutz einschränkt, soweit eine Überprüfung des angefochtenen Verwaltungsakts auf seine Vereinbarkeit mit nationalem
Recht begehrt wird (vgl EuGH Urteil vom 14.2.1980 - C 53/79). Im vorliegenden Fall geht es aber ausschließlich um die Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung nach § 31 FRG.
Die Geltendmachung eines Anspruchs auf Verurteilung der Beklagten zur Auszahlung der ungekürzten Altersrente neben der Anfechtung
der Bescheide ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen vom Begehren des Klägers (§
123 SGG) nicht mitumfasst. Denn bereits bei Aufhebung der Ruhensanordnung entfällt die Rechtsgrundlage dafür, dem monatlichen Rentenanspruch
des Klägers einen Minderungsbetrag von 33,92 Euro entgegenzuhalten und die bestandskräftig festgestellte Rente in Höhe von
monatlich 474,41 Euro insoweit nur gekürzt zu zahlen.
Die Anfechtungsklage ist begründet. Die Ruhensanordnung im Bescheid vom 28.4.2008 ist rechtswidrig.
§ 31 Abs 1 Satz 1 FRG rechtfertigt weder unmittelbar noch im Wege zulässiger Rechtsfortbildung ein teilweises Ruhen der dem Kläger gewährten Rente.
Ebenso wenig sind sonstige Rechtsgrundlagen ersichtlich, nach denen sich die Kürzung des monatlichen Rentenzahlbetrags um
eine fiktive rumänische Rente als rechtmäßig erweist.
Wird dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland
für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder an Stelle einer solchen
eine andere Leistung gewährt, so ruht gemäß § 31 Abs 1 Satz 1 FRG die Rente in Höhe des in Euro umgerechneten Betrags, der als Leistung des Trägers der Sozialversicherung oder der anderen
Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt wird.
Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung für das Ruhen der deutschen Rente, dass der Versicherte von einer Stelle außerhalb
der Bundesrepublik Deutschland eine Rente oder andere Leistung erhält. Der Begriff "ausgezahlt" stellt zweifelsfrei auf die
tatsächliche Gewährung der ausländischen Rente ab (so auch Hoernigk/Jahn/Wickenhagen/Aulmann, Kommentar zum FRG, Juli 1988, § 31 RdNr 6). Diesem Verständnis entsprechen Sinn und Zweck der Vorschrift. Diese dienen der Vermeidung von Doppelleistungen (BT-Drucks
3/1109 Begründung zu §§ 11, 31, FRG; BSGE 43, 274, 277; BSG Breithaupt 1977, 476, 478). Eine Doppelleistung liegt aber schon nach allgemeinem Sprachverständnis nur vor, wenn der Betroffene
die Leistung tatsächlich zweifach erhält. Dieses Auslegungsergebnis wird entstehungsgeschichtlich durch die Vorgängerregelung
des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG bestätigt. Nach § 1 Abs 5 FAG erlosch der Leistungsanspruch nach Abs 1, wenn für denselben Versicherungsfall von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb des Bundesgebiets
und des Landes Berlin eine Leistung gewährt wird oder "auf Antrag gewährt würde". Dass § 31 Abs 1 Satz 1 FRG diese Fallkonstellation nicht als zweiten Ruhenstatbestand aufführt, spricht dafür, dass die Vorschrift nur auf wirklich
erbrachte Leistungen abstellt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 31 Abs 1 Satz 1 FRG auch nicht im Wege der Rechtsfortbildung auf den Fall anwendbar, dass eine ausländische Rente auf Antrag gewährt würde. Eine
bewusste oder unbewusste Gesetzeslücke ist insoweit nicht feststellbar.
Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 38 Nr 1 S 3 mwN) ist der Richter zur Ausfüllung einer Gesetzeslücke dort berufen, wo das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es
der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf
beruht, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse
ergeben hat. Die analoge Anwendung des Gesetzes auf gesetzlich nicht umfasste Sachverhalte ist dann geboten, wenn auch der
nicht geregelte Fall nach der Regelungsabsicht des Gesetzgebers wegen der Gleichheit der zu Grunde liegenden Interessenlage
hätte einbezogen werden müssen.
Ein absichtliches oder versehentliches Schweigen des Gesetzgebers ist angesichts der beschriebenen Entstehungsgeschichte des
§ 31 Abs 1 Satz 1 FRG sowie dessen Sinn und Zweck auszuschließen. Vielmehr hat der Gesetzgeber bewusst ein Ruhen der deutschen Rente an die tatsächliche
Gewährung der ausländischen Rente geknüpft, da er Doppelleistungen verhindern wollte. Angesichts dessen war es folgerichtig,
die fiktive Leistung einer ausländischen Rente nicht als zweiten Ruhenstatbestand aus der Vorgängerregelung zu übernehmen.
Ebenso wenig ist nachträglich auf Grund einer Veränderung des nationalen Rechts oder der politischen und rechtlichen Verhältnisse
in Europa eine planwidrige Gesetzeslücke entstanden. Dabei kann dahinstehen, ob heute im Unterschied zu früheren Zeiten Renten
aus den ehemaligen Ostblockstaaten problemlos in die Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt werden. Selbst wenn dies zuträfe,
ist nicht erkennbar, dass nach der gesetzgeberischen Absicht in diesem Fall eine Anrechnung solcher Auslandsrenten gewollt
ist, die nach ausländischem Recht "auf Antrag gewährt würden".
Die Entstehung einer entsprechenden Regelungslücke in § 31 Abs 1 FRG infolge der Einfügung des Satzes 2 in § 2 FRG durch das Gesetz zu dem Abkommen vom 8.12.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale
Sicherheit vom 18.6.1991 (BGBl 1991 II 741) ist nicht feststellbar. Zwar ist mit dieser Bestimmung die Anwendung des FRG und damit die Gewährung von FRG-Renten auch bei Vorhandensein zwischenstaatlicher Abkommen ermöglicht worden, soweit diese entsprechende Regelungen enthalten.
Hieraus lässt sich jedoch eine versehentlich unterbliebene Neugestaltung des § 31 FRG nicht ableiten.
In der Begründung zum Entwurf des Vertragsgesetzes vom 18.6.1991 wird darauf hingewiesen, dass die Ergänzung für Aussiedler
die Gewährung einer Rente nach dem FRG ermöglicht, auf die allerdings eine polnische Exportrente anzurechnen ist. Im Ergebnis werde die polnische Rentenleistung
auf das Niveau des FRG aufgestockt (BT-Drucks 12/470 und BR-Drucks 162/91 beide S 7 Erl zu Art 5). Anders als die Beklagte versteht der erkennende
Senat diese Erläuterung als Bekräftigung dafür, dass weiterhin nur tatsächlich nach Deutschland gezahlte Renten auf die deutsche
Rente anzurechnen sind. Denn Ausführungen zu nunmehr möglich gewordenen Exportrenten und dadurch veränderten Bedingungen der
Anrechenbarkeit enthält die Begründung nicht. Vielmehr weist diese im Weiteren darauf hin, dass die Notwendigkeit einer Anpassung
des Fremdrentenrechts an die sich verändernden Verhältnisse zwischen Ost und West hiervon unberührt bleibt. Diese Erklärungen
machen ein vorhandenes Bewusstsein um die Notwendigkeit gesetzlicher Neuregelungen wegen der geänderten Lage in Europa deutlich.
Dass gleichwohl eine Änderung des § 31 Abs 1 FRG nicht erfolgt ist, zeigt, dass insoweit kein Handlungsbedarf gesehen wurde.
Ein solcher ist auch im Kontext europarechtlicher Vorschriften und zwischenstaatlicher Abkommen nicht erkennbar. Dass Versicherte
in mehreren Staaten Ansprüche auf gleiche oder vergleichbare Leistungen haben können, die von einem Antrag abhängig sind,
hat das europäische bzw zwischenstaatliche Recht gesehen und im Sinne einer Vereinheitlichung der Antragstellung geregelt.
Bereits Art 44 Abs 2 Satz 1 der zwischenzeitlich außer Kraft getretenen VO (EWG) 1408/71 bestimmt, dass der Rentenantrag in
einem Mitgliedstaat grundsätzlich das Leistungsfeststellungsverfahren in allen Mitgliedstaaten auslöst, in denen Versicherungszeiten
zurückgelegt sind. Art 44 Abs 2 Satz 2 VO (EWG) 1408/71 durchbricht diesen Grundsatz, indem er auf ausdrücklichen Antrag des
Betroffenen das Aufschieben der Feststellung von Ansprüchen auf Leistungen bei Alter in einem Mitgliedstaat zulässt. Entsprechende
Regelungen enthält Art 50 Abs 1 der am 1.5.2010 in Kraft getretenen VO (EG) 883/2004. Art 44 Abs 2 VO (EWG) 1408/71 und Art
50 Abs 1 VO (EG) 883/2004 begründen damit grundsätzlich die europaweite Wirkung der Antragstellung in einem Mitgliedstaat.
Abgesehen von der Ausnahmeregelung für Leistungen bei Alter gilt der Grundsatz der europaweiten Wirkung der Rentenantragsstellung
auch für den Berechtigten zwingend (Schuler in Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, 4. Aufl 2005, Art 44 VO [EWG]
1408/71 RdNr 6; Schuler in Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, 5. Aufl 2010, Art 50 VO [EG] 883/2004 RdNr 6). Im
Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Rumänien finden sich vergleichbare Regelungen in Art 22 Abs 3 des Abkommens dieser
Staaten über Soziale Sicherheit vom 8.4.2005 (BGBl 2006 II 164).
Angesichts dieser Bestimmungen kann ein Versicherter durch eine unterlassene Antragstellung eine Rentenleistung aus Rumänien
bzw einem anderen Mitgliedstaat der EU grundsätzlich nicht verhindern. Eine fiktive Rente, die auf Antrag geleistet würde,
kann es insoweit nicht geben. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Anrechnungsvorschrift für eine fiktive Rente und ist
eine entsprechende Regelungslücke in § 31 FRG nicht ersichtlich. Dies gilt auch hinsichtlich der Altersrenten. Zwar kann der Versicherte hier die Antragswirkung begrenzen,
dies allerdings kraft ausdrücklicher gesetzlicher Erlaubnis. Ist dem Versicherten aber ausdrücklich gestattet, die bilaterale
bzw europaweite Wirkung des Rentenantrags einzuschränken und damit eine bestimmte Rentenleistung aus Rumänien oder einem anderen
Mitgliedstaat der EU nicht in Anspruch zu nehmen, wäre es im Kontext des zwischenstaatlichen bzw europäischen Rechts widersprüchlich,
ihn bei Bezug der deutschen Rente zu seinem Nachteil doch so zu stellen, als würde er die ausländische Rente erhalten.
Eine Gesetzeslücke kann schließlich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht durch eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme
des in Art 44 Abs 2 Satz 2 VO (EWG) 1408/71 bzw Art 50 Abs 1 Halbs 2 VO (EG) 883/2004 eingeräumten Dispositionsrechts entstehen.
Die Möglichkeit des Missbrauchs im Einzelfall kann den Regelungsgehalt einer abstrakten Rechtsnorm nicht bestimmen. Einem
Missbrauch im Einzelfall ist vielmehr dadurch zu begegnen, dass geprüft wird, ob die begehrte Leistung nach dem auch im Sozialrecht
anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben gemäß §
242 BGB ganz oder teilweise zu versagen ist (vgl BSG SozR 4-2600 § 10 Nr 2 RdNr 26 mwN).
Der Beklagten ist zuzugestehen, dass bei dem hier vertretenen Verständnis zum Anwendungsbereich des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG dem auch vom Senat betonten Grundanliegen des Fremdrentenrechts, Nachteile in der gesetzlichen Rentenversicherung von Personen
abzuwehren, denen die Realisierung ihrer in der früheren Heimat erarbeiteten Rentenanwartschaften von Deutschland aus abgeschnitten
ist (Urteil vom 17.10.2006 - B 5 RJ 21/05 R - SozR 4-5050 § 15 Nr 3 RdNr 27), nicht Rechnung getragen wird, wenn unterstellt wird, dass Renten aus Rumänien mittlerweile
problemlos in die Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt werden. Dies vermag das gefundene Ergebnis jedoch nicht in Frage zu
stellen. Denn dieses Grundanliegen ist in § 31 Abs 1 Satz 1 FRG insbesondere vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorschriften nicht umgesetzt worden.
Sonstige Rechtsgrundlagen, die eine Ruhendstellung der deutschen Rente und damit eine Minderung des monatlichen Rentenzahlbetrages
rechtfertigen, bestehen ebenfalls nicht.
Der Anwendungsbereich des §
46 SGB I ist nicht eröffnet.
Nach §
46 Abs
2 SGB I ist der Verzicht auf Ansprüche auf Sozialleistungen unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet
oder Rechtsvorschriften umgangen werden. Der Anspruch des Klägers auf eine rumänische Altersrente ist kein Anspruch auf eine
Sozialleistung iS des §
46 SGB I. Diese Vorschrift bezieht sich auf Sozialleistungen iS von §
11 Abs
1 SGB I (BSG SozR 4-1200 § 46 Nr 1 RdNr 10), zu denen im SGB vorgesehene Dienst-, Sach- und Geldleistungen gehören. Auf Ansprüche aus Sicherungssystemen, die außerhalb
dieses Gesetzbuches existieren, ist §
46 SGB I nicht anwendbar.
Die Kürzung des Rentenanspruchs des Klägers um eine fiktive rumänische Rente erweist sich schließlich ebenfalls nicht unter
Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß §
242 BGB als rechtmäßig.
Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung für den Bereich des Sozialrechts entschieden, dass sich auch hier die Ausübung einer an sich
gegebenen Rechtsmacht als unzulässige Rechtsausübung darstellt, wenn sie nicht mehr im Rahmen der rechtsethischen und sozialen
Funktion des Rechts liegt (BSG SozR 2200 § 315a Nr 7 S 18 mwN).
Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger den Antrag auf Aufschiebung der Feststellung seines in Rumänien erworbenen Anspruchs
auf Altersrente rechtsmissbräuchlich gestellt hat. Von einem Rechtsmissbrauch könnte nur dann gesprochen werden, wenn der
Kläger von dem ihm gesetzlich eingeräumten Aufschubrecht bewusst einen ausschließlich funktionswidrigen Gebrauch gemacht hätte
(BSG aaO). Dies wiederum setzt voraus, dass die Ausübung des Aufschubrechts gesetzlich bestimmten Einschränkungen unterliegt bzw
das Recht nur zu bestimmten Zwecken ausgeübt werden darf. Weder Art 22 Abs 3 des Abkommens vom 8.4.2005 noch Art 44 Abs 2
VO (EWG) 1408/71 oder Art 50 Abs 1 VO (EG) 883/2004 führen die dem Aufschubrecht von der Beklagten beigemessene oder eine
andere Zweckbindung auf und enthalten hierfür auch keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Dass die Anrechnung einer fiktiven rumänischen Rente unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zulässig ist, wird zudem durch
die fehlende Existenz einer Rechtsgrundlage für die Berechnung einer fiktiven Rente bestätigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 SGG.