Verletzung des rechtlichen Gehörs
Hinderung der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung
Substantiierte Beschwerdebegründung
1. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art.
103 GG; §
62 SGG) ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt (vgl. §
202 SGG i.V.m. §
547 ZPO).
2. Mithin müssen mit dieser Rüge nicht nur die genauen Umstände des geltend gemachten Verstoßes bezeichnet, sondern auch Angaben
dazu gemacht werden, dass und warum die Entscheidung des LSG auf dem Gehörsverstoß beruhen kann.
3. Im Hinblick auf eine Hinderung der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sind zwar keine hohen Anforderungen an diese
Darlegungen zu stellen; andererseits soll das Revisionsgericht aber auch nicht aufgrund eines Verfahrensfehlers angerufen
werden, der unter keinen denkbaren Umständen für das Ergebnis der Revision von Belang sein kann.
4. Die Beschwerdebegründung hat deshalb grundsätzlich so substantiiert und schlüssig zu sein, dass sich das Gericht bereits
auf dieser Grundlage ein Urteil darüber bilden kann, ob die geltend gemachten Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - es
als möglich erscheinen lassen, dass das Urteil darauf beruht.
Dem Kläger wird wegen Versäumens der Frist zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des
Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Oktober 2014 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil
Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Im Streit ist die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe, verbunden mit einem Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt
75 953,69 Euro. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18.2.2010; Urteil des Landessozialgerichts
Berlin-Brandenburg [LSG] vom 9.10.2014).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem am 29.10.2014 zugestellten Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde,
deren Begründung bei Gericht am 2.1.2015 eingegangen ist. Wegen Versäumens der Begründungsfrist hat der Kläger Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand beantragt, zu deren Begründung seine Prozessbevollmächtigten vorgetragen hat, die gut ausgebildete und
überwachte Rechtsanwaltsangestellte habe die vollständig ausgedruckte, unterschriebene, fax- und postfertige Beschwerdebegründung
am 29.12.2014 an eine falsche Faxnummer gesandt, ohne dies zu bemerken. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger
einen Verfahrensfehler geltend. Er rügt die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§
62 Sozialgerichtsgesetz [SGG]; Art
103 Abs
1 Grundgesetz [GG]). Das LSG habe trotz zweier Verlegungsanträge vom 17.9. und 29.9.2014 und trotz seiner Erkrankung und Behinderung ohne
ihn bzw seine Vertreter mündlich verhandelt. Es sei nicht auszuschließen, dass eine ordnungsgemäße Gewährung rechtlichen Gehörs
zu einem ihm günstigeren Ergebnis geführt hätte. In der Durchführung des Termins unter Nichtbeachtung seiner Behinderung und
Verhandlungsunfähigkeit liege zudem ein Verstoß gegen Art 13 Abs 1 UN-Behindertenrechtskonvention, der Menschen mit Behinderungen
einen wirksamen Zugang zur Justiz gewährleiste. Entgegen der Auffassung des LSG sei auch davon auszugehen, dass er in der
Zeit von 1990 bis 2002 nur als Treuhänder über Vermögenswerte verfügt habe.
II
Die Beschwerde ist unzulässig. Zwar ist dem Kläger wegen der versäumten Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zu gewähren, denn seine Prozessbevollmächtigten haben glaubhaft gemacht, ohne Verschulden gehindert gewesen
zu sein, die Beschwerdebegründungsfrist einzuhalten (§
67 Abs
1 SGG). Sie hatten die Aufgabe, den Schriftsatz mit der Beschwerdebegründung an das Bundessozialgericht zu faxen, zulässigerweise
auf eine Hilfspersonen übertragen (vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
67 RdNr 8b mwN). Deren eventuelles Verschulden ist den Prozessbevollmächtigten indes nicht zuzurechnen, weil Anhaltspunkte für
ein Auswahl-, Überwachungs- oder Organisationsverschulden nach ihrem glaubhaften Vorbringen nicht bestehen. Jedoch hat der
Kläger einen Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), nicht in der gebotenen Weise bezeichnet (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1
SGG, §
169 SGG).
Wird das Vorliegen eines Verfahrensmangels geltend gemacht (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision
zunächst die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert bezeichnet werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34 und 36; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist die Darlegung
zu verlangen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also
die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36). Letzteres ist nur entbehrlich, wenn absolute Revisionsgründe gerügt werden, bei denen gemäß §
202 SGG iVm §
547 Zivilprozessordnung (
ZPO) der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird (BSGE 4, 281, 288; BSG SozR 1500 § 136 Nr 8). Die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art
103 GG; §
62 SGG) ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt (vgl §
202 SGG iVm §
547 ZPO). Mithin müssen mit dieser Rüge nicht nur die genauen Umstände des geltend gemachten Verstoßes bezeichnet, sondern auch Angaben
dazu gemacht werden, dass und warum die Entscheidung des LSG auf dem Gehörsverstoß beruhen kann. Im Hinblick auf eine Hinderung
der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sind zwar keine hohen Anforderungen an diese Darlegungen zu stellen (vgl nur Leitherer
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 160a RdNr 16d mwN). Andererseits soll das Revisionsgericht aber auch nicht aufgrund
eines Verfahrensfehlers angerufen werden, der unter keinen denkbaren Umständen für das Ergebnis der Revision von Belang sein
kann. Die Beschwerdebegründung hat deshalb grundsätzlich so substantiiert und schlüssig zu sein, dass sich das Gericht bereits
auf dieser Grundlage ein Urteil darüber bilden kann, ob die geltend gemachten Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - es
als möglich erscheinen lassen, dass das Urteil darauf beruht (BSG SozR 1500 §
160a Nr 14; SozR 3-1500 §
160 Nr 33; vgl auch Karmanski in Roos/Wahrendorf,
SGG, 1. Aufl 2014, §
160a RdNr 86 mwN).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht. Zwar werden die Umstände des vermeintlich vorliegenden
Verfahrensmangels dargestellt. Doch sind der Begründung nicht einmal ansatzweise der Streitgegenstand und der Sach- bzw Streitstand
des Verfahrens zu entnehmen. Die Darlegungen ermöglichen es dem Senat deshalb nicht zu beurteilen, worum es in der Sache überhaupt
geht. Dies gilt auch, soweit der Kläger Ausführungen zu der angeblich 1990 geschlossenen Treuhandvereinbarung macht.
Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§
73a Abs
1 SGG, §
114 ZPO), ist dem Kläger auch keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen; damit ist zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen
(§
121 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.