Nichtvorliegen des Unfallversicherungsschutzes gem § 8 Abs. 1 SGB VII
Gründe:
I
Umstritten ist die Feststellung eines Unfalls als Arbeitsunfall.
Der im Jahr 1944 geborene Kläger ist Beschäftigter der P AG mit Sitz in K. (im Folgenden: Unternehmen). Er nahm am 15. Februar
2004 an einem "Faschingsfußballturnier" teil und erlitt einen Unfall mit einer Schulterluxation. Das Turnier hatte die Betriebssportgemeinschaft
des Unternehmens organisiert. Die Einladung des Vorsitzenden der Betriebssportgemeinschaft richtete sich an alle damals ca
1.600 Beschäftigten des Unternehmens. Während der Veranstaltung waren wie alljährlich ca 100 Teilnehmer anwesend. Für die
teilnehmenden Mannschaften bestand Kostümzwang und galten besondere Spielregeln. Die Unternehmensleitung unterstützte die
Veranstaltung finanziell. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte Leistungen aus Anlass des Unfalls ab, da dieser kein Arbeitsunfall
sei; Betriebssport scheide mangels Regelmäßigkeit aus und eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung habe nicht vorgelegen,
weil nur wenige Beschäftigte teilgenommen hätten und keine besonderen Umstände zu erkennen seien (Bescheid vom 9. Juli 2004;
Widerspruchsbescheid vom 25. November 2004).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 1. März 2006). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil
vom 25. Februar 2008) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe zwar als Angestellter des Unternehmens
unter Versicherungsschutz nach §
2 Abs
1 Nr
1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (
SGB VII) gestanden, zum Zeitpunkt des Unfalls habe er jedoch nicht diese versicherte Tätigkeit ausgeübt. Seine Teilnahme am Faschingsfußballturnier
sei auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen seinem nicht versicherten
privaten Bereich "zuzuordnen".
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger, das LSG habe die Urteile des Senats vom 26. Oktober 2004 (B 2 U 16/04 R - SozR 4-1500 § 163 Nr 1) und vom 7. Dezember 2004 (B 2 U 47/03 R - SozR 4-2700 §
8 Nr
11) unberücksichtigt gelassen, sein Unfall sei als Versicherungsfall nach §
7 Abs
1 SGB VII anzuerkennen. Das LSG habe ferner den Sachverhalt und die Aussagen des Zeugen M. unzutreffend gewürdigt und unzutreffende
Schluss- folgerungen gezogen. Entgegen der Auffassung des LSG habe er nicht aufgrund objektiver Verhältnisse davon ausgehen
können, dass das Faschingsfußballturnier keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25. Februar 2008 und des Sozialgerichts Lübeck vom 1. März
2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2004 aufzuheben
und festzustellen, dass sein Unfall am 15. Februar 2004 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Sein Unfall vom 15. Februar 2004 ist nicht als Arbeitsunfall festzustellen.
Nach §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall
ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit
zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper
einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden
oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen
aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für das Vorliegen eines
Arbeitsunfalls (vgl nur BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; jeweils RdNr 10 mwN).
Dass der Kläger am 15. Februar 2004 bei dem von der Betriebssportgemeinschaft seines Unternehmens organisierten Faschingsfußballturnier
einen Unfall mit Schulterluxation erlitten hat, steht fest, ebenso sein Versicherungsschutz aufgrund seiner versicherten Tätigkeit
als Angestellter des Unternehmens nach §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII. Die vom Kläger zur Zeit des Unfallereignisses ausgeübte Verrichtung - die Teilnahme an dem Faschingsfußballturnier - steht
jedoch nicht im sachlichen Zusammenhang mit dieser versicherten Tätigkeit im Unternehmen.
Bei den nach §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII versicherten Beschäftigten ist für den sachlichen Zusammenhang maßgebend, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine dem
Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des
Einzelfalls bestätigt wird (vgl nur BSG vom 10. Oktober 2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 19, jeweils RdNr 14 mwN). Handelt der Beschäftigte zur Erfüllung einer sich aus seinem Arbeitsvertrag
ergebenden Verpflichtung, ist dies unmittelbar zu bejahen (BSG vom 18. März 2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2). Ein sachlicher Zusammenhang mit der Beschäftigung liegt auch vor, wenn der Versicherte an einer
betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung (BSGE 1, 179, 181 ff; zuletzt BSG vom 7. Dezember 2004 - B 2 U 47/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 11) oder an Betriebssport (grundlegend: BSGE 16, 1 ff = SozR Nr 49 zu § 542
RVO; BSG vom 13. Dezember 2005 - B 2 U 29/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 16) teilnimmt. Betriebssport scheidet vorliegend jedoch mangels Regelmäßigkeit der sportlichen Betätigung
des Klägers aus.
Eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung liegt ua vor, wenn sie allen
Beschäftigten offen steht (bei Großbetrieben ggf nur entsprechend abgrenzbaren betrieblichen Einheiten). Die Veranstaltung
muss von ihrem Programm her geeignet sein, die Gesamtheit der Belegschaft und nicht nur einen begrenzten Teil anzusprechen
(BSG vom 7. Dezember 2004 - B 2 U 47/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 11, RdNr 14). Die Teilnahme an Freizeit- und Erholungsveranstaltungen hingegen ist nicht versichert,
auch wenn diese vom Unternehmen organisiert und finanziert werden (BSG aaO, RdNr 15).
Das Faschingsfußballturnier, bei dem der Kläger verunglückte, war keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. Die Veranstaltung
zielte konzeptionell nicht auf eine Teilnahme aller, sondern nur eines Teils der Beschäftigen des Unternehmens ab. Das LSG
hat mangels zulässiger und begründeter Rüge für das Bundessozialgericht bindend festgestellt, dass die Veranstaltung von ihrem
Programm ("Faschingsfußballturnier") und ihrer Durchführung, zB Kostümzwang, her sich nur an einen begrenzten Ausschnitt von
karnevalsbegeisterten Beschäftigten und nicht an alle Beschäftigten des Unternehmens gewandt hat, es an den norddeutschen
Betriebsstandorten des Unternehmens, insbesondere am Veranstaltungsort Kiel, keine nennenswerte Karnevalsbegeisterung gibt
und auch bei der Ausschreibung des Turniers nicht zu erwarten war, dass sich eine solche entwickeln würde. Der Kläger hat
insofern keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben, sondern nur eine eigene, vom LSG abweichende Beweiswürdigung
vorgetragen.
Die finanzielle Unterstützung des Unternehmens für die Veranstaltung kann das Fehlen einer auf die Teilnahme aller Beschäftigten
ausgerichteten Konzeption nicht ersetzen.
Soweit der Kläger zur Begründung seiner Revision ausführt, entgegen der Auffassung des LSG habe er aufgrund der objektiven
Verhältnisse nicht davon ausgehen können, dass das Faschingsfußballturnier keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gewesen
sei, bezieht er sich wohl auf die Rechtsprechung des Senats zum Vertrauensschutz von Teilnehmern ggf schwach besuchter betrieblicher
Gemeinschaftsveranstaltungen (BSG vom 7. Dezember 2004 - B 2 U 47/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 11 RdNr 11). Aber auch aufgrund eines solchen Vertrauensschutztatbestandes kann ein sachlicher Zusammenhang
seines Unfalls mit seiner versicherten Tätigkeit nicht bejaht werden. Denn tatsächliche Feststellungen, aus denen sich ein
schutzwürdiges Vertrauen seinerseits hätte ergeben können, hat der Kläger weder ausgehend von den Feststellungen des LSG noch
in Verbindung mit entsprechenden Rügen vorgebracht. Er hat nur auf seine "Parallelwertung in der Laiensphäre" verwiesen, dass
es sich "bei dem Faschingsfußballturnier um eine von dem Willen seines Arbeitgebers getragene Gemeinschaftsveranstaltung"
gehandelt habe.