Vergütung vertragsärztlicher Leistungen; Verordnungsregress nach Überschreitung des Richtgrößenvolumens; Anerkennung von Praxisbesonderheiten
Gründe:
I
Im Streit steht ein Verordnungsregress für das Jahr 2005 auf der Grundlage von Richtgrößen.
Der Kläger nimmt im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) als Facharzt für Allgemeinmedizin an
der vertragsärztlichen Versorgung teil. Seine Bruttokosten für die Verordnung von Arznei- und Verbandmitteln einschließlich
Sprechstundenbedarf betrugen im Jahre 2005 515 472,90 Euro und überstiegen damit das für ihn maßgebliche Richtgrößenvolumen
um 101,94 %. Der (damalige) Prüfungsausschuss teilte dem Kläger den Richtgrößenjahresvergleich sowie die Absicht mit, eine
Wirtschaftlichkeitsprüfung auf der Grundlage von Richtgrößen durchzuführen. Der - noch nicht anwaltlich vertretene - Kläger
gab keine Stellungnahme ab und unterzeichnete auch nicht die ihm angebotene Vereinbarung über die Verminderung des berechneten
Regresses um ein Fünftel gemäß §
106 Abs
5a Satz 4
SGB V. Der Prüfungsausschuss setzte daraufhin einen Regress in Höhe von 36 930,90 Euro fest (Bescheid vom 12.12.2007); nach Anerkennung
von Praxisbesonderheiten verblieb eine Restüberschreitung von 42,2 %.
Der Widerspruch des Klägers, mit dem er weitere Besonderheiten sowie - hilfsweise - den Abschluss einer individuellen Richtgrößenvereinbarung
(IRV) geltend machte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des beklagten Beschwerdeausschusses vom 4.7.2008). Der Beklagte
führte aus, weitere Praxisbesonderheiten seien nicht zu erkennen. Eine individuelle Richtgröße könne nur vor Festsetzung des
Regresses vereinbart werden; während des Verfahrens vor dem Prüfungsausschuss sei jedoch kein entsprechender Antrag gestellt
worden. Nach Erlass des Prüfbescheides sei eine Vereinbarung ausgeschlossen. Auf die Klage hat das SG den Bescheid wegen Verstoßes gegen §
106 Abs
5d SGB V aufgehoben und den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet (Urteil vom 2.2.2011): Wenn der Arzt den Abschluss einer IRV
beantrage, sei (auch) der Beklagte verpflichtet, diesem ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten. Auf die Berufung des Beklagten
hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.5.2012).
Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, inhaltlich sei der festgesetzte Regress nicht zu beanstanden. Der Bescheid des Beklagten
sei auch nicht deswegen rechtswidrig, weil dieser es abgelehnt habe, mit dem Kläger eine Vereinbarung über eine individuelle
Richtgröße zu schließen. §
106 Abs
5d SGB V setze zum einen den Abschluss einer solchen Vereinbarung vor der Festsetzung eines Regresses voraus und unterwerfe zum anderen
die Prüfgremien keinem Kontrahierungszwang, sondern lediglich einer Verhandlungspflicht, die durch ein entsprechendes Begehren
des Vertragsarztes ausgelöst werden müsse. Dass die Vereinbarung über eine individuelle Richtgröße nur vor der Festsetzung
eines Regresses geschlossen werden könne, ergebe sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Solle eine derartige Vereinbarung
die Festsetzung eines Regresses verhindern, müsse sie vor Bekanntgabe des den Regress festsetzenden Bescheides geschlossen
sein. Vor diesem Hintergrund sei die alleinige Erwähnung des "Prüfungsausschusses" in §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V beredt, denn in aller Regel sei es dieser und nicht erst der Beschwerdeausschuss, der einen Regress festsetze. Habe der Prüfungsausschuss
einen Regress festgesetzt, komme im Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss der Abschluss einer regresshindernden IRV nicht
mehr in Betracht. Dem stehe nicht entgegen, dass der Bescheid des Beschwerdeausschusses den Bescheid des Prüfungsausschusses
ersetze, denn dies bedeute nicht, dass mit der Anrufung des Beschwerdeausschusses oder mit dessen Entscheidung der Bescheid
des Prüfungsausschusses gegenstandslos würde. Vor dem Beschwerdeausschuss könne ein Vertragsarzt eine regresshindernde Vereinbarung
nur dann abschließen, wenn der Prüfungsausschuss gegen ihn keinen Regress festgesetzt habe oder wenn dessen Bescheid (ausnahmsweise)
aufgehoben worden sei.
§
106 Abs
5d SGB V vermittele keinen Anspruch auf Abschluss einer IRV, sondern lediglich ein Recht auf Verhandlung über eine solche Vereinbarung;
dieses Recht müsse der Arzt vor Festsetzung des Regresses geltend machen. §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V räume den Beteiligten - und damit auch den Prüfgremien - erhebliche Spielräume ein. Angesichts dieser Spielräume bestehe
kein Raum für einen Kontrahierungszwang der Prüfgremien. Eine IRV beinhalte den Abschluss eines Vertrages, könne also nur
im gegenseitigen Einvernehmen abgeschlossen werden. Allerdings dürfe §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V von den Prüfgremien nicht durch die Verweigerung jeglicher Verhandlungen unterlaufen werden. Der Wortlaut des §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V gebe auch nichts dafür her, dass die Prüfgremien auf den Abschluss einer IRV hinwirken müssten. Gegen eine solche Verpflichtung
spreche die Systematik des Gesetzes: In §
106 Abs
5a Satz 4
SGB V sei eine solche Hinwirkungspflicht ausdrücklich geregelt, nicht hingegen in §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V. Gegen eine somit allein bestehende Verhandlungspflicht hätten vorliegend weder der Prüfungsausschuss noch der Beschwerdeausschuss
verstoßen, denn im Verfahren vor dem Prüfungsausschuss habe sich der Kläger nicht geäußert.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Aus §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V ergebe sich ein Anspruch des geprüften Vertragsarztes auf Unterbreitung eines Angebots über eine IRV. Hätte der Gesetzgeber
ein konkretes Antragserfordernis für erforderlich gehalten, hätte er dies - wie etwa in §
106 Abs
5e Satz 4
SGB V - formuliert. Der Beklagte habe durch Verneinung seiner Zuständigkeit für den Abschluss einer IRV jegliche Verhandlung verweigert
und somit seinen - des Klägers - Anspruch unterlaufen. Ein Angebot auf Abschluss einer IRV habe nicht nur der im ersten Verwaltungsrechtszug
zuständige Prüfungsausschuss zu unterbreiten, sondern auch der Beschwerdeausschuss. Die Annahme des LSG, die Vereinbarung
einer individuellen Richtgröße könne ausschließlich vor der Festsetzung eines Regresses erfolgen, gehe fehl. Der Beschwerdeausschuss
dürfe sich sämtlicher in §
106 SGB V geregelter Maßnahmen bedienen, da ihm die Überprüfung der Entscheidung des Prüfungsausschusses insgesamt - einschließlich
bestehender Ermessens- und Beurteilungsspielräume - obliege, er ab dem Zeitpunkt der Einlegung des Widerspruches ausschließlich
funktionell zuständig werde und eine insgesamt eigenständige Prüfung und Bewertung des jeweiligen Sachverhalts vornehme.
Eine IRV könne unabhängig davon getroffen werden, welche Maßnahme zuvor durch den Prüfungsausschuss festgesetzt worden sei
und ob dieser selbst von der Regelung des §
106 Abs
5d SGB V Gebrauch gemacht habe oder nicht. Der Zweck des §
106 Abs
5d SGB V, eine höhere Effizienz des Prüfverfahrens zu bewirken, sei vorliegend nicht bereits wegen Zeitablaufs unmöglich geworden.
Vielmehr könne eine Steuerungsfunktion unabhängig davon gegeben sein, zu welchem Zeitpunkt die Vereinbarung geschlossen werde.
Durch eine IRV werde dem Effizienzgebot weitaus mehr gedient als durch ein streitiges Verfahren im Falle der wiederholten
Festsetzung eines Regresses. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Festsetzung des Regresses innerhalb der zweijährigen Ausschlussfrist
zu erfolgen habe. Erfahrungsgemäß verblieben damit vor dem Prüfungsausschuss nur wenige Monate zur Aushandlung einer IRV;
im anschließenden Widerspruchsverfahren bestehe ein derartiger Fristendruck hingegen nicht. Die Auffassung des LSG führe zudem
zu unbilligen Ergebnissen in Form nicht mehr korrigierbarer Entscheidungen der Prüfungsausschüsse.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen LSG vom 30.5.2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Dresden vom
2.2.2011 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger vor der abschließenden Festsetzung des Regressbetrages ein Angebot zum Abschluss
einer IRV zu unterbreiten. Nach Festsetzung eines Regresses komme die Vereinbarung einer individuellen Richtgröße nicht mehr
in Betracht, wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut des §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V ergebe. Die Festsetzung einer individuellen Richtgröße solle in zeitlicher Hinsicht eine Zäsur darstellen. Auch sei die hinter
der Regelung stehende Intention, das Verwaltungsverfahren zu vereinfachen, nicht mehr zu erreichen, wenn bereits das Verwaltungsverfahren
in zweiter Instanz eröffnet sei. Eine Kompetenz des Beschwerdeausschusses zur Vereinbarung einer individuellen Richtgröße
komme nur ausnahmsweise in Betracht, insbesondere wenn die Prüfungsstelle keinen Regress festgesetzt habe und deren Entscheidung
von anderen Verfahrensbeteiligten als dem Vertragsarzt angegriffen werde. Der Prüfungsausschuss sei nicht verpflichtet, dem
Arzt ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten. Der Kläger habe sein Recht und seine Pflicht zur Mitwirkung nicht wahrgenommen;
daraus könne ihm später kein Vorteil erwachsen.
Die Beigeladene zu 1. schließt sich - ohne einen Antrag zu stellen - der Auffassung des Klägers an. Die übrigen Beigeladenen
haben weder Anträge gestellt noch sich sonst geäußert.
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Das LSG hat der Berufung des Beklagten zu Unrecht stattgegeben.
Der Beklagte muss - wie das SG im Ergebnis richtig gesehen hat - über den Widerspruch des Klägers gegen die Entscheidung des Prüfungsausschusses (seit dem
1.1.2008: Prüfungsstelle) neu entscheiden und mit dem Kläger insbesondere in Verhandlungen über den Abschluss einer IRV treten.
Zwar sind die Prüfgremien nicht verpflichtet, auf den Abschluss einer IRV hinzuwirken (1.a.); beantragt jedoch der geprüfte
Arzt den Abschluss einer IRV oder regt er dies an, sind die Prüfgremien gehalten, mit ihm über den Abschluss einer IRV zu
verhandeln (1.b.). Diese Verpflichtung obliegt nicht allein dem (früheren) Prüfungsausschuss bzw der Prüfungsstelle, sondern
auch dem Beschwerdeausschuss (2.a.); die Festsetzung eines Regressbetrages durch Prüfungsausschuss bzw Prüfungsstelle entfaltet
insoweit keine Sperrwirkung (2.b.).
1.a. Das LSG hat zutreffend erkannt, dass die Prüfgremien nicht verpflichtet sind, dem zu prüfenden Vertragsarzt von sich
aus den Abschluss einer IRV anzubieten oder in sonstiger Weise hierauf hinzuwirken (siehe schon LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss
vom 21.2.2011 - L 3 KA 100/10 B ER - Juris RdNr 25; in diesem Sinne auch Engelhard in Hauck/Noftz,
SGB V, K §
106 RdNr 227; ders, NZS 2004, 572, 575; Seifert in Eichenhofer/Wenner,
SGB V, §
106 RdNr 21). Eine derartige Handlungspflicht wird den Prüfgremien weder explizit vorgegeben noch lässt sie sich dem Gesamtzusammenhang
der in §
106 SGB V enthaltenen Regelungen entnehmen.
Nach §
106 Abs
5a Satz 3
SGB V (in der ab dem 1.1.2004 geltenden und seither - nahezu - unveränderten Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes [GMG] vom
14.11.2003, BGBl I 2190) hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 vom Hundert
nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss (ab 1.1.2008: die Prüfungsstelle) den sich daraus ergebenden Mehraufwand den
Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Abweichend von §
106 Abs
5a Satz 3
SGB V wird ein zu erstattender Mehraufwand nicht festgesetzt, soweit der Prüfungsausschuss (jetzt: die Prüfungsstelle) mit dem
Arzt eine individuelle Richtgröße vereinbart, die eine wirtschaftliche Verordnungsweise des Arztes unter Berücksichtigung
von Praxisbesonderheiten gewährleistet (§
106 Abs
5d Satz 1
SGB V idF des GMG). In dieser Vereinbarung muss sich der Arzt verpflichten, ab dem Quartal, das auf die Vereinbarung folgt, jeweils
den sich aus einer Überschreitung dieser Richtgröße ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten (§
106 Abs
5d Satz 2
SGB V). Eine Verpflichtung der Prüfgremien, auf den Abschluss einer IRV hinzuwirken, ergibt sich hieraus nicht; auch die Gesetzesbegründung
(FraktE-GMG, BT-Drucks 15/1525 S 117 zu Nr 82 [§ 106] Buchst k) verhält sich nicht zu einer "Hinwirkungspflicht" der Prüfgremien.
Dass die Norm keine entsprechende Verpflichtung statuiert, zeigt insbesondere auch der Vergleich mit der - ebenfalls den Abschluss
einer die Festsetzung eines Regresses ersetzenden Vereinbarung ("Vertrag vor Verwaltungsakt") regelnden - Vorschrift des §
106 Abs
5a Satz 4
SGB V. Dort ist ausdrücklich bestimmt, dass die Prüfungsstelle (bzw zuvor der Prüfungsausschuss) vor ihren Entscheidungen und Festsetzungen
auf den Abschluss einer (der Festsetzung) entsprechenden Vereinbarung, die eine Minderung des Erstattungsbetrages um bis zu
einem Fünftel zum Inhalt haben kann, "hinwirken soll". Auch in der Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Ablösung des Arznei-
und Heilmittelbudgets ([ABAG], vom 19.12.2001, BGBl I 3773) wird hervorgehoben, dass die Regelung den Prüfungsausschuss "anhalte",
eine vertragliche Vereinbarung mit dem Arzt herbeizuführen (FraktE-ABAG, BT-Drucks 14/6309 S 11 zu Nr
4 [§ 106]). Da diese - als §
106 Abs
5a Satz 7
SGB V durch das ABAG mit Wirkung zum 31.12.2001 in das Gesetz eingefügte - Vorschrift bei Inkrafttreten des §
106 Abs
5d SGB V bereits galt, kann aus dem Umstand, dass §
106 Abs
5d SGB V keine vergleichbare Vorgabe enthält, nur der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber hiervon nicht versehentlich, sondern
bewusst Abstand genommen hat.
Die unterschiedlichen Vorgaben in §
106 Abs
5a Satz 4 und Abs
5d SGB V sind auch sachlich begründet. Zwar haben beide Regelungen gemein, dass sie auf eine freiwillige Vereinbarung zwischen Prüfungsausschuss
bzw Prüfungsstelle und Vertragsarzt abzielen. Der Charakter beider Maßnahmen ist ansonsten jedoch nicht vergleichbar: §
106 Abs
5a Satz 4
SGB V erleichtert die Durchsetzung eines Regresses, indem er eine Reduzierung des an sich fälligen Regressbetrages im Gegenzug
zu einem Verzicht des Arztes auf eine förmliche Entscheidung und ein gerichtliches Verfahren ermöglicht. Dies kommt auch in
der Gesetzesbegründung (FraktE-ABAG, BT-Drucks 14/6309 S 11 zu Nr 4 [§ 106] Buchst b) zum Ausdruck, wenn es dort heißt, die
Regelung ziele darauf ab, aufwändige und langwierige Streitverfahren möglichst zu vermeiden. Da die Prüfgremien auch ohne
diese Vorschrift berechtigt wären, ein Prüfverfahren im Vergleichswege zu beenden, erweitert die Norm deren Handlungsmöglichkeiten
nicht, sondern forciert lediglich (in engen Grenzen) den Abschluss derartiger Vergleiche. Demgegenüber ermöglicht es §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V, eine Prüfmaßnahme - die Festsetzung des Mehraufwandes - vollständig durch den Abschluss einer auf die Zukunft bezogenen
IRV zu ersetzen, mithin auf die gesamte Forderung zu verzichten (so auch FraktE-GMG, BT-Drucks 15/1525 S 117 zu Nr 82 [§ 106]
Buchst k: "Verzicht").
Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die vergleichsweise Beendigung des Prüfverfahrens nach §
106 Abs
5a Satz 4
SGB V an keine Voraussetzungen geknüpft hat; demgegenüber setzt §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V voraus, dass die individuelle Richtgröße einerseits eine wirtschaftliche Verordnungsweise, andererseits die Berücksichtigung
von Praxisbesonderheiten gewährleistet. Zudem hat eine IRV für den Vertragsarzt deutlich weitergehende Folgen als der vorerwähnte
Vergleichsschluss, weil sie ihn zukünftig an eine individuelle Richtgröße bindet und ihm im Falle der Überschreitung dieser
Richtgröße die Möglichkeit nimmt, diese nachträglich in Zweifel zu ziehen; auch die nachträgliche Geltendmachung von Praxisbesonderheiten
ist ausgeschlossen (Engelhard in Hauck/Noftz,
SGB V, K §
106 RdNr 231; ders, NZS 2004, 572, 575; Hencke in Peters,
SGB V, §
106 RdNr 12; Seifert in Eichenhofer/Wenner aaO; Kuhlen, ArztuR 2006, 103, 104). Auch zieht ein Verstoß gegen die individuelle
Richtgröße härtere Sanktionen nach sich als eine Überschreitung der regulären Richtgrößen. Bei einer Überschreitung der individuellen
Richtgröße ist der komplette Mehraufwand zu erstatten (in diesem Sinne auch Hencke in Peters,
SGB V, §
106 RdNr 12; wohl auch Seifert in Eichenhofer/Wenner aaO; aA Rompf in Liebold/Zalewski,
SGB V, §
106 RdNr C 106-76). Einen "Toleranzbereich" wie in §
106 Abs
5a Satz 1 und
3 SGB V - mit einer erst bei einer Überschreitung von mehr als 25 vH eingreifenden Erstattungspflicht - gibt es insoweit nicht. Dem
steht der eindeutige Wortlaut des Gesetzes entgegen, wonach sich der Vertragsarzt gemäß §
106 Abs
5d Satz 2
SGB V verpflichten muss, den sich aus einer "Überschreitung dieser Richtgröße" ergebenden Mehraufwand zu erstatten. Hinzu kommt,
dass die Vereinbarung einer individuellen Richtgröße eine "Feinjustierung" der speziellen Situation der Arztpraxis beinhaltet,
sodass es eines Toleranzbereiches wie bei der - vergröbernden - arztgruppenspezifischen Richtgröße nicht bedarf.
Mithin ermächtigt §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V die Prüfgremien, von den - ansonsten zwingenden - gesetzlichen Vorgaben über die Festsetzung der Mehrbedarfe abzuweichen,
und gibt ihnen ein entsprechendes Initiativrecht; eine gesetzliche Verpflichtung der Prüfgremien, dem Arzt den Abschluss einer
IRV anzubieten, besteht hingegen nicht. Dem steht auch nicht entgegen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers (FraktE-GMG,
BT-Drucks 15/1525 S 116 zu Nr 82 [§ 106] Buchst j Doppelbuchst dd) der Abschluss einer IRV Vorrang vor einer Regressfestsetzung
haben soll. Hätte der Gesetzgeber diesen Vorrang durch eine Verpflichtung der Prüfgremien, auf den Abschluss von IRV hinzuwirken,
absichern wollen, hätte es ihm freigestanden, eine "Hinwirkungspflicht" wie in §
106 Abs
5a Satz 4
SGB V zu normieren.
b. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der geprüfte Arzt von sich aus Interesse am Abschluss einer IRV bekundet oder sogar
den Abschluss einer IRV beantragt. In diesem Fall sind die Prüfgremien verpflichtet, in Verhandlungen über den Abschluss einer
IRV einzutreten und dürfen den Abschluss einer IRV nicht aus sachfremden Gründen vereiteln (vgl auch Seifert in Eichenhofer/Wenner
aaO). Dies zieht auch das Berufungsgericht nicht in Zweifel, sondern geht in diesen Fällen von einer "Verhandlungspflicht"
des Prüfungsausschusses bzw der Prüfungsstelle aus. Klarzustellen ist allerdings, dass die Prüfgremien nicht unter allen Umständen
verpflichtet sind, eine IRV abzuschließen; ein unbedingter "Anspruch" des Arztes auf Abschluss einer IRV besteht nicht (so
schon SG Hannover Urteil vom 16.12.2010 - S 61 KA 37/08 - Juris RdNr 153). Da es sich um eine Vereinbarung in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages handelt, setzt die IRV
eine Willensübereinstimmung voraus. Wird zwischen den Prüfgremien und dem zu prüfenden Arzt keine Übereinstimmung über den
Inhalt der Vereinbarung - insbesondere über die Höhe der zu vereinbarenden Richtgröße - erzielt, sind die Verhandlungen gescheitert
mit der Folge, dass ein vom Arzt zu erstattender Mehrbetrag festzusetzen ist.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Abschluss einer IRV auch mit dem Beschwerdeausschuss möglich und
kann auch noch erfolgen, wenn der Prüfungsausschuss - bzw nach geltendem Recht die Prüfungsstelle - einen Regress festgesetzt
hat. Daher trifft die Verpflichtung, einem Antrag bzw einer Anregung des geprüften Arztes auf Abschluss einer IRV nachzugehen,
auch den Beschwerdeausschuss; dass dieser dem vorliegend nicht nachgekommen ist, führt zur Rechtswidrigkeit seiner Entscheidung.
a. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stehen dem Beschwerdeausschuss - soweit sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt
- dieselben Handlungsmöglichkeiten bzw Kompetenzen wie der Prüfungsstelle (bzw dem Prüfungsausschuss alten Rechts) zu. Danach
rechtfertigen die Besonderheiten in der organisationsrechtlichen Stellung des Beschwerdeausschusses sowie die vielfältigen
Unterschiede in der Ausgestaltung des Vorverfahrens nach dem
SGG einerseits und des Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss andererseits die Bewertung, dass die Funktion des Beschwerdeausschusses
nicht auf die einer Widerspruchsstelle beschränkt ist, sondern dass es sich bei dem Beschwerdeverfahren - dem Verfahren vor
dem Berufungsausschuss nach §
97 SGB V vergleichbar - vielmehr um ein eigenständiges und umfassendes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz handelt
(BSGE 74, 59, 62 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 120; vgl auch BSGE 72, 214, 220 = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 11; BSG SozR 2200 § 368n Nr 36 S 118; BSGE 62, 24, 32 = SozR 2200 § 368n Nr 48 S 164; ebenso - aus jüngerer Zeit - LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 13.4.2011 - L 11 KA 121/10 B ER ua - Juris RdNr 38). Daher beschränkt sich die Aufgabe des Beschwerdeausschusses nicht darauf, die Entscheidung der
Prüfungsstelle (bzw des Prüfungsausschusses) auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, sondern dieser wird mit seiner Anrufung
für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- bzw Verordnungsweise des Arztes in vollem Umfang zuständig.
Der Auffassung des LSG, dass diese Kompetenz auf die Konstellationen begrenzt sei, in denen der Prüfungsausschuss bzw die
Prüfungsstelle ausdrücklich keinen Regress festgesetzt hat, sodass der Beschwerdeausschuss erst auf den Widerspruch der Krankenkassen
zuständig wird, vermag der Senat nicht zu folgen. Diese Einschränkung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen: Wenn dem Beschwerdeausschuss
der Abschluss von IRVen nicht prinzipiell verwehrt ist, wovon der Senat ausgeht (siehe hierzu 2.b.), ist nicht erkennbar,
warum dieser von diesem Instrument nicht immer dann Gebrauch machen können soll, wenn generell seine Zuständigkeit eröffnet
ist.
b. Die Kompetenz der Prüfgremien zum Abschluss einer IRV ist entgegen der Auffassung des LSG auch nicht - inhaltlich - derart
eingeschränkt, dass eine individuelle Richtgröße nur dann vereinbart werden kann, solange es (überhaupt) noch nicht zur Festsetzung
eines Regresses gekommen ist. Für diese Annahme besteht weder eine hinreichend deutliche gesetzliche Grundlage (aa.) noch
ist sie ansonsten durch Sachgründe geboten (bb.).
aa. Die sich aus einer Festsetzung des Mehraufwandes gemäß §
106 Abs
5c Satz 1 iVm Abs
5a SGB V ergebenden Rechtsfolgen bestimmen sich nach §
106 Abs
5c Satz 3 aF (Satz 4 nF)
SGB V: Danach hat die KÄV dann, wenn der Regressbescheid bestandskräftig wird, in der jeweils festgesetzten Höhe Rückforderungsansprüche
gegen den Vertragsarzt, welche im Wege der Aufrechnung gegen Honoraransprüche realisiert werden. Weitere Rechtsfolgen der
Festsetzung - insbesondere eine hieraus resultierende Sperrwirkung für den Abschluss einer IRV - sind gesetzlich nicht bestimmt.
Sie ergeben sich insbesondere nicht aus §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V. Dort ist bestimmt, dass ein vom Vertragsarzt zu erstattender Mehraufwand (dh ein Regress) nicht festgesetzt wird, soweit
eine individuelle Richtgröße vereinbart wird. Damit werden ausschließlich die sich aus dem Abschluss einer IRV ergebenden
Rechtsfolgen beschrieben: Es wird klargestellt, dass die Vereinbarung einer individuellen Richtgröße die Festsetzung eines
Regressbetrages für den geprüften Zeitraum ersetzt und zugleich ausschließt. Schon der sprachliche Aufbau der Regelung schließt
es aus, ihr zugleich - quasi spiegelbildlich - auch eine Rechtsfolge des Inhalts zu entnehmen, dass eine individuelle Richtgröße
nicht vereinbart wird (bzw werden darf), soweit ein Mehraufwand festgesetzt wird.
Außer Zweifel steht zwar, dass der Abschluss einer IRV - für den betroffenen Prüfungszeitraum - ausgeschlossen ist, wenn die
Festsetzung eines Mehrbetrages erfolgt und diese Festsetzung bestandskräftig geworden ist. Diese Rechtsfolge ergibt sich jedoch
nicht aus §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V, sondern aus der Bindungswirkung des Verwaltungsaktes (vgl §
77 SGG) sowie aus dem Umstand, dass das Verwaltungsverfahren mit Erlass eines - nicht angefochtenen - Verwaltungsaktes beendet ist
(siehe hierzu von Wulffen in ders, SGB X, 7. Aufl 2010, § 18 RdNr 9). Wird hingegen der Regressbescheid der Prüfungsstelle (bzw des früheren Prüfungsausschusses) angefochten, ist die
Entscheidung in der Sache wieder offen und damit auch Raum für Verhandlungen über eine IRV. Kommt es sodann zur Vereinbarung
einer individuellen Richtgröße im Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss, ist nunmehr dieser gehindert, einen Regress festzusetzen.
Gegen die Annahme, die Festsetzung eines Regresses durch die Prüfungsstelle (bzw den Prüfungsausschuss) schließe nachfolgende
Verhandlungen über eine IRV vor dem Beschwerdeausschuss aus, spricht im Übrigen die dargestellte "Zweistufigkeit" des Prüfverfahrens.
Diese erfordert, den Begriff der "Festsetzung" in §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V so zu lesen, dass sich die regressersetzende Wirkung einer IRV auf die jeweilige Verwaltungsinstanz bezieht. Da der Beschwerdeausschuss
- wie dargestellt - nach seiner Anrufung nicht auf die rechtliche Überprüfung der von der Prüfungsstelle (bzw dem Prüfungsausschuss)
getroffenen Entscheidung beschränkt ist, sondern ein eigenständiges zweites Verwaltungsverfahren durchführt, bestätigt er
nicht lediglich die von der Prüfungsstelle getroffene Entscheidung, sondern ersetzt diese vielmehr durch seine Entscheidung.
Diese eigenständige Bedeutung der vom Beschwerdeausschuss getroffenen Entscheidung wird dadurch hervorgehoben, dass nach der
Rechtsprechung des Senats allein der Bescheid des Beschwerdeausschusses den Gegenstand des (Gerichts-)Verfahrens bildet (vgl
BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 31 RdNr 10; BSGE 108, 175 = SozR 4-2500 § 106 Nr 32, RdNr 16 mwN). Es wäre auch wenig plausibel, dem Beschwerdeausschuss grundsätzlich dieselben Kompetenzen
einzuräumen wie dem Prüfungsausschuss bzw der Prüfungsstelle, ihm jedoch den Abschluss einer IRV im Regelfall zu versagen.
bb. Auch aus Sachgründen spricht nichts dafür, §
106 Abs
5d SGB V eine zeitliche Begrenzung der Möglichkeit, eine IRV abzuschließen, zu entnehmen. Durch die Vereinbarung einer individuellen
Richtgröße soll - anstelle einer auf die Vergangenheit gerichteten Ausgleichspflicht - eine auf die Zukunft gerichtete Begrenzung
des Verordnungsvolumens der Arztpraxis gewährleistet werden (FraktE-GMG, BT-Drucks 15/1525 S 117 zu Nr 82 [§ 106] Buchst k).
Dieses Ziel wird durch die Möglichkeit, auch noch vor dem Beschwerdeausschuss eine individuelle Richtgröße zu vereinbaren,
nicht wesentlich beeinträchtigt. Zwar wäre denkbar, dass ein Arzt, dem bewusst ist, dass er fortlaufend die Richtgrößen überschreitet
und dies auch weiterhin tun wird, die Möglichkeit nutzen könnte, um über einen längeren Zeitraum der Festsetzung eines Regresses
zu entgehen, indem er erst unmittelbar vor (oder in) der Verhandlung vor dem Beschwerdeausschuss den Abschluss einer IRV beantragt.
Dies führte aber allein dazu, dass der Arzt erst ab einem späteren Zeitpunkt an die (ggf) vereinbarte Richtgröße gebunden
wäre, weil die Wirkungen der IRV nach §
106 Abs
5d Satz 2
SGB V erst in dem der Vereinbarung nachfolgenden Quartal eintreten. Auf die regressersetzende Wirkung der IRV wirkte sich diese
Verzögerung nicht aus: Unabhängig davon, wann die IRV abgeschlossen wird, bewirkt sie nur, dass für das konkret geprüfte Jahr
keine Regressfestsetzung mehr erfolgen dürfte, stünde aber einer Regressfestsetzung für spätere Prüfzeiträume in (ggf) nachfolgenden
Prüfverfahren nicht entgegen.
Der Abschluss einer IRV hindert nur die Regressfestsetzung für das jeweils von der Prüfung betroffene Jahr. Dies folgt daraus,
dass die Richtgrößenprüfung jahresbezogen durchzuführen ist (vgl §
106 Abs
2 Satz 5
SGB V) und sich §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V auf die Regressfestsetzung als Ergebnis dieser konkreten Prüfung bezieht. Hinzu kommt, dass gemäß §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V die Festsetzung eines zu erstattenden Mehraufwandes ausgeschlossen ist, "soweit" eine IRV vereinbart "wird" - nicht "sofern"
eine IRV vereinbart "ist". Werden weitere Richtgrößenprüfungen für Prüfzeiträume durchgeführt, die dem Prüfzeitraum nachfolgen,
der von dem durch Abschluss einer IRV beendeten Verwaltungsverfahren betroffen war, bedürfte es jeweils erneut des Abschlusses
einer IRV, um (auch) dort einen Regress abzuwenden. Eine Sperrwirkung entfaltet eine im vorangegangenen Verfahren abgeschlossene
IRV nur insoweit, als sich die nachfolgende IRV nicht auf denselben Geltungszeitraum beziehen kann wie die bereits abgeschlossene.
Konsequenz von gezielten Verzögerungsbemühungen eines Arztes wäre daher allein ein späteres Inkrafttreten einer IRV. Dies
ist hinnehmbar, da infolge eines nicht selten großen zeitlichen Abstands zwischen dem geprüften Zeitraum und dem Abschluss
einer nur zukunftsbezogenen IRV deren Wirkungen ohnehin nur sehr verzögert eintreten. Das ist jedoch die unvermeidliche Folge
der Entscheidung des Gesetzgebers, rechtliche Wirkungen für einen zu prüfenden (vergangenen) Zeitraum mit Folgen allein für
einen späteren Zeitraum zu verknüpfen. Die IRV kann sich stets nur auf zukünftige Zeiträume beziehen. Der zeitliche Abstand
zwischen dem geprüften Zeitraum und dem Zeitraum, auf den sich die IRV bezieht, hängt ohnehin wesentlich davon ab, wann die
zuständigen Behörden, sei es die Prüfungsstelle oder der Beschwerdeausschuss entscheiden.
Demgegenüber sprechen gewichtige Erwägungen dafür, den Abschluss einer IRV ohne Einschränkung auch vor dem Beschwerdeausschuss
zu ermöglichen. So sind die zu prüfenden Vertragsärzte häufig erst im Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss anwaltlich vertreten,
sodass ihnen im Verfahren vor der Prüfungsstelle ggf die Kenntnis der ihnen offenstehenden rechtlichen Möglichkeiten fehlt;
hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass § 63 SGB X ihnen nur für das dortige Verfahren - nicht aber für das Verfahren vor der Prüfungsstelle (bzw dem früheren Prüfungsausschuss)
- im Falle des Obsiegens einen Anspruch auf Kostenerstattung zubilligt. Auch deshalb bedarf die Annahme eines Rechtsverlustes
(hier: Option auf Verhandlungen über eine IRV) mit Abschluss des erstinstanzlichen Verwaltungsverfahrens einer gesetzlichen
Grundlage, die nicht erkennbar ist.
Weiter kann nicht außer Betracht bleiben, dass der Beschwerdeausschuss - anders als nach dem ab dem 1.1.2004 geltenden Recht
die Prüfungsstelle - mit Vertretern der KÄV und der Krankenkassen besetzt ist (vgl §
106 Abs
4 Satz 2
SGB V); der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass gerade dann, wenn medizinische Fragen zu beurteilen sind, dem mit Vertretern
von Ärzten und Krankenkassen fachkundig besetzten Beschwerdeausschuss große Bedeutung zukommt (vgl BSGE 108, 175 = SozR 4-2500 § 106 Nr 32, RdNr 28). Gerade diesem fachkundigen Gremium die Gestaltungsmöglichkeit einer IRV zu nehmen, erscheint
nicht sachgerecht.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Senat in Bezug auf Mitwirkungspflichten des Vertragsarztes in Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung
nicht zwischen der Prüfungsstelle und dem Beschwerdeausschuss differenziert. Vielmehr geht er hinsichtlich der Darlegungsobliegenheiten
des Vertragsarztes davon aus, dass die erforderlichen Darlegungen grundsätzlich "gegenüber den Prüfgremien" (und nicht erst
im nachfolgenden Gerichtsverfahren) zu erfolgen haben (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 41). In aller Regel sollte der Arzt seine Position schon gegenüber der Prüfungsstelle deutlich machen und mit
dieser eine IRV vereinbaren. Präklusionswirkungen in der Weise, dass der Arzt mit Einwänden, die er schon vor der Prüfungsstelle
hätte geltend machen können, im Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss ausgeschlossen ist, sieht §
106 SGB V aber nicht vor.
c. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass es einem auf den Abschluss einer IRV im Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss
gerichteten Begehren nicht entgegensteht, wenn hierüber bereits erfolglos im Verfahren vor der Prüfungsstelle verhandelt wurde;
dieser Umstand ist angesichts der dargelegten "Zweistufigkeit" des Verfahrens ohne Belang. Hieraus folgt zugleich, dass der
Beschwerdeausschuss insoweit nicht an Vorschläge gebunden ist, die dem Arzt seitens der Prüfungsstelle unterbreitet wurden.
3. Nach alledem ist der Beklagte gehalten, mit dem Kläger dessen Wunsch nach Abschluss einer IRV zu erörtern und je nach Ausgang
der Verhandlungen neu zu entscheiden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff
VwGO. Danach hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da er unterlegen ist (§
154 Abs
1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 7. ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben (§
162 Abs
3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 §
63 Nr
3, RdNr 16).