Vertragsarztrecht
Höhe des Regelleistungsvolumens
Divergenzrüge
Sich widersprechende abstrakte Rechtssätze
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Regelleistungsvolumens (RLV) der Klägerin für die Quartale IV/2005 bis IV/2008.
Die klagende Berufsausübungsgemeinschaft besteht aus zwei Ärzten für innere Medizin, Dr. W. und Dr. B. , die seit 2003 zunächst
auf einem Vertragsarztsitz im Wege des Job-Sharing zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen waren. Im Jahr 2012 wurde
Dr. B. bestandskräftig eine schon seit 2006 beantragte, von den Zulassungsgremien bereits damals als erforderlich angesehene
Sonderbedarfszulassung auf der Grundlage von Ermittlungen zum Bedarf bezogen auf kardiologische Leistungen erteilt. Einen
Antrag der Klägerin, das ihr für die Quartale ab IV/2005 zugeteilte RLV im Hinblick auf den Bedarf an kardiologischen Leistungen zu erhöhen, lehnte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung ab.
Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Auf die dagegen gerichtete Klage hat das SG die Beklagte zur Neubescheidung verurteilt. Die Berufung der Beklagten hat das LSG im Wesentlichen aus den Gründen der sozialgerichtlichen
Entscheidung zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Anpassung des RLV seien vorliegend gegeben. Zwar sei eine Erhöhung des RLV aufgrund hoher Fallzahlen in den Vorgaben des Bewertungsausschusses nicht vorgesehen. Grund dafür sei jedoch der Umstand,
dass die Fallzahl danach bereits in die Berechnung des RLV einfließe. Der im Bereich der Beklagten geltende Honorarverteilungsmaßstab (HVM) weiche von diesen Vorgaben in zulässiger
Weise insofern ab, als für die Berechnung des RLV auf eine arztgruppenspezifische Behandlungsfallzahl abgestellt werde. Vor diesem Hintergrund ermögliche § 4 Nr 1.4 HVM ausdrücklich eine Erhöhung des RLV durch die Berücksichtigung einer höheren Fallzahl.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des LSG wendet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde, zu deren
Begründung sie eine Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) geltend macht.
II
Die Beschwerde der Beklagten ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG genügt.
Für die Zulassung einer Revision wegen einer Rechtsprechungsabweichung ist Voraussetzung, dass Rechtssätze aus dem Urteil
des LSG und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung miteinander unvereinbar sind und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz
beruht (vgl BSG SozR 3-1500 §
160 Nr 26 S 44). Für eine Divergenz iS des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG reicht nicht aus, aus dem Urteil des LSG inhaltliche Schlussfolgerungen abzuleiten, die einem höchstrichterlich aufgestellten
Rechtssatz widersprechen. Das Urteil des LSG einerseits und die höchstrichterliche Entscheidung andererseits müssen vielmehr
jeweils abstrakte Rechtssätze enthalten, die einander widersprechen. Das muss in der Beschwerdebegründung aufgezeigt werden.
Dem genügen die Ausführungen der Beklagten nicht, denn sie zeigt keinen vom LSG aufgestellten abstrakten Rechtssatz auf, der
einem vom Senat aufgestellten Rechtssatz widerspricht. Soweit die Beklagte zur Begründung ihrer Divergenzrüge vorträgt, die
Entscheidung des LSG stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats (BSG Urteile vom 29.6.2011 - B 6 KA 17/10 R und B 6 KA 20/10 R - und Beschluss vom 28.8.2013 - B 6 KA 24/13 B), nach der eine Anpassung des RLV eine besondere Praxisausrichtung und damit die Erbringung spezieller Leistungen voraussetze, wohingegen die besonders häufige
Erbringung fachgruppentypischer Leistungen nicht ausreiche, genügt dies den Darlegungserfordernissen nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG bei Divergenzrügen nicht. Ungeachtet der Frage, ob ein solcher Widerspruch tatsächlich besteht, vermag allein der Vortrag,
das LSG habe die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht hinreichend beachtet, eine Divergenz iS des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG nicht zu begründen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das SG - und damit auch das LSG, das auf die Gründe der Entscheidung des SG verwiesen hat - auf die in der Beschwerdebegründung bezeichneten Entscheidungen des BSG vom 29.6.2011 ausdrücklich Bezug genommen hat. Die erforderliche Berücksichtigung auch des Umfangs der erbrachten fachgruppentypischen
Leistungen haben SG und LSG unter Hinweis auf die besondere Struktur des in Mecklenburg-Vorpommern geltenden HVM und die dort geregelten Vorgaben
in Gestalt einer Berücksichtigung der aus den Abrechnungsergebnissen der einschlägigen Arztgruppe ermittelten Fallzahl bei
der Berechnung des RLV begründet. Danach wird für die Berechnung des RLV ein Kernleistungsbereich als Produkt einer arztgruppenspezifischen Kernfallzahl und einer Fallpunktzahl gebildet (S 23 des
SG-Urteils). Vor diesem Hintergrund und unter Hinweis auf den konkreten Wortlaut gerade des im Bereich der Beklagten geltenden
§ 4 Nr 1.4 HVM ist das LSG davon ausgegangen, dass das RLV auch durch eine Erweiterung der Fallzahlen angepasst werden kann. Zu der Auslegung der in Bezug genommenen, im Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern geltenden Regelung, ist den von der Beklagten zur Begründung der Divergenz in Bezug genommenen Entscheidungen
des Senats bereits deshalb nichts zu entnehmen, weil sich diese Urteile nur mit der Frage der Verletzung von Bundesrecht oder
sonst revisiblem Recht befassen.
Dem Vorbringen der Beklagten kann unter diesen Umständen auch nicht entnommen werden, dass die vom LSG ausgesprochene Verpflichtung
zur Neubescheidung auf der - unterstellten - Abweichung von der Rechtsprechung des Senats beruht. Die zutreffend herangezogenen
Urteile des Senats vom 29.6.2011 (B 6 KA 17/10 R und B 6 KA 20/10 R) befassen sich mit der Frage, wann aus Gründen der Sicherstellung der Versorgung eine Anpassung der RLV geboten sein kann. Dazu hat der Senat klargestellt, dass insoweit nicht die Schwelle erreicht sein muss, die die Erteilung
einer Sonderbedarfszulassung rechtfertigt (B 6 KA 17/10 R, RdNr 20). Hier ist indessen schon für den streitbefangenen Zeitraum eine - vom SG bestätigte und vom LSG wieder aufgehobene - Sonderbedarfszulassung erteilt worden, die seit 2012 bestandskräftig ist. Das
könnte dafür sprechen, dass die Klägerin im Ergebnis eine neue Entscheidung über die Höhe des RLV beanspruchen kann, unabhängig davon, ob die og Regelungen im HVM der Beklagten zum sog Kernleistungsbereich im hier maßgebenden
Zeitraum mit höherrangigem Recht vereinbar waren.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff
VwGO. Danach trägt die Beklagte die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§
154 Abs
2 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der Festsetzung der Vorinstanz, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt
worden ist (§
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm §
63 Abs
2 Satz 1, § 52 Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG).