Vertragsarztrecht
Honorarverteilungsmaßstab
Divergenzrüge
Sich widersprechende abstrakte Rechtssätze
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt höheres Honorar für die Quartale I/2009, II/2009, IV/2009, III/2010, IV/2010, I/2011 und IV/2011.
Die Klägerin ist als Fachärztin für Phoniatrie und Pädaudiologie in F zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. In den
streitbefangenen Quartalen wurden ihre Regelleistungsvolumen(RLV)-relevanten Leistungen wegen Überschreitung des RLV teilweise nur quotiert vergütet. Zugeordnet war sie der RLV-Gruppe "Arztgruppe/Schwerpunkt: Phoniater/Pädaudiologen", in die auch HNO-Ärzte einbezogen waren, die neben ihrer HNO-Zulassung
über eine Zulassung für das Fachgebiet Phoniatrie und Pädaudiologie verfügten. Die beklagte KÄV glich die Honorarverluste
zunächst im Rahmen der Konvergenzphase und sodann im Wege einer Härtefallregelung teilweise aus. Die Widersprüche der Klägerin
gegen die Honorarbescheide sowie die RLV-Zuweisungsbescheide wies die Beklagte zurück. Mit Urteilen vom 9.10.2014 hat das SG die Klagen abgewiesen. Das LSG hat mit Urteil vom 5.10.2016 die Berufungen zurückgewiesen. Die Bildung der RLV-Gruppe "Arztgruppe/Schwerpunkt: Phoniater/Pädaudiologen" und die Einbeziehung der HNO-Ärzte, die auch über eine Zulassung
für das Fachgebiet Phoniatrie und Pädaudiologie verfügen, in diese Gruppe sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin könne auch
nicht verlangen, dass die phoniatrisch-pädaudiologischen Leistungen als freie Leistungen honoriert würden. Insofern ergebe
sich auch keine abweichende Beurteilung daraus, dass die Leistungen ab dem Quartal III/2012 aus dem RLV ausgenommen seien.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht die Klägerin geltend, die Rechtssache habe
grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG); zudem weiche das Berufungsurteil von Entscheidungen des BSG ab (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und beruhe auf Verfahrensmängeln (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
II
Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.
1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG liegen ebenfalls nicht vor. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten
Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung
ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Frage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres
aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt. Das ist hier der Fall.
Die Klägerin stellt zunächst die Frage:
Lässt sich aus einer Regelung im Verteilungsmaßstab, welche die Bemessung des RLV für die einzelne Praxis betrifft, der Schluss auf eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage, wie ein RLV dem Grunde nach zu bilden ist, ziehen?
Diese Frage zielt im Kern darauf ab, ob die Beklagte ein einheitliches RLV für Phoniater/Pädaudiologen und solche Ärzte bilden durfte, die sowohl als Phoniater/Pädaudiologen wie als HNO-Ärzte an der
vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Eine entsprechende Schwerpunktbezeichnung sieht das ärztliche Weiterbildungsrecht
nicht vor. Insoweit betrifft die Frage vorrangig die Anwendung und Auslegung des Honorarverteilungsvertrages, der als solcher
nicht revisibel ist (vgl §
162 SGG). Im Übrigen bedarf es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass die Beklagte keine "Mischgruppe" aus Fachärzten für
Phoniatrie und Pädaudiologie einerseits und HNO-Ärzten mit der Schwerpunktbezeichnung Phoniatrie/Pädaudiologie andererseits
gebildet hat. In korrekter Umsetzung der Vorgaben des Bewertungsausschusses hat sie ein RLV für Phoniater und Pädaudiologen gebildet. § 3 Abs 12 HVV bestimmt in diesem Zusammenhang nur, dass auch solche Ärzte, die neben der Zulassung als Phoniater und Pädaudiologen
auch als HNO-Ärzte zugelassen sind, dann das RLV der Gruppe "Phoniater und Pädaudiologen" erhalten, wenn sie überwiegend solche Leistungen erbringen. Diese Zuordnung ist
- ohne dass es insoweit einer Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf - mit Bundesrecht vereinbar. Sie ermöglicht nämlich
die Umsetzung der Vorgaben des Bewertungsausschusses zur Bildung von RLV auch für Phoniater und Pädaudiologen, weil angesichts der geringen Zahl der allein auf diesem Fachgebiet zugelassenen Ärzte
- im Bezirk der Beklagten außer der Klägerin nur noch ein weiterer Arzt - ein RLV nicht hätte gebildet werden können.
Deshalb ist auch die weiter aufgeworfene Frage
Verstößt es gegen den Grundsatz der Normenklarheit, wenn im Honorarverteilungsmaßstab eine Arztgruppe nach ihrer Facharztbezeichnung
aufgeführt ist, daraus jedoch nicht ersichtlich ist, dass sich dahinter maßgeblich die Abrechnungswerte anderer Fachärzte
verbergen, die ihrerseits einer eigenen RLV-Gruppe angehören?
nicht klärungsfähig. Sie unterstellt nämlich, dass sich unter den Ärzten, die der Gruppe "Phoniater und Pädaudiologen" zugeordnet
sind, auch "andere Fachärzte" verbergen, die einer anderen RLV-Gruppe angehören und dies trifft gerade nicht zu. Der Gruppe "Phoniater und Pädaudiologen" gehören nur Ärzte mit dieser Gebietsbezeichnung
an, sei es, dass sie ausschließlich oder auch auf diesem Gebiet zugelassen sind. Wenn dieser Umstand ein Problem aufweist,
dann kein solches der Normenklarheit, sondern allenfalls das der Homogenität der RLV-Gruppe. Damit haben sich SG und LSG befasst, und zu diesen Ausführungen sind der Beschwerdebegründung keine Darlegungen zu entnehmen, die den Anforderungen
an eine Grundsatzrüge genügen.
An der erforderlichen Klärungsfähigkeit fehlt es auch hinsichtlich der Frage:
Ergibt sich aus dem Umstand, dass die Vereinbarung der Gesamtvergütung und insbesondere deren Höhe vom Vertragsarzt nicht
angegriffen werden kann, dass er auch keinen Anspruch auf die Kenntnis eines Gesamtvertrages insgesamt hat?
Es kann offenbleiben, ob der vom LSG gezogene Schluss von der Rechtsprechung des Senats, wonach ein Vertragsarzt aus dem obligatorischen
Teil des Gesamtvertrages keine Rechte herleiten kann, auf ein fehlendes Einsichtsrecht des Arztes zwingend ist. Jedenfalls
hat die Klägerin nicht vorgetragen, welche entscheidungserheblichen Erkenntnisse aus dem obligatorischen Teil der Gesamtverträge
gewonnen werden könnten. Sofern sie meint, dort finde sich uU die Vereinbarung einer Mischgruppenbildung, betrifft dies potentiell
eine Regelung der Honorarverteilung, die nicht im Gesamtvertrag geregelt wird.
2. Soweit die Klägerin insofern eine Divergenz zur Rechtsprechung des Senats sieht, ist eine solche nicht hinreichend dargelegt.
Für die Zulassung einer Revision wegen einer Rechtsprechungsabweichung ist Voraussetzung, dass entscheidungstragende abstrakte
Rechtssätze aus dem LSG-Urteil und aus einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG miteinander unvereinbar sind und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 28 RdNr 4; BSG SozR 3-1500 §
160 Nr 26 S 44). Für eine Divergenz iS des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG reicht nicht aus, aus dem LSG-Urteil inhaltliche Schlussfolgerungen abzuleiten, die einem höchstrichterlich aufgestellten
Rechtssatz widersprechen. Das LSG-Urteil einerseits und die höchstrichterliche Entscheidung andererseits müssen vielmehr jeweils
abstrakte Rechtssätze enthalten, die einander widersprechen. Das muss in der Beschwerdebegründung aufgezeigt werden. Dem genügen
die Ausführungen der Klägerin nicht. Sie zeigt keine divergierenden Rechtssätze auf, sondern legt dar, dass aus ihrer Sicht
die Entscheidung des LSG der Rechtsprechung des BSG nicht gerecht wird. Dies vermag eine Divergenz nicht zu begründen.
3. Ein Verfahrensmangel ist ebenfalls nicht hinreichend gerügt. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von §
109 SGG und §
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist. Der Vortrag der Klägerin ist insoweit unzureichend. Einen noch in der mündlichen Verhandlung
aufrechterhaltenen Beweisantrag hat sie nicht bezeichnet.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §§
154 ff
VwGO. Danach hat die Klägerin auch die Kosten des von ihr ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen (§
154 Abs
2 VwGO).
5. Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der Festsetzung der Vorinstanz, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt
worden ist (§
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm §
63 Abs
2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG).