Sozialversicherungspflicht von Mitarbeitern eines Einzelunternehmens
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Hauptsacheverfahren gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin, mit dem diese vom Antragsteller
Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 54.393,68 € fordert.
Der 1936 geborene Antragsteller war Inhaber eines Fotogeschäfts. Dieses Fotogeschäft übertrug er im Wege der vorweggenommenen
Erbfolge auf seinen 1966 geborenen Sohn, den Beigeladenen zu 1. Dieser gründete mit Gesellschaftsvertrag vom 27.04.2012 eine
GmbH, deren Geschäftsgegenstand der Betrieb eines Foto-Fachgeschäfts, der Einzel- und Großhandel mit Foto- und Unterhaltungselektronik-Artikeln
und die Erbringung entsprechender Dienstleistungen ist. Der Beigeladene zu 1 ist alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft
mit der Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen.
Die Eintragung der GmbH in das Handelsregister des Amtsgerichts Stuttgart erfolgte am 09.07.2012 unter der Nummer HRB ....
Der Antragsteller betrieb sein Fotogeschäft in den Räumen des Beigeladenen zu 1). Dieser hatte das Betriebsgrundstück bereits
1998 erworben und an seinen Vater vermietet; dort befindet sich auch heute noch das Ladengeschäft.
Der Beigeladene zu 1) war geschäftsführender Gesellschafter in einem Fotogeschäft in C.. Er nahm seine Tätigkeit im Betrieb
seines Vaters am 01.07.2006 auf. Der Antragsteller und der Beigeladene zu 1 schlossen am 15.06.2006 einen schriftlichen Vertrag,
der als "Dienstvertrag" überschrieben ist und in dem der Antragsteller als "Arbeitgeber" und der Beigeladene zu 1 als "Arbeitnehmer"
bezeichnet wird. Der Vertrag hat folgenden Wortlaut:
"§ 1
Herr J. B. tritt ab 01.07.2006 in die Dienste der Firma Foto B. ein.
Der Arbeitsvertrag ist unbefristet.
§ 2
Herr J. B. wird als alleiniger Fachmann eingestellt und leitet den Gesamtbetrieb.
§ 3
Das Gehalt beträgt Euro 5000 monatlich.
Die Zahlung des Gehaltes und eventuelle Zulagen erfolgt nachträglich jeweils am Ende des Kalendermonats und wird auf das Girokonto
des Arbeitnehmers überwiesen. Die Höhe des Gehaltes ist vertraulich zu behandeln.
§ 4
Die Arbeitszeit richtet sich nach den betrieblichen Erfordernissen, Überstunden werden nicht vergütet.
§ 5
Der Arbeitnehmer erklärt ausdrücklich, daß er bei Antritt der Beschäftigung besondere Ansprüche oder Schutzrechte (die z.
B. auf
Mutterschutzgesetz, Schwerbeschädigtengesetz oder sonstigen Gesetzen beruhen), nicht hat. Spätere diesbezügliche Veränderungen sind dem Arbeitgeber
unaufgefordert und so früh wie möglich mitzuteilen.
§ 6
Der Jahresurlaub richtet sich nach den betrieblichen Erfordernissen."
Mit einem an den Antragsteller adressierten Schreiben vom 22.06.2010 kündigte die Antragsgegnerin eine Betriebsprüfung für
den 16.08.2010 in den Geschäftsräumen des Steuerberaters des Antragstellers an. An diesem Tag fand auch eine Prüfung von Unterlagen
im Büro des Steuerberaters statt. Eine erste Abschlussbesprechung erfolgte am 31.01.2011 bevor am 07.02.2012 eine weitere
Prüfung bei den Steuerberatern vorgenommen wurde. In der Zeit dazwischen versandte die Antragsgegnerin einen Fragebogen zur
versicherungsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 (am 11.02.2011), der vom Steuerberater am 17.08.2011
ausgefüllt zurückgesandt wurde.
Mit einem an den Antragsteller gerichteten Bescheid vom 23.05.2012 entschied die Beklagte, dass der Beigeladene zu 1 in der
Zeit vom 01.07.2006 bis zum 31.12.2009 nicht die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit und Beitragsfreiheit für den Bereich
der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung erfülle. Die sich aus der Prüfung ergebende Nachforderung betrage insgesamt
54.393, 68 €. Die Berechnung der Beiträge wurde in einer Anlage zu diesem Bescheid dargestellt. Danach wurden für den Beigeladenen
zu 1 Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen (U 1 und U 2) wie folgt erhoben:
01.07. bis
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31.12.2006
|
8.361, 00 €
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01.01. bis
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31.12.2007
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15.168,00 €
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01.01. bis
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31.12.2008
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15.486,60 €
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01.01. bis
|
31.07.2009
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9.133,08 €
|
|
01.08. bis
|
31.12.2009
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6.245,00 €
|
|
Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 19.06.2012 Widerspruch ein. Er machte gelten, der Beigeladene zu 1 habe den
Betrieb ohne jede Mitwirkung des Antragstellers geführt. Insofern sei auch kein gleichberechtigtes Nebeneinander des Sohnes
zum väterlichen Betriebsinhaber gegeben. Die Auffassung der Antragsgegnerin möge zwar auf eine Vielzahl von Fällen zutreffen.
Im vorliegenden Fall sei jedoch zu berücksichtigen, dass er sich aller Rechte aus seiner Eigenschaft als Betriebsinhaber begeben
habe, indem er seinem Sohn verbindlich zugesichert habe, sich niemals in die geschäftlichen Entscheidungen einmischen zu wollen.
Sein Sohn habe ihm außerdem erklärt, er werde seinen Vater von jeglicher Haftung für geschäftliche Vorgänge freistellen. Daher
habe der Beigeladene zu 1 auch das Unternehmerrisiko getragen.
Mit der Einlegung des Widerspruchs beantragte der Antragsteller auch die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides bis zur
Beendigung des gerichtlichen Verfahrens bzw des Vorverfahrens. Hierzu reichte er eine Bescheinigung des Steuerberaters zu
den Akten, in der ausgeführt wird, der Antragsteller verfüge nicht über die Geldmittel, um den geforderten Betrag zu zahlen.
Aufgrund seines Alters erhalte er auch keinen Bankkredit mehr. Die Bezahlung der Forderung würde zur Existenzvernichtung des
Antragtellers führen. Dasselbe gelte für den Beigeladenen zu 1, der durch den Erwerb des Ladengeschäfts noch hoch verschuldet
sei. Am 25.06.2012 teilte die Antragsgegnerin dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mit, dem Antrag auf Aussetzung
der Vollziehung des Beitragsbescheides werde stattgegeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2012 wies der Widerspruchsausschuss
der Antragsgengerin den Widerspruch des Antragstellers als unbegründet zurück. Die hiergegen am 02.01.2013 beim Sozialgericht
Heilbronn (SG) erhobene Klage wies das SG mit Urteil vom 11.06.2013 ab.
Am 08.07.2013 hat der Antragsteller Berufung eingelegt (L 11 R 2774/13) und diese mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten am 19.07.2013 begründet; auf Bl 7/21 der Berufungsakte wird Bezug
genommen. Mit der Berufungsbegründung hat er auch beantragt, die aufschiebende Wirkung der Berufung gegen das Urteil des SG hinsichtlich der angefochtenen Bescheide anzuordnen. Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten und hat eine weitere
Aussetzung der Vollziehung ausdrücklich abgelehnt.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Der vom Antragsteller erhobene Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23.05.2012 hatte nicht bereits kraft
Gesetzes aufschiebende Wirkung. Nach Abs 1 des mit Wirkung vom 02.01.2002 durch Art 1 Nr 35 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des
Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.08.2001 (BGBl I S 2144) eingefügten §
86a SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach §
86a Abs
2 Nr
1 SGG entfällt jedoch - wie vorliegend - die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten
sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten.
Zu den Entscheidungen, die unter §
86a Abs
2 Nr
1 SGG fallen, gehören auch Bescheide der Rentenversicherungsträger, die - wie hier - auf der Grundlage von § 28p
SGB IV nach einer Prüfung beim Arbeitgeber ergehen (ebenso BayLSG, 16.03.2010, L 5 R 21/10 B ER, [...]). Dieser Auslegung steht die Vorschrift des §
7a Abs
7 SGB IV, die als speziellere Regelung für ihren Anwendungsbereich der Bestimmung in §
86a Abs
2 Nr
1 SGG vorgeht, nicht entgegen. Nach der genannten Vorschrift haben Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen, dass eine Beschäftigung
vorliegt, aufschiebende Wirkung. Diese Regelung betrifft nur Statusentscheidungen, die nach §
7a Abs
1 Satz 1, Abs
6 Satz 1
SGB IV ergangen sind (Beschlüsse des Senats vom 11.05.2010, L 11 KR 1125/10 ER-B, [...]; 06.05.2010, L 11 R 1806/10 ER-B; Pietrek in: jurisPK-
SGB IV, §
7a RdNr 142; BayLSG, 16.03. 2010, aaO).
Die Antragsgegnerin hatte zwar zunächst die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gemäß §
86a Abs
3 Satz 1 und
2 SGG angeordnet. Unabhängig von der Frage, wie lange die behördlich angeordnete aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wirkt,
hat die Antragsgegnerin spätestens mit Schriftsatz vom 02.08.2013 die Aussetzung der Vollziehung wieder aufgehoben, was nach
§
86a Abs
3 Satz 5
SGG jederzeit möglich ist. Der Rechtsschutz des Betroffenen richtet sich auch in diesem Fall nur nach §
86b Abs
1 SGG, eine Anfechtung der Aufhebungsentscheidung ist nicht statthaft (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG 10. Aufl. 2012, §
86b RdNr 30).
Nach §
86b Abs
1 Nr
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Gericht der Hauptsache
ist hier das Landessozialgericht (LSG), weil der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu einem Zeitpunkt gestellt
wurde, als bereits das Berufungsverfahren anhängig war. Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage
aufgrund von §
86b Abs
1 Nr
2 SGG anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des
Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu
beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung
des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend
zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen.
Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens,
dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung
(Beschlüsse des Senats vom 19.11.2012, L 11 R 3954/12 ER-B, [...]; 06.05.2010, L 11 R 1806/10 ER-B). Dabei sind auch stets die Maßstäbe des §
86a Abs
3 Satz 2
SGG zu berücksichtigen. Demgemäß hat eine Aussetzung der Vollziehung zu erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch
überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei Beitragsstreitigkeiten ernstliche Zweifel in Sinne des §
86a Abs
3 Satz 2
SGG nur dann vorliegen, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl
ua Beschlüsse vom 19.11.2012, L 11 R 3954/12, [...]; 28.06.2010, L 11 R 1903/10 ER-B, nv). Andernfalls wäre in Beitragsangelegenheiten angesichts der vielfach in vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch
ungeklärten Verhältnisse eine Vollziehung häufig nicht durchsetzbar, was die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger
beeinträchtigen könnte (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.07.2004, L 5 B 2/04 KR ER mwN, [...]). Insoweit müssen erhebliche Gründe für ein Obsiegen in der Hauptsache sprechen, damit die in §
86a Abs
2 Nr
1 SGG vorgenommene gesetzliche Risikoverteilung geändert werden kann.
Solche erheblichen Gründe liegen hier nicht vor. Der Senat ist vielmehr der Auffassung, dass der angefochtene Beitragsbescheid
rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt. Der Beigeladene zu 1 war während des hier streitbefangenen
Zeitraums vom 01.07.2006 bis zum 31.12.2009 im Einzelunternehmen des Antragstellers abhängig beschäftigt. Er unterlag deshalb
der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides ist § 28p Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten
nach dem
SGB IV erfüllen. Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger
der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-,
Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber
den Arbeitgebern; insoweit gelten §
28h Abs
2 SGB IV sowie § 93 i.V.m. § 89 Abs 5 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht. Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Rentenversicherung
und Arbeitslosenversicherung gelten nach §
253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) und §
174 Abs
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r
SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §§
1 Abs
1 Satz 2
SGB IV, §
348 Abs
2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) auch für die Arbeitsförderung. Betriebsprüfungen durch den Rentenversicherungsträger haben nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) nur eine Kontrollfunktion. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern, andererseits die Sozialversicherungsträger
davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen.
Der Prüfbescheid stellt sich vor diesem Hintergrund als kombinierte - positive oder negative - Feststellung von Versicherungspflicht
und Beitragsnachentrichtung oder -beanstandung dar. Die Besonderheit eines Bescheids nach § 28p Abs 1 Satz 5
SGB IV liegt insoweit darin, dass über das Bestehen von Versicherungspflicht und die daraus resultierende Beitragsnachforderung
gemeinsam zu entscheiden ist. Die hier streitigen Beiträge werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag vom Arbeitgeber gezahlt
(§§ 28d Sätze 1 und 2, 28e Abs 1 Satz 1
SGB IV).
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs-
bzw Beitragspflicht (§
5 Abs
1 Nr
1 SGB V, §
1 Satz 1 Nr
1 SGB VI, §
25 Abs
1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist §
7 Abs
1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere
in einem Arbeitsverhältnis (§
7 Abs
1 Satz 1
SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in
einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich
bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten
Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB
zuletzt BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 mwN). Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des
rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten,
so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.
Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung
auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung
rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition
nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung
auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag
geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte
Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (st Rspr des BSG seit mindestens 2008, vgl auch hierzu BSG 29.98.2012, aaO).
Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 beim Antragsteller im Rahmen einer Beschäftigung oder selbständig
ausgeübt wurde, ist der Dienstvertrag vom 15.06.2006. Daraus ergibt sich eindeutig, dass der Beigeladene zu 1 als abhängig
Beschäftigter in leitender Position tätig werden sollte und tätig war. Hierfür spricht nicht nur die Wortwahl (Arbeitnehmer),
sondern der Umstand, dass dem Kläger ein Anspruch auf eine monatliches Festgehalt für seine Tätigkeit eingeräumt wurde. Dieses
Gehalt wurde dem Kläger auch tatsächlich auf sein Konto gezahlt. Ein Weisungsrecht ist dem Antragsteller in dem Dienstvertrag
nicht ausdrücklich eingeräumt worden. Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass der Beigeladene zu 1 bereits deshalb als Selbständiger
betrachtet werden muss. Das BSG hat in dem bereits genannten Urteil deutlich gemacht, dass gerade höhere Dienste dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung
geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen.
Ein solcher Sachverhalt ist auch hier gegeben. Bereits die Formulierung in dem Dienstvertrag, wonach sich die Arbeitszeit
des Beigeladenen zu 1 und sein Jahresurlaub "nach den betrieblichen Erfordernissen" richtet, zeigt, dass der Beigeladene zu
1 eine fremdbestimmte Tätigkeit ausgeübt hat. Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten",
der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nämlich
nicht schon zu einem Selbstständigen, selbst wenn andere Betriebsangehörige den Betroffenen bisweilen als "Chef" betrachten
mögen (so BSG 29.08.2012, aaO).
Der Beigeladene zu 1 hat auch kein die Selbständigkeit kennzeichnendes Unternehmerrisiko getragen. Ein solches trägt, wer
eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes einsetzt und somit der Erfolg des Einsatzes der
sachlichen und persönlichen Mittel ungewiss ist (BSG 28.05. 2008, B 12 KR 13/07 R, [...]). Der Betrieb des Antragstellers wurde während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums in der Rechtsform eines
Einzelunternehmens allein vom Antragsteller geführt. Der Antragsteller war damit rein tatsächlich und auch für Außenstehende
der alleinhaftende Einzelunternehmer. Dies ist entgegen der Auffassung des Antragstellers auch für die sozialversicherungsrechtliche
Beurteilung maßgebend (vgl Urteil des Senats vom 15.04.2011, L 11 KR 3422/10, [...]). Daran vermögen interne (mündliche) Absprachen zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen zu 1 nichts zu ändern.
Der Beigeladene zu 1 war noch nicht einmal in steuerrechtlicher Hinsicht Mitunternehmer (vgl zu diesem Gesichtspunkt Urteile
des Senats vom 15.04.2011, aaO, und 20.07.2010, L 11 KR 3910/09, [...]). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist Voraussetzung für eine Mitunternehmerschaft iS des
§
15 Abs
1 Satz 1 Nr
2 Einkommensteuergesetz (
EStG) dass der Beteiligte Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. Mitunternehmerrisiko bedeutet
gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens.
Dieses Risiko wird regelmäßig durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens
einschließlich des Geschäftswerts vermittelt (BFH 22.08.2002, IV R 6/01, BFH/NV 2003, 36, zit nach [...]). Eine solche Gewinnbeteiligung lag nicht vor, sondern sollte im Gegenteil gerade vermieden werden. Nach
dem Vorbringen des Antragstellers im Berufungsverfahren war es für das Gesamtergebnis des Einzelunternehmens "Fotogeschäft
B." in steuerrechtlicher Hinsicht "erfreulicher", den Beigeladenen zu 1 "als Arbeitnehmer zu führen", weil in diesem Fall
seine Entlohnung als Betriebsausgabe bewertet werden konnte und von den Einnahmen abzuziehen war. Insofern hätten hinter dem
Abschluss des sog Dienstvertrages ausschließlich steuerrechtliche Überlegungen gestanden. Dies stellt der Senat nicht in Abrede.
Daraus folgt aber keineswegs, dass dies keine Auswirkungen auf das Sozialrecht hat. Nach der Rspr des BFH ist nach den Grundsätzen
zur steuerrechtlichen Anerkennung von Vertragsverhältnissen zwischen nahestehenden Personen zu verlangen, dass der maßgebliche
Vertrag bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden ist und sowohl seine Gestaltung als auch die tatsächliche Durchführung
des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht. Diese Anforderungen gründen auf der Überlegung, dass es zwischen
diesen Personen typischerweise an einem Interessengegensatz mangelt und somit zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich
missbraucht werden können. Im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung ist es daher geboten und zulässig, an den Beweis
des Abschlusses und an den Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahe stehenden Personen strenge Anforderungen
zu stellen (BFH 22.01.2013, IX R 70/10, BFH/NV 2013, 1067 = [...]). Auch im Steuerrecht sind deshalb nur pro forma eingegangen Vertragsverhältnisse unbeachtlich. Da der Antragsteller
den Anforderungen an einen sog Fremdvergleich in tatsächlicher Hinsicht gegenüber dem Finanzamt offenbar erfüllt hat und auch
der Senat von der Wirksamkeit des Dienstvertrages ausgeht, ist derselbe tatsächliche Lebenssachverhalt auch der sozialversicherungsrechtlichen
Beurteilung zugrunde zu legen. Gerade der vom Antragsteller und vom Beigeladenen zu 1 verwirklichte Sachverhalt hat dazu geführt,
dass der Beigeladene zu 1 nicht am Gewinn (und auch nicht am Verlust) des Einzelunternehmens beteiligt war und demzufolge
auch kein (Mit-)Unternehmerrisiko getragen hat, sondern einen rechtlich einklagbaren Anspruch auf ein monatliches Festgehalt
hatte. Welche Motive die Beteiligten für ihr Handeln hatten, ist sowohl steuerrechtlich als auch sozialversicherungsrechtlich
unerheblich.
Die Beitragsforderung ist auch nicht verjährt. Ansprüche auf Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres,
in dem sie fällig geworden sind (§
25 Abs
1 Satz
SGB IV). Die Verjährung ist jedoch für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt (§
25 Abs
2 Satz 2
SGB IV). Eine Hemmung der Verjährung tritt nicht ein, wenn die Arbeitgeberprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von
mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die prüfende Stelle - hier die Antragsgegnerin - zu vertreten hat
(§
25 Abs
2 Satz 3
SGB IV). Die Voraussetzungen für eine Hemmung der Verjährung liegen nicht vor. Die Prüfung hat - wie angekündigt - am 16.08.2010
in den Räumen der Steuerberater des Antragstellers begonnen und wurde nicht unmittelbar danach für mehr als sechs Monate unterbrochen.
Die Verjährung der Beitragsforderungen war somit vom 16.08.2010 bis zum Erlass des Beitragsbescheides vom 23.05.2012 gehemmt.
Deshalb sind auch die Beitragsforderungen aus den Jahren 2006 und 2007 nicht verjährt.
Die Vollziehung des Beitragsbescheides bedeutet für den Antragsteller keine unbillige Härte. Zur Auslegung dieses unbestimmten
Rechtsbegriffs schließt sich der Senat der vom LSG Nordrhein-Westfalen für die Vollziehung von Beitragsbescheiden vertretenen
Rechtsauffassung an. Danach führen allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für den Antragsteller verbundenen
wirtschaftlichen Konsequenzen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter
Pflichten sind. Aus demselben Grund begründet auch die Höhe einer Beitragsforderung allein keine unbillige Härte. Darüber
hinausgehende, nicht oder nur schwer wiedergutzumachende Nachteile durch eine Zahlung müssen vom Antragsteller substantiiert
dargelegt werden. Diese müssen darüber hinaus auch noch das Interesse an der aktuellen Einziehung der Forderung überwiegen.
Das Interesse an einer zeitnahen Durchsetzbarkeit der Beitragsforderung kann oft gerade dann hoch sein, wenn der Antragsteller
behauptet, dass Zahlungsunfähigkeit drohe. Gerade in einer solchen Situation sind die Versicherungsträger gehalten, die Beiträge
rasch einzutreiben, um die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung sicherzustellen. Eine beachtliche Härte in diesem Sinne
ist also regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelänge darzustellen, dass das Beitreiben der Forderung
aktuell die Zerstörung seiner Lebensgrundlage zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache
aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zur Zeit. Hierzu ist es erforderlich, dass der Antragsteller - anhand von Anknüpfungstatsachen
nachvollziehbar - zumindest seine Einkommens und Vermögenssituation umfassend darstellt (zum Ganzen LSG Nordrhein-Westfalen
10.01.2012, L 8 R 774/11 ER-B, [...]).
Die vom Antragsteller vorgelegten Bescheinigungen seines Steuerberaters vom 18.06.2012 (Bl 5 der Verwaltungsakte), 17.07.2013
(Bl 22 der LSG-Akte) und 28.08.2013 (Bl 23 der SG-Akte) lassen keinen Schluss auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers zu. Die Formulierung, wonach
der Antragsteller nicht über die Geldmittel verfüge, um diesen Betrag zahlen zu können, genügt zur Beurteilung der Finanzlage
des Antragstellers nicht. Hierzu hätte es wenigstens der Vorlage aktueller Einkommensteuerbescheide bedurft. Außerdem sind
die vorgelegten Bescheinigungen teilweise widersprüchlich. In der Bescheinigung vom 18.06.2012 wird ausgeführt, "dasselbe
(gemeint ist die Existenzvernichtung des Einzelunternehmens des Antragstellers) gilt gleichermaßen für den Sohn J. B., der
durch den Erwerb des Ladenlokals derzeit noch hoch verschuldet ist." Sollte es zutreffen, dass der Beigeladene zu 1 (oder
die GmbH) aufgrund des Erwerbs des (vormaligen) Einzelunternehmens hoch verschuldet ist, müsste dem eine entsprechende Geldzuwendung
auf Seiten des Veräußerers, also des Antragstellers, gegenüberstehen. Andererseits wird in der Bescheinigung vom 17.07.2012
dargelegt, dass der Antragsteller selbst sein Einzelunternehmen in eine GmbH eingebracht hat. Nähere Angaben zu der Frage,
wer gegen wen nun welche Ansprüche erworben hat, fehlen gänzlich. Bei dieser Sachlage kann in der Vollziehung der Beitragsforderung
keine unbillige Härte gesehen werden.
Die Festsetzung des Streitwertes für das Antragsverfahren erfolgt nach §
197a SGG i.V.m. §§ 52 Abs 1, 53 Abs 2 Nr 4 Gerichtskostengesetz (GKG). Es entspricht der ständigen Senatspraxis, im einstweiligen Rechtsschutz einen geringeren Streitwert anzunehmen als im Hauptsacheverfahren.
Bislang hat der Senat die Hälfte des Hauptsachestreitwerts angenommen. Da die beiden anderen Senate des LSG Baden-Württemberg,
die ebenfalls für Beitragsstreitigkeiten der vorliegenden Art zuständig sind, von einem Viertel des Hauptsachestreitwerts
ausgehen, gibt der beschließende Senat seine bisherige Praxis auf und bemisst den Streitwert in Verfahren der vorliegenden
Art ebenfalls nach einem Viertel des Hauptsachestreitwerts.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).