Aufforderung zur vorzeitigen Stellung eines Rentenantrages
Hinreichende Bestimmtheit
Unverhältnismäßige Entscheidung
Richtige Rentenart
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufforderung des Beklagten, einen Antrag auf vorzeitige Inanspruchnahme einer Rente wegen
Alters zu stellen.
Die am 31.10.1952 geborene Klägerin bezog seit längerem Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) seitens des Beklagten. Mit Bescheid des Landratsamts A., Versorgungsamt, vom 06.03.2013 (dem Beklagten am 07.03.2013 zugegangen)
wurde bei der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 seit 07.09.2012 festgestellt.
Gestützt auf eine Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund vom 11.01.2013 - danach kann die Klägerin Altersrente
für schwerbehinderte Menschen ohne Rentenabschlag ab 01.05.2016 und mit Rentenabschlag frühestens ab 01.05.2013 sowie Altersrente
für langjährig Versicherte ohne Rentenabschlag ab 01.05.2018 und mit Rentenabschlag frühestens ab 01.11.2015 in Anspruch nehmen
- forderte der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 20.04.2014 auf, eine "geminderte Altersrente" zu beantragen, hob diesen
Bescheid indes auf den Widerspruch der Klägerin hin mit Bescheid vom 06.06.2014 auf und bewilligte mit weiterem Bescheid vom
06.06.2014 und mit Bescheid vom 17.11.2014 Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit von Juli 2014 bis einschließlich Juni
2015. Zuletzt wurde der Klägerin mit Bescheid vom 08.06.2015 Alg II für den Zeitraum Juli 2015 bis einschließlich April 2016
bewilligt; darüber hinaus, so der Beklagte in diesem Bescheid, könne man kein Alg II bewilligen, da die Klägerin ab 01.05.2016
Anspruch auf Altersrente habe, um deren rechtzeitige Antragstellung man sie hiermit ersuche.
Mit Bescheid vom 31.08.2015 forderte der Beklagte die Klägerin auf, bis spätestens 17.09.2015 bei der DRV Bund eine "geminderte
Altersrente" zu beantragen. Im Rahmen des eingeräumten Ermessens habe man auch die Voraussetzungen der Unbilligkeitsverordnung
(UnbilligkeitsV) geprüft und festgestellt, dass keine der dortigen Ausnahmen greifen würden. Die Klägerin sei daher verpflichtet,
ab Vollendung des 63. Lebensjahres eine "geminderte Altersrente" in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin hat hiergegen Widerspruch
eingelegt und diesen damit begründet, sie könne als schwerbehinderter Mensch eine abschlagsfreie Altersrente wegen Schwerbehinderung
mit 63 Jahren und 6 Monaten in Anspruch nehmen. Es liege daher eine unbillige Härte nach der UnbilligkeitsV vor. Mit Widerspruchsbescheid
vom 29.09.2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei mit dem angefochtenen Bescheid aufgefordert worden,
einen Antrag auf eine Altersrente für langjährig Versicherte mit Abschlag zu stellen. Die Klägerin vollende am 31.10.2015
das 63. Lebensjahr und habe daher ab dem 01.11.2015 Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte. Es würden keine Anhaltspunkte
für eine Unbilligkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme einer solchen Rente vorliegen.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.10.2015 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Mit Schreiben vom 08.10.2015
hat der Beklagte anstelle der Klägerin Antrag auf Altersrente für langjährig Versicherte bei der DRV Bund gestellt, nachdem
die Klägerin trotz Aufforderung keinen Antrag gestellt habe, und hat zugleich seinen Erstattungsanspruch angemeldet. Mit Bescheid
vom 19.11.2015 lehnte die DRV Bund die Rentengewährung wegen mangelnder Mitwirkung ab, da die erforderlichen Antragsformulare
seitens der Klägerin nicht übersandt worden seien. Hiergegen legte der Beklagte am 18.12.2015 Widerspruch ein.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 07.01.2016 die Klage abgewiesen. Es hat dabei zur Begründung die Entscheidung des Bundessozialgerichts
(BSG) vom 19.08.2015 (B 14 AS 1/15 R, [...]) zitiert und sich dieser angeschlossen. Die Klägerin sei verpflichtet, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen
und in Anspruch zu nehmen. Ausnahmetatbestände nach der UnbilligkeitsV würden nicht greifen. Insbesondere erfülle ein Zeitraum
von acht Monaten zwischen Rentenbeginn bei vorzeitiger Inanspruchnahme mit Abschlägen und der Inanspruchnahme einer abschlagsfreien
Altersrente nicht die Voraussetzung des § 3 UnbilligkeitsV. Der Beklagte habe auch das ihm eingeräumte Ermessen erkannt und
ermessensfehlerfrei ausgeübt.
Gegen den ihr am 13.01.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 20.01.2016 Berufung eingelegt und zur Begründung
vorgetragen, sie sei nach wie vor der Auffassung, nicht zur vorzeitigen Beantragung einer Altersrente für langjährig Versicherte
verpflichtet gewesen zu sein. Es gehe bei ihr um einen Zeitraum von sechs Monaten bis zur Inanspruchnahme einer abschlagsfreien
Rente, weshalb sie nach wie vor davon ausgehe, dass Unbilligkeit vorliege. Im Übrigen habe der Beklagte im Rahmen der Ermessensbetätigung
nicht beachtet, dass sie ab 01.11.2015 Altersrente für schwerbehinderte Menschen vorzeitig mit einem Abschlag von 1,8 v.H.
hätte beziehen können. Der Beklagte habe die Klägerin aber aufgefordert, Altersrente für langjährig Versicherte zu beantragen.
Er hätte der Rentenauskunft vom 11.01.2013 ohne weiteres die möglichen Inanspruchnahmetermine und die damit verbundenen Abschläge
entnehmen können. Insofern sei die Ermessensentscheidung fehlerhaft und alleine aus diesem Grund aufzuheben.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 7. Januar 2016 sowie den Bescheid vom 31. August 2015 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29. September 2015 aufzuheben.
hilfsweise
wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zuzulassen
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er könne eine Ermessensfehlerhaftigkeit seiner Aufforderung zur Beantragung einer Rente nicht erkennen. Maßgeblich sei die
Feststellung gewesen, dass die Klägerin mit Vollendung des 63. Lebensjahres eine geminderte Altersrente in Anspruch nehmen
könne und diesbezüglich keine Unbilligkeit vorliege. Es sei aus der vorliegenden Rentenauskunft nicht offensichtlich gewesen,
dass die Rente für schwerbehinderte Menschen bei der Klägerin zu einem geringeren Abschlag führen würde. Es entscheide grundsätzlich
der Versicherte, welche Rente er beantrage. Die sachkundig vertretene Klägerin hätte daher ohne weiteres die für sie günstigere
Rente beantragen können. Auch hätte nach Auskunft der DRV Bund eine Beratungspflicht seitens des Rententrägers bestanden,
die Klägerin auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer für sie günstigeren Rente hinzuweisen. Nach Auskunft der DRV Bund
könne auch der Rentenantrag problemlos abgeändert werden, solange nicht darüber entschieden worden sei. Der Beklagte habe
dem entsprechend mit dem in der Anlage beigefügten Schreiben vom 04.07.2016 den Antrag vom 08.10.2015 dahingehend abgeändert,
dass nun Altersrente für schwerbehinderte Menschen beantragt werde.
Der Berichterstatter hat am 16.06.2016 eine nichtöffentliche Sitzung zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt. Bezüglich
der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 16.06.2016 (Bl. 26 f. Senatsakte) verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 25.07.2016 bzw. 03.08.2016 haben die Beteiligten einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Zur weiteren Darstellung der Sach- und Rechtslage wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß den §§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach §
124 Abs.
2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Streitgegenständlich ist vorliegend der Bescheid vom 31.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2015, mit
dem die Klägerin zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente aufgefordert worden ist. Statthafte Klageart ist hierfür die
Anfechtungsklage gemäß §
54 Abs.
1 Satz 1
SGG (BSG a.a.O.). Die angefochtene Aufforderung hat sich vorliegend auch nicht im Sinne des § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erledigt, weil der Beklagte hierauf gestützt mittlerweile anstelle der Klägerin einen Rentenantrag gestellt hat. Solange
das auf dem Antrag des Beklagten beruhende Rentenverfahren nicht bestandskräftig abgeschlossen ist, begründet und erhält die
angefochtene Aufforderung die Verfahrensführungsbefugnis des Beklagten für die Klägerin im Rentenverfahren (BSG a.a.O.). Nicht mit einbezogen ist dagegen die ersatzweise Antragstellung des Beklagten vom 08.10.2015 bzw. die "Abänderung
dieses Antrags" vom 04.07.2016 (vergleiche BSG a.a.O.).
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, weshalb das SG die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Das SG hat allerdings zutreffend die Voraussetzungen für die Aufforderung zur vorzeitigen Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters
gemäß § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II dargelegt. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß §
153 Abs.
2 SGG ab. Inwieweit unter Berücksichtigung der nach § 13 Abs. 2 SGB II erlassenen UnbilligkeitsV die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aufforderung zur Rentenantragsstellung vorliegen und insbesondere
eine Unbilligkeit nach § 3 UnbilligkeitsV angesichts der Möglichkeit des Bezugs einer abschlagsfreien Rente sechs Monate später
zu verneinen ist, bedarf hier keiner Klärung. Denn die Inanspruchnahme einer Altersrente für langjährig Versicherte war zur
Beseitigung bzw. Verminderung der Hilfebedürftigkeit jedenfalls nicht erforderlich.
Dabei geht die Kommentarliteratur davon aus, dass die Frage der Erforderlichkeit im Rahmen der gebotenen Ermessensbetätigung
- die Aufforderung an Leistungsberechtigte zur Beantragung einer vorrangigen Leistung gemäß § 12a SGB II steht im Ermessen der Leistungsträger; noch vor der Ermessensentscheidung der Leistungsträger über ihre Antragstellung gemäß
§ 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist deshalb bereits über die Aufforderung der Leistungsberechtigten zur Antragstellung durch die Leistungsträger eine Ermessensentscheidung
zu treffen (BSG a.a.O) - und hier im Rahmen der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu prüfen ist (Knickrehm in Eicher/Spellbrink,
SGB II, 3. Aufl. 2013, § 12a Rn. 10). Demgegenüber begreift das BSG die Erforderlichkeit der Antragstellung in Anlehnung an den Wortlaut des § 12a SGB II bereits als Tatbestandsvoraussetzung und reduziert das dem Beklagten eingeräumte Ermessen auf ein reines Entschließungsermessen;
dabei soll angesichts der bereits im Tatbestand zu erörternden Frage der Erforderlichkeit es im Regelfall pflichtgemäßem Ermessen
des Leistungsträgers entsprechen, von der Ermächtigung zur Aufforderung zur Antragstellung Gebrauch zu machen, weshalb relevante
Ermessensgesichtspunkte nur solche sein könnten, die einen atypischen Fall begründen (BSG a.a.O.). Die Frage der systematisch korrekten Verortung der Prüfung der Erforderlichkeit der Aufforderung zur Antragstellung
kann allerdings dahingestellt bleiben. Denn eine solche Erforderlichkeit lag hier nicht vor, gleichviel, ob dies mit dem BSG bereits zur Verneinung der Tatbestandsvoraussetzungen oder auf der Rechtsfolgenseite zu einem Ermessensfehler führt. Denn
auch Letzteres begründet eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide. Gemäß §
39 Abs.
1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) haben die Leistungsträger bei Ausübung des Ermessens unter anderem die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (und in dessen Rahmen die Frage der Erforderlichkeit einer Maßnahme) stellt eine solche
Grenze dar. Jede unverhältnismäßige Entscheidung führt zu einer Ermessensüberschreitung, mithin zu einem Ermessensfehler und
damit zur Rechtswidrigkeit des betreffenden Bescheides.
Der Beklagte hat die Klägerin mit den angefochtenen Bescheiden zur Beantragung einer Altersrente für langjährig Versicherte
gemäß §
36 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) ab 01.11.2015 aufgefordert, obgleich diese für die Klägerin zu einem dauerhaften monatlichen Rentenabschlag von 9 v.H. führen
würde, während bei Inanspruchnahme einer gleichfalls zum 01.11.2015 mit Abschlägen möglich gewesenen Altersrente für schwerbehinderte
Menschen gemäß §
37 SGB VI der monatliche Abschlag lediglich 1,8 v.H. (sechs Monate multipliziert mit 0,003, vgl. §
77 Abs.
2 SGB VI) betragen hätte. Mithin hat dem Beklagten als milderes, gleichermaßen geeignetes Mittel die Aufforderung zur Beantragung
einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen zur Verfügung gestanden. Zwar hat der Beklagte im Bescheid vom 31.08.2015
- terminologisch ungenau - zu der Beantragung einer "geminderten Altersrente" aufgefordert. Im anschließenden Widerspruchsbescheid
vom 29.09.2015 ist dies dahingehend präzisiert worden, dass die Klägerin zur Inanspruchnahme einer Altersrente für langjährig
Versicherte aufgefordert worden ist. Zur Begründung ist dort ausgeführt, die Klägerin vollende am 31.10.2015 das 63. Lebensjahr
und habe laut Rentenauskunft der DRV Bund ab dem 01.11.2015 Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte. In der nach
§
95 SGG gebotenen Zusammenschau von Ausgangs- und Widerspruchsbescheid - nach dieser Vorschrift ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche
Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat - ist damit Gegenstand der Aufforderung
zur Antragstellung ausschließlich eine Altersrente für langjährig Versicherte gemäß §
36 SGB VI. Dies wird durch den vom Beklagten unter dem 08.10.2015 anstelle der Klägerin gestellten Antrag auf Altersrente für langjährig
Versicherte mit Rentenabschlag zusätzlich bestätigt. Die im Widerspruchsbescheid vorgenommene Präzisierung bezüglich der Rentenart
war im Übrigen auch erforderlich, da die Aufforderung zur Antragstellung hinreichend bestimmt sein muss (vergleiche BSG a.a.O.). Der Beklagte hat damit ein unverhältnismäßiges, weil nicht erforderliches Mittel gewählt.
Der Einwand des Beklagten, es hätte der Klägerin ja letztlich freigestanden, welche Rente sie dann tatsächlich beantragt und
darüber hinaus bestehe schließlich eine Beratungspflicht der DRV Bund gemäß §
115 SGB VI, verkennt, dass, wie dargelegt, der Beklagte der Klägerin nicht die Auswahl einer der zum 01.11.2015 möglichen Altersrenten
offen gelassen hat, sondern in den angefochtenen Bescheiden dieser eindeutig und bestimmt aufgegeben hat, Altersrente für
langjährig Versicherte zu beantragen - eben diese hat der Beklagte anschließend auch anstelle der Klägerin beantragt. Mit
der Beantragung einer anderen Rente hätte die Klägerin demnach die Vorgabe in den angefochtenen Bescheiden verfehlt mit der
Folge der Eröffnung einer Verfahrensführungsbefugnis des Beklagten gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Raum für eine Beratung der Klägerin durch die DRV Bund mit dem Ergebnis einer ihr günstigeren Antragstellung auf Altersrente
für schwerbehinderte Menschen bestand damit gleichfalls nicht. Gleichermaßen fehl geht der Vortrag des Beklagten, die Aufforderung
zur Beantragung einer für die Klägerin ungünstigeren Rente sei unschädlich, da die Antragstellung nach Auskunft der DRV Bund
jederzeit abänderbar gewesen sei und nach Auskunft des Beklagten mit dem geänderten Antrag vom 04.07.2016 auch wirksam korrigiert
worden ist. Maßgeblich ist insoweit einzig, dass der Klägerin in den angefochtenen Entscheidungen aufgegeben war, eine für
sie ungünstigere Rente zu beantragen und nach fruchtlosem Verstreichen der gesetzten Frist der Beklagte gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II grundsätzlich berechtigt war, diese Rente zu beantragen und von diesem Recht im Übrigen mit Antrag vom 08.10.2015 auch Gebrauch
gemacht hat. Unabhängig von der regelmäßig gegebenen Möglichkeit, fehlerhaftes Verwaltungshandeln im Nachhinein noch zu korrigieren,
bestand damit die sehr konkrete Gefahr, dass der Klägerin aufgrund eigener, durch die angefochtenen Bescheide vorgegebener
Antragstellung oder aber aufgrund der dann tatsächlich vorgenommenen ersatzweisen Antragstellung des Beklagten die für sie
ungünstigere Altersrente für langjährig Versicherte gewährt wird. Gemäß §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI ist indes nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters der Wechsel in eine andere Rente wegen Alters ausgeschlossen.
Ein späterer Wechsel der Klägerin in eine andere Rente wegen Alters, nämlich die für sie deutlich günstigere Altersrente für
schwerbehinderte Menschen, wäre damit dauerhaft ausgeschlossen gewesen.
Unabhängig davon, inwieweit dieser Umstand überhaupt für die Frage der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Aufforderung
zur Rentenantragstellung maßgeblich ist, kann sich der Beklagte auch nicht auf fehlende Erkenntnisse über die Möglichkeit
der Inanspruchnahme einer für die Klägerin günstigeren Altersrente für schwerbehinderte Menschen berufen. Die insoweit relevanten
Informationen, insbesondere der aus der vorzeitigen Inanspruchnahme resultierende Abschlag, konnte der Beklagte vielmehr ohne
weiteres der ihm vorliegenden Rentenauskunft der DRV Bund vom 11.01.2013 sowie den zugehörigen gesetzlichen Vorschrift des
§
77 Abs.
2 SGB VI entnehmen
Die Aufforderung zur Rentenantragstellung vom 31.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2015 ist damit rechtswidrig
und aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.