Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, eine Parkinson-Erkrankung wie eine Berufskrankheit
(Wie-Berufskrankheit) festzustellen.
Der am 27.10.1947 geborene Kläger war, nachdem er zunächst als Bauschlosser, Betriebsschlosser und Heizungsmonteur berufstätig
gewesen war, vom 01.09.1976 bis zum 14.03.1981 bei der Firma H. und S., Chemische Fabrik GmbH, vom 14.09.1981 bis zum 30.04.1987
bei der Firma H. GmbH und Co. KG und vom 01.05.1987 bis zum 01.11.1992 selbständig als Schädlingsbekämpfer und Desinfektor
tätig (Angaben des Klägers vom 12.05.1995). Bereits ab Oktober 1991 wurde dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt.
Zu seinen Tätigkeiten als Schädlingsbekämpfer gehörten Desinfektion von z.B. Krankenhäusern, Altenheimen, Asylantenheimen
und Lebensmittelbetrieben sowie Holzschutz wie z.B. Behandlung von Dachstühlen. Sein Einsatzgebiet erstreckte sich über ganz
Baden-Württemberg. Die Einsatzzeiten vor Ort schätzte der Kläger in Bezug auf die &61472;Desinfektion auf circa 3 Stunden
bis maximal 2 Tage je Krankenhaus, circa 3 bis 8 Stunden je Altenheim beziehungsweise Asylantenheim und in Bezug auf den Holzschutz
auf circa 4 bis 8 Stunden je Haus.
Beim Kläger traten bereits im Juni 1991 pektanginöse Beschwerden auf. Eine daraufhin durchgeführte Herzkatheter-Untersuchung
ergab im Oktober 1991 eine koronare Ein-Gefäß-Erkrankung. Im Anschluss an die im April 1992 erfolgte Bypass-Operation kam
es zu einem Durchgangssyndrom mit zunehmender pulmonaler und kardiovaskulärer Insuffizienz. Wegen des Verdachts auf einen
Perikarderguss erfolgte im Mai 1992 eine weitere Operation. Es folgte eine Anschluss-Heilbehandlung im Sommer 1992 (Befundberichte
des Klinikums S. in Tübingen vom 29.08.1995 und 01.09.1995).
Der Kläger beantragte am 18.04.1995 die Feststellung einer Berufskrankheit. Er führte zur Begründung aus, er habe während
der Zeit seiner beruflichen Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer so viele Giftstoffe aufgenommen, so dass es zur koronaren Herzkrankheit
gekommen sei.
Die Beklagte befragte die ehemaligen Arbeitgeber des Klägers und holte die Berichte ihres Technischen Aufsichtsdienstes sowie
desjenigen der Berufsgenossenschaft für die chemische Industrie ein. Die Ermittlungen ergaben, dass der Kläger während seiner
Tätigkeit bei der Firma H. und S., Chemische Fabrik GmbH im Außendienst tätig und etwa die Hälfte der Arbeitszeit mit dem
Auto unterwegs gewesen sei. Die übrige Arbeitszeit habe sich gleichmäßig auf Spritz- und Nagerbekämpfungsarbeiten aufgeteilt.
Für Spritzarbeiten seien hauptsächlich mit Wasser verdünnte Mittel wie Phosphorsäureester zur Anwendung gekommen. Zum Teil
sei auch Xylol als Lösemittel enthalten gewesen. Aufgrund einer im Jahr 1990 durchgeführten Arbeitsplatzmessung sei davon
auszugehen, dass der Grenzwert der Konzentration von Xylol deutlich unterschritten gewesen sei. Bei vom Kläger verrichteten
sogenannten Nebelarbeiten habe die Konzentration von Schadstoffen naturgemäß über den MAK-Werten der einzelnen Inhaltsstoffe
gelegen. Bei diesen Arbeiten seien immer ein Overall mit festem Schuhwerk, eine entsprechende Vollmaske mit Filter, Handschuhe,
ein Schutzhelm sowie eine Atemschutzmaske getragen worden. Bei ordnungsgemäßem Tragen der Schutzkleidung, wie vom Kläger angegeben,
sei ein gewisses nicht kontrollierbares Risiko lediglich daran zu sehen, dass ein Teil der Produkte, unter anderem das Lösemittel
Dichlormethan, über die Haut aufgenommen werden könne, wenn nicht eine vollständige körperbedeckte Schutzkleidung getragen
worden sei (Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes vom 27.11.1995). In Bezug auf die berufliche Tätigkeit bei der Firm
H. GmbH und Co. KG wurde ausgeführt, dem Kläger habe auch bei dieser Tätigkeit zum Vernebeln der verwandten Wirkstoffe eine
persönlichen Schutzausrüstung zur Verfügung gestanden. Nachdem dieser selbst angegeben habe, er habe diese getragen, sei von
schädigenden Einwirkungen nicht auszugehen (Berichte des Technischen Aufsichtsdienstes vom 14.11.1995 und 16.04.1996). Ferner
zog die Beklagte über die BAD Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH die Ergebnisse der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen
vom 04.11.1977 und 24.10.1978 bei.
Sodann holte die Beklagte das Gutachten des Prof. Dr. Dipl.-Chem. T., Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-
und Sozialmedizin der Universität H., vom 22.04.1997 ein. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, beim Kläger bestehe eine Multimorbidität.
Im Vordergrund stehe eine schwere Herzinsuffizienz infolge einer koronaren Herzkrankheit und eines Myokardinfarktes. Im Rahmen
der koronaren Herzkrankheit beziehungsweise wegen postoperativer Komplikationen sei es zu einem organischen Psychosyndrom,
einer schmerzhaften Schultersteife rechts, einem Postthorakotomie-Syndrom sowie Herzrhythmusstörungen gekommen. Ein ursächlicher
Zusammenhang zwischen der Berufstätigkeit und diesen Erkrankungen sei nicht wahrscheinlich zu machen. Es liege keine Berufskrankheit
vor. Zwar habe der Kläger Kontakt mit Listenstoffen der Berufskrankheiten nach Nrn. 1302 und 1307 der Anlage 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV) gehabt. Symptome einer akuten Lindan-Vergiftung am Arbeitsplatz habe der Kläger auf Befragen allerdings nicht angegeben.
Von den angeschuldigten Schädlingsbekämpfungsmitteln sei wissenschaftlich nicht bekannt, dass sie bei Menschen eine koronare
Herzkrankheit verursachen würden. Außerdem hätten beim Kläger diesbezüglich mehrere außerberufliche Risikofaktoren wie langjähriges
Zigarettenrauchen, Hypercholesterinämie und starkes Übergewicht vorgelegen.
Mit Bescheid vom 17.09.1997 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer koronaren Herzerkrankung und der damit verbundenen Multimorbidität
als Berufskrankheit nach §
9 Abs.
1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) in Verbindung mit den Nrn. 1302 und 1307 der Anlage 1 zur
BKV ab. Es habe nicht nachgewiesen werden können, dass der Kläger überhaupt an einer beruflich bedingten Erkrankung leide. Es
sei wissenschaftlich nicht bewiesen, dass Lindan und organische Phosphorverbindungen bei Menschen koronare Herzkrankheiten
verursachen könnten. Darüber hinaus habe der Kläger in der Zeit, in der er Umgang mit Lindan gehabt habe, keine typischen
Beschwerden wie beispielsweise Verwirrtheit, Muskelzucken, Angst oder Halluzinationen, die Symptome einer akuten Lindan-Vergiftung
wären, gehabt. Weiterhin habe der Kläger während seiner gesamten beruflichen Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer keine typischen
Beschwerden wie beispielsweise Schweißausbrüche, Krämpfe, innere Unruhe und Muskelzuckungen, die symptomatisch für eine Vergiftung
gewesen wären, aufgewiesen. Darüber hinaus würden solche Stoffe durch die Haut aufgenommen. Dies sei beim Kläger aber eher
unwahrscheinlich gewesen, da er selbst bei der Untersuchung angegeben habe, beim Verspritzen die notwendigen Körperschutz-
beziehungsweise Hautschutzmittel getragen zu haben. Daher sei es nicht ausreichend wahrscheinlich, dass die Herzerkrankung
auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei. Ursache hierfür sei vermutlich der jahrelange Nikotinkonsum, die Hypercholesterinämie
sowie das starke Übergewicht.
Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag lehnte die Beklagte die Anerkennung einer koronaren Herzerkrankung und der damit verbundenen
Multimorbidität als Wie-Berufskrankheit nach §
9 Abs.
2 SGB VII ab. Es seien keine Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorhanden, wonach die Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer beziehungsweise
die Einwirkung von Arbeitsstoffen in Form von synthetischen Pyrethroiden geeignet sei, eine koronare Herzerkrankung mit nachfolgendem
Organversagen zu verursachen. Dieses Erkrankungsbild sei nicht auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen, sondern habe
seine Ursache vermutlich in dem jahrelangen Nikotinkonsum, in der Hypercholesterinämie sowie dem starken Übergewicht.
Die gegen beide Bescheide eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit ihren Widerspruchsbescheiden vom 12.03.1998 zurück.
Die hiergegen erhobenen Klagen (S 2 U 790/98 und S 2 U 791/98), mit denen der Kläger erstmals geltend machte, seit Sommer 1997 an einem Morbus Parkinson erkrankt zu sein, verband das
Sozialgericht Reutlingen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung (Beschluss vom 05.07.1999).
Das Sozialgericht holte zunächst auf Antrag des Klägers gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. J. vom 25.05.2001 ein. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, dass es beim Kläger
während der langjährigen Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer zu einer Aufnahme von verschiedensten Pestiziden über die Atemwege
und Luft, die Haut sowie die Schleimhäute des Verdauungstraktes gekommen sei. Durch die Vielfachbelastung über viele Jahre
sei es zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung und Schädigung des Immunsystems und Nervensystems gekommen. Hinzugekommen
sei eine insbesondere durch die beruflichen Pestizid-Belastungen in Gang gesetzte und geförderte Störung des Fettstoffwechsels.
Dies habe zusammen mit anderen immunologischen und toxischen Effekten am Immunsystem und der Innenauskleidung der Gefäße wesentlich
zum Entstehen einer Arteriosklerose und Gefäßerkrankung beigetragen und die Übergewichtigkeit gefördert. Hinzugekommen sei,
dass der Kläger Zigaretten geraucht habe. Diese zusätzlichen Belastungen mit inhalativen Fremdstoffen habe diese Prozesse
begünstigt. Es sei zu einer nahezu logischen Weiterentwicklung gekommen, so dass sich auffallend frühzeitig eine neurodegenerative
Erkrankung des Gehirns in Form eines Morbus Parkinson eingestellt habe. Deshalb stünden die Erkrankungen langjährige Pestizidbelastung,
Autoimmunität, Typ-IV-Allergien gegen Benzol, Tolulol, Xylol, Kohlenwasserstoffe, Lindan, PCB, Permethrin, zentral-vestibuläre
Störung, zentrale Schwerhörigkeit rechts mehr als links, bronchiale Hyperreagibilität, axonale Polyneuropathie, Morbus Parkinson,
Encepalopathie, Arteriosklerose sowie Unterfunktion P450-System in einem kausalen inneren Zusammenhang.
Die Beklagte hat hierzu ein weiteres Gutachten des Prof. Dr. Dipl.-Chem. T. vom 06.10.2000 nach Aktenlage vorgelegt. Der Sachverständige
wies darauf hin, dass die Befunderhebung des Dr. J. nicht den Mindestanforderungen genüge. Ferner habe dieser eine Reihe von
Untersuchungen veranlasst, deren Bedeutung für die Kausalbeurteilung der hier zur Diskussion stehenden Berufskrankheiten ohne
Bedeutung seien. Zu Unrecht habe dieser ausgeführt, der Vollbeweis der Einwirkung einer schädigenden Noxe sei erbracht. Vielmehr
sei aus arbeitsmedizinischer Sicht wichtig, dass der Kläger bei den gefährdeten Tätigkeiten die erforderlichen Körperschutzmittel
verwendet habe. Er wies desweiteren darauf hin, die im Rahmen arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen am 04.11.1977 und
24.10.1978 bestimmten Leberparameter Gamma-GT, GPT und GOT hätten einen normalen Befund ergeben. Diese objektiven Untersuchungsergebnisse
sprächen dafür, dass im interessierenden Expositionszeitraum und zwar vor 1981 eine Lindan-Intoxikation unwahrscheinlich sei.
Auch habe der Umgang des Klägers mit Phosphorsäure-Verbindungen bei ihm keine Krankheit verursacht, wofür spreche, dass der
Kläger keine Symptome einer derartigen Intoxikation angegeben habe. Dr. J. habe auch nicht beachtet, dass die Polyneuropathie
erst nach 1997 manifest geworden sei, es aber als wissenschaftlich gesichert gelte, dass sich eine toxische Polyneuropathie
in der Regel unter der Exposition manifestiere. Ferner sei bei einer toxischen Polyneuropathie mit einer Remission nach zwei
bis drei Jahren zu rechnen. Die Behauptung des Dr. J., dass eine Intoxikation mit Phosphorsäure-Verbindungen ein Parkinson-Syndrom
verursache, sei wissenschaftlich nicht belegt. Das gelte auch für die behauptete Begünstigung der Entstehung der Erkrankungen
durch die wahrscheinlich anlagebedingte Unterfunktion der körpereigenen Entgiftung (P-450-System), die mit den tatsächlichen
wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht vereinbar sei. Im Übrigen seien die von Dr. J. genannten Quellen keine Belege für dessen
Einschätzung. Dieser habe auch die aktuellen und wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse in der Medizin über die Pathogenese
der koronaren Herzkrankheit nicht berücksichtigt. Ein weiterer Mangel des Gutachtens des Dr. J. bestehe darin, dass dieser
auf die individuelle Risikokonstellation des Klägers in Form des langjährigen Zigarettenrauchens, der Hypercholesterinämie
und dem starken Übergewicht an keiner Stelle seines Gutachtens hingewiesen habe. Nach alledem sei die Behauptung des Dr. J.,
beim Kläger liege eine Berufskrankheit vor, unzutreffend.
Dr. J. blieb in seiner Stellungnahme vom 11.03.2002 bei seiner Einschätzung, da die Sachverständigenanhörung zum Biozidgesetzentwurf
das Auftreten von Gefäß- und Nervenkrankheiten durch Pestizide bestätigt habe.
Mit Urteil vom 29.05.2002 (S 2 U 790/98) wies das Sozialgericht die Klage (gemeint: Klagen) gestützt auf die Gutachten von Prof. Dr. Dipl.-Chem. T. ab.
Hiergegen erhob der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg.
Das Gericht holte von Amts wegen das Gutachten des Prof. Dr. D., Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
der Universität Erlangen-Nürnberg, vom 16.09.2003 ein. Dieser gelangte unter Berücksichtigung des Zusatz-Gutachtens des Neurologen
und Psychiaters Prof. Dr. G. vom 07.08.2003 zu der Ansicht, es sei nicht wahrscheinlich, dass zwischen den Erkrankungen des
Klägers, insbesondere den Schmerzen über der Brust, der Atemnot bei koronarer Herzerkrankung, den neurologischen Ausfällen
bei Morbus Parkinson, den Gedächtnisstörungen, den Schmerzen bei degenerativen Wirbelsäulen- und Gelenkveränderungen und den
Hauterscheinungen, einerseits und den nachgewiesenen beruflichen Einwirkungen andererseits ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang
bestehe. Berufsbedingten Faktoren komme im Vergleich zu berufsunabhängigen Umständen keine zumindest annähernd gleichwertige
ursächliche Bedeutung zu. Zwar fänden sich in der Literatur vereinzelt Hinweise darauf, dass Schädlingsbekämpfer ein erhöhtes
Risiko haben könnten, an einem Morbus Parkinson oder an einer Fettstoffwechselstörung zu erkranken. Es handele sich hierbei
um Hinweise aus einzelnen epidemiologischen Studien, ohne dass bisher der Nachweis erbracht worden sei, dass die Ursache für
die Krankheit im schädigenden Arbeitsleben liege. Prof. Dr. G. bestätigte ein klinisch eindeutiges Parkinson-Syndrom, bei
dessen Entstehung auch die vorübergehende nicht unerhebliche Sauerstoffmangelversorgung des Gehirns nach Herzstillstand mit
Multiorganversagen ebenso wie die Gefäßerkrankung berücksichtigt werden müsse.
Mit Beschluss vom 22.07.2004 (L 10 U 2944/02) wies das Landessozialgericht die Berufung zurück. Es fehle schon am Nachweis hinreichender beruflicher Belastungen, die
geeignet gewesen wären, die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen zu verursachen. Es sei unbewiesen, dass der Kläger über
die zulässigen Grenzwerte hinaus schädigenden Einwirkungen der in Frage kommenden Listenstoffe ausgesetzt gewesen sei. Nach
dem Ergebnis der vom Kläger im Wesentlichen zunächst nicht bestrittenen Ergebnisse der Ermittlungen der Technischen Aufsichtsdienste
der Beklagten und der Berufsgenossenschaft für die chemische Industrie sei der Kläger über dem Grenzwert liegenden schädigenden
Stoffen nicht ausgesetzt gewesen. Insbesondere habe er zunächst auch angegeben, er habe Schutzkleidung getragen. Auffällig
sei, dass er erst später, als offenbar bei ihm der Eindruck verstärkt worden sei, es komme auf weitergehende Einwirkungen
durch Schadstoffe an, vorgetragen habe, er habe häufig keine Schutzkleidung getragen und Transportbehältnisse seien schadhaft
gewesen. Soweit er darüber hinaus gerügt habe, die Schadstoffmessungen seien in der Firma H. und S. Chemische Fabrik GmbH
erfolgt und er habe nicht dort, sondern im Außendienst gearbeitet, möge dies zutreffen, doch seien Messungen an den Stellen,
an denen er gearbeitet habe, auch unter Berücksichtigung seines eigenes Vorbringens, nicht mehr möglich. Demzufolge seien
die Schadstoffmessungen in der Firma H. und S. Chemische Fabrik GmbH durchaus eine Möglichkeit, Anhaltspunkte dafür zu gewinnen,
wie stark die Belastungen gewesen seien. Diese hätten nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes ergeben, dass
die Belastungen unterhalb des Grenzwertes gelegen hätten. Zwar sei davon auszugehen, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit
bei der Firma H. und S. Chemische Fabrik GmbH auch Kontakt zu Lindan gehabt habe. Doch seien insofern im Nachhinein weder
die Konzentration noch die Dauer der Exposition feststellbar. Auch in Bezug auf die genannten Arbeitskollegen sei weder dargetan
noch ersichtlich, dass diese konkrete Angaben darüber machen könnten, in welcher Konzentration und für welche Zeiträume Schadstoffbelastungen
vorgelegen hätten. Im Übrigen seien auch die vom Kläger geltend gemachten Erkrankungen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit
auf berufliche Einwirkungen zurückzuführen. Dass die koronare Herzkrankheit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit
auf den Umgang des Klägers mit Pestiziden und weiteren Stoffen im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zurückzuführen sei,
folge schlüssig aus dem Gutachten des Prof. Dr. D., der zutreffend auf berufsunabhängige Risikofaktoren hingewiesen habe.
Angesichts der Risikofaktoren wie Nikotinkonsum, Adipositas, Hypertriglyceridemie, Hypercholesterinämie und Hyperurikämie
spreche nicht mehr dafür als dagegen, dass die Herzerkrankung berufsbedingt sei, zumal sich auch keine hinreichenden Hinweise
in der Literatur und in wissenschaftlichen Studien fänden, die eine gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis begründeten, dass
Pestizide zu einer koronaren Herzkrankheit führten. Auch der Morbus Parkinson sei nicht rechtlich wesentlich auf die beruflichen
Belastungen zurückzuführen. Wie Prof. Dr. G. ausgeführt habe, kämen für die Entstehung eines Morbus Parkinson vielfache Ursachen
in Betracht. Dieser habe auf eine Studie verwiesen, wonach die Prävalenz des idiopathischen Parkinson-Syndroms in westlich
industrialisierten Ländern bei 120 bis 150 Fällen pro 100.000 liege und damit das statistische Risiko, an einem Morbus Parkinson
zu erkranken, nicht niedrig sei. Soweit der Kläger hier auf andere Zahlen weltweit verweise, stehe dies nicht im Widerspruch
zu den Ausführungen des Sachverständigen, mit dessen Hinweis auf die Studie. Im konkreten Fall kämen mithin neben einer idiopathischen
Entstehung und einer möglichen Entstehung durch Pestizide auch der Herzstillstand mit Multiorganversagen bei einer vorübergehenden
nicht unerheblichen Sauerstoffmangelversorgung des Gehirns in Betracht. Letzteres stehe, bedingt durch die koronare Herzkrankheit
nicht in ursächlichem Zusammenhang mit den beruflichen Belastungen. Somit bleibe es dabei, dass die Einwirkung durch beruflich
bedingte Schadstoffe allenfalls eine entfernte Möglichkeit der Verursachung der Parkinsonschen Erkrankung sei. Eine solche
Möglichkeit genüge indes nicht.
Die hiergegen vom Kläger erhobene Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 24.11.2004 (B 2 U 270/04 B) als unzulässig.
Am 29.03.2005 beantragte der Kläger die Anerkennung des Morbus Parkinson als Berufskrankheit. Beigefügt war eine ärztliche
Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit des Allgemeinmediziners Dr. G. vom 11.03.2005 (Parkinson-Syndrom, Verursachung
durch Lindan).
Mit Bescheid vom 23.05.2005 lehnte die Beklagte eine Rücknahme ihres die Feststellung einer koronaren Herzerkrankung und der
damit verbundenen Multimorbidität als Berufskrankheit nach den Nrn. 1302 und 1307 der Anlage 1 zur
BKV ablehnenden Bescheides vom 17.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.1998 sowie eine Anerkennung der
Parkinson-Erkrankung als Berufskrankheit ab. Der Kläger habe keine neuen Sachverhalte beziehungsweise Tatsachen vorgetragen,
die nicht schon bei Erlass ihrer Bescheide und in den Urteilen des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts berücksichtigt
worden seien. Sie berufe sich daher auf die Bindungswirkung ihrer rechtskräftigen Bescheide.
Hiergegen legte der Kläger am 13.06.2005 Widerspruch ein. Er habe nie eine Zurücknahme des Bescheides vom 17.09.1997 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.1998 beantragt. Die Feststellung des Parkinson-Syndroms als Berufskrankheit habe
er bislang nicht beantragt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2005 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Bei Erlass ihrer Verwaltungsakte sei weder
das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erwiesen habe. Die Voraussetzungen
für die Anerkennung einer Berufskrankheit seien nicht gegeben. Zwar stimme es, dass bei der Bescheiderteilung nicht über die
Parkinson-Erkrankung des Klägers entschieden worden sei. Denn der Kläger sei erst 1997 an einem Morbus Parkinson erkrankt,
wobei diese Erkrankung erst im laufenden Klageverfahren bekannt geworden sei. Die Gerichte hätten dann jedoch auch diese Krankheit
in die Ermittlungen mit einbezogen. Dem Urteil des Sozialgerichts und dem Beschluss des Landessozialgerichts sei zu entnehmen,
dass der Kläger seine jeweiligen Klageanträge um das Parkinson-Syndrom erweitert habe. Die Gerichte hätten in den Entscheidungsgründen
ausgeführt, es sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Parkinson-Erkrankung berufsbedingt sei. Weitere Sachverhalte
beziehungsweise Tatsachen, die nicht schon vor der Beschlussfassung berücksichtigt worden seien, seien vom Kläger nun nicht
vorgetragen worden. Die Gerichte hätten sich im Übrigen auch mit dem vom Kläger behaupteten Ermittlungsmängeln befasst. Da
die Erkrankung des Klägers keine Berufskrankheit sei, bestehe auch keine Leistungsverpflichtung ihm gegenüber.
Hiergegen hat der Kläger am 11.10.2005 Klage beim Sozialgericht erhoben. Die Verpflichtung zur erneuten Amtsermittlung beruhe
insbesondere auf der Existenz neuerer Studien. Inzwischen sei anerkannt, dass Polyneuropathien und Enzephalopathien durch
Pestizide hervorgerufen werden könnten. Auch sei vom Landessozialgericht Rheinland Pfalz (L 2 U 260/00) ein Kausalzusammenhang zwischen Pestiziden und einem Morbus Parkinson festgestellt worden. Es sei in früheren Verfahren
keine entsprechende Begutachtung zum Kausalzusammenhang zwischen Pestiziden und einem Morbus Parkinson durchgeführt worden.
Weiterhin leide er an obstruktiven Atemwegserkrankungen, die ursächlich auf den früher benutzten Pestiziden beruhten. Mehrere
seiner früheren Arbeitskollegen seien vor Vollendung des 60. Lebensjahres an Herzinfarkten verstorben.
Das Sozialgericht hat auf Antrag des Klägers gemäß §
109 SGG das Gutachten des Internisten, Nephrologen und Umweltmediziners Prof. Dr. H. vom 16.08.2007 eingeholt. Dieser ist unter Berücksichtigung
des Zusatzgutachtens des Prof. Dr. U., Ärztlicher Direktor der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums
H., vom 18.04.2007, in dem ausgeführt wird, beim Kläger liege eine organisch bedingte Minderung der Hirnleistungsfähigkeit
in Form einer Störung der Aufmerksamkeit, des Arbeitsgedächtnisses, der verbalen Mnestik und des Affekts vor, zu dem Ergebnis
gelangt, es bestehe eine chronische Langzeitexposition mit Schädlingsbekämpfungsmitteln von über 15 Jahren bei mehreren Stunden
Arbeit täglich. Die Parkinson-Symptomatik habe während der Tätigkeit als Desinfektor begonnen und persistiere auch nach Beendigung
der Tätigkeit. Die Symptomatik nach Beendigung der Tätigkeit sei progredient. Es bestünden rezidivierende Schleimhautreizungen
mit deutlich erhöhter Infektneigung und Geruchsstörungen während der Tätigkeit als Desinfektor. Es sei während der beruflichen
Tätigkeit zumindest einmalig eine pränarkotische Symptomatik aufgetreten. Es sei festzustellen, dass es sich überwiegend um
gesetzlich nicht geschützte Schädlingsbekämpfungsmittel handele, mit denen der Kläger gearbeitet habe. Es liege die Vermutung
nahe, dass es sich um besonders toxische Produkte handele. Der Transport mit den Schädlingsbekämpfungsmitteln sei ungesichert
erfolgt. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger etwa die Hälfte der Arbeitszeit im Auto mit den schädlichen Mitteln unterwegs
gewesen sei. Der Verlauf sei mit einer beruflichen Mitverursachung vereinbar. Begünstigt worden sei der degenerative Prozess
durch den Zigarettenkonsum. Aus seiner ärztlichen Sicht überwögen bei dem Morbus Parkinson die berufsbedingten Faktoren die
berufsunabhängigen Faktoren.
Hierzu hat die Beklagte ausgeführt, es fehle an gesicherten medizinischen Erkenntnissen für die Anerkennung einer Parkinson-Erkrankung
wie eine Berufskrankheit.
Mit Urteil vom 31.01.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Aufhebung der eine
Berufskrankheit ablehnenden Bescheide, die durch Urteil des Sozialgerichts und Beschluss des Landessozialgerichts rechtskräftig
bestätigt worden seien. Auch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Prof. Dr. H. lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung
des Morbus Parkinson als Folge einer Berufskrankheit nicht vor. Der Anspruch des Klägers scheitere bereits daran, dass die
schädigenden Einwirkungen während seiner Berufstätigkeit hinsichtlich Art und Ausmaß nicht mit der erforderlichen an Sicherheit
grenzenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen seien. Wie zuletzt das Landessozialgericht ausgeführt habe, sprächen die Ergebnisse
der Ermittlungen der Technischen Aufsichtsdienste gegen eine die zulässigen Grenzwerte überschreitende Schadstoffbelastung
des Klägers während seiner beruflichen Tätigkeit. Objektive Ermittlungsmöglichkeiten stünden nicht mehr zur Verfügung. Allein
aufgrund der Angaben des Klägers, er habe entgegen der Annahme der Technischen Aufsichtsdienste bei der Arbeit häufiger keine
Schutzkleidung getragen und sei während des Transports der Schadstoffe im Auto durch möglicherweise schadhafte Behälter einer
relevanten Schadstoffexposition ausgesetzt gewesen, könne der Vollbeweis der sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen
einer Berufskrankheit nicht geführt werden, worauf das Landessozialgericht ebenfalls bereits hingewiesen habe. Auch die Ausführungen
des Prof. Dr. H. seien nicht geeignet, eine erhebliche Schadstoffbelastung des Klägers während seiner beruflichen Tätigkeit
nachzuweisen. Abgesehen davon, dass die Vermutungen des Sachverständigen, der Kläger habe mit besonders toxischen Produkten
gearbeitet, nicht geeignet seien, ein Urteil darauf zu stützen, handele es sich hier nicht um neue Erkenntnisse. Es sei nie
bezweifelt worden, dass die Produkte, mit denen der Kläger während seiner Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer Umgang gehabt
habe, giftig gewesen seien. Aus diesem Grund sei das Tragen einer den ganzen Körper bedeckenden Schutzkleidung erforderlich
gewesen. Nicht nachgewiesen sei lediglich, ob der Kläger trotz der Schutzmaßnahmen einer die Grenzwerte überschreitenden Schadstoffexposition
ausgesetzt gewesen sei. Dies sei, wovon bereits Prof. Dr. D. in seinem Gutachten ausgegangen sei, möglich, jedoch nicht mehr
mit der erforderlichen Sicherheit zu ermitteln.
Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausginge, dass er während seiner beruflichen Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer
schädlichen Einwirkungen von Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt gewesen sei, lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer
Berufskrankheit nicht vor. Die Verursachung des Morbus Parkinson durch Einwirkungen von Halogenkohlenwasserstoffen oder organischen
Phosphorverbindungen sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Wissenschaftliche Erkenntnisse dahingehend, dass gerade diese Stoffe
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Parkinson-Erkrankung verursacht hätten, lägen auch nach Meinung des Prof. Dr. H.
offenbar nicht vor. Prof. Dr. H. sei auch nicht zu folgen, wenn er die Anerkennung der Parkinson-Erkrankung wie eine Berufskrankheit
vorschlage und zur Begründung auf epidemiologische Studien über einen statistischen Zusammenhang zwischen der Einwirkung von
Pestiziden und dem Auftreten der Parkinson-Erkrankung hinweise. Auch Prof. Dr. D. habe die bis dahin vorliegenden wissenschaftlichen
Veröffentlichungen und Zusammenfassungen epidemiologischer Studien berücksichtigt. Er habe ausgeführt, diese Untersuchungen
zeigten einen zwar statistisch signifikanten, aber insgesamt nur kleinen Einfluss der Pestizide bei der Entstehung der Parkinson-Erkrankung,
der noch als Beleg für eine Verursachung angesehen werden könne. Er habe darauf hingewiesen, dass nach epidemiologischen Untersuchungen
eine Vielzahl weiterer Faktoren die Entwicklung eines Morbus Parkinson ebenfalls fördere. Prof. Dr. G. zähle hierzu explizit
unter anderem Medikamenteneinwirkungen, Hypoxie, Infektionen sowie metabolische und traumatische Einflüsse. Unabhängig von
solchen Einflüssen habe er ausgeführt, dass das Risiko, an einem idiopathischen Parkinson-Syndrom zu erkranken, in westlich
industrialisierten Ländern bei 120 bis 150 Fällen pro 100.000 liege und damit nicht niedrig sei. Eine Anerkennung einer Erkrankung
als Berufskrankheit oder Wie-Berufskrankheit sei jedoch nur geboten, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen, wonach
die Arbeit die Erkrankungsgefahr gegenüber der normalen Gefahr in erheblichem Grade steigere. Hiervon sei nach den Ausführungen
des Prof. Dr. D. nicht auszugehen. Auch in der Rechtsprechung sei ein für die Anerkennung einer Berufskrankheit relevanter
Zusammenhang zwischen toxischen Einwirkungen und dem Morbus Parkinson, soweit ersichtlich, bisher trotz der vorhandenen epidemiologischen
Studien durchgehend verneint worden. Die Ausführungen des Prof. Dr. D. und des Prof. Dr. G. seien nach wie vor zutreffend.
Aus dem Gutachten des Prof. Dr. H. ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass seit der Erstattung dieser Gutachten neue
medizinische Erkenntnisse veröffentlicht worden seien, die dazu nötigten, die generelle Geeignetheit der Pestizidbelastung
für die Verursachung des Morbus Parkinson, insbesondere für die Gruppe der Schädlingsbekämpfer, zu bejahen und eine Berufskrankheit
anzunehmen. Prof. Dr. H. berufe sich zum Teil auf die gleichen Studien, die bereits Prof. Dr. D. in seinem Gutachten angeführt
habe. Die von ihm zitierten neueren Studien bestätigten den bereits beschriebenen statistischen Zusammenhang, offenbar ohne
in Bezug auf die Verursachung neuere Erkenntnisse zu ergeben. B. und andere hielten daher in einer von Prof. Dr. H. zitierten
im Jahr 2005 veröffentlichten Arbeit einen ursächlichen Zusammenhang lediglich für möglich, weitere Untersuchungen aber für
erforderlich. Im Falle des Klägers komme hinzu, dass nach der Operation im Jahr 1992 Komplikationen aufgetreten seien, die
zu einem Sauerstoffmangel im Gehirn geführt hätten. Da eine Hypoxität ebenfalls als möglicher Faktor bei der Entstehung eines
Parkinson-Syndroms angesehen werde, sei der Nachweis, dass die Parkinson-Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf
die berufliche Pestizideinwirkung zurückzuführen sei, im Falle des Klägers zusätzlich erschwert.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 11.03.2008 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 13.03.2008
Berufung erhoben. Er stützt sich auf das Gutachten des Prof. Dr. H ... Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts habe er keine
Schutzbekleidung getragen. Dies sei zwar vorgeschrieben gewesen, aber von den beauftragenden Firmen immer wieder untersagt
worden, da dies einen schlechten Eindruck gemacht hätte. Die Verursachung des Morbus Parkinson sei durch Einwirkungen von
Halogenkohlenwasserstoffen und organischen Phosphor-Verbindungen entstanden. Es lägen auch wissenschaftliche Erkenntnisse
vor, dass gerade diese Stoffe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Parkinson-Erkrankung verursacht hätten. Es bestünden
Zweifel an den Gutachten des Prof. Dr. T. und des Prof. Dr. D., die bekanntermaßen ständig ablehnende Gutachten in diesen
Bereichen verfassten. Auch die früheren Ermittlungen der Technischen Aufsichtsdienste seien unzureichend. Es sei gar nicht
konkret gemessen worden, ob die Schadstoffbelastung einen zulässigen Grenzwert überschritten habe. Ferner habe bei der angesprochenen
Operation ein Sauerstoffmangel im Gehirn nicht stattgefunden. Daher könne auch die Hypoxität nicht für die Begründung eines
Parkinson-Syndroms herangezogen werden.
Im Hinblick auf vom Kläger in Aussicht gestellte neue Forschungsergebnisse hat der Senat auf Antrag der Beteiligten das Verfahren
mit Beschluss vom 03.11.2008 (L 6 U 1371/08) zum Ruhen gebracht.
Im September 2011 hat der Kläger das Verfahren wieder angerufen und zur Begründung ausgeführt, inzwischen sei auch in der
Wissenschaft bestätigt worden, dass Hirnschäden und eine Parkinson-Erkrankung sehr wohl auf den dauerhaften Gebrauch von Pestiziden
zurückzuführen seien. Er hat mehrere Fälle aus den Jahren 2001 bis 2010 vorgelegt, in denen Parkinson-Erkrankungen als Wie-Berufskrankheit
anerkannt worden sind, und auf den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 27.11.2007 (B 5a/5 R 406/06 B) hingewiesen, wonach neurootologische Untersuchungen erforderlich seien, um die behaupteten Gesundheitsstörungen zu objektivieren.
Es seien auch weitere Gutachten einzuholen, die den aktuellen Stand der Wissenschaft berücksichtigten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 31. Januar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2005 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit
anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zwar könne eine Parkinsonerkrankung auch eine Berufskrankheit sein, beim Kläger könne aber nicht der Nachweis der arbeitstechnischen
Voraussetzungen geführt werden.
Unbestritten sei zwar, dass er während seiner jahrelangen Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer Umgang mit zahlreichen giftigen,
chemischen Stoffen gehabt habe. Nach den Ermittlungsberichten der Technischen Aufsichtsdienste habe jedoch die Schadstoffbelastung
des Klägers während der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit deutlicher unterhalb der zulässigen Grenzwerte gelegen. Zudem
habe er 1995 angegeben, immer die vorgeschriebene Schutzausrüstung bei der Arbeit getragen zu haben. Es stehe somit fest,
dass der Kläger als Schädlingsbekämpfer keinen Einwirkungen von Schadstoffen in gesundheitsgefährdender Konzentration ausgesetzt
gewesen sei. Die arbeitstechnischen Bedingungen, also eine schädigende Exposition, sei somit nach Art und Ausmaß nicht mit
der erforderlichen mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Da dieses Kriterium bereits nicht erfüllt
sei, erübrigten sich weitere Ermittlungen zum medizinischen Zusammenhang.
Der Kläger hat vorgetragen, in Frankreich sei inzwischen anerkannt, dass auch durch die Exposition gegenüber Pestiziden ein
Morbus Parkinson entstehen könne und daher eine Berufskrankheit anzuerkennen sei. Auch in Deutschland gebe es immer wieder
Fälle, in denen dies so bestätigt werde. Im Übrigen sei die Auffassung der Technischen Aufsichtsdienste hinsichtlich des Tragens
der Schutzkleidung nicht richtig. Er habe lediglich gelegentlich einen Stoffoverall, einen Schutzhelm und eine Vollschutzatemmaske
zur Verfügung gehabt. Dies stelle aber keinen ausreichenden Schutz dar. In der Arbeitspraxis sei es häufig zu direktem Kontakt
mit Pestiziden gekommen, ohne dass die Schutzkleidung irgendwelche Wirkung gezeigt habe. Zudem sei er bei der Nutzung des
Autos immer wieder mit den Giftstoffen in Berührung gekommen. Die Kanister seien nicht völlig dicht gewesen. Es hätten Ausdünstungen
stattgefunden.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung am 27.03.2014 ihren Bescheid vom 23.05.2005 insoweit aufgehoben, als eine Rücknahme
des Bescheides vom 17.09.1997 und des Widerspruchsbescheides vom 12.03.1998 abgelehnt worden ist, und ausgeführt, der Tenor
des Bescheides vom 23.05.2005 laute damit nur noch, dass der Antrag auf Anerkennung des Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit
abgelehnt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten
der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie des vorangegangenen Verfahrens verwiesen.
Die nur noch hierauf gerichtete Berufung des Klägers ist unbegründet.
Zwar hat sich die Beklagte dabei zur Begründung nicht auf die Bestandskraft des Bescheides vom 17.09.1997 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12.03.1998 stützen dürfen, da Gegenstand dieser Entscheidung die Ablehnung der Anerkennung einer
koronaren Herzerkrankung und der damit verbundenen Multimorbidität als eine Berufskrankheit und nicht eines Morbus Parkinson
als Wie-Berufskrankheit gewesen ist. In sachgerechter Auslegung des angegriffenen Bescheides vom 23.05.2005 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2005 hat die Beklagte aber nicht nur über eine Rücknahme des Bescheides vom 17.09.1997
entschieden, sondern auch die Anerkennung der Parkinson-Erkrankung als Wie-Berufskrankheit abgelehnt und damit zu erkennen
gegeben, dass aus ihrer Sicht diese Krankheit aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt wie eine Berufskrankheit festzustellen
ist.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines Morbus Parkinson wie eine Berufskrankheit. Der diesen Anspruch ablehnende
Bescheid der Beklagten vom 23.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2005 ist rechtmäßig.
Denn Voraussetzung für die Anerkennung einer Erkrankung als Wie-Berufskrankheit ist, dass die beruflichen Einwirkungen generell
geeignet sind, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern, die vorliegende Erkrankung konkret-individuell
durch entsprechende berufliche Einwirkungen wesentlich verursacht beziehungsweise verschlimmert worden ist und diese Einwirkungen
wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sind. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und
die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang der nach der auch
sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit
- nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - juris).
So hat Prof. Dr. G. überzeugend dargelegt, dass die Prävalenz des idiopathischen Morbus Parkinson bei 120 bis 150 Fällen pro
100.000 liegt, das statistische Risiko, an einem Morbus Parkinson zu erkranken, damit nicht niedrig ist (Vieregge 1997), es
sich dabei also um eine häufig auf dem neurologischen Fachgebiet auftretende Erkrankung handelt. Er hat ferner aufschlussreich
dargelegt, dass ein Morbus Parkinson neben dem idiopathischen Morbus Parkinson medikamenteninduziert, durch einen Hydrozephalus
oder eine Hypoxie, postinfektiös, metabolisch, traumatisch, durch Intoxikation durch Kohlenmonoxid, Blei, Mangan, Zyanide,
Methanol oder MPTP, durch einen Tumor oder vaskulär beziehungsweise als Multisystem-Neurodegeneration oder heredodegenerative
Erkrankung auftreten kann (Poewe et al 1999, Bower et al 2003, Powers et al 2003). Der Sachverständige hat zwar dargelegt,
dass in den letzten Jahren die Möglichkeit der Entwicklung eines Morbus Parkinson nach Pestiziden diskutiert und in verschiedenen
Untersuchungen für die Exposition von Pestiziden ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung eines Morbus Parkinson aufgezeigt worden
ist (Seidler et al 1996, Vieregge 1997, Tüchsen et al 2000, Priyadarshi et al 2000, Ritz et al 2000, Engel et al 2001). Dass
sich diese Möglichkeit nicht zu einer Wahrscheinlichkeit verdichtet hat, ergibt sich aus den überzeugenden Darlegungen des
Sachverständigen, wonach für ein in epidemiologischen Untersuchungen statistisch fassbar häufigeres Auftreten bei einer ausreichend
häufigen Erkrankung das frühzeitigere Manifestwerden der Erkrankung erforderlich ist und epidemiologische Untersuchungen mit
einem statistisch signifikanten, aber insgesamt nur kleinen Einfluss noch keinen Beleg für einen pestizidbedingten Morbus
Parkinson darstellen. Hinzu kommt, dass nach den Angaben des Gutachters in den Untersuchungen nur für Pestizide insgesamt,
nicht jedoch für die verschiedenen Sustanzgruppen eine epidemiologisch signifikante Erhöhung des Risikos, einen Morbus Parkinson
zu erwerben, gezeigt worden ist. Maßgeblich sind daher auch für den Senat die von Prof. Dr. G. beschriebenen Untersuchungen,
in denen unter den neurotoxischen Effekten von Insektiziden ein Morbus Parkinson nicht diskutiert (He 2000) und von 474 Fällen
mit Expositionen mit Pestiziden nur ein Morbus Parkinson (Michalak et al 1999) aufgeführt worden ist sowie angenommen worden
ist, dass die bekannten Daten zum Problem der Pestizidexposition für die gutachterliche Praxis keine Relevanz hat (Vieregge
2002). Mithin hat der Sachverständige zu Recht dargelegt, dass allenfalls eine gute Möglichkeit, nicht aber die Wahrscheinlichkeit
für einen pestizidbedingten Morbus Parkinson besteht.
Mit überzeugender Argumentation hat sich Prof. Dr. D. dieser Einschätzung angeschlossen. Auch er sieht, dass die Ausführungen
des Prof. Dr. G. deutlich machen, dass einzelne epidemiologische Studien zwar von wissenschaftlichem Interesse sind, gesicherte
wissenschaftliche Erkenntnisse im Sinne der Kausalität hieraus jedoch nicht herausgearbeitet werden können.
Demgegenüber war der gegenteiligen Ansicht des Dr. J. nicht zu folgen. Insoweit hat Prof. Dr. D. zutreffend dargelegt, dass
ein Großteil der von diesem durchgeführten Labor-Untersuchungen nicht geeignet ist, eine Berufskrankheit zu beweisen, und
dieser eine nachvollziehbare Begründung schuldig geblieben ist. Nichts anderes ergibt sich aus dem Gutachten des Prof. Dr.
H ... Soweit dieser Sachverständige neben den bereits von Prof. Dr. G. und Prof. Dr. D. gewürdigten Studien neuere Studien
aufgeführt hat, haben auch diese lediglich den bereits beschriebenen statistischen Zusammenhang ergeben (Kamel und Hoppin
2004, Li et al 2005) beziehungsweise einen ursächlichen Zusammenhang nur für möglich gehalten (Brown et al 2005).
Ebenfalls brauchte der Senat nicht der zunächst von Prof. Dr. Dipl.-Chem. T. und später von Prof. Dr. G. aufgeworfenen Frage,
ob der Morbus Parkinson auf eine Sauerstoffmangelversorgung des Gehirns nach Herzstillstand mit Multiorganversagen zurückzuführen
sein könnte, nachzugehen. Diese - wohl aufgrund dessen, dass sich eine solche aus den ärztlichen Unterlagen nicht feststellen
lässt (denn insoweit ist im Befundbericht des Klinikums S. in T. vom 01.09.1995 zwar ausgeführt worden, die mnestischen Störungen
seien am ehesten auf im Rahmen der Operation aufgetretene cerebrale Ischämien zurückzuführen, aber eben auch dargelegt worden,
computertomographisch habe sich kein eindeutiges umschriebenes Insultareal nachweisen lassen), zu verneinende - Frage stellt
sich nicht, da bereits die für die Feststellung eines Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit erforderlichen Erkenntnisse
der medizinischen Wissenschaft nicht vorliegen und darüber hinaus beim Kläger eine berufliche Verursachung des Morbus Parkinson
nicht hinreichend wahrscheinlich ist, es also auf im Rahmen der Wesentlichkeitstheorie zu prüfende außerberufliche Konkurrenzursachen
nicht ankommt.
Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung eines Morbus Parkinson als Wie-Berufskrankheit. Seine Berufung
war daher zurückzuweisen.