Gründe:
I. Streitig ist die Versagung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg
II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 01.05.2008 mangels Mitwirkung.
Die von ihrem Ehemann getrennt lebende Antragstellerin (Ast) bezog zum 01.04.2006 zwei Zimmer im Zweifamilienhaus des Herrn
W. (W.). Belege über Mietzahlungen, die entgegen den Regelungen im Mietvertrag bar geleistet worden sein sollen, konnte die
Ast nicht vorlegen. Wegen einer Sprunggelenksverletzung bezog die Ast anstelle ihres Schlafzimmers im 1.Stock des Hauses,
wo sie und die Mutter des W. wohnten - ein Schlafzimmer im Erdgeschoß, ihr Wohnzimmer blieb jedoch weiterhin im 1.Stock. Bad
und Küche benutzten die Ast und W. gemeinsam. Das Badezimmer ist aufgrund der Verletzungen der Ast zum Teil umgebaut worden.
Für die Zeit ab 01.06.2006 bewilligte die Antragsgegnerin (Ag) Alg II an die Ast. Nach Hausbesuchen forderte die Ag die Ast
mit Schreiben vom 25.04.2008 auf, Angaben zum Einkommen und Vermögen des W. zu machen und entsprechende Unterlagen vorzulegen.
Die Ast weigerte sich. Daraufhin lehnte die Ag mit Bescheid vom 13.05.2008 und nach Widerspruch und erfolgloser Aufforderung
an W., entsprechende Angaben zu seinem Einkommen und Vermögen zu machen, mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2008 die Weiterbewilligung
der Leistungen ab. Es sei von einer Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus der Ast und W., auszugehen. Mangels Nachweises über
die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des W. sei die Hilfebedürftigkeit nicht prüfbar gewesen. Dagegen hat die Ast Klage
zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben.
Bereits am 07.05.2008 hat die Ast beim SG Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend gestellt, die Ag zu verpflichten, den Fortzahlungsantrag zu bearbeiten
und ihr weiterhin Leistungen zu bewilligen. Zusätzlich hat die Ast am 24.06.2008 einen Überprüfungsantrag bzgl. des Bescheides
vom 13.05.2008 gestellt, nachdem der fristgemäß hiergegen eingelegte Widerspruch dem SG von der Ag nicht bekannt gegeben worden war. Die Ast hat eine Stellungnahme des W. dazu vorgelegt, dass dieser nicht gewillt
sei, sie zu unterstützen. Das Mietverhältnis sei mit Schreiben vom 02.07.2008 zum 30.09.2008 gekündigt worden.
Die Ag hat eine Notiz darüber vorgelegt, dass die Ast und W. abends in einer Gaststätte mehrmals in sehr vertrauter Pose gesehen
worden seien.
Mit Beschluss vom 07.08.2008 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden.
Vom Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft sei auszugehen, nachdem die Ast und W. bereits seit mehr als einem Jahr zusammenlebten
und eine Trennung der Wohnbereiche nicht stattfinde. Insbesondere befinde sich das Wohnzimmer trotz der Verletzung der Ast
weiterhin im Obergeschoß, während das Schlafzimmer in das Erdgeschoß innerhalb des Wohnbereiches des W. verlegt worden sei.
Sogar das Badezimmer sei zum Teil wegen der Verletzung der Ast umgebaut worden. Hierin zeige sich ein wechselseitiger Wille,
Verantwortung und Fürsorge füreinander zu übernehmen. Aus der Tatsache, dass nur das Schlafzimmer der Ast ins Erdgeschoß verlegt
worden sei, sei auf eine Vermischung der Wohnbereiche zu schließen, wobei der Mietvertrag nicht entsprechend geändert worden
sei. Aus dem Inhalt der von der Ast vorgezeigten Kleiderschränke (nur Übergangsjacken) lasse sich schließen, dass die übrige
Kleidung der Ast in anderen, hier nach dem Mietvertrag nicht überlassenen Räumen aufbewahrt werde. Auch das Verhalten in der
Öffentlichkeit spreche gegen ein bloßes Mieter-Ver-mieter-Verhältnis. Ein gesteigertes Vertrauensverhältnis ergebe sich insbesondere
daraus, dass die Ast die Miete bar und ohne entsprechende Quittung bezahle. Sie habe hingegen keine Hinweistatsachen substantiiert
darlegen können, die die gesetzliche Vermutung entkräften könnten. Bloße Erklärungen und Versicherungen der Beteiligten genügten
hierzu nicht, insbesondere wenn den Beteiligten im Laufe des Verfahrens immer mehr deutlich werde, welche Indizien entscheidende
Bedeutung erlangten. Die Ag habe deshalb die Ast zur Mitwirkung auffordern dürfen und mangels Mitwirkung zu Recht die Leistung
versagt, wobei eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen sei.
Dagegen hat die Ast Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für
das Beschwerdeverfahren begehrt. Sie sei hilfebedürftig, denn sie erhalte keine Leistungen von W., der ihr nicht zum Unterhalt
verpflichtet sei. Eine Haushaltsgemeinschaft bestehe mangels Wirtschaftens aus einem Topf nicht, das SG habe die Aussage des W. nicht gewürdigt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) ist zulässig, aber nur zum Teil begründet. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruches bzgl. der gegen den Bescheid vom
13.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2008 erhobenen Klage ist anzuordnen. Die Ag ist aber nicht
zur vorläufigen Erbringung von Leistungen zu verpflichten. Die Ast hat die Hilfebedürftigkeit im Rahmen der bestehenden Bedarfsgemeinschaft
nicht nachgewiesen.
Die aufschiebende Wirkung der zum SG erhobenen Anfechtungsklage wird nach
§
86b Abs.1 Satz 1 Nr.2
SGG angeordnet. Streitgegenstand ist insoweit allein die Versagung der begehrten Leistungen mangels Mitwirkung gemäß §
66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I). Die zulässige Klageart gegen einen solchen Bescheid ist die reine Anfechtungsklage (vgl. Beschluss des Senates vom 18.04.2007
Az: L 11 B 878/07 AS ER). Die Ast kann hinsichtlich des Versagungsbescheides nicht auf Leistung klagen, sondern lediglich die Aufhebung des
angegriffenen Bescheides begehren. Hat sie damit Erfolg, so muss die Ag anschließend erneut über das Bestehen des Anspruches
entscheiden. Vorläufiger Rechtsschutz kann damit nur im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung gewährt werden (vgl.
§ 39 Nr.1 SGB II).
Die aufschiebende Wirkung ist vorliegend anzuordnen, denn die Versagung der Leistungen ab 01.05.2008 wegen fehlender Mitwirkung
ist offenbar rechtswidrig.
Nach §
86b Abs.1 Nr.2
SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise in Fällen anordnen, in denen der
Widerspruch und die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Vorliegend hat der Widerspruch gegen den Bescheid
vom 13.05.2008 gemäß § 39 Nr.1 SGB II keine aufschiebende Wirkung.
Unter Berücksichtigung des § 39 Nr.1 SGB II ist von einem Regel-Ausnahme-verhältnis zu Gunsten des Suspensiveffektes auszugehen,
da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes
Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten festzustellen ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit
gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9.Aufl., §
86b Rdnr.13a). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt,
wird ausgesetzt, weil dann ein öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist.
Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise
abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung
des Gesetzgebers in § 39 Nr.1 SGB II mitberücksichtigt werden (vgl. zum Ganzen: Keller aaO. Rdnr.12c).
Vorliegend ist der Versagungsbescheid offenbar rechtswidrig. So ist der Versagungsbescheid vom 13.05.2008 ergangen aufgrund
einer Aufforderung der Ast zur Mitwirkung. Diese Aufforderung hätte die Ag jedoch - was sie im Rahmen des Widerspruchsverfahrens
nachgeholt hat - an W. richten müssen. Nur dieser kann über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse entsprechende Auskünfte
erteilen. Des Weiteren dürfte jedoch auch die in den Aufforderungen zur Erteilung von Auskünften enthaltene Rechtsfolgenbelehrung
nicht ausreichend sein.
Nach alledem war die aufschiebende Wirkung des Widerspruches bzw. der Klage gegen den Bescheid vom 13.05.2008 anzuordnen.
Nach §
86b Abs.2 Satz 2
SGG ist die Ag jedoch nicht in einem zweiten Schritt darüber hinaus zu verpflichten, der Ast ab dem Zeitpunkt der Entscheidung
des Beschwerdeverfahrens vorläufig Leistungen zu erbringen. Zwar kann die Ag zur vorläufigen Leistungserbringung aufgrund
des Leistungsantrages der Ast für die Zeit ab 01.05.2008 verpflichtet werden, nachdem der Senat die aufschiebende Wirkung
des Widerspruches bzw. der Klage gegen den Versagungsbescheid angeordnet hat. Es ist damit nämlich eine Entscheidung der Ag
über den Antrag auf Leistungen nicht getroffen, über den Antrag ist vielmehr noch zu entscheiden. Einstweiliger Rechtsschutz
ist insoweit in einem zweiten Schritt nach §
86b Abs.3
SGG vor Klageerhebung zulässig (vgl. hierzu Beschluss des Senates aaO.).
Eine Verpflichtung der Ag zur vorläufigen Leistungserbringung kommt jedoch vorliegend nicht in Betracht.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit §
86b Abs
2 Satz 2
SGG dar.
Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der
Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren
Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom
19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen
eines Anordnungsanspruches - das ist der materiellrechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die
Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§
86b Abs
2 Satz 2 und
4 SGG iVm §
920 Abs
2, §
294 Zivilprozessordnung -
ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG 8.Aufl, §
86b RdNr 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes
sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen
Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich
unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.
Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch
weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der
grundrechtlichen Belange des ASt zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO. und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 -1 BvR 2971/06 -).
In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend
geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das
Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend
geprüft werden (BVerfG vom 12.05.2005 aaO.).
Dies zugrunde gelegt fehlt es am Vorliegen eines Anordnungsanspruches. Gemäß § 7 Abs.3c SGB II hat die Ag zunächst aufgrund
von Indizien das Zusammenleben der Ast mit W. in einem Haushalt nachgewiesen. Die Ast und W. haben keine getrennten Wohnbereiche,
vielmehr befindet sich das Schlafzimmer, das - anders als das Wohnzimmer - wegen der Verletzung der Ast ins Erdgeschoß verlegt
worden war, im Wohnbereich des W., Küche und Bad werden gemeinsam genutzt. Das Badezimmer ist sogar wegen der Verletzung der
Ast zum Teil umgebaut worden. Die Ast und W. haben, wie sich aus ihrem Verhalten in der Öffentlichkeit ergibt, ein sehr vertrautes
Verhältnis. Auch die in den Räumlichkeiten der Ast nicht vorhandenen persönlichen Bekleidungsstücke lassen darauf schließen,
dass weitere Bekleidung (Leibwäsche, Schlafwäsche) sich in Räumlichkeiten befinden, die zum angegebenen Wohnbereich des W.
gehören. Es ist für den Senat nicht nachvollziehbar, dass gerade häufig zu wechselnde Kleidungsstücke bei der Tochter der
Ast in einem anderen Ort aufbewahrt werden. Zudem ist nicht ersichtlich, wovon die Ast seit 01.05.2008 gelebt haben will,
nachdem sie weder Sparkonten noch sonstiges Guthaben angegeben hat.
Die Ast hat den Mitarbeitern der Ag eine weitere Prüfung der Frage des Zusammenlebens in einem Haushalt vor Ort nicht ermöglicht.
Der Ag war es daher nicht möglich, weitere Indizien, die für bzw. gegen ein Zusammenleben in einem Haushalt sprechen, zu finden,
denn diese unterliegen allein dem Einflussbereich der Ast und des W ... Es ist daher davon auszugehen, dass die Ag ihrer Amtsermittlungspflicht
Genüge getan hat und der Beweis des ersten Anscheins für ein Zusammenleben in einem Haushalt spricht. Damit aber greift die
gesetzliche Vermutung des § 7 Abs.3a Nr.1 SGB II ein.
Diese Vermutung zu entkräften, gelingt der Ast nicht. Der Behauptung ihrerseits und des W., nicht zusammenzuleben und nicht
füreinander aufkommen zu wollen, kommt kein besonderer Beweiswert mehr zu. Diese Angaben sind durch keinerlei Fakten belegt,
vielmehr spricht das tatsächliche Verhalten der Ast und des W. eher dafür, dass sie die für eine Bedarfsgemeinschaft sprechenden
Indizien lediglich leugnen und Ermittlungen erschweren wolle.
Aufgrund des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft hat die Ast ihre Hilfebedürftigkeit gemäß § 7 Abs.1 Satz 1 Nr.3 SGB II nachzuweisen.
Dies ist ihr nicht gelungen. Zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des W. darzulegen.
Mangels Vorliegens eines Anordnungsanspruches war daher die Beschwerde insoweit zurückzuweisen, als die Verpflichtung der
Ag zur vorläufigen Leistungserbringung begehrt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Der Ast ist für das Beschwerdeverfahren PKH ohne Ratenzahlung zu bewilligen. Die Beschwerde war zumindest teilweise erfolgreich.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).