LSG Bayern, Urteil vom 15.03.2017 - 19 R 626/16
Rückzahlung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
Eigenständige Rentenansprüche
In Wirklichkeit vorliegende Verhältnisse und deren objektive Änderung
1. Soweit zwischen Leistungsträgern ein Erstattungsanspruch nach den §§ 102 bis 105 SGB X besteht, gilt nach § 107 SGB X der Anspruch gegen den eigentlich zuständigen Leistungsträger als erfüllt, so dass der Versicherte in dieser Höhe auch keinen
Anspruch mehr gegen den eigentlich zuständigen Leistungsträger hat.
2. Der Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X ist dabei nach der Rechtsprechung des BSG auch nicht durch § 89 SGB VI begrenzt, weil es sich bei der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und der Rente wegen voller Erwerbsminderung um zwei
eigenständige Rentenansprüche des Versicherten aus seiner eigenen Versicherung handelt.
3. § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI trifft nach zutreffender Ansicht des BSG nur eine Regelung hinsichtlich der Rentenleistung; sie bezieht sich nur auf den Rentenzahlanspruch und lässt damit den Anspruch
auf Rente dem Grunde nach unberührt.
4. Im Rahmen des § 48 Abs. 1 SGB X kommt es nach Ansicht des BSG bei geklärter Rechtslage weder auf die im auftretenden Bescheid genannten noch auf die damals von der Behörde zugrunde gelegten
Verhältnisse an, noch auf die Kenntnis der Behörde von der Änderung der Verhältnisse, sondern alleine auf die in Wirklichkeit
vorliegenden Verhältnisse und deren objektive Änderung.
Normenkette: SGB X §§ 102 ff.
,
SGB X § 107 ,
,
SGB X § 48 Abs. 1
Vorinstanzen: SG Würzburg 11.08.2015 S 10 R 1082/13
Tenor I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.08.2015 wird zurückgewiesen.
II.
Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III.
Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin verpflichtet ist, die von ihr in der Zeit vom 01.10.2010 bis 28.02.2014
bezogene Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 6.436,78 EUR zurückzuzahlen. Die 1973 geborene Klägerin hat eine
Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau in der Zeit vom 01.09.1992 bis 30.04.1993 absolviert, die Abschlussprüfung jedoch
nicht bestanden. Bereits zuvor hatte die Klägerin in der Zeit von 1990 bis 1992 eine Ausbildung als Bürogehilfin absolviert,
so dass sie nach April 1993 bis 2010 in dieser Tätigkeit durchgehend bei einem Steuerbüro versicherungspflichtig beschäftigt
war. Am 08.04.2009 erlitt die Klägerin einen Schlaganfall, der zu einer linksseitigen Hemiparese und einer zentralen Fazialisparese
links, einer Dysarthrie und Neglect für die linke Seite führte. Aus einer stationären medizinischen Rehabilitation im Medical
Park Bad R. in der Zeit vom 27.04.2009 bis 25.05.2009 wurde sie als arbeitsunfähig, jedoch mit einem Leistungsvermögen von
mehr als sechs Stunden sowohl für die letzte Tätigkeit als Angestellte in einem Steuerbüro als auch den allgemeinen Arbeitsmarkt
entlassen. Am 25.05.2010 beantragte die Klägerin die Gewährung von Erwerbsminderungsrente bei der Beklagten. Diese holte ein
neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. D. ein, die am 30.06.2010 zu dem Ergebnis gelangte, dass die Klägerin gegenwärtig
ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen sowohl für ihre letzte Tätigkeit als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt
habe. Die geminderte Erwerbsfähigkeit bestehe seit 30.06.2010 und könne innerhalb von 1 1/2 Jahren (12/2011) einer Besserung
zugeführt werden. Die Beklagte lehnte daraufhin jedoch zunächst mit Bescheid vom 17.08.2010 eine Rentengewährung mit der Begründung
ab, dass die Klägerin noch in der Lage sei, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu
verrichten. Mit Schreiben vom 10.08.2010 meldete die BIG direkt gesund (Krankenkasse der Klägerin) einen Erstattungsanspruch
nach § 103 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - bei der Beklagten an, da die Klägerin Krankengeld von ihr erhalte. Der Erstattungsanspruch wurde mit Schreiben der Beklagten
ohne Datum mit dem Hinweis abgelehnt, dass keine Rente gewährt werde. Mit Schreiben vom 24.08.2010 wies der Integrationsfachdienst
ifd A-Stadt die Beklagte darauf hin, dass die geplante Wiedereingliederung der Klägerin mit drei Stunden täglich bei ihrem
bisherigen Arbeitgeber noch nicht habe gesteigert werden können. Ein früherer Versuch, die Klägerin mindestens sechs Stunden
täglich in ihrem bisherigen Arbeitsverhältnis wieder einzugliedern, sei nach kurzer Zeit gescheitert gewesen. Es werde derzeit
mit dem Arbeitgeber die Möglichkeit eines Teilzeitarbeitsplatzes geprüft. Die Klägerin sei aber weniger als sechs Stunden
täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes einsatzfähig. Gegen den Bescheid vom 17.08.2010 legte
die Klägerin mit Schreiben vom 24.08.2010 Widerspruch ein mit dem Hinweis, dass die Entscheidung der Beklagten im Widerspruch
zum ärztlichen Gutachten vom 30.06.2010 stehe. Sie habe im Oktober 2009 die Arbeit mit acht Stunden wieder aufgenommen, zunehmend
habe sie aber selbst erkennen müssen, dass sie dieser Belastung körperlich und insbesondere auch nervlich doch nicht gewachsen
sei. Die Beklagte gewährte sodann mit Bescheid von 11.05.2011 der Klägerin auf ihren Antrag vom 25.05.2010 hin Rente wegen
teilweiser Erwerbsminderung. Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe nicht. Die Rente beginne am 01.10.2010
und sei befristet bis zum 31.12.2012. Die Rente betrage laufend monatlich 283,90 EUR. Für die Zeit vom 01.10.2010 bis 30.06.2011
betrage die Nachzahlung 2.532,87 EUR. Diese werde vorläufig nicht ausgezahlt, weil zunächst Ansprüche anderer Stellen zu klären
seien. Die Krankenkasse der Klägerin bezifferte sodann ihren Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X für die Zeit vom 01.10.2010 bis 20.04.2011 auf 1.876,89 EUR, den die Beklagte in dieser Höhe auch befriedigte. Der Restbetrag
von 655,98 EUR wurde an die Klägerin ausbezahlt. Mit Schreiben vom 28.09.2011 teilte die Agentur für Arbeit A-Stadt der Beklagten
mit, dass die Klägerin am 02.09.2011 Arbeitslosengeld beantragt habe. Grundsätzlich bestehe ein Anspruch für 360 Kalendertage.
Die Beklagte möge mitteilen, ob ein Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X geltend gemacht werde. Dies wurde von der Beklagten mit Schreiben ohne Datum verneint. Nachdem die Beklagte sowohl eine stationäre
medizinische Reha-Maßnahme als auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt hatte, übersandte die Klägerin der Beklagten
den Aufhebungsbescheid der Agentur für Arbeit A-Stadt vom 28.02.2012. Der Arbeitslosengeldanspruch werde ab dem 05.03.2012
wegen Übergangsgeldanspruchs während einer Reha-Maßnahme beendet. Am 24.07.2012 beantragte die Klägerin die Weitergewährung
ihrer Erwerbsminderungsrente. Nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte sowie des Entlassungsberichts der Kliniken S., G-Stadt,
über die stationäre medizinische Reha-Maßnahme vom 22.06.2011 bis 03.08.2011, der für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit der
Klägerin ein unter dreistündiges Leistungsvermögen, für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ein drei- bis unter sechsstündiges
Leistungsvermögen feststellte, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 20.08.2012 über den 31.12.2012 hinaus Rente wegen
teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit bis März 2013. Aufgrund der laufenden Wiedereingliederung sei zu erwarten, dass ein über
sechsstündiges Leistungsvermögen erreicht werde. Am 23.10.2012 beantragte die Klägerin die Weitergewährung ihrer Erwerbsminderungsrente
über den 31.03.2013 hinaus. Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen hatte der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit
Schreiben vom 18.12.2012 darum gebeten, einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung zu prüfen, da
bislang durch die Wiedereingliederungsmaßnahme im Berufl. Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft gGmbH (bfz) kein
Erfolg habe erreicht werden können. Die Klägerin habe kaum Praktikumsstellen gefunden oder, wenn sie welche gefunden habe,
seien diese zu schwer oder zu stressig gewesen. Sie sei sehr schnell überfordert gewesen. Nach Vorlage des Entlassungsberichts
des bfz vom 22.01.2013 über den Zeitraum der beruflichen Eingliederung der Klägerin vom 05.03.2012 - 04.01.2013, wonach die
Klägerin wegen ihrer psychischen Belastungen und der erlittenen Einschränkungen der Feinmotorik und daraus folgend Einschränkungen
bei der Schreibfähigkeit nur noch in der Lage sei, in Teilzeit zu arbeiten und gegenwärtig eine Eingliederung der Klägerin
auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht möglich sei, stellte der Prüfarzt Dr. K. am 28.01.2013 ein unter dreistündiges Leistungsvermögen
für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit und ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes fest. Die Integrationsversuche seien an der Angst der Klägerin gescheitert, weniger an der Restfunktionsstörung
der Hand. Mit Schreiben vom 13.02.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass aufgrund der ärztlichen Unterlagen nunmehr
von einem unter dreistündigen Leistungsvermögen für ihre letzte Tätigkeit, jedoch von einem mindestens drei- bis unter sechsstündigen
Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgegangen werde. Es müsse die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes
geprüft werden. Auf Nachfrage der Beklagten bei der Agentur für Arbeit A-Stadt teilte diese mit Schreiben vom 26.03.2013 mit,
dass die Klägerin erneut seit 05.01.2013 Arbeitslosengeld beziehe. Der Anspruch erstrecke sich voraussichtlich bis einschließlich
30.06.2013. Mit Schreiben vom 05.04.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie nach den medizinischen Beurteilungen
jetzt seit dem 29.08.2010 voll erwerbsgemindert sei. Sie besitze nur noch ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen
für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. In ihrem Fall ergebe sich ab dem 01.03.2011 ein Anspruch auf Rente wegen voller
Erwerbsminderung, der bis zum 28.02.2014 zu befristen sei. Sofern sie die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung
wünsche, werde gebeten, die Antragsunterlagen auszufüllen und zurückzusenden. Mit einem Bescheid vom 26.04.2013 stellte die
Beklagte fest, dass die teilweise Erwerbsminderungsrente ab dem 01.05.2013 nicht zu zahlen sei, da die Klägerin infolge des
Bezuges von Arbeitslosengeld anrechenbares Einkommen erziele. Nach Hinweis der Klägerin, dass die Beklagte das falsche Bemessungsentgelt
zugrunde gelegt habe, hat die Beklagte schließlich mit Bescheid vom 29.05.2013 die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
für die Zeit ab dem 01.07.2013 wieder laufend in Höhe von monatlich 290,50 EUR bewilligt. Für die Zeit vom 01.01.2013 - 30.06.2013
wurde eine Nachzahlung in Höhe von 579,56 EUR ausgewiesen. Am 14.05.2013 hatte die Klägerin sodann den Formblattantrag für
die volle Erwerbsminderungsrente an die Beklagte übersandt. Mit Bescheid vom 05.06.2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin
daraufhin Rente wegen voller Erwerbsminderung rückwirkend zum 01.10.2010, befristet bis 28.02.2014, in Höhe von monatlich
laufend 581,00 EUR ab dem 01.08.2013. Für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.07.2013 bestehe ein Nachzahlungsanspruch in Höhe
von 12.873,56 EUR, der vorläufig nicht ausgezahlt werde. In Anlage 10 des Bescheides wurde ausgeführt, dass der Bescheid vom
11.05.2011 über die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hinsichtlich des Zahlungsanspruches für die Zeit vom 01.10.2010
bis 21.06.2011, vom 04.08.2011 bis 04.03.2012 und für die Zeit vom 05.01.2013 bis 28.02.2014 nach § 48 SGB X aufgehoben werde. Für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.07.2013 ergebe sich eine Überzahlung von 6.436,78 EUR. Dieser Betrag
sei nach § 50 SGB X zu erstatten. In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 11.05.2011 vorgelegen hätten, sei eine
wesentliche Änderung eingetreten. § 89 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB VI) ordne an, dass nur die höhere Rente zu gewähren sei. Der Zahlungsanspruch auf die bisherige Rente sei daher für die Zeit,
für die Anspruch auf die mit diesem Bescheid bewilligte Rente bestünde, entfallen.
Mit Schreiben vom 11.06.2013 teilte die Krankenkasse der Klägerin der Beklagten mit, dass sie weitere Leistungen in Höhe von
insgesamt 5.428,82 EUR erbracht habe, von denen bereits 1.876,89 EUR abgerechnet seien. Der Forderungsbetrag belaufe sich
für die Zeit vom 01.10.2010 bis 01.09.2011 noch auf 3.551,93 EUR.
Mit Schreiben vom 20.06.2013 hat die Agentur für Arbeit Würzburg einen Erstattungsanspruch wegen gewährten Arbeitslosengeldes
für die Zeit vom 02.09.2011 bis 30.06.2013 in Höhe von 4.845,60 EUR angemeldet.
Mit Schreiben vom 28.06.2013 übersandte die Beklagte der Klägerin ein "Abrechnungsschreiben". Daraus ergibt sich folgende
Saldierung: einbehaltene Rentennachzahlung für die Zeit vom 01.10.2010 - 31.07.2013 12.873,56 EUR - Erstattungsanspruch Krankenkasse
für die Zeit 01.10.2010 - 01.09.2011 3.551,93 EUR - Erstattungsanspruch Agentur für Arbeit für die Zeit vom 02.09.11 - 30.06.13
4.845,60 EUR damit Minderung des Nachzahlbetrages auf 4.476,03 EUR.
Der überzahlte Betrag in Höhe von 6.436,78 EUR sei mit dem Nachzahlbetrag verrechnet worden. Man gehe davon aus, dass dies
im Interesse der Klägerin liege. Die restliche Überzahlung belaufe sich auf 1.960,75 EUR, die die Klägerin zurückzuzahlen
habe. Gegen den Bescheid vom 05.06.2013 und das Abrechnungsschreiben vom 28.06.2013 legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin
mit Schreiben vom 05.07.2013 Widerspruch ein, der mit Schreiben vom 22.07.2013 dahingehend begründet wurde, dass eine wesentliche
Änderung der Verhältnisse, wie in § 48 Abs. 1 SGB X gefordert, nicht eingetreten sei. Denknotwendig habe jeder, der einen Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente habe,
auch einen Anspruch auf eine teilweise Erwerbsminderungsrente. Diese komme nur wegen § 89 Abs. 1 SGB VI nicht zur Auszahlung, weil der Anspruch auf Zahlung einer vollen Erwerbsminderungsrente in der Rangfolge höher stehe. Der
Anspruch auf volle Erwerbsminderungsrente habe von Anfang an bestanden, so dass der ursprüngliche Eintritt der teilweisen
Erwerbsminderungsrente und der ursprüngliche Rentenbeginn maßgeblich blieben. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass durchgängig
ein Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bestanden habe und mithin eine Aufhebung des entsprechenden
Ursprungsbescheides nach § 48 SGB X rechtlich nicht zulässig sei. Mit Antrag vom 25.09.2013 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der vollen Erwerbsminderungsrente
über den 28.02.2014 hinaus, dem mit Bescheid vom 17.10.2013 bis März 2015 stattgegeben wurde. Mit Widerspruchsbescheid ohne
Datum, jedoch laut Stempelvermerk abgesandt am 06.11.2013, wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.06.2013
in Verbindung mit dem Bescheid vom 28.06.2013 als unbegründet zurück. Eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X sei mit Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung zum 01.10.2010 eingetreten. Die rückwirkende Gewährung einer
vollen Erwerbsminderungsrente sei Zufluss von Einkommen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 27.11.2013 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben, im Wesentlichen unter Wiederholung seines Vorbringens im Widerspruchsverfahren. Das SG hat sodann durch Urteil vom 11.08.2015 den Bescheid vom 05.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2013 insoweit
aufgehoben, soweit hiermit der Bescheid vom 11.05.2011 hinsichtlich des Zahlungsanspruchs aus der dort bewilligten Rente wegen
teilweiser Erwerbsminderung für die Zeiträume vom 01.10.2010 bis zum 21.06.2011, vom 04.08.2011 bis zum 04.03.2012 und vom
05.01.2013 bis zum 30.06.2013 aufgehoben und die Erstattung von Leistungen für den Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 31.07.2013
verlangt worden ist. Die nachträgliche Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung führe zu einer wesentlichen Änderung
im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, nachdem aufgrund der Regelung des § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI für den Fall, dass für denselben Zeitraum Ansprüche auf mehrere Renten aus eigener Versicherung bestünden, nur die höchste
Rente geleistet werde. Dies bedeute, dass neben der hinzukommenden Rente wegen voller Erwerbsminderung die schon bislang bewilligte
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zum Ruhen komme. Dies bedeute jedoch nicht, dass die von der Beklagten vorgenommene
Aufhebung für die Vergangenheit rechtmäßig gewesen wäre. Die Klägerin habe entgegen der Ansicht der Beklagten gerade kein
Einkommen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erzielt. Richtig sei zwar, dass die nachträglich bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung in Bezug auf die Rente wegen
teilweiser Erwerbsminderung Einkommen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X darstelle (unter Bezugnahme auf ein Urteil des BSG vom 07.09.2010, Az. B 5 KN 4/08 R, Rn. 33). Allerdings sei zu beachten, dass nach dem Wortlaut des § 48 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB X ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse nur aufgehoben werden könne, "soweit" Einkommen
erzielt worden sei. Dies bedeute, dass auf dieser Rechtsgrundlage vom Versicherten nicht mehr zurückgefordert werden könne
als dasjenige, was ihm als Einkommen zugeflossen sei. Das Aufhebungsrecht sei der Höhe nach auf die nachträglich bewilligte
niedrigere Sozialleistung beschränkt, wobei sich zwingend auch eine Begrenzung des entsprechenden Erstattungsanspruchs nach
§ 50 Abs. 1 SGB X ergebe. Dies erscheine auch sachgerecht, da im Fall des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X dem Versicherten wegen seines Verhaltens kein Vorwurf gemacht werden könne. Eine Aufhebung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
für den streitgegenständlichen Zeitraum sei unzulässig, weil der Klägerin schon gar keine Leistungen aus der Rente wegen voller
Erwerbsminderung für die streitgegenständlichen Zeiträume ausbezahlt worden seien. Hiergegen hat die Beklagte am 25.08.2015
Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt, die zunächst unter dem Az. L 19 R 653/15 geführt wurde. Mit Schriftsatz vom 31.08.2015 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Vorgehensweise der Beklagten
auf dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07.09.2010 beruhe. Es läge bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen vor, in denen die Vorgehensweise der
Beklagten bestätigt worden sei. Insbesondere werde auf ein Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 21.05.2015 (Az. L 14 R 97/14) verwiesen. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass das SG die Bedeutung des § 107 SGB X nicht beachtet habe. Mit Beschluss des Senats vom 05.02.2016 wurde auf Antrag der Beteiligten wegen eines anhängigen Revisionsverfahrens
beim BSG unter dem Az. B 5 R 26/15 R und eines weiteren beim dortigen 13. Senat anhängigen Revisionsverfahrens (Az. B 13 R 33/15 R) das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Aufgrund des Antrags des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 01.09.2016 wurde
das Verfahren unter dem Az. L 19 R 626/16 fortgeführt. Mit Schriftsatz vom 13.10.2016 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass das BSG in dem Urteil vom 07.04.2016 in der Sache B 5 R 26/15 R die Rücknahme auf § 45 SGB X gestützt habe. Würde man diesen Ansatz auf den vorliegenden Fall übertragen, hätte dies zur Folge, dass sich der Aufhebungsbescheid
bereits mangels Ermessensausübung als rechtswidrig erweisen würde. Allerdings sei zu der hier in Rede stehenden Thematik am
BSG das Verfahren B 13 R 33/15 R noch anhängig. Auf Nachfrage des Senats hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aber ein weiteres Ruhen des Verfahrens
abgelehnt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 22.11.2016 darauf hingewiesen, dass der Verfahrensgang des Verfahrens B 13 R 33/15 R abgewartet werden solle. Eventuell käme auch die Anwendung des § 44 SGB X im vorliegenden Fall in Betracht. Mit Schreiben vom 01.12.2016 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hierzu ausgeführt,
dass der Verweis der Beklagten auf § 44 SGB X nicht nachvollziehbar sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.08.2015 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 05.06.2013 in der Fassung
des Bescheids vom 28.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2013 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.08.2015 zurückzuweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster
und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.07.2013
an die Klägerin gezahlten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe der noch offenen Forderung von 1.960,75 EUR. Das
SG hat im Ergebnis zu Recht einen Erstattungsanspruch der Beklagten abgelehnt. Eine Rechtsgrundlage für eine rückwirkende Aufhebung
des Rentenbescheides vom 11.05.2011 ist insoweit nicht ersichtlich. Die Klägerin hatte im April 2009 einen Schlaganfall mit
bleibenden gesundheitlichen Schäden erlitten. Aufgrund ihres Antrags vom 25.05.2010 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 11.05.2011
der Klägerin ab dem 01.10.2010 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 283,90 EUR monatlich zuerkannt, zeitlich
zunächst befristet bis 31.12.2012, verlängert mit Bescheid vom 20.08.2012 bis März 2013. Zeitweise bezog die Klägerin aufgrund
ihres bestehenden Restleistungsvermögens parallel dazu Krankengeld und Arbeitslosengeld. Der zeitliche Umfang und die Höhe
der bezogenen Leistungen sind zwischen den Beteiligten unstreitig. Von der Krankenkasse der Klägerin und von der zuständigen
Agentur für Arbeit A-Stadt wurden jeweils Erstattungsansprüche nach § 103 SGB X gegenüber der Beklagten angemeldet und geltend gemacht. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 05.06.2013 wurde der
Klägerin rückwirkend eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.10.2010 zuerkannt, wobei sich das gesundheitliche
Leistungsvermögen der Klägerin nicht verändert hatte, sondern weil die Beklagte nach Vorliegen des Entlassungsberichts des
bfz über die berufliche Wiedereingliederung der Klägerin von einem dauerhaft unter 6stündigen Leistungsvermögen ausging und
anschließend erstmals die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes im Hinblick auf eine arbeitsmarktbezogene volle Erwerbsminderungsrente
geprüft hat. Die Beklagte hat damit den gleichen Zeitpunkt als Leistungsfall angenommen, ab dem der Klägerin bereits Rente
wegen teilweiser Erwerbsminderung zuerkannt worden war. Die Beklagte hat in diesem Bescheid vom 05.06.2013 einen Nachzahlungsanspruch
der Klägerin wegen des Anspruchs auf volle Erwerbsminderungsrente ab dem 01.10.2010 in Höhe von 12.873,56 EUR festgestellt,
der nicht an die Klägerin zur Auszahlung gelangte, weil die geltend gemachten Erstattungsansprüche der anderen Sozialleistungsträger
zu bedienen waren. Nach Abzug dieser Erstattungsansprüche verblieb ein Nachzahlungsanspruch der Klägerin aus der vollen Erwerbsminderungsrente
in Höhe von 4.476,03 EUR. Die Klägerin hatte aber vom 01.10.2010 bis 31.07.2013 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in
Höhe von insgesamt 6.436,78 EUR erhalten, so dass insgesamt eine Überzahlung zugunsten der Klägerin in Höhe von 1.960,75 EUR
festgestellt wurde. Die Beklagte kann diesen Betrag jedoch von der Klägerin nicht zurückverlangen, weil insoweit keine Anspruchsgrundlage
besteht. Die Beklagte hat zunächst zu Recht entsprechend dem Urteil des BSG vom 07.09.2010 (B 5 KN 4/08 R, veröffentlicht bei [...]) die geltend gemachten Erstattungsansprüche der Krankenkasse der Klägerin und der Agentur für Arbeit
A-Stadt von dem Nachzahlungsbetrag in voller Höhe in Abzug gebracht. Aus dem sog. Abrechnungsschreiben vom 28.06.2013 ergibt
sich ein Betrag von 3.551,93 EUR, der an die Krankenkasse abgeführt wurde, und ein Betrag von 4.845,60 EUR für die Agentur
für Arbeit A-Stadt. Das BSG hat in dem Urteil vom 07.09.2010 zutreffend ausgeführt, dass ein Erstattungsanspruch eines anderen Trägers bei nachträglicher
Zuerkennung einer anderen - höheren - Rente aus der eigenen Versicherung des Versicherten nicht auf den Differenzbetrag der
beiden Renten beschränkt ist, sondern dieser Erstattungsanspruch der Höhe nach durch die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X determiniert ist. Soweit zwischen den Leistungsträgern ein Erstattungsanspruch nach den §§ 102 bis 105 SGB X besteht, gilt nach § 107 SGB X der Anspruch gegen den eigentlich zuständigen Leistungsträger als erfüllt, so dass der Versicherte in dieser Höhe auch keinen
Anspruch mehr gegen den eigentlich zuständigen Leistungsträger hat. Mit der rückwirkenden Zuerkennung der vollen Erwerbsminderungsrente
ab dem 01.10.2010 durch die Beklagte ist nachträglich die Zuständigkeit der Krankenkasse und der Agentur für Arbeit für die
gewährten Leistungen an die Klägerin entfallen, so dass insoweit jeweils Erstattungsansprüche nach § 103 SGB X bestanden hatten. Insoweit gilt nach § 107 SGB X der Leistungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung als erfüllt und
kann von der Klägerin auch nicht mehr geltend gemacht werden. Gleichzeitig wird durch die Befriedigung der Erstattungsansprüche
der Krankenkasse und der Agentur für Arbeit die eigentliche Leistungszuständigkeit der Beklagten endgültig entsprechend den
gesetzlich verteilten Risikofällen Krankheit, Arbeitslosigkeit und Erwerbsminderung eines Versicherten hergestellt, ohne damit
den Versicherten zu belasten. Der Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X ist dabei nach der Entscheidung des BSG vom 07.09.2010 auch nicht durch § 89 SGB VI begrenzt, weil es sich bei der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und der Rente wegen voller Erwerbsminderung um zwei
eigenständige Rentenansprüche des Versicherten aus seiner eigenen Versicherung handelt. § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI trifft nach zutreffender Ansicht des BSG nur eine Regelung hinsichtlich der Rentenleistung. Sie bezieht sich nur auf den Rentenzahlanspruch und lässt damit den Anspruch
auf Rente dem Grunde nach unberührt (BSG, a.a.O., Rdnr. 27 m.w.N.). Das BSG hat in dieser Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass die dortige Beklagte sich im Hinblick auf die beiden Rentenansprüche
selbst nicht auf § 107 SGB X berufen und insoweit einen Erstattungsanspruch anderer Sozialleistungsträger ins Leere laufen lassen kann. § 107 SGB X gilt nur im Verhältnis unterschiedlicher Leistungsträger zueinander, nicht beim gleichen Leistungsträger, der zwei unterschiedliche
Leistungen zu erbringen hätte. Für eine analoge Anwendung des § 107 SGB X fehlt es bereits an einer Regelungslücke (vgl. BSG a.a.O., Rdnr. 36 ff.). Nach Abzug der Erstattungsansprüche von Krankenkasse und Agentur für Arbeit bestand noch ein Nachzahlungsanspruch
der Klägerin im Hinblick auf die volle Erwerbsminderungsrente in Höhe von 4.476,03 EUR. Die Beklagte hat im streitgegenständlichen
Bescheid vom 05.06.2013, Anlage 10, den Rentenbescheid vom 11.05.2011 für alle Zeiträume aufgehoben, für die die Klägerin
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bezogen hatte. Diese Aufhebung hatte die Beklagte auf § 48 Abs. 1 SGB X gestützt, mit der Begründung, dass im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheids vom 11.05.2011 vorgelegen
hätten, eine wesentliche Änderung eingetreten sei, weil der Klägerin auf der Grundlage des § 89 Abs. 1 SGB VI nur der Zahlbetrag der vollen Erwerbsminderungsrente zugestanden habe, nicht der Zahlbetrag der teilweisen Erwerbsminderungsrente.
Mit der rückwirkenden Zuerkennung der vollen Erwerbsminderungsrente hätte die Klägerin Einkommen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erzielt. Die rückwirkende Aufhebung des Bescheids vom 11.05.2011 kann aber nach Ansicht des Senats nicht auf § 48 SGB X gestützt werden. Gemäß § 48 Abs. 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - hier der Bescheid vom 11.05.2011 über die Gewährung einer Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung ab dem 01.10.2010 - mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissen, die bei Erlass dieses Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist
eine Änderung in diesem Sinn, wenn der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen
so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG, Urteil vom 19.02.1986, Az. B 7 RAr 55/84, SozR 1300 § 48 Nr. 22). Die Änderung muss sich nach dem zu Grunde liegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des
Verwaltungsaktes auswirken und dabei so erheblich sein, dass sie rechtlich einer anderen Bewertung zugeführt werden müsste
(Schütze, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rdnr. 12 m.w.N.). Im vorliegenden Fall tritt im Hinblick auf den Zahlungsanspruch der Klägerin eine wesentliche Änderung
im Sinne des § 48 SGB X mit Aufnahme der laufenden Zahlung der vollen Erwerbsminderungsrente ab dem 01.08.2013 ein, weil dies eine Änderung zugunsten
der Klägerin darstellt und nach § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bei Anspruch auf mehrere Renten nur die höchste geleistet wird.
Für eine rückwirkende Aufhebung mit Wirkung zum 01.10.2010 fehlt es jedoch an einer wesentlichen Änderung im Sinne des § 48 SGB X, weil sich der Gesundheitszustand der Klägerin, der zur Zuerkennung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.10.2010
geführt hatte, bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 05.06.2013 nicht verändert hatte. Die Klägerin hatte
aufgrund ihres Gesundheitszustandes mit einer Leistungsfähigkeit von 3 bis unter 6 Stunden ab dem 01.10.2010 einen Anspruch
auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und auch ab dem 01.10.2010 wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes
- so das Ergebnis der Prüfung der Beklagten - einen Anspruch auf eine (arbeitsmarktbezogene) Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Das BSG hat in dem Urteil vom 07.04.2016 (B 5 R 26/15 R, veröffentlicht bei [...]) zutreffend darauf hingewiesen, dass die Rentenansprüche dem Grunde nach bereits kraft Gesetzes
entstehen, wenn die Voraussetzungen für die Erwerbsminderungsrente objektiv gegeben sind und nicht erst im Zeitpunkt der bescheidmäßigen
Zuerkennung der vollen Erwerbsminderungsrente durch die Beklagte, so dass in dem Erlass des Bescheids vom 05.06.2013 gerade
keine wesentliche Änderung im Hinblick auf den Rentenanspruch als solchen zu sehen ist. Im Rahmen des § 48 Abs. 1 SGB X kommt es nach Ansicht des BSG bei geklärter Rechtslage weder auf die im auftretenden Bescheid genannten noch auf die damals von der Behörde zugrunde gelegten
Verhältnisse an, noch auf die Kenntnis der Behörde von der Änderung der Verhältnisse, sondern alleine auf die in Wirklichkeit
vorliegenden Verhältnisse und deren objektive Änderung. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der von der Änderung der Verhältnisse spreche, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen hätten. Keinesfalls könne
die Behörde durch Verwaltungshandeln selbst bestimmen, ob ein bestandskräftiger Verwaltungsakt unter erschwerten Bedingungen
(§ 45 SGB X) oder unter erleichterten Bedingungen (§ 48 SGB X) beseitigt werden dürfe (BSG a.a.O., Rdnr. 31 und 32). Die Aufhebung des Bescheids vom 11.05.2011 kann auch nicht auf § 45 SGB X gestützt werden, weil dieser Bescheid im Hinblick auf den Anspruchsgrund nicht bei Erlass rechtswidrig gewesen ist. Der Prozessbevollmächtigte
der Klägerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin dem Grunde nach ab dem 01.10.2010 sowohl einen Anspruch
auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung als auch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (aus arbeitsmarktbezogenen Gründen)
gehabt hat, wobei die Regelung des § 89 Abs. 1 SGB VI hinsichtlich der Auszahlung der jeweiligen Renten in Frage steht. Für eine rückwirkende Aufhebung müssten außerdem die Voraussetzungen
des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X erfüllt sein, wofür sich vorliegend keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Zum anderen - und darauf hat die Beklagte mit Schreiben
vom 13.10.2016 schon selbst hingewiesen - würde die Anwendung des § 45 SGB X eine Ermessensentscheidung verlangen, die vorliegend nicht gegeben ist, so dass auch nach § 43 SGB X eine Umdeutung der Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X in eine solche nach § 45 SGB X nicht möglich wäre. Eine Anwendung des § 44 SGB X ist schon denknotwendig ausgeschlossen, weil es sich bei dem Bescheid vom 11.05.2011 nicht um einen nicht begünstigenden
Verwaltungsakt gehandelt hat, vielmehr sind aufgrund dieses Bescheids Leistungen an die Klägerin erbracht worden.
Hinsichtlich der Zahlungsansprüche der Klägerin aus den beiden ihr dem Grunde nach zustehenden Rentenansprüchen ab dem 01.10.2010
ist jedoch der Rechtsgedanke des § 89 Abs. 1 SGB VI umzusetzen, insoweit, als die Klägerin sich den Zahlbetrag der bereits in der Vergangenheit erhaltenen teilweisen Erwerbsminderungsrente
soweit anrechnen lassen muss, soweit nach Abzug der geltend gemachten Erstattungsansprüche anderer Sozialleistungsträger -
hier also der Krankenkasse der Klägerin und der Agentur für Arbeit A-Stadt - noch ein Nachzahlungsbetrag aus der vollen Erwerbsminderungsrente
verbleibt, aber auch nur in dieser Höhe. Die Klägerin hat gegen die Beklagte nur in der Höhe einen Nachzahlungsanspruch aus
dem Stammrecht der vollen Erwerbsminderungsrente, in der dieser nach Abzug der Erstattungsansprüche anderer Träger noch vorhanden
ist. Wegen des Rechtsgedankens des § 89 Abs. 1 SGB VI, dass nicht beide Rentenzahlbeträge nebeneinander zustehen können, muss sich die Klägerin die bereits erhaltenen Zahlbeträge
aus dem Stammrecht der teilweisen Erwerbsminderungsrente in dieser Höhe anrechnen lassen.
Soweit die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 05.06.2013 in der Fassung des Bescheids vom 28.06.2013 einen
weiteren Betrag von 1.960,75 EUR von der Klägerin erstattet verlangt, kann hierfür eine Rechtsgrundlage nicht gesehen werden.
Selbst wenn allein im Hinblick auf den Zahlungsanspruch § 45 SGB X in Betracht gezogen würde, wäre zu beachten, dass die Klägerin hinsichtlich der Auszahlung der teilweisen Erwerbsminderungsrente
in der Vergangenheit Vertrauensschutz im Sinne des § 45 Abs. 2 S 2 SGB VI genießen würde. Sie hat die Leistungen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes verbraucht und hatte keine Anhaltspunkte dafür,
dass ihr die ausgezahlten Beträge nicht zustehen könnten, weil sie sogar Anspruch auf eine höhere Rente gehabt hätte. Anhaltspunkte
für eine Bösgläubigkeit der Klägerin sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Zu einem vergleichbaren Ergebnis ist das SG gelangt, indem es von einer Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB VI dem Grunde nach ausgegangen war, den Zufluss von Einkommen aber auf den noch verbliebenen Nachzahlungsbetrag nach Abzug der
geltend gemachten Erstattungsansprüche beschränkt hat.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Würzburg vom 11.08.2015 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die Frage der Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 44 bis 48 SGB X bei rückwirkender, zeitgleicher Zuerkennung einer weiteren Rente und die Umsetzung des Rechtsgedankens des § 89 Abs. 1 SGB VI bei zeitgleichen Erstattungsansprüchen anderer Sozialleistungsträger ist höchstrichterlich noch nicht vollumfassend geklärt.
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