Anspruch auf Sozialhilfe, Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten für die Vergangenheit im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
Gründe:
I. Im vorliegenden Eilverfahren geht es um die Frage, ob die Antragsgegnerin (Ag.) im Wege der einstweiligen Anordnung zu
verpflichten ist, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft der Antragstellerin (Ast.) für die Zeit ab 01.04.2009 zu übernehmen.
Die 1949 geborene Ast. bezieht Rentenleistungen und seit Anfang 2008 ergänzend hierzu Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB
XII. Sie bewohnt alleine eine 72 qm große 3-Zimmer-Wohnung in A-Stadt (monatliche Kaltmiete 600,00 Euro, Nebenkosten 161,67
Euro). Der Ag. teilte der Ast. nach Erstantragstellung bereits am 15.01.2008 mit, dass die Wohnung unangemessen sei, bewilligte
aber die tatsächlichen Unterkunftskosten als Bedarf zunächst bis zum 30.09.2008 und dann - nach einem Erörterungstermin (ET)
beim SG am 23.10.2008 - nochmals bis zum 31.03.2009 (Bescheid vom 24.11.2008). Mit Bescheid vom 9.04.2009 bewilligte der Ag. der
Ast. für die Zeit vom 01.04.2009 bis 31.03.2010 Grundsicherungsleistungen im Alter in Höhe von monatlich 79,33 EUR, wobei
als Unterkunftskosten nunmehr eine Kaltmiete von 450,00 EUR anerkannt wurde (anerkannter Unterkunftsbedarf insgesamt 618,89
EUR). Gegen den Bescheid vom 09.04.2009 erhob die Ast. mit Schreiben vom 20.04.2009 Widerspruch, über den der Ag. bzw. die
zuständige Widerspruchsbehörde noch nicht entschieden hat (fernmündliche Auskunft der Regierung von Oberbayern vom 08.09.2009).
Am 28.05.2009 stellte die Ast. beim SG einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, gerichtet auf die Übernahme der tatsächlichen Mietkosten. Die erforderlichen
Nachweise betreffend eine intensive und ernsthafte Suche nach einer angemessenen Wohnung seien dem Ag. mit Schreiben vom 19.11.2008
vorgelegt worden. Der Ag. habe auf die Nachfrage, ob es weiterer Nachweise bedürfe, nicht reagiert.
Das SG hat den Eilantrag abgelehnt und ausgeführt, weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund lägen vor. Unter Zugrundelegung
der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes betrage im vorliegenden Fall die angemessene Kaltmiete für eine bis zu 50 qm
große Wohnung für einen Einpersonenhaushalt 450,00 EUR. Die Wohnung, in der die Ast. lebe, sei sowohl hinsichtlich der Größe
(72 qm) als auch hinsichtlich der Kaltmiete (591, 67 Euro) unangemessen. Die von der Ag. zugrunde gelegten Grundsätze der
Ermittlung der abstrakten Angemessenheitsgrenze seien dem Gericht aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt. Auf Grund der
Besonderheiten dieses Einzelfalles habe der Ag. im ET vom 23.10.2008 eine Kaltmietobergrenze von 450,00 EUR anerkannt und
auch eingeräumt, dass die Ast. in A-Stadt verbleiben sollte. Die Mietobergrenze für die LH B-Stadt für einen Einpersonenhaushalt
liege aktuell bei 449,21 EUR. Es sei davon auszugehen, dass die Mieten im Landkreis B-Stadt günstiger seien als im Stadtgebiet.
Nach summarischer Prüfung sei die Mietobergrenze des Ag. nicht zu beanstanden. Der Ag. habe im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
Mietangebote vorgelegt, die belegen, dass tatsächlich auch angemessener Wohnraum in A-Stadt vorhanden sei. Die Ast. müsse,
wie andere einkommensschwache Haushalte auch, bei der Wohnungsgröße gegebenenfalls Abstriche machen. Sie habe seit dem 19.11.2008
keine ernsthaften und intensiven Bemühungen um eine kostenangemessene Wohnung unternommen. Ferner fehle auch ein Anordnungsgrund,
da derzeit keine Gefährdung des Mietverhältnisses drohe. Der Ast. drohe kein Verlust der Unterkunft in A-Stadt. Es seien bislang
keine Mietrückstände eingetreten, die auch zum Ausspruch einer Kündigung führen könnten.
Ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache sei daher zumutbar.
Dagegen hat die Ast. Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Die Ast. habe die nicht von dem Ag. übernommenen
Unterkunftskosten aus dem Regelsatz bestritten und so eine Kündigung und Abmahnung vermieden. Die Ast habe sich auch um angemessenen
Ersatzwohnraum bemüht und dies auch nachgewiesen. Die schwerbehinderte Ast. benötige eine Wohnung, in der sie sich mit ihrem
Rollator bewegen und in der sie ihren Hund behalten könne.
Die Ast. beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 1. Juli 2009 aufzuheben und den Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
der Ast. ab 28.05.2009 weitere Grundsicherungsleistungen im Alter unter Anerkennung der tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten
zu gewähren.
Der Ag. beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Es liege kein Anordnungsanspruch vor, weil die Kosten der Unterkunft zu Recht ab 01.04.2009 nur noch in Höhe der angemessenen
Kaltmiete von 450,00 EUR plus Neben- und Heizkosten anerkannt würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen
Akten des Ag. und der Regierung von Oberbayern Bezug genommen.
II. Die gemäß §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt. Die Ast. hat weder einen aus Artikel
19 Abs.4
Grundgesetz -
GG - noch aus §
86b Abs.2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz -
SGG - abgeleiteten Anspruch auf vorläufige Übernahme der begehrten Unterkunftskosten.
Die Abweisung des Eilantrags durch das SG erfolgte bereits deshalb zu Recht, weil kein Anordnungsgrund im Sinne des § 86b Abs.2 Satz 2, Satz 4 i.V.m. §
920 Abs.2
Zivilprozessordnung -
ZPO - gegeben ist.
Soweit es bei der Übernahme der tatsächlichen Kosten für die Wohnung in A-Stadt um Leistungen für die Vergangenheit geht,
besteht kein Anordnungsgrund, da bei "Nichtnachholung" der in der Vergangenheit liegenden Leistungen keine zukünftigen Rechtsbeeinrächtigungen
(vgl. §
86 b Abs.
2 S. 2
SGG: "Abwendung" wesenlicher Nachteile) drohen. Vergangenheit in diesem Sinne ist grundsätzlich die Zeit vor der Stellung des
gerichtlichen Eilantrags (vgl. Senatsbeschluss vom 13.02.2008, L 8 B 5/08 SO ER m.w.N.).
Auch was die Übernahme der zukünftigen, d.h. auf die Zeit nach der Stellung des Eilantrags bezogenen Unterkunftskosten betrifft,
drohen derzeit - auch unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur besonderen Ausgestaltung des Entscheidungsmaßstabs
des sozialgerichtlichen Eilverfahrens (BVerfG vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05 juris Rn 23 ff) - keine per Eilrechtsschutz zu verhindernden Rechtsbeeinträchtigungen. Insbesondere droht zur Überzeugung
des Senats kein Verlust der Wohnung. Umstände, die auf einen solchen Verlust hindeuten, sind nicht ersichtlich und werden
auch von der Ast. nicht vorgetragen. Insbesondere ist weder eine Mahnung bezüglich rückständiger Mietzinszahlungen erfolgt
noch eine Kündigung angedroht oder gar ausgesprochen worden.
Ferner weist auch der Senat wie schon das SG darauf hin, dass die Ast. bei der Wohnungsgröße gegebenenfalls Abstriche machen muss, dass der Ag. im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
Mietangebote vorgelegt hat, die belegen, dass tatsächlich angemessener Wohnraum in A-Stadt vorhanden ist, und dass trotz der
im ET am 23.10.2008 als auch durch den Ag. erfolgten Hinweise nicht ersichtlich ist, dass die Ast. seit dem 19.11.2008 ernsthafte
und intensive Bemühungen um eine kostenangemessene Wohnung unternommen hat. Wie eine Internet-Recherche des Senats vom 08.09.2009
mit den Suchkriterien "bis 46 qm Wohnfläche, bis 450,00 Euro Kaltmiete, 1 bis 2 Zimmer, A-Stadt" ergeben hat, werden in A-Stadt
mehrere angemessene Wohnungen angeboten, in denen sich die Ast. mit ihrem Rollator bewegen kann und für die - jedenfalls zum
Teil - das Halten eines Haustieres nicht ausgeschlossen ist. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass bei regelmäßiger und
intensiver Suche, für die die Ast. nunmehr seit dem ET beim SG fast ein Jahr lang Zeit hatte, angemessene und behindertengerechte Wohnungen mit der Möglichkeit der Haustierhaltung zu finden
waren bzw. zukünftig zu finden sind.
Im Übrigen nimmt der Senat auf die Ausführungen des angegriffenen Beschlusses des SG gemäß §
142 Abs.2 Satz 3
SGG Bezug.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG analog.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §
177 SGG.