Anspruch auf Insolvenzgeld; Zuordnung von Provisionsansprüchen zum Insolvenzgeldzeitraum
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Insolvenzgeldes.
Der 1939 geborene Kläger war Außendienstmitarbeiter der Firma S. GmbH und Co. KG (im folgenden S.), die High-Tech-Produkte
und Komponenten für den Automobilbau, Schiffsbau, Flugzeug- und allgemeinen Hochbau sowie andere Sonderkonstruktionen herstellte
und entwickelte (Geschäftsführer war Dr. R.). Die Firma war am 25. November 1994 als Auffanggesellschaft für das Unternehmen
der S. Gesellschaft für moderne Yachtausrüstung, R. mbH i.K. gegründet worden, deren ehemaliger Inhaber der Kläger war.
Der Kläger bescheinigte in einer Quittung vom 13. August 1999 auf einem Briefbogen des Architekturbüros R. und B. 6.000,00
DM in bar als Vorschuss auf Provisionsabrechnungen erhalten zu haben.
Der ehemalige Geschäftsführer Dr. R. stellte am 22. September 1999 beim Amtsgericht B-Stadt einen Insolvenzantrag wegen Überschuldung
und drohender Zahlungsunfähigkeit. Das Gericht bestellte am 27. September 1999 einen vorläufigen Insolvenzverwalter (Rechtsanwalt
Diplom-Volkswirt D.), der am 28. Oktober 1999 ein Gutachten unter anderem zum Eröffnungsgrund des Insolvenzverfahrens erstellte.
Mit Beschluss vom 1. November 1999 eröffnete das Amtsgericht B-Stadt das Insolvenzverfahren über die Firma S. wegen Zahlungsunfähigkeit
und Überschuldung und bestellte Rechtsanwalt D. zum Insolvenzverwalter.
In der Insolvenzgeldbescheinigung des Insolvenzverwalters vom 11. November 1999 waren für den Entgeltabrechnungszeitraum von
August bis Oktober 1999 ein Bruttoarbeitsentgelt von jeweils 4.000,00 DM, gesetzliche Abzüge von jeweils 216,66 DM, Sozialversicherungsbeiträge
(für August 834,00 DM, für September und Oktober jeweils 830,00 DM) sowie folgende zur Erfüllung des Arbeitsentgeltanspruchs
bewirkte Leistungen (sie werden in den Abrechnungen der Brutto-Netto-Bezüge als Vorschuss bezeichnet) aufgeführt: für August
1.814,84 DM, für September 2.953,34 DM und für Oktober 2.153,34 DM. Daraus errechnete sich für den Monat August 1999 ein noch
zustehendes Nettoarbeitsentgelt von 1.134,50 DM und für die Monate September und Oktober 1999 kein Anspruch mehr auf Arbeitsentgelt.
Der Insolvenzverwalter kündigte dem Kläger fristlos am 15. Dezember 1999 zum 31. Dezember 1999 und der Kläger beantragte am
29. Dezember 1999 bei der Beklagten Insolvenzgeld.
Mit Bescheid vom 7. Januar 2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld für den August 1999 in Höhe von 1.134,50
DM (580,06 Euro).
Der Kläger ließ durch seinen ersten Bevollmächtigten (B.) hiergegen Widerspruch einlegen. Er habe noch Anspruch auf Provisionen
seit 1998 in Höhe von 150.000,00 DM. Die vom Insolvenzverwalter vorgenommenen Verrechnungen in Höhe von 7.721,50 DM seien
nicht gerechtfertigt. Er habe neben dem monatlichen Fixum einen Anspruch auf Ersatz von Nebenkosten (Spesen, Auslagen für
Telefon, Flugtickets usw.) sowie auf Provision aus Umsätzen gehabt. Im Jahr 1998 hätten die Umsätze 11.286.241,11 DM betragen
und die Provision hieraus 100.000,00 bis 120.000,00 DM. Anfang 1999 habe sich der Kläger mit seinem früheren Arbeitgeber auf
Provisionen in Höhe von 100.000,00 DM geeinigt und er habe für die Monate Januar, Februar und März insgesamt 15.000,00 DM
für rückständige Spesen, Flugtickets und Provisionen in bar erhalten. Trotz Zusage der Abrechnung der Provisionen für April
und Mai 1999 seien keine Zahlungen erfolgt; erst auf Druck habe der Geschäftsführer Dr. R. dem Kläger 6.000,00 DM in bar in
S. übergeben. Am 9. Mai 2000 erklärte der Bevollmächtigte, ein Betrag von 6.000,00 DM müsse auch in die Formularanmeldung
zur Insolvenzgeldbescheinigung für die Monate August bis Oktober 1999 aufgenommen werden. Der Kläger gab zu diesen Angaben
eine in D. geschriebene eidesstattliche Versicherung vom 20. April 2000 ab.
Der Insolvenzverwalter erklärte hierzu in der Stellungnahme vom 8. September 2000 zu den geltend gemachten Provisionsansprüchen
in Höhe von 150.000,00 DM, dass ihm detaillierte Provisions- und Reisekostenabrechnungen des Klägers nicht vorlägen.
Die Beklagte wies mit dem Widerspruchsbescheid vom 15. September 2000 den Widerspruch zurück. Nach der vom Insolvenzverwalter
erstellten Entgeltbescheinigung habe dem Kläger im Zeitraum vom 1. August bis 31. Oktober 1999 lediglich für August 1999 noch
ein Nettobetrag von 1.134,50 DM zugestanden.
Dr. R. teilte im Schreiben vom 28. September 2000 an den Bevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, die à-Kontozahlung im Sommer
1999 in Höhe von 6.000,00 DM sei kein Vorgriff gewesen auf Lohn- und Gehaltszahlungen für die Monate August, September und
Oktober.
Der Kläger hat gegen die genannten Bescheide am 16. Oktober 2000 beim Sozialgericht B-Stadt durch seinen ersten Bevollmächtigten
Klage erhoben, das den Rechtsstreit am 8. November 2000 an das örtlich zuständige Sozialgericht Augsburg (SG) verwiesen hat. Am 20. November 2000 hat der zweite Bevollmächtigte (Rechtsanwalt M.) mitgeteilt, er vertrete jetzt den Kläger,
das Mandat des ersten Bevollmächtigten sei erloschen. Rechtsanwalt M. hat mit Schreiben vom 21. Mai 2001 das Mandat niedergelegt.
In dem vom ersten Bevollmächtigten, der die Vertretung wieder aufgenommen hat, vorgelegten Telefax eines ehemaligen Mitarbeiters
der Firma (H.) vom 22. Dezember 2001 wird gleichfalls angegeben, dass die an den Kläger im Sommer 1999 von der Firma S. gezahlten
à-Kontobeträge keine Vorgriffe auf Gehaltszahlungen waren, es habe sich um Zahlungen für Auslagen und Provisionen gehandelt.
In der Klagebegründung hat der Klägerbevollmächtigte unter Bezugnahme auf diese Feststellung wiederholt, dass die Abzüge für
die Monate August bis Oktober 1999 von 7.721,52 DM rechtswidrig gewesen seien.
Dr. R. hat in der schriftlichen Zeugenaussage vom 2. Mai 2002 angegeben, er wisse nicht, welche Zahlungen im Einzelnen an
den Kläger erfolgt sind. Mit diesen Vorgängen sei der kaufmännische Leiter der Firma S. (H.) sowie eine Personalbuchhalterin
(B.) befasst gewesen. Der Kläger habe keine Provisionsansprüche aus Umsätzen im Jahr 1998 in Höhe von 11 Millionen DM gehabt,
er habe Umsätze in dieser Höhe nicht eingeworben. Bei der Barzahlung an den Kläger in Höhe von 6.000,00 DM habe es sich nicht
um eine Provisionszahlung, sondern um ein persönliches Darlehen gehandelt, für das der Sohn des Klägers mündlich garantiert
hat.
Mit Schreiben vom 18. Juni 2002 hat der Bevollmächtigte erklärt, bei der Zahlung von 6.000,00 DM sei es um eine à-Kontozahlung
auf rückständige Zahlungen gegangen und nicht um eine Vorschusszahlung auf ein späteres Monatsgehalt. Mit diesem am 13. August
1999 als erhalten quittierten 6.000,00 DM habe der Kläger Geschäftsreisen und Kundenbesuche im In- und Ausland fortgesetzt.
In der mündlichen Verhandlung am 18. November 2003 hat das SG als Zeugen den kaufmännischen Angestellten der Firma S. H. vernommen. Dieser hat unter anderem angegeben, aufgrund der Höhe
der Vorschüsse an den Kläger sei es nicht zu einer Gehaltsauszahlung gekommen. Ein Abzug eines Vorschusses in der Abrechnung
vom August 1999 in Höhe von 1.160,00 DM sei auf seine Weisung hin erfolgt. Der Kläger habe im Übrigen für die Monate August
bis Oktober keine Nachweise zur Verwendung der Vorschüsse vorgelegt. Bei den gezahlten Vorschüssen habe es sich um künftige
Spesen gehandelt, z.B. für vom Kläger telefonisch angekündigte Flüge. Der Zeuge habe nach Rücksprache mit dem Geschäftsführer
den geforderten Betrag mit Scheck ausbezahlt. Er habe überprüfbare Reisespesenabrechnungen des Klägers persönlich nie gesehen.
Das SG hat mit Urteil vom gleichen Tage die Klage abgewiesen. Nach der Aussage des Zeugen H. stehe fest, dass für die Monate des
Insolvenzgeldzeitraums (August, September, Oktober 1999) der Anspruch des Klägers auf Arbeitsentgelt (monatliches Fixum 4.000,00
DM brutto) durch Erfüllung erloschen sei. Der Arbeitgeber habe zutreffend mit Ansprüchen gegenüber dem Kläger aufrechnen bzw.
Zahlungen als Vorschusszahlungen abwickeln können. Der Kläger habe nach der glaubhaften Aussage des Zeugen jeweils Vorschusszahlungen
auf künftige Reisespesen erhalten. Ist der Aufwendungsersatz nicht pauschaliert, so habe der Arbeitnehmer Notwendigkeit und
Höhe der einzelnen Auslagen darzulegen und zu beweisen. Einen solchen Beweis habe der Kläger nie erbracht.
Der Kläger hat hiergegen durch seinen ersten Bevollmächtigten am 17. Dezember 2003 Berufung eingelegt. Dieser macht geltend,
der Kläger habe eine Provisionsforderung von 114.000,00 DM und auf Ersatz der Spesen von 36.000,00 DM gehabt, beide Forderungen
seien zur Insolvenztabelle angemeldet worden. Das SG hätte noch zwei Mitarbeiterinnen der Firma S. aus der Personalabteilung und Buchhaltung hören müssen. Wegen der Aufrechnung
mit 7.721,52 DM sei ihm dieser Betrag auszuzahlen.
Der Bevollmächtigte hat ferner ein Fax des ehemaligen technischen Leiters der Firma S. vom 5. April 2004 vorgelegt, wonach
dem Kläger Provisionsansprüche von mehr als 100.000,00 DM zugestanden hätten, ferner eine Gesamtübersicht von Aufträgen aus
dem Jahr 1998. Der Kläger habe 2/3 des Umsatzes der Firma S. bewirkt, aber von der Firma nie Akteneinsicht oder Zugang zu
den Unterlagen erhalten.
Demgegenüber ist die Beklagte der Auffassung, maßgebend sei der Insolvenzgeldzeitraum von August bis Oktober 1999. Es sei
nicht erwiesen, dass die geleisteten Vorschüsse zur Erfüllung von Zahlungsansprüchen auf Provisionen, Spesen etc. gedient
hätten. Der Kläger habe seine Forderungen der Spesen und Provision gegenüber der Firma S. nicht dokumentiert. Die Auszahlung
von 6.000,00 DM sei nach der Aussage des Mitarbeiters H. ein Vorschuss auf künftige Spesen gewesen. Der Kläger habe keine
Ansprüche auf Auszahlung rückständiger Provisionen gehabt, zumindest seien diese nicht dokumentiert oder belegt. Die nachgereichte
Gesamtübersicht enthalte keine Angaben zu den Verantwortlichen für die Aufträge und zu Provisionsansprüchen. Im Übrigen komme
es auf die Provisionsansprüche aus dem Jahr 1998 nicht an.
Der Insolvenzverwalter hat mit Schreiben vom 13. Juli 2006 den Klägerbevollmächtigen informiert, dass die Forderung des Klägers
in Höhe von 76.693,78 Euro (150.000,00 DM) nachträglich zur Tabelle festgestellt wurde. Er hat mit Schreiben vom 14. September
2006 der Beklagten mitgeteilt, dass laut Angaben des Geschäftsführers der Firma S. eine Provisionsvereinbarung mit dem Kläger
oder ein Handelsvertretervertrag nie zustande gekommen sei. Auch wenn der Anspruch des Klägers auf Provisionszahlungen im
Detail im unklaren geblieben sei, habe er, der Insolvenzverwalter, aufgrund der nachgereichten Unterlagen einen Anspruch auf
Provision in Höhe von 150.000,00 DM anerkannt. Bei den in den Gehaltsabrechnungen von August bis Oktober 1999 abgezogenen
Beträgen habe es sich um Gegenrechnungen und Reisekostenvorschüsse und nicht um Provisionen gehandelt. Eine schriftliche Vereinbarung
über Arbeitskonditionen und eventuelle Provisionsansprüche des Klägers liege nicht vor. Die Vorschüsse für September und Oktober
1999 hätten die Verrechnung von Reisekosten betroffen. Reisekostenabrechnungen oder Kostenbelege, die die Vorschüsse berechtigen
würden, habe der Kläger jedoch nie vorgelegt.
In der neuen Insolvenzgeldbescheinigung des Insolvenzverwalters vom 14. September 2006 ist für den Monat August 1999 ein Betrag
für noch nicht ausgezahltes Netto-Arbeitentgelt in Höhe von 1.507,97 Euro und für die Monate September und Oktober 1999 jeweils
ein Betrag von 0,00 Euro festgestellt worden. Die Beklagte hat daraufhin am 17. November 2006 den Vergleichsvorschlag gemacht,
dass in Abänderung der bisherigen Bescheide dem Kläger ein Insolvenzgeld in Höhe von 1.507,97 Euro bewilligt und die Differenz
zu dem bisher bewilligten und gezahlten Insolvenzgeld ausgezahlt wird.
Der Bevollmächtigte hat dieses Vergleichsangebot mit den Schreiben vom 4. Januar und 26. Mai 2007 abgelehnt sowie eine eidesstattliche
Versicherung des ehemaligen technischen Leiters der Firma S. vorgelegt, wonach dem Kläger Provisionsansprüche von rund 110.000,00
DM für Januar bis Mitte November 1998 zugestanden haben. Nach dem praktizierten Handelsvertretervertrag habe der Kläger zunächst
monatlich 12.000,00 DM pauschal und später 7.000,00 DM für seine Aufwendungen im Außendienst erhalten.
Mit dem Bescheid vom 4. Juni 2008 hat die Beklagte dem Kläger für den Monat August 1999 ein Insolvenzgeld in Höhe von 1.507,97
Euro und abzüglich der bisherigen Zahlung (580,06 Euro) einen Restbetrag von 927,91 Euro bewilligt. Mit Schreiben vom 16.
März 2009 hat der zweite Prozessbevollmächtigte (Rechtsanwalt M.) mitgeteilt, dass ein schriftlicher Arbeitsvertrag und eine
schriftliche Provisionsvereinbarung des Klägers nicht vorliegen. Bezüglich des Insolvenzgelds für August 1999 werde der Rechtsstreit
für erledigt erklärt. In der mündlichen Verhandlung hat er nochmals die Kopie einer mit Fax gesendeten Vollmacht vom 1. Mai
2008 vorgelegt.
Der zweite Klägerbevollmächtigte beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 18. No- vember 2003 sowie unter Abänderung des Bescheides
der Beklagten vom 7. Januar 2000 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 15. September 2000 und des Be- scheides vom 4. Juni
2008 zu verurteilen, für den Kläger für die Monate September und Oktober 1999 Insolvenzgeld in Höhe von insgesamt 3.020,04
Euro zuzüglich Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf ein höheres Insolvenzgeld im maßgeblichen Zeitraum vom 1. September
bis 31. Oktober 1999. Aufgrund der Erklärung des Klägerbevollmächtigten vom 16. März 2009 (Bezugnahme auf den gemäß §§
96,
153 SGG Verfahrensgegenstand gewordenen Bescheid vom 4. Juni 2008) ist nur noch das Insolvenzgeld für September und Oktober 1999
streitig.
Anspruchsgrundlage für das Insolvenzgeld sind §§
183 und
185 Sozialgesetzbuch III (
SGB III). Gemäß §
183 Abs.
1 S. 1, 3
SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und unter anderem bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch
Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis.
Die Höhe des Insolvenzgelds richtet sich nach §
185 SGB III. Nach Abs.
1 dieser Vorschrift wird Insolvenzgeld in Höhe des Nettoarbeitsentgelts geleistet, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche
Beitragsbemessungsgrenze (§
341 Abs.
4 SGB III) begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird.
Bereits aus der Formulierung des §
183 Abs.
1 SGB III ergibt sich, dass der Leistungszweck des Insolvenzgelds dem Schutz des Arbeitsentgeltanspruchs des im Inland beschäftigten
Arbeitnehmers bei Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers dient. Die Leistung schützt den Arbeitsentgeltanspruch für einen
Zeitraum von längstens drei Monaten des gegenüber dem Arbeitgeber vorleistungspflichtigen Arbeitnehmers (§
614 Bürgerliches Gesetzbuch); es ersetzt das tatsächlich erarbeitete Arbeitsentgelt in Höhe des Nettoentgelts unterhalb der Leistungsbemessungsgrenze
(§
185 Abs.
1 SGB III).
Die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistung wie die Insolvenz des Arbeitgebers - Insolvenzereignis ist hier die Eröffnung
des Insolvenzverfahrens durch den Beschluss des Amtsgerichts B-Stadt vom 1. November 1999 - und die Antragstellung gemäß §
324 Abs.
3 SGB III (Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis) sind nicht streitig.
Die Beklagte hat den Insolvenzgeld-Zeitraum vom 1. August 1999 bis 31. Oktober 1999 zu Recht festgelegt. Bedeutung hat der
Insolvenzgeld-Zeitraum für die Abgrenzung zu möglicherweise bestehenden anderen Entgeltforderungen des Arbeitnehmers. Denn
der Insolvenzgeldanspruch sichert lediglich rückständige Arbeitsentgeltansprüche für die letzten, dem Insolvenzereignis vorausgehenden
drei Monate des Arbeitsverhältnisses. Ausgefallenes Arbeitsentgelt außerhalb des Insolvenzgeld-Zeitraums wird nicht geschützt.
Einen längeren Zeitraum sieht das Gesetz nicht vor, um Missbrauch durch Stundungsvereinbarungen zu Lasten der Insolvenz-Versicherung
zu vermeiden. Vom Insolvenzereignis an trägt der Arbeitnehmer selbst das Risiko des Arbeitentgeltausfalls (Röder in Niesel,
SGB III, 4. Aufl., §
183, Rn. 50 m.w.N.).
Es spricht schon nichts dafür, dass der Kläger bei der Firma S. Arbeitnehmer gewesen ist, d.h. in einem Beschäftigungsverhältnis
gemäß §
7 Sozialgesetzbuch IV (
SGB IV) gearbeitet hat. Dieses setzt voraus, dass er im Betrieb der Firma eingegliedert war und einem Zeit, Dauer, Ort und Art der
Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterlegen hat (allg. Meinung, z.B. BSG vom 22. Juni 2005 SozR 4-2400
§ 7 Nr. 5). Bereits mit der durch Gesetz über das Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974 (BGBl I S. 1381), der Vorgängerregelung der Insolvenzversicherung, und der durch dasselbe Gesetz bewirkten Verbesserung der konkursrechtlichen
Sicherung in der Konkursordnung sollte nur der arbeitsrechtliche Anspruch besser als bisher gesichert werden. Schon aus der Zielsetzung dieses Gesetzes vom
17. Juli 1974 folgte, dass es sich bei den mit dem Gesetz geschaffenen Ansprüchen auf Konkursausfallgeld und die zugleich
erfolgte Änderung der Konkursordnung um Arbeitnehmerschutzvorschriften handelt, mit denen jedoch die zuvor getroffene Inhaltsbestimmung des Arbeitsnehmerbegriffs
nicht geändert werden sollte (BSG vom 22. April 19987 USK 8732). Geschützt werden also nur Arbeitnehmer, d.h. abhängig Beschäftigte.
Maßgebend ist die Arbeitnehmereigenschaft im Insolvenzgeld-Zeitraum. Für den im
SGB III nicht definierten Begriff des Arbeitnehmers sind im Wesentlichen die zu §
7 Sozialgesetzbuch IV (
SGB IV) und §
25 SGB III entwickelten Abgrenzungskriterien und Grundsätze heranzuziehen. Es gelten die für die Inhaltsbestimmung des Arbeitnehmerbegriffs
die für das Versicherungspflichtrecht gefundenen Abgrenzungsmerkmale. Arbeitnehmer sind danach Personen, die als Beschäftigte
einer nichtselbstständigen Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis nachgehen. Für die Arbeitnehmereigenschaft ist
die persönliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber kennzeichnend. Persönliche Abhängigkeit bedeutet Eingliederung in den Betrieb
und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Auch wenn bei Diensten höherer Art die Arbeit zur funktionsgerechten,
dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein kann, darf es jedoch nicht vollständig entfallen. Kennzeichnend für die
selbstständige Tätigkeit sind demgegenüber außer dem eigenen Unternehmerrisiko die Möglichkeit, über die eigene Arbeitskraft
und frei über Arbeitsort und Arbeitszeit zu verfügen (allgemeine Meinung, vgl. Schmidt in Mutschler ua,
SGB III, 3. Aufl., §
183 Rdnr. 6 ff.; Peters-Lange in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, §
8 Rdnrn. 42, 43, Krodel in Niesel,
SGB III, 4. Aufl., §
183 Rdnr. 19, jeweils m.w.N. der ständigen Rechtsprechung des BSG; Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 18. Juli 2006, L 13 AL 1766/06 m.w.N.). Ein schriftlicher Arbeitsvertrag liegt nach Angaben des zweiten Prozessbevollmächtigten nicht vor. Damit bestätigt
dieser die Angaben des früheren Geschäftsführers Dr. R. und des Insolvenzverwalters, die ein Arbeitsverhältnis mehrmals verneint
haben. Konkrete Anhaltspunkte für ein Beschäftigungsverhältnis sind auch nicht aktenkundig. Der erste Bevollmächtigte des
Klägers (B.) spricht von einem praktizierten Handelsvertretervertrag; auch damit ist ein Beschäftigungsverhältnis nicht belegt.
Selbst wenn der Senat von einer Arbeitnehmereigenschaft des Klägers ausgehen würde, ist die Berufung aus anderen Gründen ohne
Erfolg.
Insolvenzgeldfähig ist der Anspruch auf Arbeitsentgelt. Hierzu gehören alle Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis, d.h. Zahlungen
des Arbeitgebers, die im weitesten Sinne eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung oder das Zurverfügungstellen
der Arbeitsleistung darstellen, ohne Rücksicht auf Lohnsteuer- und Sozialversicherungspflicht. Wesentlich ist, dass das Arbeitsverhältnis
die Grundlage der Bezüge darstellt. Zu dem Arbeitsentgelt zählt auch der Ersatz für bei der Erbringung der Arbeit entstandener
Auslagen, wie z.B. Reisespesen, nicht dagegen der Aufwendungsersatz bei einer Geschäftsführung ohne Auftrag. Ein Arbeitnehmer
hat jedoch keinen Anspruch auf Insolvenzgeld für Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
oder für die Zeiten nach der Beendigung hat sowie für Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die der Insolvenzverwalter wegen eines
Rechts zur Leistungsverweigerung nicht erfüllt. Sind Leistungen zu Unrecht erbracht worden, sind sie zu erstatten (Schaub,
Arbeitsrecht, 17. Aufl. 2004, Stichwort: Insolvenzgeld).
Relevant ist hierbei das Arbeitsentgelt, auf das ein Anspruch für den Insolvenzgeldzeitraum besteht. Denn das Insolvenzgeld
soll im Insolvenzgeld-Zeitraum erarbeitetes, ausnahmsweise für den Lebensunterhalt in diesem Zeitraum bestimmtes Arbeitsentgelt
sichern. Ohne Bedeutung ist dagegen, wann der Entgeltanspruch fällig oder bezifferbar wird. Es kommt maßgebend darauf an,
dass der Arbeitsentgeltanspruch, für den Insolvenzgeld zu gewähren ist, dem Insolvenzgeld-Zeitraum zugeordnet werden kann.
Dies ist dann der Fall, wenn der Entgeltanspruch erarbeitet wurde. Laufendes Arbeitsentgelt sowie sonstige Bezüge, die sich
der Arbeitsleistung bestimmter Kalendertage im Insolvenzgeld-Zeitraum zuordnen lassen, sind dem Zeitraum zuzuordnen, in dem
sie erarbeitet wurden (Krodel in Niesel, aaO., Rn. 62 m.w.N. der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG); Schmidt in Mutschler ua,
SGB III, 3. Aufl., Rn. 77 m.w.N. der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG; Gagel,
SGB III, Stand 2008, §
183, Rn. 90).
Wie das BSG mit Urteil vom 23. März 2006 (SozR 4-4300 § 193 Nr. 6) ausgeführt hat, sind nach der ständigen höchstrichterlichen
Rechtsprechung des Gerichts offene Ansprüche auf Zahlung des laufenden Arbeitslohns grundsätzlich dem Zeitraum zuzuordnen,
in dem die Arbeit als Gegenleistung für den Entgeltanspruch erbracht worden ist. D.h. es gilt der Zeitraum, für den der Lohn-
und Gehaltsanspruch erarbeitet worden ist. Dieses zu Grunde liegende Erarbeitungsprinzip gilt auch für die zeitliche Zuordnung
von Provisionsansprüchen zum Insolvenzgeld-Zeitraum. Es wird hier darauf abgestellt, zu welchem Zeitpunkt der Auftrag hereingebracht
worden ist. Nach der weiteren Rechtsprechung des BSG besteht die Besonderheit von Provisionsansprüchen in ihrer Erfolgsabhängigkeit,
so dass der Arbeitnehmer die von ihm geschuldete Arbeitsleistung in der Regel zu dem Zeitpunkt erfüllt, zu dem der Abschluss
des Geschäfts erfolgt. Dass der Provisionsanspruch noch von der späteren Ausführung des Geschäfts oder aber einer anderen
Sondervereinbarung abhängt, stellt als aufschiebende Bedingung die zeitliche Zuordnung des Entstehungszeitpunkts (Vertragsabschluss)
nicht infrage. Auch wenn die Ausführung des Geschäfts erst nach dem Insolvenzzeitpunkt erfolgt oder wegen der Insolvenzeröffnung
unterbleibt, ist die durch Abschluss des Geschäfts entstandene Anwartschaft auf die Provision insolvenzgeldfähig (Gagel, aaO.,
Rn. 111, 112 m.w.N.).
Zunächst spricht gegen den Kläger, dass nach Angaben seines bevollmächtigten Rechtsanwalt M., des ehemaligen Geschäftsführers
Dr. R. und des Insolvenzvertreters auch eine schriftliche Provisionsvereinbarung nicht vorliegt. Damit ist schon ein derartiger
Provisionsanspruch dem Grunde nach sowie die Höhe einer Forderung - die Angaben hierzu ändern sich ständig - nicht belegt.
Hieraus ergibt sich ferner, dass die aus der Zeit vor dem Insolvenzgeld-Zeitraum erarbeiteten Provisionen für den Abschluss
der Geschäfte aus dem Jahr 1998 für die Höhe des Insolvenzgelds keine Rolle spielen. Die als möglicher Anhaltspunkt dienende
Gesamtübersicht für das Jahr 1998 und die Ausführung des Klägerbevollmächtigten hierzu lassen allenfalls erkennen, sofern
man dessen Darlegungen folgt, dass der Kläger vor Beginn des Insolvenzgeld-Zeitraums Abschlagszahlungen erhalten hat. Bei
diesen Zahlungen handelt es sich um vor der Lohnabrechnung und Auszahlung geleistete Zwischenzahlungen auf eine bereits verdiente
Arbeitsvergütung. Der Insolvenzverwalter hat, auch wenn er aus den ihm vorliegenden Unterlagen der Firma S. einen Rechtsanspruch
auf Provisionszahlungen nicht erkennen kann, angenommen, dass Provisionen von 150.000,00 DM für Aufträge aus dem Jahr 1998
in Höhe von 6.230.458,60 DM offen sind und die "Provisionsforderung" in die Tabelle eingestellt. Vom Gericht ist jedoch zu
beachten, dass nach den Angaben des Insolvenzverwalters, der die Geschäftsunterlagen der Firma S. eingesehen hat, eine Provisionsvereinbarung
nicht bekannt ist. Dies wird von dem früheren Geschäftsführer bestätigt, ebenso, dass selbst ein Handelsvertretervertrag nie
geschlossen worden ist. Die Berücksichtigung der Provisionszahlungen in der Insolvenztabelle beruht nach Angaben des Insolvenzverwalters
allein auf der eidesstattlichen Versicherung eines früheren Mitarbeiters der Firma S., der mit Provisionsabrechnungen zu tun
hatte.
Schließlich muss der Senat berücksichtigen, dass von Seiten des Klägers trotz des umfangreichen Schriftwechsels Abrechnungen
für Provisionen, die dem Insolvenzgeld-Zeitraum zugeordnet werden können, nicht vorgelegt worden sind. Eine Provision in Form
einer Vermittlungsprovision, die hier aufgrund der Darlegungen des ersten Bevollmächtigten infrage kommt, ist eine Erfolgsvergütung,
die den Berechtigten an dem Wert der Geschäfte beteiligt, die durch ihn zustande gekommen sind oder mit Kunden eines bestimmten
Bezirks oder einem vorbehaltenen Kundenstamm abgeschlossen werden (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 9. Aufl., 2009, §
65 HGB, Rn. 1 m.w.N.). Es handelt sich hierbei um die typische Vergütung des Handelsvertreters, die auch neben einem Fixum zugesagt
werden kann (Münchener Kommentar zum
BGB, 5. Aufl., 2009, §
611 BGB, Rn. 744). Sie wird zumeist in Prozenten des Geschäftswertes ausgedrückt.
Weder im Verwaltungsverfahren noch im Gerichtsverfahren sind trotz entsprechender Hinweise an den Klägerbevollmächtigten Belege
oder andere Unterlagen vorgelegt worden, dass der Kläger im Insolvenzgeld-Zeitraum Aufträge für die Firma S. hereingebracht,
d.h. Geschäfte bindend abgeschlossen hat. Damit und auch wegen des fehlenden Nachweises einer Provisionsvereinbarung verbleibt
es als Grundlage für die Berechnung des Arbeitentgelts im Insolvenzgeld-Zeitraum bei dem festen Betrag von 4.000.00 DM bzw.
2.045,17 Euro.
Die Beklagte hat zu Recht auch erkannt, dass im September und Oktober 1999 die Arbeitsentgeltansprüche durch Aufrechnungen
seitens des Arbeitgebers um jeweils 1.510,01 Euro gemindert sind. Es handelt sich hier nach den Ausführungen des Insolvenzverwalters
um die Verrechnung von Vorschüssen auf Reisekosten. Auch wenn Vorschüsse einer vertraglichen Grundlage bedürfen, ist anerkannt,
dass sich ausnahmsweise in besonderen Situationen ein Anspruch auf Vorschuss ergeben kann. Eine Zahlung ist dann ein Vorschuss,
wenn sich beide Vertragsteile darüber einig sind, dass es sich um einen Vorschuss handelt, der bei Fälligkeit der Forderung
verrechnet wird. Der Vorschussempfänger verpflichtet sich zur Rückzahlung, wenn und soweit die bevorschusste Forderung nicht
oder nicht zeitgerecht entsteht (Münchener Kommentar zum
BGB, 5. Aufl., 2009, §
614, Rn. 16 m.w.N.).
Dem Insolvenzverwalter lagen auch Reisekostenabrechnungen nicht vor. Kostenbelege, die die Vorschüsse hierauf berechtigen
würden, hat der Kläger im Laufe der Gerichtsverfahren trotz entsprechender Hinweise nicht vorgelegt. Die Zweckbestimmung der
Verrechnung mit den Arbeitsentgeltansprüchen des Klägers für September und Oktober 1999 ergibt sich auch aus der Zeugenaussage
des kaufmännischen Leiters der Firma S. H. vor dem SG. Danach hat der Kläger für die Monate August bis Oktober 1999 keine Nachweise zur Verwendung der Vorschüsse eingereicht.
Für die Genehmigung der Vorschüsse wäre der Geschäftsführer Dr. R. zuständig gewesen. Bei den Vorschüssen für die Monate September
und Oktober 1999 hat es sich danach um Zahlungen auf künftige Spesen gehandelt, die der Kläger für Reisekosten gefordert hat.
Hierfür hat der Kläger jedoch eine überprüfbare Reisespesenabrechnung dem Zeugen nicht gegeben.
Eine zeitliche Zuordnung zum Insolvenzgeld-Zeitraum ist auch nicht bezüglich der à-Kontozahlung von 6.000,00 DM möglich, die
am 13. August 1999 quittiert worden ist. Es sind schon der Zahlende, Anlass und der Rechtscharakter dieser Zahlung nicht eindeutig.
Auf der Quittung wird unter Benutzung des Briefpapiers eines Architekturbüros als Verwendungszweck ein Vorschuss auf Provisionsabrechnung
angegeben. Der ehemalige Geschäftsführer Dr. R. hat die Zahlung später als Darlehen bezeichnet. Der erste Bevollmächtigte
hat im Laufe des Streitverfahrens den Zweck der Zahlung als Vorschuss auf Provisionsansprüche aus 1998 bzw. Januar 1999 angegeben
und behauptet, dass der Kläger das Geld zur Finanzierung der Reisespesen (Flugtickets) ausgegeben hat. Aufgrund dieser unklaren
Angaben steht weder ein geschäftlicher Zusammenhang fest, noch dass es sich bei der Zahlung um Arbeitsentgelt gehandelt hat
und gegebenenfalls, dass dieses dem Insolvenzgeld-Zeitraum zuzuordnen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 Nrn. 1, 2
SGG).