Gründe:
I. Die Beschwerdegegnerin begehrt im Wege vorläufigen Rechtsschutzes die Versorgung mit einem Multifunktionsrollstuhl.
Die am 1920 geborene Beschwerdegegnerin ist bei der Beschwerdeführerin gesetzlich krankenversichert. Die Beschwerdegegnerin
lebt in einer vollstationären Pflegeeinrichtung (H Straße 9, 09557 F), ihre Angehörigen wohnen etwa 300 m von dieser Pflegeeinrichtung
entfernt (Z 16, 09557 F). Die Beschwerdegegnerin bezieht Leistungen nach der Pflegestufe III. Sie leidet unter Altersschwäche
und Demenz, zeitweise treten Verwirrtheitszustände auf. Es bestehen schwere geistige Einschränkungen. Ausweislich des Gutachtens
zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 04.01.2010 kam im Sakralbereich ein Dekubitus (Stadium II) hinzu. In der vollstationären
Pflegeeinrichtung stehen unter anderem ein Standardrollstuhl und ein Pflegerollstuhl zur Verfügung. Die Gutachterin, MDK-Pflegekraft
W -K, teilte mit, mit der Beschwerdegegnerin sei eine eingeschränkte Kommunikation möglich. Die Wahrnehmung komplexer Vorgänge
sei erschwert, "Sinnzuordnung" jedoch vorhanden. Die Beschwerdegegnerin sei im Rollstuhl sitzend angetroffen worden.
Am 03.05.2010 beantragte sie bei der Beschwerdeführerin die Versorgung mit einem Multifunktionsrollstuhl und legte hierzu
eine Verordnung vom 28.04.2010 von Dr. Sch, Fachärztin für Allgemeinmedizin, vor. Ausweislich des beigefügten Kostenvoranschlages
vom 03.05.2010 beliefen sich die Kosten für den Multifunktionsrollstuhl auf 1.100,00 EUR. Die Sanitätshaus H. GmbH bestätigte
- ebenfalls unter dem 03.05.2010 -, dass die Beschwerdegegnerin in einem Multifunktionsrollstuhl über längere Zeit sitzen
könne. Damit sei eine wesentlich bessere Teilnahme am gesellschaftlichen Leben möglich.
Anlässlich eines Hausbesuchs am 18.05.2010 teilte die Hilfsmittel-Beraterin H mit, der Multifunktionsrollstuhl werde überwiegend
innerhalb des Heimes benötigt. Ausfahrten erfolgten im Rahmen der Dementenbetreuung. Der Enkel besuche die Beschwerdegegnerin
maximal einmal pro Monat. Sie sitze vor- und nachmittags in einem Pflegerollstuhl mit leicht nach hinten gestellter Rückenlehne.
In einem Standardrollstuhl habe sie keinen Halt mehr. Der Multifunktionsrollstuhl habe hauptsächlich den Zweck einer Sitzgelegenheit;
eine aktive Rollstuhlnutzung sei der Beschwerdegegnerin nicht möglich.
Mit Bescheid vom 27.05.2010 lehnte die Beschwerdeführerin die Kostenübernahme für einen Rollstuhl mit Rückenlehnenverstellung
über 30 Grad ab. Bei dem beantragten Rollstuhl handele es sich um ein Standardfabrikat, welches nicht überwiegend im Rahmen
des Behinderungsausgleichs im Sinne einer medizinischen Rehabilitation eingesetzt werde. Das Pflegeheim sei verpflichtet,
einen solchen Rollstuhl vorzuhalten.
Hiergegen legte der von der Beschwerdegegnerin bevollmächtigte Enkel, U ... H, am 16.06.2010 Widerspruch ein. Die Beschwerdegegnerin
sei in ihrer Mobilität stark eingeschränkt. Die Behandlung des Dekubitus am Gesäß erfordere einen regelmäßigen Positionswechsel.
Die Beschwerdegegnerin bedürfe des beantragten Rollstuhls, um weiterhin mobil zu sein und nicht bettlägerig zu werden. Darüber
hinaus sei der Multifunktionsrollstuhl erforderlich, um Spaziergänge und Ausflüge außerhalb der Pflegeeinrichtung durchführen
zu können und Besuche bei den Familienangehörigen zu ermöglichen.
Nach Vorlage von Stellungnahmen der Hilfsmittel-Beraterin H vom 22.06.2010 und 16.07.2010, nach welchen dem Grundbedürfnis
Sitzen bei der Beschwerdegegnerin auch durch einen von der Pflegeeinrichtung vorzuhaltenden Pflegesessel oder Pflegerollstuhl
entsprochen werden könne, wies die Beschwerdeführerin den Widerspruch der Beschwerdegegnerin mit Widerspruchsbescheid vom
12.08.2010 zurück. Das begehrte Hilfsmittel diene ganz überwiegend dazu, die Pflege im Pflegeheim zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Es sei deshalb von der Pflegeeinrichtung vorzuhalten. Der monatliche Besuch von Angehörigen mit der Möglichkeit einer Ausfahrt
spiele gegenüber der Nutzung des Rollstuhls im Rahmen des üblichen Pflegebetriebes eine zeitlich untergeordnete Rolle. Hiergegen
hat die Beschwerdegegnerin am 14.09.2010 Klage beim Sozialgericht Chemnitz (SG) erhoben.
Am 11.11.2010 hat die Beschwerdegegnerin im Wege vorläufigen Rechtsschutzes beim SG beantragt, die Beschwerdeführerin zu verpflichten, sie - die Beschwerdegegnerin - mit einem Multifunktionsrollstuhl zu versorgen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Anspruch gegen die Beschwerdeführerin auf Versorgung mit dem Multifunktionsrollstuhl
bestehe deshalb, weil der Rollstuhl auch für Aktivitäten außerhalb des Pflegeheimes benötigt werde (Hinweis auf Bundessozialgericht
[BSG], Urteil vom 10.02.2000 - B 3 KR 25/99 R). Ihr Enkel und dessen Ehefrau sowie deren Kinder statteten ihr mindestens einmal pro Woche einen Besuch ab. Dies werde durch
die eidesstattliche Versicherung vom 22.10.2010 bestätigt. In dieser eidesstattlichen Versicherung, die vom Enkel der Beschwerdeführerin
und dessen Ehefrau unterzeichnet ist, heißt es unter anderem:
"Meine Oma Frau G B wird von uns mindestens 1 mal in der Woche zu uns nach Hause geholt oder außerhalb vom Pflegeheim ausgefahren.
Als feste zusätzliche Termine im Jahr sind der. Geburtstag U ...H, ... Geburtstag G ... B ..., ... Geburtstag L H, Geburtstag
M H, Geburtstag A H sowie Ostern und Weihnachten."
Mit Beschluss vom 07.12.2010 hat das SG die Beschwerdeführerin verpflichtet, die Beschwerdegegnerin vorläufig bis zum Abschluss des Klageverfahrens mit einem Multifunktionsrollstuhl
zu versorgen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund seien hinreichend glaubhaft gemacht.
Der Anordnungsgrund ergebe sich aus dem Alter der Beschwerdegegnerin. Der Anordnungsanspruch folge aus §
33 Abs.
1 Satz 1 und
2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V). Der Multifunktionsrollstuhl ermögliche die sichere Teilnahme am Gemeinschaftsleben im Pflegeheim. Dieses sei der Rehabilitation
und nicht der aktivierenden Pflege zuzuordnen. Der Multifunktionsrollstuhl diene zudem der Verwirklichung eines Grundbedürfnisses
der Beschwerdegegnerin, nämlich der Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums. Dazu gehöre nach der Rechtsprechung
des BSG zum einen, die Wohnung zu einem kurzen Spaziergang verlassen zu können, um an die frische Luft zu kommen, zum anderen,
die im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen erreichen zu können, um Alltagsgeschäfte zu erledigen. Dies gelte auch bei
vollstationärer Unterbringung in einem Pflegeheim (Hinweis auf BSG, Urteil vom 10.02.2000 - B 3 KR 26/99 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 37). Für Ausflüge mit und zu ihren Angehörigen außerhalb des Heimgeländes bedürfe sie des Multifunktionsrollstuhls.
Der Heimträger habe aber nur die Versorgung mit Hilfsmitteln innerhalb des Pflegeheimes und des Heimgeländes sicherzustellen.
Für eine Gewichtung danach, ob und zu welchem Anteil ein Rollstuhl für die Absicherung von Grundbedürfnissen oder für pflegerische
Verrichtungen eingesetzt werde, sei nach §
33 SGB V kein Raum. Entscheidend sei vielmehr, ob der Versicherte ohne die Bereitstellung des Hilfsmittels sein Recht auf Erschließung
eines gewissen körperlichen Freiraums verwirklichen könne oder nicht. Sei dies nicht der Fall, sei die Krankenkasse leistungspflichtig.
Nur dies entspreche dem Zweck von §
33 Abs.
1 Satz 2
SGB V. Insoweit sei es ausreichend, dass sich die Beschwerdegegnerin regelmäßig einmal pro Woche außerhalb des Heimgeländes aufhalte
und die in der eidesstattlichen Versicherung genannten zusätzlichen Termine außerhalb des Heimes stattfänden.
Gegen den ihr am 21.12.2010 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 14.01.2011 Beschwerde eingelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 16.02.2011 hat das SG die Beschwerdeführerin unter Aufhebung des Bescheides vom 27.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2010
verurteilt, die Beschwerdegegnerin mit einem Multifunktionsrollstuhl zu versorgen.
Gegen den ihr am 23.02.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beschwerdeführerin am 21.03.2011 Berufung eingelegt.
Die Beschwerdeführerin trägt im Beschwerdeverfahren vor, für das begehrte Hilfsmittel sei allein die stationäre Pflegeeinrichtung
leistungspflichtig. Der Multifunktionsrollstuhl habe überwiegend eine pflegeerleichternde Funktion. Aus §
33 Abs.
1 Satz 2
SGB V gehe aber hervor, dass die Vorhaltepflicht für Hilfsmittel, die für den üblichen Pflegebetrieb notwendig seien, der Pflegeeinrichtung
obliege.
Die Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 07. Dezember 2010 aufzuheben und den Antrag
auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beschwerdeführerin sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge, außerdem die Gerichtsakte
zum Hauptsacheverfahren mit dem Aktenzeichen S 11 KR 363/10 und L 1 KR 55/11 vorgelegen.
II. 1. Die Beschwerde ist mit der Zustellung des Gerichtsbescheides unzulässig geworden.
Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens liegen in der Sicherung der Entscheidungsfähigkeit und der prozessualen
Lage, um eine endgültige Rechtsverwirklichung im Hauptsacheprozess zu ermöglichen. Es will nichts anderes als allein wegen
der Zeitdimension der Rechtserkenntnis und der Rechtsdurchsetzung im Hauptsacheverfahren eine zukünftige oder gegenwärtige
prozessuale Rechtsstellung vor zeitüberholenden Entwicklungen sichern und irreparable Folgen ausschließen und der Schaffung
vollendeter Tatsachen vorbeugen, die auch dann nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich die angefochtene Verwaltungsentscheidung
im Nachhinein als rechtswidrig erweist.
Durch den Erlass des Gerichtsbescheides besteht weder für die Gewährung noch für die Versagung von vorläufigem Rechtsschutz
im erstinstanzlichen Verfahren - und nur dies ist hier Streitgegenstand - ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse. Mit Abschluss
des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens kann für diese Instanz kein vorläufiger Rechtsschutz mehr gewährt werden.
2. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein Anspruch auf den begehrten Multifunktionsrollstuhl bestehen dürfte.
Nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dabei umfasst die Krankenbehandlung gemäß § 27 Abs. 1 Satz
2 Nr. 3 die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln. Gemäß §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die
im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder
eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen
oder nach §
34 Abs.
4 SGB V ausgeschlossen sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege
nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen
zur Vorhaltung von Hilfsmittel und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon
unberührt (§
33 Abs.
1 Satz 2
SGB V).
Versicherte, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung die Fähigkeit zum selbstständigen Gehen und Sitzen verloren haben,
können hiernach zur Erhaltung ihrer Mobilität einen Rollstuhl als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen,
soweit Geh- und Sitzhilfen einfacherer und preiswerterer Art nicht ausreichen. Ein Multifunktionsrollstuhl ist kein allgemeiner
Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, weil er von Gesunden nicht benutzt wird. Multifunktionsrollstühle werden auch nicht
von der Regelung des §
34 Abs.
4 SGB V über den Ausschluss von Heil- und Hilfsmitteln von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis
erfasst. Die Versorgung mit einem Standardrollstuhl genügt bei der Beschwerdegegnerin nicht. Denn darin kann sie ausweislich
der Stellungnahmen der Hilfsmittelberaterin H vom 22.06.2010 und vom 16.07.2010 nicht sitzen. Insofern bedarf sie der Versorgung
mit einem Pflegerollstuhl, dessen Rückenlehne sich verstellen lässt, der aber nur innerhalb der Pflegeeinrichtung zur Verfügung
steht.
Der Multifunktionsrollstuhl ist zum Behinderungsausgleich im Sinne der dritten Variante des §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V erforderlich. Gegenstand des Behinderungsausgleichs im Sinne der dritten Variante des §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V sind nach der Rechtsprechung des BSG zunächst solche Hilfsmittel, die auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet
sind, also zum unmittelbaren Ersatz der ausgefallenen Organfunktionen dienen (BSG, Urteil vom 19.04.2007 - B 3 KR 9/06 R - juris Rn. 12; Urteil vom 17.01.1996 - 3 RK 16/95 - SozR 3-2500 § 33 Nr. 20; Urteil vom 17.01.1996 - 3 RK 38/94 - SozR 3-2500 § 33 Nr. 18). Ein Multifunktionsrollstuhl ersetzt nicht die bei der Klägerin ausgefallenen Funktionen (Sitzen
und Gehen). Er kompensiert diese ausgefallenen Funktionen nur teilweise; es handelt sich um einen Fall des mittelbaren Behinderungsausgleichs.
Dies reicht zur Begründung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung allein nicht aus. Wird eine Organfunktion
durch ein Hilfsmittel nicht für alle Lebensbereiche, sondern nur noch für bestimmte Lebensbereiche weitergehend ausgeglichen,
so kommt es nur dann zu einer weiteren Leistungsverpflichtung der Krankenversicherung, wenn es sich um Lebensbereiche handelt,
die zu den menschlichen Grundbedürfnissen zählen (BSG, Urteil vom 03.11.1999 - B 3 KR 3/99 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 34; Urteil vom 06.08.1998 - B 3 KR 3/97 R - SozR 3-2500 §
33 Nr.
29). Denn der Behinderungsausgleich im Sinne des §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V umfasst auch Hilfsmittel, welche die direkten und indirekten Folgen der Behinderung ausgleichen, wenn ihr Einsatz zur Lebensbetätigung
im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird (BSG, Urteil vom 19.04.2007 - B 3 KR 9/06 R - juris Rn. 12; Urteil vom 16.09.2004 - B 3 KR 19/03 R - BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 7).
Zu derartigen Grundbedürfnissen gehören die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Greifen, Sehen,
Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen
körperlichen und geistigen Freiraumes, der die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben umfasst (vgl. BSG, Urteil vom 19.04.2007
- B 3 KR 9/06 R - juris Rn. 12; Urteil vom 10.11.2005 - B 3 KR 31/04 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 10 Rn. 14; Urteil vom 23.07.2002 - B 3 KR 3/02 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 46).
Vorliegend ist das Grundbedürfnis der Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraumes zu bejahen. Denn die Beschwerdegegnerin
wird ausweislich der eidesstattlichen Versicherung vom 22.10.2010 von ihren in der Nähe wohnenden Familienangehörigen mindestens
einmal pro Woche besucht. Diese Erklärung ist unter Berücksichtigung des Vorbringens im Widerspruchsverfahren dahin zu verstehen,
dass damit die beabsichtigte Nutzung des Multifunktionsrollstuhls gemeint ist, der erst den Transfer in die Wohnung des Enkels
und den Aufenthalt im Freien ermöglicht. Bei diesen Besuchen soll sie regelmäßig entweder in die nur 300 m entfernt gelegene
Wohnung ihrer Angehörigen verbracht oder außerhalb der Pflegeeinrichtung ausgefahren werden. Dadurch wird es der Beschwerdegegnerin
ermöglicht, sich regelmäßig auch außerhalb der Pflegeeinrichtung - allerdings in deren Nahbereich - aufzuhalten. Zum körperlichen
Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen
Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die
- üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind, nicht
aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereich (BSG, Urteil vom 07.10.2010 - B 3 KR 13/09 - juris Rn. 18). Die 300 m entfernt
befindliche Wohnung ihrer Familienangehörigen gehört zum Nahbereich.
Der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin ursprünglich nur einmal pro Monat von ihrem Enkel ausgefahren wurde, steht dem nicht
entgegen, weil auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Beschlussfassung unter Berücksichtigung der zumindest beabsichtigten
Nutzung abzustellen ist.
Die Anwendung des §
33 SGB V ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beschwerdegegnerin zum Kreis pflegebedürftiger Personen nach §§
14,
15 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) gehört (Schwerstpflegebedürftigkeit nach Pflegestufe III) und der Rollstuhl auch der Erleichterung ihrer Pflege dient. Die
Versorgung mit Pflegehilfsmitteln gemäß §
40 Abs.
1 Satz 1
SGB XI bezieht sich nur auf die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln im häuslichen Bereich, nicht aber auf diejenige im hier maßgeblichen
stationären Bereich (BSG, Urteil vom 10.02.2000 - B 3 KR 26/99 R - SozR 3-2500 §
33 Nr. 37 S. 213 f.) und schließt einen Anspruch auf Hilfsmittel nach §
33 SGB V nicht grundsätzlich aus.
Der Versorgungsanspruch nach §
33 SGB V wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich die Klägerin in einem Pflegeheim befindet und dort vollstationär gepflegt
wird (vgl. BSG, Urteil vom 10.02.2000 - B 3 KR 26/99 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 37 S. 214; Urteil vom 28.05.2003 - B 3 KR 30/02 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 4 Rn. 6). Ihr pflegeversicherungsrechtlicher und heimvertraglicher Anspruch auf Pflege steht dem krankenversicherungsrechtlichen
Anspruch auf Versorgung mit einem eigenen Multifunktionsrollstuhl nicht entgegen, weil sie das Hilfsmittel regelmäßig auch
außerhalb des Pflegeheimes und des Heimgeländes benötigt. Der Heimträger hat lediglich für die Versorgung mit üblichen Hilfsmitteln
im Pflegeheim einschließlich des Heimgeländes einzustehen. Hilfsmittel, die der Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses
außerhalb des Pflegeheimes dienen, sind von der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung zu stellen, weil sie nicht
dem Bereich der vollstationären Pflege zuzurechnen sind (BSG, Urteil vom 10.02.2000 - B 3 KR 26/99 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 37 S. 216). Vorliegend sind keine Spazierfahrten an der frischen Luft auf dem Heimgelände betroffen,
sondern regelmäßige Aktivitäten außerhalb des Heimes. Sie können nicht mehr der Sphäre des Heimes und seinem Verantwortungsbereich
zugerechnet werden, auch wenn sie sich in dessen unmittelbarer Nähe abspielen. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).