Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung
Private Vorversicherung
Krankheitskostenvollversicherung
Tatbestand
Streitig ist die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten.
Der 1935 geborene Kläger war bis zum 30.09.1985 aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld Mitglied der Beklagten. Ab 01.10.1985
war er als freier Mitarbeiter in der Gaststätte seiner Ehefrau tätig. Der freiwilligen Krankenversicherung trat er nicht bei
und war über 20 Jahre lang nicht krankenversichert. Mit Wirkung zum 01.11.2005 schloss er einen privaten Krankenversicherungsvertrag
bei der Continentale Krankenversicherung ab. Die vertraglichen Ansprüche beinhalteten Leistungen bei stationärer Behandlung
sowie der Pflegeversicherung. Unter dem 28.10.2008 kündigte die Continentale Krankenversicherung den Versicherungsvertrag
wegen Nichtzahlung der Beiträge mit sofortiger Wirkung. Am 25.11.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Pflichtversicherung
nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 Buchst. a) Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V). Denn Antrag nahm er am 01.12.2008 zurück; gleichzeitig meldete seine Ehefrau ihn als Arbeitnehmer zur Sozialversicherung
an. Die Beklagte lehnte die Anmeldung mit der Begründung ab, dass der Kläger im Rahmen der familienhaften Mithilfe bei seiner
Ehefrau tätig sei (Bescheid vom 18.12.2008, Widerspruchsbescheid vom 04.03.2009). Am 09.01.2009 beantragte der Kläger bei
der Beklagten erneut die Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab, weil der Kläger
zuletzt nicht gesetzlich, sondern privat bei der Continentale Krankenversicherung krankenversichert gewesen sei (Bescheid
vom 13.01.2009, Widerspruchsbescheid vom 04.03.2009). Die gegen beide Entscheidungen beim Sozialgericht (SG) Aachen erhobenen Klagen - S 2 KR 10/09 und S 2 KR 13/09 - nahm der Kläger zurück.
Am 18.12.2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Mitgliedschaft nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V. Die Beklagte lehnte die Durchführung der Versicherung wiederum mit der Begründung ab, dass der Kläger zuletzt bei einer
privaten Krankenversicherung, der Continentale Krankenversicherung, versichert gewesen sei (Bescheid vom 20.12.2013). Ab dem
01.01.2009 seien nichtversicherte Personen, die zuletzt privat gegen Krankheit versichert gewesen seien und ihren privaten
Krankenversicherungsschutz in der Vergangenheit verloren hätten, verpflichtet, einen privaten Krankenversicherungsvertrag
abzuschließen. Die privaten Krankenversicherungsunternehmen müssten einen entsprechenden Basistarif anbieten.
Mit seinem Widerspruch führte der Kläger aus, zum Zeitpunkt der Anmeldung bei der privaten Krankenversicherung habe keine
Versicherungspflicht bestanden; der Vertrag habe vor der Kündigung durch die Versicherung auch keine fünf Jahre angedauert.
Der Basistarif sei keine Alternative, da es keinen Tarif für Rentner gebe. Er erhalte von der Deutschen Rentenversicherung
Bund eine Altersrente i.H.v. 68,00 EUR, die Unterstützung durch seine Ehefrau sei auf freies Wohnen und Unterhalt für den
täglichen Bedarf begrenzt.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 14.05.2014).
Der Kläger sei zuletzt bis zum 30.11.2008 privat gegen Krankheit bei der Continentale Krankenversicherung versichert gewesen.
Die vertraglichen Ansprüche hätten u.a. Leistungen bei stationärer Behandlung beinhaltet. Somit handele es sich um eine Krankheitskostenversicherung
i.S.d. § 178b Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Vor dem 01.04.2007 abgeschlossene Krankheitskostenversicherungen seien nach § 178a Abs. 5 VVG als Vollversicherungen zu behandeln. Damit scheide eine Versicherung nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 Buchst. a)
SGB V aus.
Mit seiner Klage vom 12.06.2014 hat der Kläger vorgetragen, er sei zurzeit nicht krankenversichert und habe seit dem 30.09.1985
keine gesetzliche Krankheitsvollversicherung für den allgemeinen Arztbesuch. Am 01.11.2005 habe er eine private Krankenhausversicherung
abgeschlossen, da er im Dezember 70 Jahre alt geworden sei und die Möglichkeit zur Aufnahme in die private Krankenversicherung
nur bis zum 70. Lebensjahr bestanden habe. Eine Krankheitsvollversicherung in der privaten Krankenversicherung sei für ihn
aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2014 zu verurteilen,
ihn als Mitglied aufzunehmen.
Die Beklagte hat ergänzend vorgetragen, aufgrund seiner am 01.04.2007 bestehenden privaten Krankheitskostenversicherung, die
nach § 178a Abs. 5 VVG als Krankheitskostenvollversicherung und damit als anderweitiger Krankenversicherungsschutz i.S.d. §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V gelte, sei die private Krankenversicherung für die Durchführung der Krankenversicherung des Klägers zuständig.
Das SG Aachen hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10.03.2015 abgewiesen. Der Kläger sei durch die angefochtene Entscheidung
nicht beschwert, denn diese sei rechtmäßig. Die Versicherungspflicht nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 Buchst. a)
SGB V, die vorliegend als einzige in Betracht komme, trete nur ein, wenn keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall vorliege
und die letzte eine solche in der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen sei. Der Kläger sei aber zuletzt privat krankenversichert
gewesen. Unerheblich sei, dass die von 2005 bis 2008 bei der Continentale Krankenversicherung bestehende Versicherung keine
Krankheitskostenvollversicherung gewesen sei. Der private Versicherer sei nunmehr verpflichtet, dem Kläger einen Krankenversicherungsschutz
anzubieten. Bei Unmöglichkeit eigener Beitragstragung habe der Kläger den Sozialhilfeträger in Anspruch zu nehmen.
Mit seiner gegen den am 17.03.2015 zugestellten Gerichtsbescheid gerichteten Berufung vom 16.04.2015 verfolgt der Kläger unter
Vertiefung seines Vorbringens sein Begehren weiter.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 10.03.2015 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides
vom 20.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2014 zu verurteilen, ihn als Mitglied aufzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Akten S 2 KR 10/09 und S 2 KR 13/09 SG Aachen sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte trotz des Ausbleibens des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, weil der Kläger ordnungsgemäß
zum Termin geladen und mit der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle seines Nichterscheinens verhandelt
und entschieden werden kann (§§
110 Abs.
1 Satz 2,
153 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)).
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 20.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2014 ist rechtmäßig und beschwert
den Kläger nicht (§
54 Abs.
2 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Aufnahme als versicherungspflichtiges Mitglied. Der Senat nimmt auf
die zutreffenden Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids des SG Bezug (§
153 Abs.
2 SGG) und führt ergänzend aus:
Als Anspruchsgrundlage kommt ausschließlich §
5 Abs.
1 Nr.
13 Buchstabe a)
SGB V in Betracht. Danach tritt die Versicherungspflicht ein, wenn der Betroffene keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall
hat und er zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen ist. Der Kläger war indes zuletzt privat krankenversichert. Unerheblich
ist, dass seine von 2005 bis 2008 bestehende Krankenversicherung bei der Continentale Krankenversicherung keine Krankheitskostenvollversicherung
war, sondern nur Leistungen bei stationärer Behandlung und bei Pflegebedürftigkeit beinhaltete. Denn derartige Krankheitskostenversicherungen
galten nach § 178a Abs. 5 Satz 3 VVG in der Fassung vom 26.03.2007 als Krankheitskostenvollversicherung im Sinne des § 178a Abs. 5 Satz 1 VVG (so auch die jetzt gültige Regelung in § 193 Abs. 3 VVG), der erstmals eine Krankheitskostenversicherung, die mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung
umfasst, vorsah. Zwar wurde so mit § 178a Abs. 5 Satz 1 VVG eine allumfassende Versicherungspflicht eingeführt, Altverträge sollten aber unangetastet bleiben (§ 178a Abs. 5 Satz 3 VVG). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.04.2012 - IV ZR 125/11 - (s. dazu auch BSG, Urteil vom 20.03.2013 - B 12 KR 14/11 R - zur Absicherung durch eine Auslandsversicherung) zu § 193 Abs. VVG ausgeführt:
"Die Vorschrift gilt für jeden vor dem 1. April 2007 abgeschlossenen Krankheitskostenversicherungsvertrag, und zwar unabhängig
von dessen Inhalt. Altversicherungsverträge genügen den Anforderungen an die Versicherungspflicht auch dann, wie der Gesetzesbegründung
unmissverständlich zu entnehmen ist, wenn sie den in § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG beschriebenen Mindestumfang des Versicherungsschutzes nicht erfüllen. Einer entsprechenden Anpassung an den gesetzlichen
Mindeststandard bedarf es nicht. Der Gesetzgeber wollte damit den Bestandsschutz dieser Verträge gewährleisten (BT-Drucks.
16/4247 S. 67; so auch: Boetius, Private Krankenversicherung § 193 Rn. 110, 111; Brömmelmeyer in Schwintowski/Brömmelmeyer, PK-VVG 2. Aufl. § 193 Rn. 29; MünchKomm-VVG/Kalis, § 193 Rn. 20 f.; Marko, Private Krankenversicherung 2. Aufl. B 14 ff.; Voit in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 193 Rn. 15). Es kommt danach nicht darauf an, ob die tariflichen Leistungen, welche die KVB dem Kläger gewährt, den gesetzlichen
Mindestumfang abdecken ..."
Unerheblich ist das Vorbringen des Klägers, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der privaten Krankenversicherung
keine umfassende Versicherungspflicht bestanden und dass der geschlossene Vertrag keine fünf Jahre angedauert hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).