Streit über die Anrechnung einer Aufwandsentschädigung auf das Elterngeld
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung
Prüfung der Frage, ob die an Fraktionsvorsitzende und kommunale Abgeordnete geleisteten Aufwandsentschädigungen sich Elterngeld
mindernd auswirken
Gründe
Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den 13. und 14. Lebensmonat (2.4. bis 1.6.2011) seines am 00.00.2010 geborenen Sohnes
M Elterngeld. Dieses berechnete der Beklagte aufgrund des vom Kläger aus nichtselbstständiger Tätigkeit erzielten Einkommens
sowie aufgrund der ihm als Ratsmitglied und als Fraktionsvorsitzender von der Gemeinde F gezahlten Aufwandsentschädigung.
Mit seinem Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die seinen Anspruch mindernde Berücksichtigung der Aufwandsentschädigung
im Bezugszeitraum des Elterngelds, weil die Aufwandsentschädigung kein Erwerbseinkommen im Sinne des BEEG darstelle. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13.5.2011).
Das hiergegen angerufene Sozialgericht Köln hat der Klage nur insoweit stattgegeben, wie auch der nicht einkommensteuerpflichtige
Anteil der Aufwandsentschädigung bei der Berechnung des Elterngeldes Berücksichtigung gefunden hat (Urteil vom 27.5. 2013).
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung macht der Kläger geltend, die Aufwandsentschädigung bezwecke lediglich
einen Ausgleich für die besonderen materiellen, ideellen, persönlichen und zeitlichen Beschwernisse durch die Wahrnehmung
des Ehrenamtes. Es entspreche daher der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wie auch des Bundesverwaltungsgerichts, derartige
Entgelte nicht als Einkommen im Rahmen der Gewährung von sozialrechtlichen Leistungen zu berücksichtigen.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung ist zulässig.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.5.2013 bedarf nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR nicht übersteigt und Leistungen für lediglich zwei Monate
im Streit stehen (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG). Mit dem angefochtenen Urteil hat das Sozialgericht lediglich die Klage in Höhe eines Differenzbetrages von 155,09 EUR für
zwei Monate (zusammen 310,18 EUR) abgewiesen.
Die Beschwerde ist aber nicht begründet, weil ein Zulassungsgrund im Sinne des §
144 Abs.
2 SGG nicht vorliegt.
Nach dieser Vorschrift ist die Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von
einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf
dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht
wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Keiner dieser Zulassungsgründe, die enumerativ sind, ist gegeben.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache im Sinne des §
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG, wenn sie eine bisher ungeklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit
zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Frehse in Jansen,
Sozialgerichtsgesetz, 4. Aufl., §
144 S. 17 m.w.N.). Ein Individualinteresse genügt dagegen nicht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl., §
144 Rn. 28 f. mit Rechtsprechungsnachweisen). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt insbesondere dann, wenn die Rechtsfrage bereits
geklärt ist und / oder wenn sie sich ohne weiteres aus den Rechtsvorschriften und / oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung
klar beantworten lässt (BSG, Beschl. v. 15.08.2012 - B 6 Ka 97/11 b = [...] Rn. 12 m.w.N. zur gleichlautenden Bestimmung des §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG). Nach diesen Grundsätzen fehlt vorliegend die Klärungsbedürftigkeit der von dem Kläger aufgeworfenen Frage, ob die an Fraktionsvorsitzende
und kommunale Abgeordnete geleisteten Aufwandsentschädigungen sich Elterngeld mindernd auswirken.
Nach der hier noch anzuwendenden Gesetzesfassung vom 6.12.2006 (BGBl. I S.2748) ist als das im Bezugszeitraum das Elterngeld
mindernde Einkommen aus selbständiger Arbeit der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser
Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung
verminderte Gewinn zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 3, 8 BEEG). Diese Regelung hat dem Wunsch des Bundesrates nach einem am Steuerrecht orientierten Einkommensbegriff des BEEG Rechnung getragen und auf die zuvor vorgesehene Anknüpfung an das SGB II verzichtet (BT-Drucks. 2785, S. 37 f). Es ist aber in ständiger finanzgerichtlicher Rechtsprechung geklärt, dass die den
ehrenamtlich tätigen Ratsmitgliedern der Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gezahlte Aufwandsentschädigung der Steuerpflicht
unterliegt, weil es sich um eine sonstige selbstständige Tätigkeit im Sinne des §
18 Abs.
1 Nr.
3 EStG handelt (BFH, Beschl. v. 13.6.2013 - III B 156/12; BFH, Beschl. v. 13.10.2006 - XI B 129/05; BFH, Urt. v. 3.12.1987 - IV R 41/85; FG Köln, Urt. v. 2.9.2005 - 5 K 1290/05, alle unter [...]). Der Umstand, dass die Tätigkeit eines Ratsmitglieds in erster Linie deshalb ausgeübt wird, um einem politischen
Auftrag gerecht zu werden, ändert nichts daran, dass im Hintergrund auch die Absicht besteht, eine Vergütung für diese Tätigkeit
zu erzielen (BFH, Urt. v.3.12.1987, a.a.O. Rn. 13). Eine solche Gewinnerzielungsabsicht als Nebenzweck ist jedoch für die
Steuerpflichtigkeit der Einnahmen ausreichend (BFH, a.a.O.).
Ebenso ist geklärt, dass das Finanzministerium NRW als oberste Landesbehörde befugt ist, durch Erlass grundsätzlich festzusetzen,
bis zu welcher Höhe die Aufwandsentschädigung steuerfrei ist (FG Köln, a.a.O. Rn. 17). Dabei ist dem Ratsmitglied unbenommen,
der Finanzbehörde nachzuweisen, dass seine (Betriebs)Aufwendungen höher sind, so dass gegebenenfalls eine Steuerpflichtigkeit
entfällt (BFH, Beschl. v. 13.6.2006, a.a.O.).
Diese Sichtweise verletzt auch nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.
3 Abs.
1 GG (vgl. auch BFH, Beschl. v. 13.6.2013, a.a.O.). Vielmehr begehrt der Kläger eine Privilegierung seiner Einkünfte. Soweit nämlich
die Aufwandsentschädigung die tatsächlichen Aufwendungen für das Ehrenamt übersteigen, dienen sie einem Ausgleich für entgangenen
Gewinn aus anderweitig sonst möglicher Erwerbstätigkeit. Denselben Zweck verfolgt aber auch das Elterngeld. Sähe man daher
die Aufwandsentschädigung insgesamt als steuerfrei an, erhielte das Ratsmitglied einen doppelten Ausgleich, wofür es keinen
rechtfertigenden Grund gibt.
Aus der vom Kläger in Bezug genommenen Rechtsprechung des BSG (Urt. v.18.1.1990 - 4 RA 17/89 und 23.7.1998 - B 11 AL 3/98 R, beide unter [...]) folgt nichts anderes. Zwar trifft es zu, dass danach die Tätigkeit eines Ratsmitgliedes weder als abhängige
noch als selbstständige Tätigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts angesehen worden ist (BSG, Urt. v. 23.7.1998, a.a.O. Rn. 14; ebenso BSG, Urt. v. 27.4.1982 - 1 RJ 72/81 = [...] Rn. 27). Diese Rechtsprechung, die zum Recht der Arbeitslosenhilfe und des Altersruhegelds ergangen ist, betraf aber
Gestaltungen, in denen nicht der Einkommensbegriff des Steuerrechts uneingeschränkt zum Tragen kam. Die dort aufgestellten
Grundsätze lassen sich daher nicht auf das Recht des Elterngelds übertragen.
Ob der Beklagte bzw. das Sozialgericht ansonsten die Berechnungsvorschriften ordnungsgemäß angewendet haben, ist im Rahmen
der vorliegenden Beschwerde dagegen nicht zu prüfen, weil lediglich eine vorläufige Bewilligung im Streit steht und sonstige
Berechnungsfehler gegebenenfalls gegenüber der endgültigen Festsetzung des Elterngelds eingewandt werden müssen.
Bei dieser Rechtslage verstößt die Entscheidung des Sozialgerichts auch nicht gegen höherrangige Rechtsprechung, weil sie
keinen von Letzterer abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat.
Da der Kläger schließlich auch keinen Verfahrensfehler gerügt hat, der im Übrigen auch nicht ersichtlich ist, ist seine Beschwerde
mit der auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Mit dieser Entscheidung, die nach §
177 SGG unanfechtbar ist, wird das Urteil des Sozialgerichts rechtskräftig (§
145 Abs.
4 S. 4
SGG).