Übernahme der außergerichtlichen Kosten eines Beschwerdeverfahrens im sozialgerichtlichen Verfahren gegen einen Ordnungsgeldbeschluss;
Beweislast beim Bestreiten des Zugangs einer Ladung
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgelds in Höhe von 300,00 EUR in einem Verfahren auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung, in dem er die Zustimmung zu einem Umzug und die Übernahme einer Mietkaution begehrte.
Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) durch den Antragsgegner des dem Ordnungsgeldbeschluss zugrunde liegenden Verfahrens. Seit Dezember 2012 wohnte er in einer
Wohnung unter der Anschrift M-gasse in N. Die Bruttowarmmiete für diese Wohnung belief sich auf monatlich 332,00 EUR. Der
Antragsgegner berücksichtigte 321,15 EUR. Die über diesem Betrag liegenden Kosten erachtete er als unangemessen. Nach dem
Vorbringen des Beschwerdeführers hatte dieser nach dem Einzug massive Feuchtigkeit und Schimmel festgestellt und deren Beseitigung
durch seinen Vermieter vergeblich verlangt.
Am 8. März 2013 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung der Zusicherung zur Übernahme der Kosten der Unterkunft und
Heizung einer Wohnung am H.-v -St.-P. im selben Ort. Der Antragsgegner lehnte die Erteilung der Zusicherung mit Bescheid vom
18. März 2013 ab und bestätigte seine Entscheidung nach Einlegung eines Widerspruchs durch den Beschwerdeführer durch Widerspruchsbescheid
vom 26. März 2013. Die Aufwendungen für die Unterkunft seien nach seinen Verwaltungsrichtlinien zwar angemessen. Eine Mitarbeiterin
des Gesundheitsamts habe die Wohnung in der M-gasse aber am 6. März 2013 besichtigt. Diese habe leichte Verfärbungen an den
Wänden, jedoch kein massives Schimmelwachstum bestätigt. Da derzeit keine Gesundheitsgefährdung bestehe, sei ein Umzug nicht
notwendig.
Nachdem die Wohnung am H.-v.-St -P. anderweitig vermietet worden war, beantragte der Beschwerdeführer am 4. April 2013 die
Erteilung der Zusicherung zur Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung einer Wohnung in der G -S -Straße., ebenfalls
in N. Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers wurde ihm bei dieser Antragstellung mitgeteilt, dass er "sich keine Hoffnungen
auf eine Bewilligung seines Antrages machen dürfe".
Ebenfalls am 4. April 2013 stellte der Beschwerdeführer - inzwischen anwaltlich vertreten - beim Sozialgericht Halle den sinngemäß
auf die Erteilung der Zusicherung für die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung zu der Wohnung in der G -S.-Straße
und die Übernahme der Mietkaution für diese Wohnung in Höhe von 478,00 EUR durch den Antragsgegner gerichteten Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren.
Mit Verfügung vom 2. Mai 2013 beraumte das Sozialgericht unter Anordnung des persönlichen Erscheinens des Beschwerdeführers
einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage auf den 5. Juni 2013 an. Die Ladung an den Beschwerdeführer wurde mit
einfachem Brief ausgeführt. Der Beschwerdeführer und sein gegen Zustellnachweis durch Empfangsbekenntnis geladener Prozessbevollmächtigter
erschienen zum Termin auch bei nochmaligem Aufruf der Sache eine Viertelstunde nach Terminsbeginn nicht. Nach der Niederschrift
zum Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage blieb die Verhängung eines Ordnungsgelds ausdrücklich vorbehalten. Mit
Verfügung vom 6. Juni 2013 übersandte das Sozialgericht die Niederschrift zum Termin an den Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers
zur Kenntnisnahme, bat (nochmals) um Mitteilung, ob der Rechtsstreit sowohl hinsichtlich der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes
als auch bezüglich der beantragten Prozesskostenhilfe weiter betrieben werde und teilte mit, die Verhängung eines Ordnungsgelds
gegen den Beschwerdeführer zunächst zurückzustellen. Am 14. Juni 2013 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers,
dieser habe sich nicht wieder gemeldet, weitergehende Erklärungen seien daher nicht möglich.
Das Sozialgericht lehnte die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss
vom 28. Juni 2013 ab. Weiterer Schriftwechsel mit den Beteiligten war bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt.
Schon mit Beschluss vom 25. Juni 2013 hat das Sozialgericht gegen den Beschwerdeführer wegen seines Nichterscheinens "trotz
ordnungsgemäßer Ladung" ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 EUR festgesetzt. Nähere Ausführungen zum Nachweis des Zugangs
der Ladung oder zu wegen der Höhe des Ordnungsgelds ausgeübtem Ermessen enthält der Beschluss nicht. Der Beschluss ist am
1. Juli 2013 zugestellt worden.
Am 1. August 2013 hat der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss eingelegt. Er habe die Ladung nicht
erhalten. Zur weiteren Begründung hat der Beschwerdeführer am 14. August 2013 auf Nachfrage der Berichterstatterin ausgeführt:
Er sei vor etwa zwei Monaten umgezogen. Dass ihm die Ladung nicht zugegangen sei, könne er sich nur durch den desolaten Zustand
des Briefkastens in der M.-gasse erklären, der praktisch nicht mehr verschließbar und trotz eigener Reparaturversuche ständig
von Unbekannten aufgebrochen und verbogen gewesen sei. Auch andere Post habe er deshalb nicht erhalten. Auf seine diversen
Mängelrügen habe der Vermieter nicht reagiert.
Der Beschwerdeführer beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Halle 25. Juni 2013 aufzuheben.
Der Beschwerdegegner hat keine Stellung genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen. Ihr Inhalt war Gegenstand
der Beratung des Senats.
II.
Rechtsgrundlage für die Verhängung eines Ordnungsgelds ist §
202 SGG in Verbindung mit §
141 Abs.
3 ZPO. Hiernach kann das Gericht gegen einen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, ein Ordnungsgeld wie gegen
einen nicht erschienen Zeugen festsetzen, wenn er im Termin ausbleibt. Dies gilt gemäß §
141 Abs.
3 ZPO nicht, wenn der Beteiligte zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und
zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss ermächtigt ist. Der Beteiligte ist gemäß §
141 Abs.
3 Satz 3
ZPO auf die Folgen seines Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.
Offen bleiben kann, ob der Beschwerdeführer die Ladung nicht erhalten hat. Zwar bedarf die Ladung gemäß §
141 Abs.
2 Satz 2 Halbs. 2
ZPO keiner Zustellung. Sie sind aber gemäß §
63 Abs.
1 Satz 2
SGG bekannt zu geben. Erfolgt die Ladung dennoch im Wege förmlicher Zustellung, erleichtert das den Nachweis der Bekanntgabe
und räumt den Vorwurf einer Verletzung rechtlichen Gehörs aus (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG. Kommentar, 10. Aufl., § 63 Rn. 3b). Zur Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs hat das Bundessozialgericht (BSG) ausgeführt, in Fällen der "schlichten" Bekanntgabe der Ladung sei nicht immer von einer Verletzung des §
62 SGG auszugehen, wenn von Seiten eines Beteiligten behauptet werde, die Ladung nicht erhalten zu haben. Ob dies zuträfe, habe
das Gericht von Amts wegen zu prüfen. Dabei sei es nicht an die allgemeinen Vorschriften über das Beweisverfahren gebunden,
sondern entscheide im Wege des sogenannten Freibeweises. Dies gelte für alle prozessualen Komponenten des Verfahrens und damit
auch für die Frage, ob eine ordnungsgemäße Ladung der Beteiligten erfolgt sei (vgl. BSG, Beschluss vom 1. Oktober 2009 - B 3 P 13/09 B - juris, Rn. 7c m.w.N.). Es bestehen keine Bedenken, die Ausführungen zum Freibeweis auch auf die Frage des Zugangs der Ladung
bei der Entscheidung über einen Ordnungsgeldbeschluss zu übernehmen (vgl. dazu Bayerisches LSG, Beschluss vom 1. Februar 2010
- L 2 R 312/09 B - juris, Rn. 16).
Vorliegend bestehen nach den Darlegungen des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren weiterhin Zweifel, ob dieser die Ladung
erhalten hat. Ausweislich der Gerichtsakte ist kein Postrücklauf erfolgt. Dies mag sich daraus erklären, dass wegen des vorhandenen
Briefkastens ein Einwurf möglich war. Dann ist die formlose Ladung des Beschwerdeführers aber in seinen Machtbereich gelangt
und ihm bekannt gegeben worden (§
130 Bürgerliches Gesetzbuch analog); Mängel der Empfangsvorrichtung muss er sich zurechnen lassen. Ob von einem solchen Sachverhalt auszugehen ist, ist
zweifelhaft. Diese Zweifel müssen gleichwohl nicht durch weitere Sachaufklärung ausgeräumt werden.
Auch wenn wegen des Zugangs der Ladung und unzureichender Entschuldigung des Nichterscheinens vom Vorliegen der tatbestandlichen
Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgelds auszugehen wäre, hätte die Verhängung des Ordnungsgeldes bei einer
rechtmäßigen Ermessensausübung durch das Sozialgericht unterbleiben müssen.
Der beim Sozialgericht zuständige Kammervorsitzende hatte mit der Ladung zum Termin das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers
zwar angeordnet. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens zur Sachaufklärung steht - wie die Festsetzung des Ordnungsgelds
- grundsätzlich im Ermessen des zuständigen Richters. Bei der Ausübung des dem Gericht hinsichtlich der Festsetzung eines
Ordnungsgeldes eingeräumten Ermessens ist der Sinn und Zweck einer solchen Maßnahme zu beachten. Sinn und Zweck der Vorschrift
des §
141 Abs.
3 ZPO ist nicht, eine vermeintliche Missachtung des Gerichts zu ahnden, sondern die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern (Bundesverfassungsgericht
(BVerfG), Beschluss vom 10. November 1997 - 2 BvR 429/97 - NJW 1998, 892, 893; Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 22. Juni 2011 - I ZB 77/10 - NJW-RR 2011, 1363, m.w.N.; Bundesarbeitsgericht (BAG), Beschluss vom 20. August 2007 - 3 AZB 50/05 - NJW 2008, 252; jeweils zitiert nach juris). Maßgeblich ist, ob sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der zuständige Richter sich bei seiner
Entscheidung zur Anordnung des persönlichen Erscheinens von der Vorstellung hat leiten lassen, es bedürfe weiterer Sachverhaltsaufklärung,
weil die Sache noch nicht entscheidungsreif sei.
An solchen Anhaltspunkten fehlt es hier. Schon mit Verfügung vom 15. April 2013 hatte der Kammervorsitzende auf die Unzulässigkeit
eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hingewiesen und ausgeführt, der Antragsteller möge umziehen. Die Frage,
ob und in welcher Höhe der Antragsgegner verpflichtet wäre, die Aufwendungen für eine neue Unterkunft zu übernehmen, sei in
einem gesonderten Hauptsacheverfahren zu klären. Sollte der Antrag nicht zurückgenommen werden, werde um einen bezifferten
Antrag gebeten. Aus diesen Darlegungen des Sozialgerichts ergibt sich die aus seiner Sicht bestehende Entscheidungsreife des
Antrags aus Rechtsgründen schon vor der Ladung zum Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage. Bis auf die (erneute) Anfrage
zu einer Rücknahme der Anträge auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der darauffolgenden
Entscheidung mit Beschluss vom 28. Juni 2013 hatte das Sozialgericht auch im Anschluss an den Termin keinen weiteren Klärungsbedarf,
der dem Akteninhalt zu entnehmen wäre.
Da der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde gegen das Ordnungsgeld erfolgreich ist, fallen die Kosten der Staatskasse in
entsprechender Anwendung von § 46 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) i.V.m §
467 Abs.
1 Strafprozessordnung (
StPO) zur Last (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18. März 2013 - L 5 AS 161/13 - www.sozialgerichtsbarkeit.de, m.w.N.). Der Senat verbleibt in diesem Zusammenhang bei der rechtlichen Bewertung des Beschwerdeverfahrens
über die Verhängung eines Ordnungsgeldes als nicht kontradiktorisch ausgestaltetes Verfahren (vgl. Senatsentscheidung vom
24. April 2013 - L 2 AS 465/12 B - juris, Rn. 16 m.w.N.). Gleichwohl ergibt sich daraus jedenfalls in Verfahren nach §
183 SGG nicht, dass über die Kosten des Beschwerdeverfahrens keine gesonderte Entscheidung zu ergehen hat. Die gegenteilige Ansicht
(vgl. u.a. Senatsentscheidung vom 24. April 2013, aaO.) hält der Senat nicht aufrecht. Das
SGG unterscheidet anders als die
ZPO bei Verfahren nach §
183 SGG mit hinsichtlich der Tragung von Gerichtskosten privilegierten Beteiligten zwischen den Gerichtskosten, zu deren Tragung
die als Kläger und Beklagter Beteiligten grundsätzlich nicht verpflichtet werden können, und den notwendigen außergerichtlichen
Kosten der Beteiligten. Diese sind, sofern nicht das Gericht diese Kosten im Rahmen des §
193 Abs.
1 Satz 1
SGG einem anderen Beteiligten auferlegt, grundsätzlich durch den Beteiligten selbst zu tragen. Hiervon abweichend ordnet §
191 Satz 1
SGG die Kosten des Beteiligten bei angeordnetem persönlichen Erscheinen den gerichtlichen Kosten zu, obwohl es sich der Sache
nach um außergerichtliche Kosten handelt. Das Gesetz geht davon aus, dass die Anhörung eines Beteiligten nicht nur in dessen
Interesse, sondern auch im öffentlichen Interesse liegt. Denn die Anhörung dient der Ermittlung des Sachverhalts, die wiederum
Aufgabe des Gerichts ist (Knittel in Hennig,
SGG, Kommentar, Stand Einzelkommentierung 16/August 2009, §
191 Rn. 2). Veranlasst wird die Zuordnung durch die gerichtliche Entscheidung, den Beteiligten im Zuge der Sachaufklärung hören
zu wollen. In Konsequenz dieses im
SGG verankerten Rechtsgedankens sind die notwendigen außergerichtlichen (Anwalts-) Kosten des nach §
183 SGG privilegierten Beteiligten im Rahmen der erfolgreichen Beschwerde gegen die Auferlegung eines Ordnungsgelds in entsprechender
Anwendung von § 46 OWiG i.V.m §
467 Abs.
1 StPO von der Landeskasse zu übernehme. In diesem Fall sind die Kosten des Beteiligten Folgekosten der gerichtlichen Entscheidung
im Zusammenhang mit der Anordnung seines persönlichen Erscheinens. Dies gilt, obwohl die Verhängung eines Ordnungsgelds wegen
des Nichterscheinens eines Beteiligten zum Termin trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens gerade kein (prozessuales)
Fehlverhalten sanktionieren, sondern der Prozessförderung dienen soll. Eine entsprechende Anwendung des §
191 Satz 1
SGG scheidet aus, weil die auf diese Weise den Gerichtskosten zugeordneten Kosten auf der Rechtsfolgenseite auf bare Auslagen
und Zeitverlust beschränkt sind.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angegriffen werden, §
177 SGG.