Impfschadensrecht; Impfstudie; Kausalität; Kombinationsimpfstoff; Kombinationsimpfung; Schutzimpfung; Ursächlicher Zusammenhang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Versorgung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) wegen gesundheitlicher Folgen von Schutzimpfungen.
Die 2002 geborene Klägerin wurde am 30. Mai 2002, am 27. Juni 2002 und am 1. August 2002 gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis,
Haemophilus influenzae b, Polio und Hepatitis B sowie gegen Meningokokken geimpft. Die Impfung erfolgte mit einem zugelassenen
6-fach-Kombinations-Impfstoff. Gleichzeitig, aber in Form einer gesonderten Injektion, erfolgte im Zusammenhang mit der Teilnahme
der Klägerin an einer Impfstudie (Studie der Phase II) die Impfung zum Schutz vor Meningokokken mit einem nicht zugelassenen
Impfstoff. Die Impfung gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Haemophilus influenzae b, Polio und Hepatitis B war durch Erlass
des damaligen Schleswig-Holsteinischen Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 28. Juli 1999 (Amtsblatt für Schleswig-Holstein
1999, S. 428) empfohlen worden. Die Empfehlung zur Impfung zum Schutz vor Meningokokkeninfektionen war dagegen auf gefährdete
Personen beschränkt. Nach der genannten schleswig-holsteinischen öffentlichen Empfehlung galten Schutzimpfungen auch als öffentlich
empfohlen, wenn sie "als Kombinationsimpfung durchgeführt" werden und alle Einzelkomponenten öffentlich empfohlen sind.
Bei einer am 2. September 2002 durchgeführten Vorsorgeuntersuchung (U 5) wurden bei der Klägerin - anders als bei den vorangegangenen
Vorsorgeuntersuchungen - Entwicklungsverzögerungen festgestellt. Es folgten stationäre Behandlungen u.a. aufgrund von epileptischen
Anfällen. Die Klägerin ist inzwischen behindert mit einem Grad der Behinderung von 100. Von der Pflegekasse wurde die Pflegestufe
III anerkannt.
Am 30. Oktober 2003 beantragte die Klägerin Versorgung nach dem IfSG. Das beklagte Land holte eine Auskunft des damals behandelnden Kinderarztes Dr. J. vom 20. November 2003 ein und zog verschiedene
Berichte zu stationären Behandlungen der Klägerin bei. Mit Bescheid vom 11. März 2004 lehnte das beklagte Land den Antrag
der Klägerin mit der Begründung ab, dass die Klägerin im Rahmen einer Impfstudie und damit nicht mit einem in Deutschland
von der Zulassungsbehörde zugelassenen Impfstoff geimpft worden sei.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, dass sie bzw. ihre Eltern weder durch den impfenden
Arzt noch durch eine Behörde darüber informiert worden seien, dass die Impfung nicht öffentlich empfohlen gewesen sei. Damit
sei der Rechtsschein der öffentlichen Empfehlung geschaffen worden. Ferner begründete die Klägerin näher, dass die Schädigung
ursächlich auf die Impfung zurückzuführen sei. Im Widerspruchsverfahren holte das beklagte Land Auskünfte des Kreises Nordfriesland
sowie des damaligen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein zu der Frage
ein, ob zum Zeitpunkt der Impfung der Klägerin eine Empfehlung zur Impfung gegen Meningokokken bestanden habe. Ferner holte
das beklagte Land eine Auskunft der Firma G. GmbH & Co KG vom 26. Juli 2004 zu dem verwendeten Impfstoff ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2004 wies das beklagte Land den Widerspruch der Klägerin im Wesentlichen aus den
Gründen des angefochtenen Bescheides zurück. Die Nachfrage bei der Firma G. GmbH & Co KG habe bestätigt, dass für die Impfung
ein noch zu erprobender nicht zugelassener Impfstoff verwendet worden sei. Damit sei die Impfung von der öffentlichen Empfehlung
nicht erfasst. Darüber hinaus gelte die Empfehlung bei Kombinationsimpfungen nur, wenn alle Einzelkomponenten öffentlich empfohlen
seien. Auch diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil für die Klägerin keine Impfung gegen Meningokokken empfohlen sei.
Die Empfehlung beschränke sich auf gefährdete Personen wie Laborpersonal. Die Klägerin gehöre diesem Personenkreis nicht an,
und auch die für den Wohnort der Klägerin zuständige Gesundheitsbehörde habe eine entsprechende Empfehlung nicht ausgesprochen.
Dagegen hat sich die Klägerin mit der am 13. Oktober 2004 erhobenen Klage gewandt, zu deren Begründung sie ihr Vorbringen
aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft hat.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 11. März 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2004 aufzuheben und den Beklagten
zu verurteilen, die Folgen der Impfungen bei der Klägerin vom 30. Mai, 27. Juni und 1. August 2002 als Impfschaden anzuerkennen
und eine Versorgung zu gewähren.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 7. Juni 2006 hat das Sozialgericht Schleswig die Klage aus den Gründen des angefochtenen Widerspruchsbescheides
und unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. Juli 2005 (B 9a/9 VJ 2/04 R - BSGE 95, 66 = SozR 4-3851 § 20 Nr. 1) abgewiesen.
Gegen das ihr am 2. August 2006 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am Montag, den 4. September 2006 beim
Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung, zu deren Begründung sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren
und dem Klageverfahren wiederholt und weiter vertieft. Das Sozialgericht habe insbesondere die Erwägungen zum Rechtsschein
einer öffentlichen Empfehlung nicht hinreichend gewürdigt. Anders als in dem Fall, der der Entscheidung des Bundessozialgerichts
vom 20. Juli 2005 zugrunde gelegen habe, habe es vorliegend durchaus einen mit Billigung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft
gesetzten Rechtsschein gegeben, dass die Impfung jedenfalls hinsichtlich der sechs traditionellen Impfstoffe auf eine öffentliche
Empfehlung zurückgehe. In der der Klägerin erteilten Patienteninformation heiße es wörtlich:
"Sie möchten Ihr Kind durch die derzeit empfohlenen Impfungen vor Diphtherie, Wundstarrkrampf, Keuchhusten, Hepatitis B, Kinderlähmung
und Haemophilus influenzae Typ b (Hib)-Erkrankung schützen. Ihr Arzt hat Sie heute darauf aufmerksam gemacht, dass Sie Ihr
Kind in diesem Zusammenhang auch an einer wissenschaftlichen Impfstudie teilnehmen lassen können, in der Ihr Kind außerdem
noch einen Impfschutz gegen die Erkrankungen durch Meningokokken des Types C, des Erregers einer Hirnhautentzündung erhält.
Diese Ihnen angebotene Studie ist von der für Ihren Arzt zuständigen Ethik-Kommission geprüft und zustimmend bewertet worden.
Sie wird entsprechend der derzeit gültigen Gesetze und Richtlinien für klinische Forschung durchgeführt."
Aus diesem Zitat werde deutlich, dass ihr der Eindruck vermittelt worden sei, sie mache mit der Teilnahme an der klinischen
Prüfung nichts anderes als die Durchführung der öffentlich empfohlenen Impfung und dann zusätzlich noch etwas Besseres. Die
Information könne von einem Laien nur so verstanden werden, dass der öffentlich empfohlene Impfstoff eingesetzt werde und
noch etwas mehr. Darüber hinaus werde auf die zuständige Ethik-Kommission Bezug genommen und damit auf eine Körperschaft des
öffentlichen Rechts. Wie aus einem in Bezug genommenen Schreiben der Bayerischen Landesärztekammer - Ethik-Kommission - vom
22. November 2001 hervorgehe, habe sich die Ethik-Kommission auch mit der Elterninformation befasst. Sie habe Einfluss auf
die Formulierung der Patienteninformation genommen. Da die Ethik-Kommission als gesetzlich vorgesehene Prüfinstanz und Teil
einer Körperschaft öffentlichen Rechts auch aus öffentlich-rechtlicher Warte heraus die Patienteninformation geprüft und den
mit dieser Information erweckten Rechtsschein einer öffentlichen Empfehlung hingenommen habe, müsse nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts das beklagte Land diesen Rechtsschein gegen sich gelten lassen. Auch die für den Prüfarzt zuständige
Ethik-Kommission der Ärztekammer Schleswig-Holstein habe diese Art der Information akzeptiert. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen,
dass die Schädigung nicht auf die Impfung gegen eine Meningokokkenerkrankung, sondern auf die Bestandteile des Impfstoffs
zurückzuführen sei, für die eine öffentliche Empfehlung ausgesprochen worden sei.
Mit Urteil vom 24. Juli 2007 hat der Senat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts im Wesentlichen mit
der Begründung zurückgewiesen, dass die durchgeführte Impfung gegen Menigokokkeninfektionen nicht der in Schleswig-Holstein
zum Zeitpunkt der Durchführung der Impfung geltenden öffentlichen Empfehlung entsprochen habe, weil sie nur für gefährdete
Personen ausgesprochen worden sei und die Klägerin nicht dem gefährdeten Personenkreis angehört habe. Damit habe die durchgeführte
Kombinationsimpfung eine nicht empfohlene Einzelkomponente enthalten und bereits aus diesem Grunde habe es sich nicht um eine
öffentlich empfohlene Impfung gehandelt. Darüber hinaus werde die öffentliche Empfehlung davon abhängig gemacht, dass Impfstoffe
verwendet würden, die vom Bundesamt für Sera und Impfstoffe freigegeben worden seien. Auch diese Voraussetzung sei im vorliegenden
Fall nicht erfüllt, weil für die Durchführung der Impfstudie kein zugelassener Impfstoff verwendet worden sei.
Auf die hiergegen zum Bundessozialgericht (BSG) erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat das BSG mit Beschluss vom 24. April 2008 die Revision zugelassen. Das BSG hat eine Auskunft der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom 26. März 2009 zur Frage der Befassung der Ethikkommission der Ärztekammer
Schleswig-Holstein mit der Impfstudie, an der die Klägerin teilgenommen hatte, eine Auskunft des Robert Koch-Instituts vom
20. April 2009 zur Bedeutung des Begriffs der "Kombinationsimpfung" und eine Auskunft der Firma G. vom 23. April 2009 zu den
verwendeten Impfstoffen eingeholt.
Mit Urteil vom 23. April 2009 (B 9 VJ 1/08 R) hat das BSG die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht (LSG) zurückverwiesen. Es ergäben sich Anhaltspunkte
dafür, dass der Klägerin - abweichend von den bindenden Feststellungen im Urteil des Senats - nicht ein Siebenfachimpfstoff
injiziert worden sei, sondern ein zugelassener Sechsfachimpfstoff und zusätzlich ein nicht zugelassener Einzelwirkstoff gegen
Menigokokken-Infektionen. Sollte dies zutreffen, wäre fraglich, ob eine solche Doppelinjektion von dem Begriff der Kombinationsimpfung
aus der damals in Schleswig-Holstein geltenden öffentlichen Empfehlung umfasst werde. Das LSG werde im wiedereröffneten Berufungsverfahren
dieser Frage nachzugehen und die erforderlichen Feststellungen zum Landesrecht zu treffen haben. Ausgehend von den für das
BSG bindenden Feststellungen habe das LSG zu Recht entschieden, dass ein gesetzlicher Versorgungsanspruch der Klägerin ausscheide.
Gleichwohl könne die Klage begründet sein. Nach ständiger Rechtsprechung sei dem Tatbestand einer öffentlichen Empfehlung
der Rechtsschein einer solchen Empfehlung unter bestimmten Voraussetzungen gleichzusetzen. Das LSG habe es für möglich gehalten,
dass durch die bei der Impfstudie verwendete schriftliche Elterninformation der falsche Eindruck erweckt worden sei, mit der
Teilnahme an der Studie werde einer öffentlichen Impfempfehlung entsprochen. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Impfschadensanspruch
kraft Rechtsscheins bestehe, sei das LSG jedoch von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen. Ausgehend von der nicht
zutreffenden Auffassung, nach der eine Ethik-Kommission für die Zurechnung des Rechtsscheins einer öffentlichen Impfempfehlung
von vornherein nicht in Betracht komme, habe das LSG keine Feststellungen zu einem Verstoß gegen Überwachungspflichten oder
dazu getroffen, ob Versäumnissen der Ethik-Kommission dem Schleswig-Holsteinischen Gesundheitsministerium zuzurechnen seien.
Das LSG werde die fehlenden Feststellungen zum Vorliegen eines Rechtsscheintatbestandes und auch zu den sich ggfs. stellenden
weiteren Fragen des Vorliegens eines Impfschadens zu treffen haben.
Im wieder eröffneten Berufungsverfahren macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die bei ihr vorliegenden Gesundheitsschäden
ursächlich auf die durchgeführten Impfungen zurückzuführen seien. Dazu bezieht sich die Klägerin auf die vorgelegten Gutachten
der Ärztin für Mikrobiologie Dr. B. vom 8. Mai 2006 und vom 23. Juli 2009 sowie das Gutachten des Arztes Dr. H. vom 13. November
2011. Die davon abweichende Beurteilung in dem von Amts wegen durch das Gericht eingeholten Gutachten des Kinderarztes und
Neuropädiaters Prof. Dr. S. und des auf Antrag der Klägerin nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) eingeholten Gutachtens des Kinderarztes Prof. Dr. Sa. mit dem Zusatzgutachten des Neuroradiologen Prof. Dr. Ga. und deren
ergänzende Stellungnahmen seien ebenso wie das aus dem Verfahren um Zahlungen aus der Versicherung des Pharmaunternehmens
vorgelegte Gutachten des Kinderarztes und Neuropädiaters Prof. Dr. K. vom 20. Dezember 2006 nicht überzeugend. Das Gutachten
von Prof. Dr. Sa. sei nicht frei von Widersprüchen, weil dieser eine Mitochondriopathie in seinem Gutachten vom 28. Juni 2011
für unwahrscheinlich oder sogar fast ausgeschlossen erklärt habe, dagegen in seiner Stellungnahme vom 19. März 2012 doch wieder
Hinweise für das Vorliegen einer solchen Erkrankung benenne. Soweit der Sachverständige Prof. Dr. Sa. davon ausgehe, dass
Impfschäden generell sehr selten seien und daraus folgere, dass die Impfung als Ursache auch vorliegend unwahrscheinlich sei,
sei seine Argumentation zirkelschlüssig. Für einen ursächlichen Zusammenhang sprächen hier insbesondere der zeitliche Zusammenhang
zwischen den Impfungen und dem Auftreten der Erkrankung sowie die Tatsache, dass eine andere Ursache der Erkrankung nicht
feststellbar sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 7. Juni 2006 sowie den Bescheid des beklagten Landes vom 11. März 2004 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2004 aufzuheben und das beklagte Land zu verurteilen, ihr wegen der Folgen
der Impfungen vom 30. Mai 2002, vom 27. Juni 2002 und vom 1. August 2002 Versorgung auf der Grundlage des § 60 Abs. 1 IfSG zu gewähren.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
und führt zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die bei der Klägerin durchgeführten Impfungen nicht als Kombinationsimpfung
unter Verwendung des Impfstoffs gegen Meningokokken anzusehen seien. Vielmehr sei von der Verwendung jeweils eines zugelassenen
6-fach-Kombinationsimpfstoffs und parallel einer weiteren Impfung mit einem noch nicht zugelassenen Impfstoff auszugehen.
Einem Anspruch der Klägerin stehe jedoch entgegen, dass die
vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Impfung zurückgeführt werden könnten.
Der Senat hat umfangreiche die Klägerin betreffende medizinische Unterlagen beigezogen. Dazu wird auf Bl. 224 bis Bl. 357
der Gerichtsakte verwiesen. Ferner hat der Senat von Amts wegen Gutachten des Prof. Dr. S. vom 25. Oktober 2010 mit einer
ergänzenden Stellungnahme vom 19. Dezember 2010, auf Antrag der Klägerin nach §
109 SGG das Gutachten des Prof. Dr. Sa. vom 28. Juni 2011 mit einer ergänzenden Stellungnahme vom 19. März 2012 und das neuroradiologische
Zusatzgutachten des Prof. Dr. Ga. vom 22. Juni 2011 mit einer ergänzenden Stellungnahme vom 13. März 2012 eingeholt. Wegen
des Inhalts der Gutachten wird auf Blatt 447 bis Blatt 482, Blatt 500 bis Blatt 508 und Blatt 552 bis Blatt 582 der Gerichtsakte
verwiesen.
Die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten des beklagten Landes und die Prozessakte haben dem Senat vorgelegen. Diese
sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung wegen eines Impfschadens.
Ob der geltend gemachte Anspruch der Klägerin besteht, richtet sich nach § 60 Abs. 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I, 1045). § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG bestimmt:
Wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die
1.
von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde,
2.
auf Grund dieses Gesetzes angeordnet wurde,
3.
gesetzlich vorgeschrieben war oder
4.
aufgrund der Verordnung zur Ausführung der internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist,
eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen
der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG (Bundesversorgungsgesetz), soweit das IfSG nichts Abweichendes bestimmt. Nach § 2 Nr. 11 Halbsatz 1 IfSG ist ein Impfschaden im Sinne dieses Gesetzes die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß
einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung.
Nach den durch das BSG durchgeführten Ermittlungen in Gestalt der nach seiner Entscheidung dort eingegangenen Auskunft der Firma G. GmbH & Co. KG
vom 23. April 2009 und aufgrund der vom Senat eingeholten Auskunft des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit des
Landes Schleswig-Holstein vom 28. Januar 2010 geht der Senat - in Übereinstimmung mit beiden Beteiligten - davon aus, dass
der Klägerin nicht ein nicht zugelassener 7-fach-Kombinationsimpfstoff geimpft worden ist, sondern ein zugelassener 6-fach-Kombinationsimpfstoff
und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit - jedoch in Form einer gesonderten Injektion - im Rahmen der Studie ein
nicht zugelassener Impfstoff gegen Meningokokken. Ferner geht der Senat ebenfalls in Übereinstimmung mit beiden Beteiligten
aufgrund der vom Senat eingeholten Auskunft des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein
vom 28. Januar 2010 davon aus, dass der Verwendung des Begriffs der Kombinationsimpfung in der öffentlichen Empfehlung des
Landes Schleswig-Holstein vom 28. Juli 1999 eine begriffliche Unschärfe zugrunde liegt und dass der Begriff als Synonym für
den eindeutig definierten Begriff des Kombinationsimpfstoffs verwendet worden war. In den seit dem Jahr 2004 in Schleswig-Holstein
geltenden öffentlichen Empfehlungen wird dem entsprechend der Begriff des Kombinationsimpfstoffs und nicht mehr der Begriff
der Kombinationsimpfung verwendet. Mit dieser Änderung der Begrifflichkeit war keine inhaltliche Änderung beabsichtigt, sondern
eine Klarstellung.
Danach geht der Senat davon aus, dass Schutzimpfungen bereits zum Zeitpunkt der Impfung der Klägerin im Jahr 2002 als öffentlich
empfohlen galten, wenn alle Einzelkomponenten eines Mehrfachimpfstoffs öffentlich empfohlen waren. Diese Voraussetzung ist
hier bezogen auf den der Klägerin injizierten 6-fach-Impfstoff erfüllt. Unter diesen Umständen sieht der Senat auch keine
Hinweise mehr dafür, dass die den Eltern der Klägerin im Zusammenhang mit der Impfstudie ausgehändigten Elterninformation
irreführende Formulierungen enthält oder einen falschen Eindruck bezogen auf die öffentliche Empfehlung der Impfung vermittelt
haben könnte. Dass die Impfung gegen Meningokokken nicht Bestandteil der öffentlichen Empfehlung war, sondern im Rahmen der
Impfstudie erfolgte, geht nach Auffassung des Senats aus der Elterninformation eindeutig hervor.
Im Ergebnis kommt es auf die Frage, ob die der Klägerin verabreichten Impfungen öffentlich empfohlen waren oder ob die Voraussetzungen
einer so genannten "Rechtsscheinshaftung" bezogen auf den im Rahmen der Impfstudie verabreichten Impfstoff vorgelegen haben,
jedoch nicht an, weil die bei der Klägerin vorliegende Schädigung nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten
Ermittlungen mit Wahrscheinlichkeit weder auf die 6-fach-Kombinationsimpfung mit dem zugelassenen Impfstoff noch auf den im
Rahmen der Impfstudie injizierten nicht zugelassenen Impfstoff gegen Meningokokken zurückgeführt werden kann:
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG setzt der Anspruch auf Versorgung auch voraus, dass die Schutzimpfung den Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehende
gesundheitliche Schädigung (Impfkomplikation) sowie eine dauerhafte gesundheitliche Schädigung (Impfschaden) zur Folge hatte.
Dabei müssen sowohl die Impfkomplikation als auch die dauerhafte Gesundheitsstörung im Sinne des Vollbeweises mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Bezogen auf die Kausalität genügt dagegen gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 IfSG die Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn mehr Umstände für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen.
Die bloße Möglichkeit genügt dagegen nicht (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 1986 - 9a RVi 2/84, BSGE 60, 58).
Nach den Ermittlungen des Senats dürfte bereits nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festzustellen
sein, dass es bei der Klägerin zu einer das Übliche übersteigenden Impfreaktion gekommen ist. Eine ärztliche Behandlung hat
im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang nach der Impfung nicht stattgefunden. Allerdings hat die Mutter der Klägerin für
den Senat in jeder Hinsicht nachvollziehbar und glaubhaft angegeben, dass die Klägerin nach der Impfung viel und auch schrill
geschrien hat. Sie sei davon ausgegangen, dass sie offenbar ein Schreikind habe. Die Klägerin sei sehr unruhig gewesen. Diese
Angaben werden im Wesentlichen durch die Dokumentation des Kinderarztes, der die Impfung durchgeführt hat, bestätigt. Da es
sich bei dem Schreien jedoch um ein sehr unspezifisches Symptom handelt, ist nicht ohne Weiteres festzustellen, dass es sich
dabei um eine Impfreaktion handelte. Auffälligkeiten, die spezifisch für das Vorliegen eines Impfschadens sein könnten, wie
z.B. Bewusstseinstrübung, Fieber, Apathie oder abnorme Bewegungsmuster, abnorme Schläfrigkeit, Nahrungsverweigerung oder Erbrechen
(vgl. dazu Nr. 57 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht,
Stand 2004, Impfschäden: Komplikationen am Nervensystem, akute Erscheinungen), sind der Mutter der Klägerin jedenfalls in
den ersten drei Wochen nach der Impfung nicht aufgefallen und auch nicht in einem Maße dokumentiert, das Hinweise für eine
über das Normale hinausgehende Impfreaktion gäbe. Zwar ist der Mutter der Klägerin bei einem "Babytreff" drei Wochen nach
der Impfung am 21. August 2002 ein Entwicklungsrückstand ihrer Tochter gegenüber gleichaltrigen Kindern aufgefallen. Im Oktober
2002 und damit deutlich mehr als zwei Monate nach der Impfung ist die Diagnose einer Epilepsie gestellt worden und im November
2002 trat der erste große Krampfanfall bei der Klägerin auf. Zu einem Verlust bereits erworbener Fähigkeiten ist es jedoch
nach Angaben der Mutter der Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt und auch später nicht gekommen.
Im Ergebnis kann dahin gestellt bleiben, ob es bei der Klägerin zu einer das Übliche übersteigenden Impfreaktion gekommen
ist. Jedenfalls steht dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin entgegen, dass der bei der Klägerin vorliegende Gesundheitsschaden
nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die am 30. Mai, am 27. Juni und am 1. August 2002 durchgeführten Impfungen zurückgeführt
werden kann. Bei der Klägerin besteht eine schwere, weitgehend behandlungsresistente Epilepsie mit überwiegend myoklonischen
Anfällen, eine schwere Cerebralparese in Form einer Tetraparese, eine an Blindheit grenzende Sehstörung sowie eine schwere
psychomotorische und psychointellektuelle Entwicklungsstörung mit vollständig ausgebliebener Sprachentwicklung. Die Ursache
dieser gesundheitlichen Einschränkungen konnte bisher auch nach aufwendiger Diagnostik nicht eindeutig festgestellt werden.
Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass als einzige mögliche Ursache der Erkrankung eine Impfschädigung
in Betracht käme. Nach den nach Auffassung des Senats in jeder Hinsicht überzeugenden Darlegungen im Gutachten des Prof. Dr.
Sa. und den damit im Wesentlichen übereinstimmenden Darlegungen im Gutachten des Prof. Dr. S. kommt als Ursache der Erkrankung
der Klägerin insbesondere eine genetisch bedingte Erkrankung mit Veränderungen (Mutationen) an bestimmten Genlokalisationen
in Betracht. Die Möglichkeiten zum Aufspüren eines Gendefekts bei der Klägerin sind trotz der bereits durchgeführten umfangreichen
Diagnostik keineswegs ausgeschöpft. Auch durch die Ausschöpfung aller heute bestehender Möglichkeiten wäre jedoch nicht sichergestellt,
dass ein tatsächlich vorliegender Gendefekt auch tatsächlich gefunden wird. Da ein negatives Ergebnis weiterer genetischer
Untersuchungen das Vorliegen eines Impfschadens nicht wahrscheinlicher machen würde, haben beide genannten Sachverständigen
die Durchführung weiterer Untersuchungen im Rahmen des vorliegenden Gerichtsverfahrens nicht für zielführend gehalten. In
Betracht kommen bei der Klägerin insbesondere das Vorliegen einer Neuronalen Ceroid-Lipofuszinose (NZL), von der es eine Reihe
von Subtypen gibt, sowie das Vorliegen einer Mitochondriopathie. Gerade bezogen auf die NZL gibt es seltene Verlaufsformen
und von den zugrundeliegenden Genmutationen gibt es viele bisher noch nicht bekannte Varianten. Bezogen auf die Frage, ob
als Ursache der bei der Klägerin vorliegenden Behinderung auch eine Mitochondriopathie in Betracht kommt, sieht der Senat
die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Sa. - anders als die Klägerin - nicht als widersprüchlich an. Zwar hat der
Sachverständige in seinem Gutachten vom 28. Juni 2011 ausgeführt, die bei der Klägerin gemessenen Lactat-Werte im Liquor machten
eine Mitochondriopathie "nicht gerade wahrscheinlich, sie schließen sie sogar fast aus." Weiter hat der Sachverständige jedoch
dargelegt, dass die bestehende "Restunsicherheit" nur durch eine Muskelbiopsie beseitigt werden könnte. Diese Darlegungen
hat der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 19. März 2012 unter Hinweis auf neueste Studien ergänzt und dargelegt,
dass danach "auch die Mitochondriopathie noch einmal in den Fokus der Differenzialdiagnose" rücke. Die zentrale Aussage dieser
aus Sicht des Senats nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen besteht darin, dass es eine Vielzahl seltener Erkrankungen
gibt, die als Ursache der bei der Klägerin vorliegenden Behinderung in Betracht kommen, und dass die Ursächlichkeit der Impfung
deshalb nicht bereits mit der Begründung als wahrscheinlich angesehen werden kann, dass keine anderen Ursachen in Frage kämen.
Vielmehr ist unter Berücksichtigung aller vorliegenden medizinischen Erkenntnisse zu beurteilen, ob mehr für oder mehr gegen
die Ursächlichkeit der Impfung für die bei der Klägerin vorliegende Behinderung spricht.
Dafür, dass die bei der Klägerin vorliegende Erkrankung nicht ursächlich auf die Impfung zurückgeführt werden kann, sondern
dass viel eher eine genetische Ursache in Betracht kommt, sprechen nach den vom Senat eingeholten Gutachten des Prof. Dr.
S. und Prof. Dr. Sa. insbesondere folgende Gesichtspunkte:
In der medizinischen Wissenschaft wird davon ausgegangen, dass eine Korrelation zwischen akut auftretenden neurologischen
Symptomen (Impfreaktion) und dem Ausmaß eines bleibenden Schadens besteht. Selbst wenn man die Angaben der Mutter der Klägerin,
die allerdings nicht vollständig mit medizinischen Befunden unterlegt sind, zugrunde legt und auch darüber hinaus unterstellt,
dass es sich bei dem schrillen Schreien und der Unruhe der Klägerin nach der Impfung um eine Impfreaktion gehandelt hat, bestanden
bei der Klägerin allenfalls sog. Schwachsymptome einer zentralnervösen Funktionsstörung. Schwere akute neurologische Symptome
(z.B. Bewusstseinstrübung bis zur Bewusstlosigkeit, Gliedmaßenlähmungen, vgl. dazu auch die Anhaltspunkte für die ärztliche
Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004, S. 192 f.) sind jedoch in den
ersten drei Wochen nach der Impfung nicht aufgetreten. Dass die hier allenfalls in Betracht kommenden schwachen akuten Symptome
zu einer so extrem schweren cerebralen Entwicklungsstörung führen könnten, wie sie bei der Klägerin inzwischen vorliegt, wird
in der medizinischen Wissenschaft als sehr unwahrscheinlich angesehen.
Gegen einen ursächlichen Zusammenhang der vorliegenden Gesundheitsstörungen und der Impfung spricht darüber hinaus, dass weder
bei der Untersuchung des Hirnwassers der Klägerin wenige Monate nach den Impfungen im Januar 2003, noch bei der bildgebend
morphologischen Magnetresonanztomografie, die am 6. November 2002 durchgeführt wurde, irgendein Hinweis auf chronisch-entzündliche
Veränderungen nachgewiesen werden konnte. Da eine dauerhafte Schädigung des Gehirns infolge einer Impfung entweder aufgrund
immunologischer Krankheitsprozesse oder direkterregungsbedingter Einflüsse auf das Gehirn erfolgt, spricht dies eindeutig
gegen einen ursächlichen Zusammenhang.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Abbau der Hirnrinde (graue Zellen) bei der Klägerin in der Zeit zwischen dem
Jahr 2002 und dem Jahr 2008 und damit über mehrere Jahre immer weiter fortgeschritten ist. Nach den Erfahrungen, die bei den
in früherer Zeit behandelten und sehr viel häufiger auftretenden Impfschäden z.B. nach Pockenschutzimpfungen gewonnen wurden,
ist als Folge einer Impfung mit zeitnah auftretenden Entzündungsherden zu rechnen, die überwiegend oder ausschließlich in
der weißen Hirnsubstanz lokalisiert werden. Abweichend von diesem typischen Schädigungsmuster ist bei der Klägerin fast ausschließlich
die graue Hirnsubstanz betroffen. Eine solche Hirnatrophie in Gestalt eines reaktionslosen Abbaus des Gehirns (ohne gliöse
Narben) ist sehr viel typischer für neurodegenerative und neurometabolische Prozesse als für die als Folge einer Impfung in
Betracht kommenden immunologischen oder direktinfektiösbedingten herdförmigen Entzündungsprozesse.
Auch wenn untypische Verläufe einer durch Impfung verursachten Hirnschädigung vorkommen können, so ist das Vorliegen eines
Impfschadens aber jedenfalls als sehr unwahrscheinlich anzusehen, wenn alle oben genannten Faktoren in eine andere Richtung
deuten. Vor diesem Hintergrund sind Prof. Dr. Sa. und Prof. Dr. S. im Ergebnis übereinstimmend zu der Auffassung gelangt,
dass eine mit der Klägerin vergleichbare Verlaufsform für Impfschäden in den bisher vorliegenden wissenschaftlichen Publikationen
nicht beschrieben wird. Im Übrigen sind in der Wissenschaft bisher weder bezogen auf die bei der Klägerin durchgeführte 6-fach-Impfung
mit dem zugelassenen Impfstoff noch bezogen auf Einzelimpfungen gegen Miningokokken chronische Schäden bezogen auf das zentrale
Nervensystem beschrieben worden. Die Einzelimpfung gegen Meningokokken wird zwar hinsichtlich ihrer Effektivität speziell
in einem so jungen Lebensalter kritisch beschrieben. Bleibende Schäden als Folge der Einzelimpfung gegen Meningokokken sind
jedoch bisher nicht bekannt.
Mit den getroffenen Feststellungen zur wahrscheinlichen Ursache der bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen folgt
der Senat den überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. S. vom 25. Oktober 2010 und dessen ergänzender Stellungnahme vom 25. Oktober
2010, dem Gutachten des Prof. Dr. Sa. vom 28. Juni 2011 und dessen ergänzender Stellungnahme vom 19. März 2012 sowie dem neuroradiologischen
Zusatzgutachten des Prof. Dr. Ga. vom 22. Juni 2011 und dessen ergänzender Stellungnahme vom 13. März 2012. Diese Gutachten
stehen in den wesentlichen Punkten auch im Einklang mit dem für die Probandenversicherung des Arzneimittelherstellers erstatteten
Gutachten des Prof. Dr. K. vom 20. Dezember 2006. Prof. Dr. S. hat die Klägerin am 12. März 2010 und Prof. Dr. Sa. am 23.
Februar 2011 untersucht. Beide Sachverständige haben die vorliegenden umfangreichen medizinischen Unterlagen erkennbar vollständig
ausgewertet. Darüber hinaus hat Prof. Dr. Sa. nach Rücksprache mit dem Senat weitere die Klägerin betreffende medizinische
Unterlagen des W.-klinikums Ha., der U.kliniken Ha. und K. sowie die Disketten zu den bei der Klägerin durchgeführten magnetresonanztomografischen
Untersuchungen ausgewertet. Ferner hat Prof. Dr. Sa. wiederum nach Vereinbarung mit dem Senat Einsicht in die die Klägerin
betreffenden medizinischen Unterlagen in der Neuropädiatrischen Klinik der C.-Universität in K. sowie der Klinik für Kinder-
und Jugendmedizin des U.-klinikums H-E genommen und mit den dort behandelnden Ärzten Rücksprache gehalten. Prof. Dr. S. und
Prof. Dr. Sa. haben sich so ein umfassendes Bild von den bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen und dem Verlauf
der Erkrankung machen können und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen auf die wahrscheinliche Ursache der Erkrankung
der Klägerin in ihren Gutachten in jeder Hinsicht nachvollziehbar erläutert.
Der Senat folgt dagegen nicht den auf Veranlassung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erstatteten gutachtlichen
Stellungnahmen der Dr. B. vom 8. Mai 2006 und vom 23. Juli 2009 sowie dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten des Dr. H.
vom 13. September 2011. Ausgangspunkt der Beurteilung im Gutachten der Dr. B. ist die nach Auffassung des Senats unzutreffende
Annahme, dass andere Ursachen der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankung als die Impfung ausgeschlossen werden können. Diese
unzutreffende Annahme liegt auch dem Gutachten des Prof. Dr. H. zugrunde. Zudem führt dieser als Beleg dafür, dass die Klägerin
bis zur Impfung gesund gewesen sein müsse, insbesondere das Ergebnis der Erstuntersuchung mit so genannten APGAR-Werten von
8, 9 und 10 sowie die unauffälligen Vorsorgeuntersuchungen U1, U2 und U3 an. Dazu hat Prof. Dr. Sa. in seiner ergänzenden
Stellungnahme vom 19. März 2012 in jeder Hinsicht nachvollziehbar ausgeführt, dass anlagebedingte Erkrankungen des Nervensystems,
wie sie bei der Klägerin als wahrscheinlich zu diskutieren sind, im Rahmen der üblichen Vorsorgeuntersuchungen nicht festgestellt
werden können. Nach seinen schlüssigen Darlegungen ist gerade das erste Lebensjahr reich an Erstmanifestationen seltener genetisch
bedingter Erkrankungen. Allein die Tatsache, dass im ersten Jahr häufig Impfungen durchgeführt werden, kann deshalb nicht
zur Folge haben, dass diese Erkrankungen ursächlich auf die Impfungen zurückgeführt werden. Soweit Dr. H. das Fortschreiten
der Erkrankung der Klägerin auch Jahre nach der Impfung damit zu erklären versucht, dass durch die Impfung die Epilepsien
ausgelöst wurden, die wiederum zu einer dauerhaft fortschreitenden Hirnatrophie geführt hätten, da im Rahmen langjährig bestehender
schwerer epileptischer Erkrankungen Hirnatrophien "regelhaft" vorkämen, so ist Prof. Dr. Sa. dieser Aussage überzeugend entgegengetreten
und hat ausgeführt, dass Hirnatrophien keineswegs eine regelhafte Folge von Epilepsien sind. Typische Läsionsmuster einer
durch Durchblutungsmängel verursachten Hirnschädigung liegen bei der Klägerin nicht vor, so dass Epilepsien als Ursache der
über einen langen Zeitraum nach der Impfung fortschreitenden Hirnschädigung fast sicher ausgeschlossen werden können. Soweit
Dr. H. in seinem Gutachten darlegt, dass Autoimmunprozesse im Gehirn durch Adjuvanzien (Trägersubstanzen) in Impfstoffen -
wie z.B. Aluminium - hervorgerufen werden könnten, so trifft dies zwar in dieser Allgemeinheit zu. Derartige Nebenwirkungen
sind jedoch höchst selten. Gründe, die dafür sprechen könnten, dass es gerade bei der Klägerin zu derartigen Nebenwirkungen
gekommen sein könnte, werden im Gutachten des Dr. H. nicht dargelegt. Gegen einen durch Trägersubstanzen ausgelösten Autoimmunprozess
spricht insbesondere die Tatsache, dass derartige Autoimmunprozesse typischerweise die weißen Hirnsubstanzen in den Marklagern
betreffen und bei der Klägerin ein derartiges Schädigungsbild nicht vorliegt, sondern ganz überwiegend eine Schädigung der
Hirnrinde (graue Substanz). Dieses Läsionsmuster steht auch in Widerspruch zu einer Verursachung durch Epilepsien, die sehr
häufig mit Atemstörungen und Störungen der Herz-Kreislauffunktion verbunden sind. Ausschlaggebend dafür ist, dass sich bei
der Klägerin keine herdförmigen Veränderungen finden, sondern eine generelle Atrophie der Hirnrinde.
Nach § 61 Abs. 2 Satz 2 IfSG kann mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörden der Gesundheitsschaden als Folge
einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG auch anerkannt werden, wenn die Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten
Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Abweichend vom Gutachten der Dr. B. liegen auch diese Voraussetzungen
nicht vor. Soweit ersichtlich geht Dr. B. insoweit von unzutreffenden Voraussetzungen aus, indem sie zur Begründung für das
Vorliegen der Voraussetzungen einer Kann-Versorgung angibt, dass die Aufklärung der Pathophysiologie der gesundheitlichen
Schädigung der Klägerin nach dem aktuellen Wissensstand schwierig bleibt. Die Voraussetzungen der sogenannten Kann-Versorgung
sind jedoch nicht bereits erfüllt, wenn über die Art und die Ursachen einer Erkrankung im Einzelfall Ungewissheit besteht
oder wenn ein zeitlicher Zusammenhang gegeben ist. Voraussetzung ist vielmehr, dass nach einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen
Lehrmeinung Erkenntnisse vorliegen müssen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten
Zusammenhang zwischen der festgestellten Erkrankung und der Impfung sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 1981 - 9 RVi 5/80, SozR 3850 § 52 Nr. 1; BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995 - 9 RV 17/94, SozR 3-3200 § 81 Nr. 13; BSG, Urteil vom 10. November 1993 - 9/9a RV 41/92, SozR 3-3200 § 81 Nr. 9; BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995 - 9 RV 17/94, SozR 3-3200 § 81 Nr. 13). Eine nachvollziehbare evidenzbasierte wissenschaftliche Lehrmeinung, bei deren Zugrundelegung
wenigstens eine gute Möglichkeit für das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs bestünde, existiert jedoch nach den auch
insoweit nachvollziehbaren und überzeugenden Darlegungen des Prof. Dr. Sa. und des Prof. Dr. S. nicht. Solche wissenschaftlichen
Lehrmeinungen werden auch in den gutachtlichen Stellungnahmen der Dr. B. und des Dr. H. nicht angegeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des §
160 SGG liegen nicht vor.