Bewilligung einer Ausbildungsförderung für einen für das Studium behilflichen Vorkurs vor Beginn der eigentlichen Ausbildungszeit;
Vorkurs vor Beginn des Studiums als Hilfsangebot von Studierenden für Studierende oder als Lehrveranstaltung der Ausbildungsstätte
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Zeitpunkt, ab welchem dem Kläger ein Anspruch auf die Bewilligung von Ausbildungsförderung
zusteht.
Der Kläger studiert seit dem Wintersemester 2007/2008 "Mittelstandsökonomie (Bachelor)" an der Fachhochschule Kaiserslautern,
Standort Zweibrücken. Der Zeitplan der Fachhochschule wies als Beginn der Lehrveranstaltungen den 1. Oktober 2007 aus. Bereits
vom 17. bis zum 28. September 2007 nahm der Kläger an einem Mathematik-Vorkurs teil. Dieser regelmäßig stattfindende Kurs
richtet sich an die Studienanfänger des Fachbereichs und zielt darauf ab, Vorbildungsunterschiede hinsichtlich der Mathematik-Kenntnisse
auszugleichen. Tutoren sind Studierende höherer Semester, die diese Aufgabe auf Anfrage eines Hochschullehrers gegen eine
Entlohnung durch die Fachhochschule wahrnehmen.
Die Studienanfänger werden auf den Kurs in ihrem Zulassungsbescheid aufmerksam gemacht. Auf Nachfrage wird der Kurs durch
einen Hochschulmitarbeiter denjenigen empfohlen, die an der Schule keinen Mathematik-Leistungskurs besucht haben.
Mit Bescheid vom 28. September 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 530,00 €
für den Zeitraum Oktober 2007 bis August 2008. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein mit der Begründung, das Semester
habe bereits am 1. September 2007 begonnen, und berief sich daneben auf seine Teilnahme an dem Vorkurs. Zum Besuch der Ausbildungsstätte
gehörten auch vor dem allgemeinen Vorlesungsbeginn von der Hochschule angebotene Kurse. Die Teilnahme sei für ihn unerlässlich
gewesen, weil er keine gymnasiale Oberstufe besucht habe und durch eine kaufmännische Ausbildung ein Abstand zum früheren
Mathematik-Unterricht entstanden sei. Seine Arbeitskraft sei dadurch in einem Umfange in Anspruch genommen worden, dass er
dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung gestanden und deshalb ab September 2007 keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld
gehabt habe.
Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion wies den Widerspruch mit Bescheid vom 12. Dezember 2007 zurück. Dem Kläger stehe
keine Ausbildungsförderung für den Monat September 2007 zu. Ausweislich des verbindlichen Zeitplans der Fachhochschule hätten
die Lehrveranstaltungen am 1. Oktober 2007 begonnen. Der Mathematik-Vorkurs werde demgegenüber offiziell nicht als Vorlesung
bezeichnet und sei auch keine verbindliche Pflichtveranstaltung für den Studiengang "Mittelstandsökonomie", sondern werde
den Studienanfängern aller Fachrichtungen angeboten und zudem lediglich empfohlen. Auf den verwaltungsmäßigen Beginn des Wintersemesters
2007/2008 am 1. September 2007 komme es nicht an.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Mathematik-Vorkurs zähle nicht zum Ausbildungsgang
"Mittelstandsökonomie", er sei weder eine offizielle Vorlesung noch sonst ein Teil der Ausbildung, sondern diene - als Serviceleistung
der Fachhochschule - der individuellen Vorbereitung auf das Studium.
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 19. November 2008 zugelassenen Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 7. März 2008 den Bescheid der Beklagten
vom 28. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion vom 12. Dezember
2007 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm auch für den Monat September 2007 Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von 530,00 € zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und hält an ihrer Auffassung fest, dass der vom Kläger besuchte Mathematik-Vorkurs keinen Bestandteil des Studiums der Mittelstandsökonomie
darstelle. Es handele sich um einen Kurs von Studierenden für Studierende.
Der Senat hat Beweis erhoben über die Organisation, den Inhalt und den Zweck des Mathematik-Vorkurses an der Fachhochschule
Kaiserslautern - Standort Zweibrücken - im September 2007 durch Vernehmung der Zeugin Dipl. Betriebswirtin R.. Hinsichtlich
des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2009 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten
Behördenakten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf die Bewilligung von Ausbildungsförderung
für den Monat September 2007 hat.
Gemäß §
15 Abs.
1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes -
BAföG - wird Ausbildungsförderung vom Beginn des Monats geleistet, in dem die Ausbildung aufgenommen wird. Dies beurteilt sich
im vorliegenden Fall des Beginns eines Ausbildungsabschnitts nach der Legaldefinition des §
15 b Abs.
1 BAföG. Danach gilt die Ausbildung im Sinne des Bundesausbildungsförderungsgesetzes als mit dem Anfang des Monats aufgenommen, in
dem Unterricht oder Vorlesungen tatsächlich begonnen werden.
Die vorgenannte Vorschrift hat ihre Fassung - als §
15 a Abs.
1 BAföG - durch das Siebente Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 13. Juli 1981 (BGBl. I S. 625) gefunden. Ausbildungsförderung wird seit ihrem Inkrafttreten nicht mehr vom verwaltungsmäßigen, sondern frühestens vom tatsächlichen
Beginn des Unterrichts bzw. der Vorlesungen an geleistet. Der Gesetzgeber geht hierbei davon aus, dass der Auszubildende erst
von diesem Zeitpunkt an seine Arbeitskraft für die Ausbildung einsetzt (BT-Drs. 9/410, S. 13).
Die Bestimmung bewirkt somit einen Einklang mit §
2 Abs.
5 Satz 1
BAföG, wonach Ausbildungsförderung nur geleistet wird, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll
in Anspruch nimmt. Es kommt demnach vorliegend nicht darauf an, dass das Wintersemester 2007/2008 verwaltungsmäßig bereits
am 1. September 2007 anfing.
Für die Feststellung des tatsächlichen Beginns im Sinne des §
15 b Abs.
1 BAföG ist auf den jeweiligen konkreten Ausbildungsgang abzustellen (Rothe/Blanke,
BAföG, 5. Aufl., Loseblatt, §
15 b Rn. 4.1 [Stand Dezember 2000]). Ein wesentlicher Anhaltspunkt für den Beginn ergibt sich aus dem Datum, zu dem die Ausbildungsstätte
Unterricht bzw. Vorlesungen erstmals anbietet. Als "Unterricht" - dieser betrifft in erster Linie den Besuch von Schulen -
und "Vorlesungen" - diese beziehen sich in erster Linie auf den Besuch von Hochschulen - sind solche Veranstaltungen zu verstehen,
in denen planmäßig und geordnet die für den jeweiligen Ausbildungsgang maßgeblichen Kenntnisse oder Fertigkeiten vermittelt
werden (OVG NRW, FamRZ 1994, 1359 [1360] unter Hinweis auf Tz. 7.1.1 BAföGVwV [GMBl. 1991, S. 770]; ebenso Rothe/Blanke, a.a.O.).
Wesentliche Indizien hierfür sind die Bezeichnung der Veranstaltung als Unterricht oder Vorlesung sowie eine Teilnahmeempfehlung
durch die Ausbildungsstätte selbst. Dies ergibt sich aus Folgendem: Das
Bundesausbildungsförderungsgesetz dient der Verwirklichung der Chancengleichheit im Bildungswesen, indem es nach seinem §
1 dem Auszubildenden individuelle Ausbildungsförderung gewährt, wenn ihm die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung
erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen (BVerwG, FamRZ 1993, 1376 [1377]; vgl. auch BVerfGE 96, 330 [331]). Es zielt nicht auf eine Begabtenförderung ab, es ist vielmehr als Sozialleistung zum Ausgleich einer mangelnden wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit zu begreifen. Vor diesem Hintergrund soll es nicht auf das Bildungssystem einwirken, sondern ihm neutral
gegenüberstehen (Rothe/Blanke, a.a.O., Einführung Rn. 2.2 [Stand April 2000]). Mit dieser Vorgabe wäre es grundsätzlich unvereinbar,
wenn das Amt für Ausbildungsförderung seine Einschätzung über die Qualifizierung und den Inhalt einer Veranstaltung an die
Stelle der hierfür verantwortlichen Ausbildungsstätte setzte.
Von geringerer Bedeutung wird demgegenüber in der Regel sein, ob die Teilnahme an einer Veranstaltung der Ausbildungsstätte
verpflichtend ist. Zwar legt eine Teilnahmepflicht die Annahme nahe, dass es sich um Unterricht bzw. Vorlesungen im Sinne
des §
15 b Abs.
1 BAföG handelt. Die Freiwilligkeit schließt indessen das Vorliegen einer solchen Veranstaltung nicht aus. Denn gerade im Hochschulbereich
ist es üblich, dass der Besuch bestimmter Lehrveranstaltungen nicht verpflichtend ist, obwohl dort unzweifelhaft für die Ausbildung
wichtige oder zumindest nützliche Inhalte vermittelt werden (OVG NRW, a.a.O.).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze begannen für die Studienanfänger die Lehrveranstaltungen im Studiengang "Mittelstandsökonomie"
nach §
15 b Abs.
1 BAföG nicht bereits mit dem Mathematik-Vorkurs im September 2007, sondern - entsprechend dem Zeitplan der Fachhochschule - erst
am 1. Oktober 2007.
Gegen eine Einordnung des Vorkurses als Unterricht bzw. Vorlesung im Sinne des §
15 b Abs.
1 BAföG spricht zunächst in formaler Hinsicht, dass die Fachhochschule ihn nicht entsprechend bezeichnet. Sie begreift ihn aber auch
der Sache nach nicht als offizielle Lehrveranstaltung des Studiengangs "Mittelstandsökonomie". Sie übernimmt lediglich die
Verantwortung für den äußeren Rahmen des Kurses, indem sie die Studienanfänger in den Zulassungsbescheiden auf ihn hinweist,
die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, ein Skript druckt, das von den Kursteilnehmern erworben werden kann, und die Tutoren
entlohnt. Der Mathematik-Vorkurs geht insoweit zwar über eine rein private gemeinschaftliche Vorbereitung von Studierenden
auf ihr Studium hinaus. Die Fachhochschule nimmt jedoch - nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - keinen maßgeblichen Einfluss
auf die Kursinhalte, wie es jedoch erforderlich wäre, damit der Kurs als Veranstaltung gemäß §
15 b Abs.
1 BAföG verstanden werden könnte. Wie die Zeugin Dipl. Betriebswirtin R., die mehrere Jahre bis zum Sommersemester 2007 für die Organisation
des Vorkurses verantwortlich war, angegeben hat, beschränkt sich die Verantwortung der Fachhochschule bezüglich des Kursinhalts
auf die Auswahl der Tutoren. Hierbei handelt es sich um leistungsstarke Studierende höheren Semesters, welche die Kursleitung
auf Anfrage eines Hochschullehrers übernehmen. Besondere Vorgaben erhalten sie hierfür nicht. Eine Überprüfung des Kursinhalts
und seiner Qualität findet anders als bei den übrigen Veranstaltungen der Fachhochschule nicht statt. Selbst das Skript, das
die Kursteilnehmer erwerben können, stammt nicht von einem Hochschullehrer, sondern von einem ehemaligen Tutor. Wie der Kläger
in der mündlichen Verhandlung aus eigener Anschauung bestätigen konnte, wird es von den Tutoren nicht einmal als verbindliche
Vorgabe für den Vorkursinhalt angesehen. Auch indem die Fachhochschule die Teilnahme nicht allgemein offiziell empfiehlt,
bringt sie zum Ausdruck, dass sie den Mathematik-Vorkurs nicht als Teil ihrer Lehrveranstaltungen verstanden wissen will.
Sie weist lediglich auf seine Existenz in den Zulassungsbescheiden hin. Der Rat, am Kurs teilzunehmen, wird nur auf ausdrückliches
Nachfragen bestimmten Studienanfängern erteilt, nämlich denjenigen, die keinen Mathematik-Leistungskurs in der Schule besucht
haben. Aus dem vom Fachbereich Informatik durchgeführten Mathematik-Vorkurs kann der Kläger schließlich nichts für seine Position
herleiten. Dieser Kurs unterscheidet sich in wesentlichen Punkten vom Vorkurs des Fachbereichs Betriebswirtschaft. Er wird
von Hochschullehrern gehalten und auf den Internetseiten des Fachbereichs Informatik ausdrücklich beworben. Auch in Abgrenzung
hierzu erweist sich der vom Kläger besuchte Mathematik-Vorkurs vornehmlich als Hilfsangebot von Studierenden für Studierende
und somit nicht als Lehrveranstaltung der Ausbildungsstätte, die den Anforderungen des §
15 b Abs.
1 BAföG entspricht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
154 Abs.
2 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß §
188 Satz 2
VwGO nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf §
167 VwGO i.V.m. §
708 Nr. 10
ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe der in §
132 Abs.
2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.