Sozialversicherungsbeitragspflicht für eine Tätigkeit als Rechtsanwältin
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen
und Umlagen in Höhe von 38.796,53 Euro für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. (im Folgenden: Beigeladene) für die klagende
GmbH in den Jahren 2013 bis 2016.
Der einzige Gesellschafter sowie alleinige Geschäftsführer der klagenden Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und die beigeladene
Rechtsanwältin waren Partner einer zum 1.7.2013 aufgelösten Partnerschaftsgesellschaft, deren Standort die im Mai 2013 gegründete
Klägerin ab 1.7.2013 übernahm. Die Beigeladene war auf der Grundlage von zwei "Anwaltsdienstleistungsverträgen" ua in der
Zeit vom 1.7.2013 bis zum 30.11.2013, 16.7.2014 bis zum 30.11.2014 und 16.7.2015 bis zum 31.12.2016 für die Klägerin tätig.
Sie sollte eine partnergleiche Position haben, erhielt eine monatliche Vergütung von 6000 Euro sowie Umsatzanteile an von
ihr bearbeiteten oder akquirierten Mandatsverhältnissen und hatte zunächst den fachlichen Weisungen des Geschäftsführers Folge
zu leisten, später bedurften bestimmte fachliche Äußerungen der vorherigen Zustimmung der Gesellschaft. Die beklagte DRV Bund
forderte insoweit nach einer Betriebsprüfung zuletzt noch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem
Recht der Arbeitsförderung sowie Umlagen in Höhe von 38.796,53 Euro (Betriebsprüfungsbescheid vom 26.1.2018, Teilabhilfebescheid vom 26.6.2019, Widerspruchsbescheid vom 29.10.2019, Änderungsbescheid
vom 6.1.2021).
Die dagegen gerichtete Klage ist erfolglos geblieben (SG Frankfurt Urteil vom 12.4.2021). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Die Tätigkeit der Beigeladenen stelle sich nach ihrem Gesamtbild als abhängige
Beschäftigung dar. Die Tätigkeit als Rechtsanwältin sei zwar ein freier Beruf, könne aber auch in abhängiger Beschäftigung
ausgeübt werden. Die Beigeladene habe sich zeitlich und sachlich nach der Klägerin richten müssen. Sie sei fachlich an die
Weisungen des Geschäftsführers gebunden gewesen. Sie sei auch in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen,
habe die Infrastruktur der Klägerin genutzt. Im Hinblick auf die Verpflichtung, 40 Stunden wöchentlich tätig zu sein, habe
auch eine Weisungsbefugnis der Klägerin bestanden, auch wenn diese wegen der kollegialen Ausgestaltung und der tatsächlichen
Belastung der Beigeladenen faktisch nicht zum Tragen gekommen sei (Hessisches LSG Beschluss vom 17.1.2022).
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und eines Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre
nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage
im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hält folgende Frage für klärungsbedürftig:
"Welche Bedeutung hat es für das 'Gesamtbild' im Rahmen der Statusprüfung gem. §
7 SGB IV, dass die zu beurteilende Tätigkeit als zugelassene Rechtsanwältin in Kooperation i.S.d. § 59a BRAO ausgeübt wird, von beiden Parteien als freies Dienstverhältnis ausgestaltet wurde und mit höheren Risiken verbunden ist als
die gleiche Tätigkeit als eingetragene Partnerin der PartG?"
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin damit eine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit
einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert hat. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar,
damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Ebenso lässt der Senat dahinstehen, ob es auf die formulierte Frage, auch vor dem Hintergrund des § 59c Abs 2 BRAO, im angestrebten Revisionsverfahren ankommt, die Frage also klärungsfähig ist. Selbst wenn eine Rechtsfrage als aufgeworfen
und die Klärungsfähigkeit im angestrebten Revisionsverfahren unterstellt würde, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit
nicht hinreichend dargelegt.
Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits
beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen
ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage
geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN).
Eine hinreichende Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des §
7 SGB IV und der dabei anzuwendenden Maßstäbe fehlt. Die Klägerin zitiert zwar mehrere Entscheidungen des BSG zur sozialversicherungsrechtlichen Statusbestimmung von Tätigkeiten in freien Berufen (BSG Urteil vom 17.10.1969 - 3 RK 67/66 - juris; BSG Urteil vom 14.5.1981 - 12 RK 11/80 - juris; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - juris; BSG Urteile vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42 ua; BSG Urteil vom 19.10.2021 - B 12 R 1/21 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 60, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), setzt sich aber weder mit der Rechtsprechung zur fachlichen Weisungsbefugnis bei freien Berufen und deren Relevanz für die
sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung (BSG Urteil vom 27.4.2021 - B 12 KR 27/19 R - juris; BSG Urteil vom 24.11.2020 - B 12 KR 23/19 R - juris; BSG Urteil vom 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 49) noch damit auseinander, inwiefern die aufgeworfene Frage nicht schon anhand der von ihr zitierten Rechtsprechung beantwortet
werden kann.
Allein die Behauptung, die zitierten Entscheidungen präjudizierten nicht den vorliegenden Fall und rechtfertigten die Argumentation
des LSG nicht, genügt dafür nicht. Vielmehr rügt die Klägerin damit die Anwendung der dort aufgestellten Grundsätze auf den
hier vorliegenden Sachverhalt. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch nicht zur Zulassung
der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 4.4.2018 - B 12 R 38/17 B - juris RdNr 10 mwN).
Auch das Zitat einer in einem anderen Revisionsverfahren anstehenden Rechtsfrage genügt nicht den Anforderungen an eine Begründung
der Nichtzulassungsbeschwerde. Insbesondere macht die Klägerin weder deutlich, dass sich die dort formulierte Frage im vorliegenden
Rechtsstreit ebenso stellt, noch dass die Beantwortung der Frage durch den Senat (inzwischen Urteil vom 28.6.2022 - B 12 R 4/20 R) im vorliegenden Verfahren Relevanz hätte. Vielmehr trägt sie vor, dass sich die grundsätzliche Bedeutung weiterhin ergebe,
unabhängig vom Ausgang des anderen Verfahrens.
Sofern die Klägerin damit geltend machen sollte, dass ihr Gesellschafter-Geschäftsführer mit der Beigeladenen eine mit dem
bezeichneten Revisionsverfahren vergleichbare Kooperation eingegangen sei, fehlt es darüber hinaus an Ausführungen zur Rechtsprechung
des BSG zum sozialversicherungsrechtlichen Status von in einer GmbH Tätigen (zuletzt BSG Urteil vom 12.5.2020 - B 12 KR 30/19 R - BSGE 130, 123 = SozR 4-2400 § 7 Nr 47; BSG Urteil vom 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 49; BSG Urteil vom 29.6.2021 - B 12 R 8/19 R - juris; BSG Urteil vom 23.2.2021 - B 12 R 18/18 R - juris; vgl inzwischen auch BSG Urteil vom 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) und deren Übertragbarkeit auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen
Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht
die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon
dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin hat weder sich widersprechende Rechtssätze noch aufgezeigt,
dass das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch in Frage gestellt hätte. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung
sei inhaltlich unrichtig, kann auch insoweit nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
3. Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art
103 GG, §§
62,
128 Abs 2
SGG) ist ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet. Hierzu hätte zunächst im Einzelnen dargelegt werden müssen, welcher konkrete
und auch nach der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserhebliche Vortrag nicht zur Kenntnis genommen worden sein soll. Der
Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht nur dazu, die Darlegungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und
in Erwägung zu ziehen. Das Prozessgericht muss jedoch nicht jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich bescheiden. Art
103 Abs
1 GG schützt auch nicht davor, dass ein Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (vgl BSG Beschluss vom 27.3.2014 - B 9 V 69/13 B - juris RdNr 15 mwN). Daher muss eine Beschwerdebegründung "besondere Umstände" aufzeigen, aus denen sich klar ergibt, dass das Gericht seinen
Pflichten nicht nachgekommen ist (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris RdNr 11 mwN; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216 f = juris RdNr 44).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Klägerin behauptet, das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beigeladene
monatlich eine feste Vergütung erhalten hätte. Richtig sei vielmehr, dass die Vergütung davon abhängig gewesen sei, dass die
von ihr betreuten Mandanten die von der Klägerin in Rechnung gestellten Honorare zahlten und sie deshalb ein höheres Risiko
als angestellte Rechtsanwältinnen getragen habe. Damit hat die Klägerin den behaupteten Verfahrensmangel schon deshalb nicht
hinreichend aufgezeigt, weil nicht hinreichend deutlich wird, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf dem gerügten Verfahrensfehler
beruhen soll. Das wäre aber angezeigt gewesen, nachdem das LSG sich im angefochtenen Beschluss auch mit den variablen, erfolgsabhängigen
Vergütungsbestandteilen ausdrücklich auseinandergesetzt hat.
Auch soweit die Klägerin rügt, das LSG unterstelle für das Arbeitsrecht typische Vertragsbestimmungen, wenn es die Weisungsbefugnis
des Geschäftsführers annehme, wird nicht aufgezeigt, warum arbeitsrechtlich typische Vertragsbestimmungen für die angefochtene
Entscheidung relevant gewesen sein sollen. Soweit sie darauf hinweist, dass die im Dienstleistungsvertrag geregelte Weisungsbefugnis
ihres Geschäftsführers den Weisungsbefugnissen des GmbHG und des Gesetzes über die Partnerschaftsgesellschaften entspreche, rügt sie im Kern, das LSG habe sozialversicherungsrechtlich
aus dem gegebenen Sachverhalt einen anderen Schluss gezogen, sie also nicht "erhört". Dieser Vortrag ist - wie bereits ausgeführt
wurde - nicht geeignet, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu bezeichnen.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
154 Abs
2 und
3 VwGO.
6. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG.