Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II; Anerkennung von Pflegekosten als Bedarf im Sinne von § 19 Abs. 1 SGB II
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.11.2007 bis zum 30.4.2008 zusteht.
Die 1949 geborene Klägerin lebte bis zum 13.4.2007 gemeinsam mit ihrem 1945 geborenen Ehemann in einem ursprünglich ihr allein
gehörenden Wohnhaus. Im Jahre 2004 hatte die Klägerin ihrem Sohn das Haus zur Hälfte übertragen. Das Grundstück war seither
mit einem lebenslänglichen dinglich gesicherten Wohnrecht zugunsten der Klägerin und ihres Ehemanns belastet. Die Eheleute
zahlten auf ein Bauspardarlehen monatlich 420 Euro, wobei darin zum Darlehensrückzahlungsbeginn im September 2007 130,26 Euro
auf Zinszahlungen entfielen. Die Nebenkosten wurden mit 137,52 Euro, die Heizkosten mit 142 Euro monatlich nachgewiesen. Die
Angaben bezogen sich auf das gesamte Haus.
Am 13.4.2007 erlitt der Ehemann der Klägerin einen Herzinfarkt. Er befand sich seither im Wachkoma und wurde zunächst im Krankenhaus
und seit dem 17.7.2007 in einem Pflegeheim betreut. Der Ehemann erhielt in dem streitgegenständlichen Zeitraum eine Rente
der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine Betriebsrente in Höhe von zusammen 1466,08 Euro monatlich. Die Pflegekasse
gewährte ihm Leistungen in Höhe von 1432 Euro monatlich.
Der Heimvertrag zwischen dem Pflegeheim und dem Ehemann sah ein Gesamtentgelt in Höhe von 2696,70 Euro vor. Dieses schlüsselte
sich auf in ein Einzelentgelt für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von 470,40 Euro, ein Einzelentgelt für allgemeine Pflegeleistungen
in Höhe von 1911,30 Euro und ein Einzelentgelt für nicht geförderte Investitionskosten in Höhe von 315 Euro. Das Pflegeheim
verlangte von dem Ehemann monatlich den Differenzbetrag zwischen dem Gesamtentgelt und den von der Pflegekasse gezahlten Leistungen.
Einen bei dem Beigeladenen gestellten Antrag auf Übernahme der ungedeckten Pflegekosten hat dieser mit Bescheid vom 2.1.2008
abgelehnt, der Bescheid ist bestandskräftig geworden. Am 25.4.2011 verstarb der Ehemann der Klägerin.
Die Klägerin, die über keine eigenen Einnahmen verfügte, beantragte am 5.11.2007 bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 23.11.2007 ab, der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid
vom 21.12.2007).
Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 23.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.12.2007 verurteilt,
der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1.11.2007 bis zum 30.4.2008 zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Land Berlin beigeladen und
sodann die gegen das Urteil des SG gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben,
ob die Klägerin und ihr Ehemann im streitgegenständlichen Zeitraum noch eine Bedarfsgemeinschaft gebildet hätten, denn selbst
in diesem Falle übersteige der Bedarf die zur Verfügung stehenden Einnahmen. Gehe man von einer gemischten Bedarfsgemeinschaft
aus, richte sich der maßgebliche Bedarf auch des Ehemanns nach dem SGB II. Als Einkommen des Ehemanns seien die Rentenzahlungen anzurechnen, die Leistungen der Pflegekasse blieben dagegen als zweckbestimmte
Leistungen zur Mitfinanzierung der Pflege unberücksichtigt. Als Einkommen sei aber noch die bereitgestellte Vollverpflegung
im Heim zu berücksichtigen. Nach Abzug der Versicherungspauschale habe der Bedarfsgemeinschaft ein Betrag in Höhe von 1641,08
Euro zur Verfügung gestanden. Unter Berücksichtigung der zu tragenden Heimkosten sei anrechenbares Einkommen des Ehemanns
nicht verblieben. Welche Leistungen der Klägerin in welcher Höhe konkret zu gewähren seien, was von den genauen Wohnverhältnissen
abhänge, könne dahingestellt bleiben. Das SG habe den Beklagten nur dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet, deren Höhe noch nicht feststehe.
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten, mit der er eine Verletzung des § 19 Abs 1 SGB II rügt. Der Bedarf eines nach § 7 Abs 4 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossenen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft zur Deckung der Pflegekosten sei beim kommunalen Sozialleistungsträger
nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) geltend zu machen, weil Pflegekosten keinen Bedarf iS von § 19 Abs 1 SGB II darstellten. Da der Ehemann der Klägerin Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gewesen sei, ergebe sich ein Bedarf in Höhe von
insgesamt 1493,74 Euro (2 x 312 Euro Regelleistung, Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 399,34 Euro und Kosten der
Unterkunft des Ehemanns in Höhe von 470,40 Euro). Das Gesamteinkommen habe 1529,68 Euro betragen (1436,08 Euro bereinigte
Renteneinkünfte und 93,60 Euro bereitgestellte Verpflegung), sodass der Bedarf nach dem SGB II habe gedeckt werden können.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. Februar 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4.
Mai 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil des LSG für zutreffend.
Der Beigeladene hat sich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
II
Die Revision des Beklagten hat im Sinne der Aufhebung der zweitinstanzlichen Entscheidung und der Zurückverweisung der Sache
an das LSG Erfolg (§
170 Abs
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG konnte nicht entschieden werden, ob der Klägerin ein Anspruch auf Leistungen
nach dem SGB II zusteht.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 23.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
21.12.2007, mit dem der Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis zum 30.4.2008 abgelehnt worden ist. Inwieweit hinsichtlich des Leistungszeitraums Korrekturen
anzubringen sind, weil die Antragstellung erst am Montag, den 5.11.2007 erfolgte, wird das LSG dabei - auch unter dem Aspekt
der Erreichbarkeit des Jobcenters - zu prüfen haben.
Gegen die genannten Bescheide hat sich die Klägerin in zulässiger Weise mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
1 Satz 1 und Abs
4 SGG) gewandt, wobei sie allerdings keinen bezifferten Antrag gestellt, sondern nur eine Verurteilung dem Grunde nach beantragt
hat. Das SG hat, wie sich aus der Begründung seiner Entscheidung ergibt, zur Zahlung eines konkreten monatlichen Betrages verurteilt
und ist damit zu Unrecht über den Antrag der Klägerin hinausgegangen. Dies hat das LSG korrigiert, indem es nach Maßgabe der
Entscheidungsgründe nur zu einer Leistung dem Grunde nach verurteilt hat, wozu es aufgrund des nur von dem Beklagten eingelegten
Rechtsmittels befugt war.
2. Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend entscheiden zu können, ob der Klägerin die geltend gemachte
Leistung dem Grunde nach zusteht. Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004 - BGBl I 2014) erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), die erwerbsfähig (Nr
2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Dem Gesamtzusammenhang
der Feststellungen im angefochtenen Urteil kann zwar entnommen werden, dass die Klägerin die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II hinsichtlich des Lebensalters und des gewöhnlichen Aufenthalts erfüllt. Auch eine Erwerbsfähigkeit im streitgegenständlichen
Zeitraum liegt nahe, wenngleich hierzu keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen wurden. Ausreichende Feststellungen fehlen
in jedem Fall zur Hilfebedürftigkeit der Klägerin nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II.
3. Nach § 9 Abs 1 SGB II (idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004 - BGBl I 2014) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung
in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend
aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus zu berücksichtigendem
Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Nach § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ua auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen. Nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II gilt schließlich (im Grundsatz) jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als
hilfebedürftig, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist. Wegen
dieser gesetzlichen Vorgaben, wonach Hilfebedürftigkeit ausnahmslos vom Bedarf aller Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft
einerseits und des der Bedarfsgemeinschaft zufließenden Einkommens und des vorhandenen Vermögens andererseits abhängig ist,
darf bei Prüfung der Hilfebedürftigkeit als Teil der Anspruchsvoraussetzungen nicht offenbleiben, welche Personen der Bedarfsgemeinschaft
angehören. Eine wahlweise Feststellung, wie sie das LSG vorgenommen hat, genügt zur Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen
auch dann nicht, wenn es lediglich um die Verurteilung dem Grunde nach geht.
Die Klägerin bildete mit ihrem Ehemann im streitigen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft, wenn sie auch während der Zeit, in
der dieser stationär versorgt wurde, von ihm nicht dauernd getrennt lebte. Die Auslegung des Begriffs "Getrenntleben" richtet
sich auch im Rahmen des SGB II nach familienrechtlichen Grundsätzen (Bundessozialgericht [BSG] Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, RdNr 13 ff; Urteil des Senats vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 §
22 Nr 42 RdNr 17). Gemäß §
1567 Bürgerliches Gesetzbuch leben Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen
will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Maßgebend ist also ein objektiv hervortretender Trennungswille. Demgegenüber
können Ehegatten zwar häuslich getrennt sein und dennoch - mit den Einbußen, die sich aus dem Fehlen der häuslichen Gemeinschaft
notwendig ergeben - die eheliche Lebensgemeinschaft bejahen und verwirklichen (Bundesgerichtshof [BGH] Urteil vom 25.1.1989
- IVb ZR 34/88 - FamRZ 1989, 479 = juris RdNr 8). Auch wenn sich bei einer unfreiwilligen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft die allein noch mögliche Kontaktpflege
auf Besuche beschränkt, so ist dies doch der Restbestand der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft (BGH, aaO). Zur
Aufgabe einer solchen, wenn auch nur rudimentär verwirklichten Lebensgemeinschaft und damit zum Getrenntleben kommt es nur,
wenn der trennungswillige Ehegatte seine Verhaltensabsicht unmissverständlich zu erkennen gibt. Da es sich dabei nicht um
eine Willenserklärung handelt, kann auch ein Geschäftsunfähiger diesen Willen äußern (BGH, aaO, juris RdNr 9 mwN; vgl zum
Begriff des Getrenntlebens auch OLG Bamberg, FamRZ 1981, 52).
Daran anschließend ist das BSG auch für den Bereich des SGB II davon ausgegangen, dass eine Bedarfsgemeinschaft bei Eheleuten (noch) bestehen kann, wenn diese wegen des pflegebedingten
Aufenthalts eines Ehegatten in einem Heim räumlich voneinander getrennt leben (BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, RdNr 14 mwN; mit anderen Akzenten, aber im Wesentlichen mit gleichem Ergebnis zum SGB XII Coseriu, juris PK, SGB XII, 1. Aufl 2011, § 19, RdNr 14 f). Das LSG wird hierzu weitere Feststellungen zu treffen und dabei zu berücksichtigen haben, dass nach den dargelegten
Grundsätzen der Trennungswille "unmissverständlich" zum Ausdruck gekommen sein muss und dass insofern die bloße Erklärung
des Getrenntlebens für sich genommen ohne weitere objektive Anhaltspunkte nicht genügt.
Die Tatsache, dass der Ehemann wegen seiner Unterbringung in einer stationären Einrichtung einerseits und als Bezieher einer
Rente wegen Alters andererseits aufgrund der Regelung des § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II selbst keine Leistungen nach dem SGB II erhalten konnte, steht seiner Einbeziehung in die Bedarfsgemeinschaft nicht entgegen (vgl nur BSG Urteile vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 11 und 15; vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 31).
4. Hat zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann im streitgegenständlichen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft bestanden, so richtet
sich die Prüfung der Hilfebedürftigkeit der Klägerin nach den Grundsätzen, die das BSG für derartige "gemischte Bedarfsgemeinschaften" entwickelt hat (vgl grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 29 ff). Danach ist in einem ersten Schritt der Bedarf der Klägerin zu bestimmen und in einem
zweiten Schritt zu prüfen, in welchem Umfang dem Bedarf der Klägerin eigenes Einkommen oder Einkommen ihres Ehemanns gegenübersteht
(dazu unter 5.). In einem letzten Schritt ist zu erörtern, ob der Hilfebedürftigkeit der Klägerin verwertbares Vermögen entgegensteht
(dazu unter 6.).
Der Bedarf der Klägerin setzt sich zusammen aus dem Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 20 SGB II, dazu unter a) und den Bedarfen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II, dazu unter b).
a) Auch wenn die Feststellungen des LSG ergeben, dass mangels Trennungswillens ein "dauerndes Getrenntleben" nicht vorgelegen
hat, ist gleichwohl der für die Klägerin maßgebliche Regelbedarf in Höhe der Regelleistung für Alleinstehende oder alleinerziehende
anzusetzen, der im Streitzeitraum nach § 20 Abs 2 SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 - BGBl I 2954) iVm § 20 Abs 4 Satz 3 SGB II in Verbindung mit der Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 18.6.2007 (BGBl I 1139) damals 347 Euro betrug. Nach den Grundsätzen, die der Senat im Urteil vom 6.10.2011
(B 14 AS 171/10 R - BSGE 109, 176 = SozR 4-4200 § 20 Nr 16) aufgestellt hat, ist eine Regelleistung von 90 vH nur dann gerechtfertigt, wenn beide Partner in
einer Haushaltsgemeinschaft umfassend "aus einem Topf" wirtschaften mit der Folge, dass zwei zusammenlebende Partner einen
finanziellen Mindestbedarf haben, der unter dem doppelten des Bedarfs eines Alleinwirtschaftenden liegt (vgl auch Krauß in
Hauck/Noftz, SGB II, K § 20 RdNr 67, Stand: 4/2010 mwN). Wenn dagegen nicht mehr "aus einem Topf" gewirtschaftet werden kann, besteht zwar weiterhin
eine Bedarfsgemeinschaft, die genannten Einsparmöglichkeiten durch das gemeinsame Wirtschaften entfallen jedoch. Es ergibt
sich deshalb ein Anspruch der Klägerin auf Berücksichtigung der vollen Regelleistung aus der analogen Anwendung des § 20 Abs 2 SGB II, denn ihre Bedarfslage entspricht der einer Alleinstehenden. Dies entspricht auch verfassungsrechtlichen Vorgaben, weil im
Referenzsystem des SGB XII in der hier maßgeblichen Fassung der Regelsatzverordnung (RSV) in § 3 Abs 3 RSV eine Regelleistung in Höhe von jeweils 90 vH ausdrücklich nur für zusammenlebende Ehegatten oder Lebenspartner vorgesehen
war und eine vom Eckregelsatz abweichende noch niedrigere Regelleistung nur für Haushaltsangehörige normiert war (vgl dazu
im Einzelnen BSG Urteil vom 6.10.2011 - B 14 AS 171/10 R - BSGE 109, 176 = SozR 4-4200 § 20, RdNr 24, 25), sodass eine Regelleistung von 90 vH in Fällen wie dem vorliegenden unter Gleichheitsgesichtspunkten
(Art
3 Abs
1 Grundgesetz) nicht vertretbar wäre. Dementsprechend hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1.1.2011 die Regelung des § 8 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz
in seinem Abs 1 Nr 2 dahingehend gefasst, dass sich der Regelbedarf von jeweils 90 vH - wie in § 3 Abs 3 RSV - ausdrücklich auf zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Ehegatten ... einen gemeinsamen Haushalt führen, bezieht.
b) Hinzu kommen für die Bedarfsberechnung die Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Danach werden die Leistungen grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind.
Die tatsächlich aufgewandten Kosten für Unterkunft und Heizung sind für die Klägerin berücksichtigungsfähig jedoch nur in
dem Umfang, in dem sie auf ihre Nutzung des Wohnhauses entfallen. Wenn neben der Klägerin auch ihr Sohn das Haus bewohnt hat,
sind die Kosten für die Nutzung des Wohnhauses (regelmäßig) unabhängig von Alter, Nutzungsintensität oder Zugehörigkeit zur
Bedarfsgemeinschaft pro Kopf aufzuteilen (vgl BSG Urteile vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 9; vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07 R; vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R- BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28 unter Hinweis auf BVerwGE 79, 17 zur Sozialhilfe). Die tatsächlichen Verhältnisse werden im wiedereröffneten Berufungsverfahren weiter aufzuklären sein. Dagegen
ist für die Anwendung des Kopfteilprinzips auch in Bezug auf den im Pflegeheim lebenden Ehemann der Klägerin kein Raum. Die
Aufteilung der Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Kopfteilprinzip setzt nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass die Wohnung gemeinsam mit anderen Personen genutzt wird, also den aktuellen Unterkunftsbedarf weiterer Personen
abdeckt. Daran fehlt es, wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die Wohnung über einen Zeitraum nicht nutzt, der auch zu
einem Ausschluss von Leistungen nach § 7 Abs 4, 4a SGB II führt (vgl dazu BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42). Inwieweit es bei einer solchen Konstellation dem verbliebenen Partner zugemutet werden kann,
die Gesamtkosten der Unterkunft zu mindern und die Wohnverhältnisse einer dauerhaften alleinigen Nutzung der Wohnung anzupassen,
braucht hier nicht entschieden zu werden, denn es fehlt bereits an einer Kostensenkungsaufforderung seitens des Beklagten.
Es kann somit auch weiter offenbleiben, ab welchem Zeitpunkt bei mehr als sechsmonatiger Abwesenheit Maßnahmen zur Kostensenkung
verlangt werden können.
5. Da die Klägerin selbst nicht über Einkommen verfügte, bleibt bei Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft zu klären, ob und
ggf in welchem Umfang Einkommen ihres Ehemanns zu berücksichtigen ist. Da nur eine sog "gemischte Bedarfsgemeinschaft" in
Betracht kommt, ist in Modifikation der Grundregel des § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II nur das den Bedarf des nicht leistungsberechtigten Mitglieds übersteigende Einkommen auf die hilfebedürftigen Mitglieder
der Bedarfsgemeinschaft entsprechend dem Anteil ihres individuellen Bedarfs am Gesamtbedarf zu verteilen (Urteil vom 15.4.2008
- B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 49).
Wenn der Ehemann im streitigen Zeitraum dauerhaft in einer stationären Einrichtung iS des § 13 SGB XII untergebracht war, wofür nach den bisherigen Feststellungen des LSG vieles spricht, ist sein Bedarf - abweichend vom Regelfall
einer gemischten Bedarfsgemeinschaft (vgl BSG, aaO, RdNr 40) - nicht nach dem SGB II zu bestimmen, sondern nach dem SGB XII. Zwar ist in gemischten Bedarfsgemeinschaften grundsätzlich auch der Bedarf des anderen - von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossenen - Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II zu ermitteln (BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 40 unter Hinweis auf BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 24; BSG Urteil vom 29.3.2007 - B 7b AS 2/06 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 4). Der Senat hat in der genannten Entscheidung aber bereits angedeutet, dass in besonderen Fällen
eine Abweichung von diesem Grundsatz geboten sein kann. Eine abweichende Bedarfsbestimmung ist insbesondere dann erforderlich,
wenn Besonderheiten vorliegen, die mit einer fiktiven Bedarfsberechnung nach dem SGB II nicht abgebildet werden können. Dies ist der Fall, wenn der von Leistungen nach dem SGB II Ausgeschlossene in einer stationären Einrichtung versorgt wird und sein notwendiger Lebensunterhalt daher nach den besonderen
Vorschriften des § 35 SGB XII (ab dem 1.1.2011: § 27b SGB XII) ermittelt wird, die wiederum in engem Zusammenhang mit den §§ 75 ff SGB XII stehen. Für diese besondere Bedarfssituation enthält das SGB II keine Grundlage, weil die Grundsicherung für Arbeitsuchende eine Hilfe in Einrichtungen nicht kennt (vgl Behrend, juris PK,
SGB XII, Stand 4.2.2013, § 27b, RdNr 5) und den Fall eines solchen nur im SGB XII berücksichtigten Bedarfs als Teil des Gesamtbedarfs bei fortbestehender Bedarfsgemeinschaft nicht regelt. Die unzulängliche
Abstimmung der Leistungssysteme des SGB II und des SGB XII machen an dieser Schnittstelle deshalb eine nach dem SGB XII vergleichende Berechnung des Bedarfs und des Einkommens erforderlich (ähnlich bereits BSG Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 20/09 R - BSGE 108, 241 = SozR 4-3500 § 82 Nr 8, RdNr 20 unter Hinweis auf BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 49). Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren also im Falle der Betreuung in einer
stationären Einrichtung den Bedarf des Ehemanns nach den Maßstäben des § 35 SGB XII zu ermitteln haben, nach dessen Abs 1 Satz 1 der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen den darin erbrachten sowie in stationären Einrichtungen zusätzlich
den weiteren notwendigen Lebensunterhalt umfasst.
Auch die Frage, inwieweit der Ehemann sein Einkommen aus Rentenzahlungen sowie den Leistungen der Pflegekasse nach den Regelungen
des
SGB XI für die genannten Bedarfe nach § 35 SGB XII einzusetzen hat, ist nach den allgemeinen Regelungen zur Einkommensberücksichtigung gemäß §§ 82 ff, 92, 92a SGB XII zu entscheiden. Danach erfolgt ein Einsatz seines Einkommens für die stationären Leistungen der Einrichtung nur bis zur Höhe
des (fiktiven) Anteils der Hilfe zum Lebensunterhalt an dem notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen (vgl Behrend, juris
PK, SGB XII, Stand 4.2.2013, § 27b, RdNr 34). Soweit im Übrigen eine fiktive Zuordnung zu den Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII erfolgt, sind die besonderen Regelungen der §§ 85 ff SGB XII maßgebend. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Klägerin Einkommen ihres Ehemanns nur insoweit berücksichtigt werden darf,
als es nach sozialhilferechtlichen Maßstäben einzusetzen ist (vgl BSG Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 20/09 R - BSGE 108, 241 = SozR 4-3500 § 82 Nr 8, RdNr 24).
6. Bei der Prüfung, ob die Klägerin einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat, ist neben der Berücksichtigung eigenen Einkommens und ggf (überschießenden) Einkommens ihres Ehemanns zu ermitteln,
ob der Hilfebedürftigkeit der Klägerin verwertbares Vermögen entgegengestanden hat. Als einzusetzendes Vermögen gemäß § 12 Abs 1 SGB II könnte vorbehaltlich einer Privilegierung gemäß § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II das der Klägerin gehörende hälftige Hausgrundstück zählen. Ob ausgehend von der Gesamtwohnfläche des Hauses und der Gesamtgrundstücksfläche
sowie nach der Bewohnerzahl eine Berücksichtigung als Vermögen in Betracht kommt, kann aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen
nicht entschieden werden. Auch zur Verwertbarkeit des Miteigentumsanteils sind keine Feststellungen getroffen worden. Ggf
wäre auch zu klären, ob eine mögliche Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich wäre oder eine besondere Härte darstellen
würde (§ 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II). Ferner ist auch ein möglicher Schenkungsrückforderungsanspruch als Vermögenswert in Betracht zu ziehen (zur Berücksichtigung
eines Schenkungsrückforderungsanspruchs im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nach dem SGB XII BSG Urteil vom 2.2.2010 - B 8 SO 21/08 R - juris RdNr 13 ff).
Das LSG wird über die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.