Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Entwickeln eines eigenen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht
Übernahme von höchstrichterlichen Rechtssätzen
Gründe:
Mit Urteil vom 24.5.2018 hat das LSG Berlin-Brandenburg einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Zeit vom 4.7.1977
bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie der in diesem
Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zu Grunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen.
Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten
Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des
LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat.
Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die
Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene
Urteil auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung
erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil
des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die
oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zu Grunde zu legen haben wird
und die Entscheidung des LSG auf der behaupteten Divergenz beruht (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN und Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 196 ff).
Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger macht geltend, dass die angefochtene Entscheidung von dem Urteil des BSG vom 7.12.2017 (B 5 RS 1/16 R - Juris, zur Veröffentlichung auch vorgesehen in SozR 4-8570 § 1 Nr 21 und BSGE) abweiche.
Das LSG habe in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt:
"'Der Kläger war zwar am 30. Juni 1990 berechtigt, die zuerkannte Berufsbezeichnung 'Diplomingenieur' zu führen. Ob er am
Stichtag einer der Berufsbezeichnung entsprechende Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hatte, kann letztlich dahinstehen,
denn ein fiktiver Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage scheitert jedenfalls daran, dass die betriebliche Voraussetzung
nicht erfüllt ist.
Der Kläger war am 30. Juni 1990 weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs.
1 der 2. DB) noch in einem gleichgestellten Betrieb (§ 1 Abs. 2 der 2. DB) beschäftigt.
Sowie
'Ob die betriebliche Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich danach, wer am maßgeblichen Stichtag Arbeitgeber im rechtlichen
Sinne war (Vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 20/03 R, zitiert nach juris).
Ausschlaggebend hierfür sind die tatsächlichen Gegebenheiten am 30. Juni 1990.
Arbeitgeber des Klägers im vorgenannten Sinne war am Stichtag indes nicht (mehr) der VEB E., denn dieser wurde am 27. Juni
1990 in die E. GmbH umgewandelt. Zu diesem Zeitpunkt wurde nämlich die E. GmbH in das Handelsregister eingetragen.'"
Nach der Entscheidung des BSG vom 7.12.2017 (B 5 RS 1/16 R - Juris, insbesondere RdNr 28)
"ist nun entscheidend, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers am 30.06.1990 nach dem zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Arbeitsrecht
der DDR auch aufgelöst war.
Hierauf könne die inhaltlich §
613a BGB entsprechende Regelung des § 59a AGB, die erst zum 01.07.1990 in Kraft getreten ist, keine Anwendung finden."
Die Beschwerdebegründung sieht mithin die entscheidungserhebliche Abweichung darin, dass das LSG für das Vorliegen der betrieblichen
Voraussetzung unter Bezugnahme auf ein Urteil des 4. Senats des BSG darauf abgestellt habe, wer am maßgeblichen Stichtag Arbeitgeber im rechtlichen Sinne gewesen sei, während der 5. Senat des
BSG in der genannten Entscheidung die Erfüllung dieser Voraussetzung davon abhängig gemacht habe, ob das Arbeitsverhältnis des
Anspruchstellers am Stichtag 30.6.1990 nach dem zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Arbeitsrecht der DDR aufgelöst worden sei.
Mit diesem Vorbringen hat der Kläger bereits keinen vom LSG aufgestellten eigenen Rechtssatz dargestellt. Einen eigenen Rechtssatz
hat das Berufungsgericht dann nicht entwickelt, wenn es lediglich höchstrichterliche Rechtssätze übernommen hat (Kummer, Die
Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 390; vgl auch BAG Beschluss vom 28.4.1998 - 9 AZN 227/98 - Juris RdNr 6). So verhält es sich nach der Beschwerdebegründung hier. Danach hat das angefochtene Berufungsurteil keinen
eigenen Rechtssatz zur Prüfung der betrieblichen Voraussetzung aufgestellt, sondern insoweit einen Rechtssatz des 4. Senats
des BSG - mit einer in diesem Zusammenhang unmaßgeblichen Auslassung und Ergänzung - wörtlich wiedergegeben. Inwieweit zu dem aus
dem Zusammenhang herausgelösten Rechtssatz aus dem Urteil vom 7.12.2017 überhaupt ein Widerspruch besteht, erläutert der Kläger
nicht. Im Übrigen ist für die Entscheidung über voneinander abweichende Rechtsprechung der Senate des BSG ein besonderes Verfahren in §
41 Abs
2 SGG vorgesehen (vgl auch BAG, aaO).
Abgesehen davon hat der Kläger auch nicht dargetan, dass die angefochtene Entscheidung auf der geltend gemachten Abweichung
beruht. Eine Entscheidungserheblichkeit in diesem Sinne setzt voraus, dass der angefochtenen Berufungsentscheidung und der
herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung zumindest vergleichbare Sachverhalte zu Grunde liegen und sie sich auf Normen
mit einem inhaltsgleichen Regelungsgehalt beziehen (BSG Beschluss vom 3.5.2018 - B 5 RE 5/18 B - Juris RdNr 20).
In der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung vom 7.12.2017 (B 5 RS 1/16 R - Juris, zur Veröffentlichung auch vorgesehen in SozR 4-8570 § 1 Nr 21 und BSGE) bestand am Stichtag 30.6.1990 eine durch
Eintragung wirksam gewordene abgespaltene Kapitalgesellschaft und daneben ein mangels Erfüllung der Beendigungsvoraussetzungen
noch fortbestehender VEB. Dass der vom LSG entschiedene Lebenssachverhalt diesem Sachverhalt zumindest vergleichbar ist, zeigt
der Kläger nicht auf.
Im Übrigen rügt die Beschwerdebegründung die inhaltliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Hierauf kann jedoch
ausweislich der in §
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 SGG abschließend aufgeführten Revisionszulassungsgründe eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 und 4
SGG.