Gewährung von Blindengeld nach dem BayBlindG
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Fehlender blindheitsbedingter Aufwand
Gründe
I
In der Hauptsache erstrebt der Kläger als Rechtsnachfolger seiner am 19.3.2020 verstorbenen Mutter B die Gewährung von Blindengeld
nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG). Mit Urteil vom 11.2.2020 hat das Bayerische LSG nach Zurückverweisung der Sache durch das BSG (Urteil vom 14.6.2018 - B 9 BL 1/17 R - BSGE 126, 63 = SozR 4-5921 Art 1 Nr 4) einen Anspruch der an einer schweren Alzheimer-Demenz leidenden Verstorbenen trotz Blindheit verneint, weil nach dem Gesamtergebnis
des Verfahrens das konkrete Krankheitsbild blindheitsbedingte Mehraufwendungen ausschließe. Der Beklagte habe erfolgreich
den anspruchsvernichtenden Einwand der Zweckverfehlung erhoben. Aufwendungen für die allgemeine pflegerische Betreuung, wie
sie vorliegend ausschließlich bestanden hätten, seien durch das sehr schwere Krankheitsbild der Verstorbenen verursacht, welches
die Blindheit bei Weitem überlagere.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) geltend gemacht.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung vom 25.5.2020 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil
die allein behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts
einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts
und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht
geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich
ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht
zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit)
sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen
(vgl Senatsbeschluss vom 26.8.2019 - B 9 SB 25/19 B - juris RdNr 4 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger formuliert als Rechtsfragen, ob Aufwendungen für allgemeine pflegerische Betreuung blindheitsbedingte Mehraufwendungen
darstellen, inwieweit der Beklagte nach den Vorschriften des BayBlindG den Einwand der Zweckverfehlung erheben durfte bzw darf und inwieweit der grundrechtlich geschützte Vertrauenstatbestand
im Rahmen des BayBlindG zu berücksichtigen ist. Das Berufungsurteil verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art
3 GG und gegen die Menschenwürde nach Art
1 Abs
1 GG.
Es ist schon nicht klar, ob der Kläger damit insgesamt entscheidungserhebliche Fragen des revisiblen Rechts (§
162 SGG) aufwirft, die in einem späteren Revisionsverfahren der Klärung zugänglich wären (vgl Senatsbeschluss vom 30.6.2014 - B 9 BL 2/13 B - juris RdNr 9 mwN). Denn nach §
162 SGG kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts
oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk
des Berufungsgerichts hinaus erstreckt (vgl Senatsbeschluss vom 6.10.2014 - B 9 BL 1/14 B - juris RdNr 5 mwN).
Unabhängig davon hat der Kläger jedoch bereits die Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) der von ihm bezeichneten
Fragestellungen in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht dargestellt. Das BSG hat den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen, deren Feststellungen
es nach §
163 SGG binden. Nur auf dieser Grundlage kann das Revisionsgericht beurteilen, ob eine Rechtsfrage überhaupt entscheidungserheblich
und damit klärungsfähig ist (vgl BSG Beschluss vom 6.4.2020 - B 10 EG 17/19 B - juris RdNr 6 mwN). Dies hat der Kläger jedoch nicht aufgezeigt. Vielmehr hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die ausschließlich bestehenden
Aufwendungen für die allgemeine pflegerische Betreuung der Verstorbenen, durch das sehr schwere Krankheitsbild verursacht
worden sind, das die Blindheit bei Weitem überlagert hat. Hierauf hat auch der Beklagte in seiner Beschwerdeerwiderung zutreffend
hingewiesen und ausgeführt, es handle sich um Tatsachenfragen, die für jeden Einzelfall neu zu beurteilen seien. Eine Sachaufklärungsrüge
(§
103 SGG) gegen diese Feststellungen des LSG hat der Kläger in seiner Beschwerde nicht erhoben. Auf die Verletzung von §
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Entscheidung des Gerichts nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis gewonnen Überzeugung) kann eine Nichtzulassungsbeschwerde
nicht gestützt werden (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
Im Übrigen hat der Kläger auch die Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Fragestellungen nicht aufgezeigt. Denn
er setzt sich - anders als geboten - nicht mit der Rechtsprechung des Senats zur Frage der blindheitsbedingten Mehraufwendungen
iS von Art 1 Abs 1 BayBlindG auseinander. Wie der Senat bereits entschieden hat, bleibt der Ausgleich blindheitsbedingter Mehraufwendungen das ausdrückliche
Ziel dieser Regelung, und es wird der Zweck des Blindengelds verfehlt, wenn ein blindheitsbedingter Aufwand aufgrund der Eigenart
des Krankheitsbildes gar nicht ent- bzw bestehen kann (Senatsurteil vom 14.6.2018 - B 9 BL 1/17 R - BSGE 126, 63 = SozR 4-5921 Art 1 Nr 4, RdNr 19). Für den vom Gericht überprüfbaren Einwand der Zweckverfehlung trägt die zuständige Behörde die Darlegungs- und Beweislast
(Senatsurteil vom 14.6.2018, aaO, RdNr 22). Ob bei der Verstorbenen angesichts ihrer fortschreitenden Demenz noch ein blindheitsbedingter Mehrbedarf entstehen konnte,
konnte vom Berufungsgericht - wie geschehen - noch festzustellen. Diese Rechtsprechung führt der Kläger in seiner Beschwerdebegründung
selbst auf, ohne neue erhebliche Gesichtspunkte oder wesentliche Kritik an ihr zu benennen. Die insoweit allein bemühten Ausführungen
von Dau (jurisPR-SozR 9/2019 Anm 4) erschöpfen sich in der Wiederholung dieser Fundstelle aus den Entscheidungsgründen der angefochtenen Berufungsentscheidung
und beinhalten keinerlei substantielle Einwendungen. Sofern der Kläger mit seinen Fragestellungen Schlussfolgerungen des LSG
aus der zitierten Senatsrechtsprechung bezogen auf seinen Einzelfall in Frage stellt, wendet er sich gegen die (vermeintliche)
Unrichtigkeit der Rechtsanwendung in seinem Einzelfall. Hierauf kann jedoch eine Grundsatzrüge nicht gestützt werden (vgl Senatsbeschluss vom 5.6.2020 - B 9 SB 87/19 B - juris RdNr 9; Senatsbeschluss vom 21.8.2017 - B 9 SB 3/17 B - juris RdNr 13).
Schließlich legt der Kläger im Rahmen seiner Beschwerdebegründung auch den behaupteten Verstoß gegen Art
1 Abs
1 GG und Art
3 GG nicht hinreichend dar. Trotz Benennung diverser Entscheidungen des BVerfG und einiger Entscheidungen des BSG und BVerwG prüft der Kläger inhaltlich nicht, ob sich bereits auf der Grundlage vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung
des BSG und des BVerfG ausreichende Anhaltspunkte für die Beantwortung für die von ihm aufgeworfenen Fragen der Verfassungswidrigkeit
ergeben. Denn auch insoweit gilt eine Rechtsfrage als höchstrichterlich geklärt. Allein die Darstellung der eigenen Rechtsansicht
über einen vermeintlichen Verfassungsverstoß sowie allgemeine Kritik an den Regelungen im BayBlindG reichen nicht aus (vgl Senatsbeschluss 26.8.2019 - B 9 SB 25/19 B - juris RdNr 8 mwN). Denn wer sich auf die Verfassungswidrigkeit einer Regelung beruft, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter
Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in
Frage stehenden einfach gesetzlichen Norm aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung
der konkreten Regelung des
GG dargelegt werden. Daran fehlt es ebenso wie an einer Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Art
1 Abs
1 GG und Art
3 GG (vgl Senatsbeschluss vom 30.6.2014 - B 9 BL 2/13 B - juris RdNr 10 mwN). Die Beschwerdebegründung hätte sich insoweit nicht zuletzt näher mit den Gründen für eine sachgerechte Differenzierung von
blindheitsbedingtem Mehraufwand und allgemeinen Aufwendungen im Rahmen eines multimorbiden oder die Blindheit überlagernden
Krankheitsbildes beschäftigen müssen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2, §
169 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG. Das Beschwerdeverfahren ist insgesamt auch für den Kläger als Rechtsnachfolger der Verstorbenen gerichtskostenfrei (§
183 Satz 1 bzw 2
SGG).