Höhe von Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Höhe der Beiträge zur
sozialen Pflegeversicherung (sPV) ab dem 1.10.2016 sowie um die Verurteilung der Beklagten, bei Erlass von künftigen Beitragsbescheiden
die Bemessungsgrundlage und die Beitragssätze zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sPV konkret aufzuführen. Die
Klage ist erfolglos geblieben (SG Urteil vom 23.5.2019); das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und die Klage gegen während des Berufungsverfahrens erlassene Beitragsbescheide
abgewiesen. Die Beklagten hätten zu Recht neben den Einkünften des Klägers aus selbstständiger Tätigkeit als Rechtsanwalt
auch die Einkünfte aus der daneben ausgeübten geringfügigen Beschäftigung berücksichtigt. Soweit der Kläger im Rahmen einer
Leistungsklage bei zukünftigen Beitragsbescheiden eine bestimmte Begründung fordere, sei diese Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis
unzulässig. Dem Kläger sei zumutbar, die entsprechenden Beitragsbescheide abzuwarten und sich im Fall einer fehlenden Begründung
zunächst unmittelbar an die Beklagten zu wenden und die Gründe ggf im Rahmen eines Vorverfahrens zu klären. Das fehlende Rechtsschutzbedürfnis
berühre allerdings nicht die gleichwohl bestehende Verpflichtung der Beklagten, die Beitragsbescheide mit einer Begründung
zu versehen. Hierzu gehörten sowohl die für die Festsetzung der Beiträge jeweils herangezogene Bemessungsgrundlage als auch
die Beitragssätze zur GKV und sPV (LSG Urteil vom 19.11.2021).
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Der Kläger hat entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über
den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung
durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung
ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des §
162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und
des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich
ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN).
Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger nennt als klärungsbedürftige Rechtsfrage:
"Lässt die Möglichkeit, gegen einen Verwaltungsakt nachträglich Rechtsschutz zu erlangen, das Rechtsschutzinteresse an einer
Leistungsklage gerichtet auf Verpflichtung der Behörde, zukünftige Bescheide mit der gem. § 35 Abs. 1 SGB X gesetzlich vorgeschriebenen Begründung zu versehen auch dann entfallen, wenn die den Bescheid erlassende Behörde glaubhaft
mehrfach versichert, auch alle zukünftig zu erlassende Bescheide unter keinen Umständen mit der gem. § 35 Abs. 1 SGB X gesetzlich vorgeschriebenen Begründung zu versehen und damit ankündigt, auch zukünftig gegen die ihr gesetzlich auferlegte
Begründungspflicht zu verstoßen."
Es kann offenbleiben, ob es sich hierbei um eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder
zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 13.4.2015 - B 12 KR 109/13 B - juris RdNr 23) oder nicht vielmehr um die Frage nach einer richtigen Lösung im Einzelfall handelt.
Jedenfalls hat der Kläger die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Eine Rechtsfrage gilt auch dann als höchstrichterlich
geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich
entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte
zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN; s auch BSG Beschluss vom 28.11.2018 - B 12 R 34/18 B - juris RdNr 6). Mit solcher Rechtsprechung hat sich eine Beschwerde auseinanderzusetzen.
Der Kläger beschäftigt sich jedoch nicht damit, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein für die vorbeugende Leistungsklage
erforderliches qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis nur dann vorliegt, wenn das Abwarten einer zukünftigen Beeinträchtigung
mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (vgl zB BSG Urteil vom 24.4.2015 - B 4 AS 39/14 R - BSGE 118, 301 = SozR 4-4200 § 52 Nr 1, RdNr 11; BSG Urteil vom 16.5.2013 - B 3 P 5/12 R - SozR 4-3300 § 115 Nr 2 RdNr 9; BVerwG Urteil vom 25.9.2008 - 3 C 35.07 - BVerwGE 132, 64 = juris RdNr 26). Insofern legt er nicht dar, weshalb dieser Rechtsprechung noch keine ausreichenden Anhaltspunkte zur Beantwortung der von
ihm aufgeworfenen Frage zu entnehmen seien.
Der Kläger führt stattdessen aus, es sei nicht Sinn und Zweck des Vorverfahrens, den Bürger erstmals in die Lage zu versetzen,
die Gründe der behördlichen Entscheidung zu überprüfen. Ansonsten wäre es ihm ohne kostenträchtige Überprüfung durch einen
Rechtsanwalt auch nicht möglich, seinen Widerspruch zu begründen. Wenn die Beklagten im Voraus ankündigten, auch künftige
Beitragsbescheide nicht mit einer Begründung zu versehen, sei die Grenze zur Unzumutbarkeit überschritten. Damit wendet er
sich letztlich gegen die Subsumtion des Berufungsgerichts zum Begriff der Zumutbarkeit und setzt dem seine eigene Rechtsansicht
gegenüber. Auf die vermeintliche Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall kann eine Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht
gestützt werden.
Selbst wenn der Kläger mit seinen Ausführungen auch generell die Zumutbarkeit nachträglichen Rechtsschutzes bei (systematisch)
fehlender Begründung infrage stellen sollte, beschäftigt er sich jedenfalls nicht hinreichend mit den gesetzgeberischen und
höchstrichterlichen Wertungen zum Verfahrensrecht; insoweit wäre insbesondere eine Auseinandersetzung mit der nach § 41 Abs 1 Nr 2 und Abs 2 SGB X ausdrücklich vorgesehenen Heilung eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht durch eine nachträgliche Begründung bis zur
letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sowie mit der in § 42 SGB X geregelten (fehlenden) Bedeutung von Verfahrens- und Formfehlern für die Aufhebbarkeit eines Verwaltungsakts (vgl zB BSG Urteil vom 5.12.2017 - B 12 KR 11/15 R - juris RdNr 25; BVerwG Urteil vom 17.9.1987 - 5 C 26/84 - BVerwGE 78, 101 = juris RdNr 26) ebenso veranlasst gewesen wie eine Erörterung mit nachteilsausgleichenden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten wie zB die
Wiedereinsetzung in die wegen fehlender Begründung versäumte Anfechtungsfrist (§ 41 Abs 3 SGB X) oder die Auferlegung von Kosten nach dem Veranlassungsprinzip (vgl zB BSG Urteil vom 30.8.2001 - B 4 RA 87/00 R - BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1 - juris RdNr 48).
Abgesehen davon erscheint auch die Darlegung der Klärungsfähigkeit zweifelhaft. Soweit der Kläger in seiner Frage die Feststellung
zugrunde legt, dass die Beklagten mehrfach versichert hätten, "alle zukünftig zu erlassende Bescheide unter keinen Umständen
mit der gem. § 35 Abs. 1 SGB X gesetzlich vorgeschriebenen Begründung zu versehen und damit ankündigt, auch zukünftig gegen die ihr gesetzlich auferlegte
Begründungspflicht zu verstoßen", hat er auf das Protokoll Bezug genommen. Daraus ergibt sich aber nicht die vom Kläger abgeleitete
umfassende Weigerung oder Ankündigung, sondern lediglich die Aussage: "Das maschinelle System der Beklagten sieht die Angabe
der Bemessungsgrundlage und des Beitragssatzes nicht vor."
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.