Beendigung einer freiwilligen Krankenversicherung
Fehlender Nachweis eines geforderten 3G-Status zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Beendigung der freiwilligen
Krankenversicherung zum 31.5.2013.
Der Kläger war seit 1.9.2007 bei der beklagten Krankenkasse freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert.
Im März 2013 teilte er mit, dass mit der Nichtzahlung der Beiträge für Dezember 2012 und Januar 2013 auch die Mitgliedschaft
beendet sei. Die Beklagte wies ihn darauf hin, dass die Kündigung zum Ende des übernächsten Kalendermonats nach deren Eingang
möglich sei, aber erst wirksam werde, wenn er einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall nachweise. Nach
Vorlage einer Mitgliedschaftsbestätigung der "NeuDeutschen Gesundheitskasse - Unterstützungskasse (NDGK)" bestätigte die Beklagte,
das Ende der Mitgliedschaft zum 31.5.2013 (Bescheid vom 27.6.2013, Schreiben vom 8.8.2013 und 12.8.2013, Bescheid vom 17.10.2013). Sodann stellte sie die Fortsetzung der freiwilligen Versicherung ab 1.6.2013 fest (Bescheid vom 9.12.2013, Widerspruchsbescheid vom 28.10.2014), weil die NDGK die Anforderungen an eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nicht erfülle. Es bestehe kein verlässlicher
Anspruch auf Leistungen bei Krankheit.
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (SG Gotha Gerichtsbescheid vom 17.3.2016, Thüringer LSG Urteil vom 27.1.2022). Das LSG hat in Abwesenheit der Beteiligten mündlich verhandelt und entschieden. Auf diese Möglichkeit war in der Ladung
hingewiesen worden. In einem der Ladung beigefügten Merkblatt ist mitgeteilt worden, dass der "Impf- bzw. Genesenenstatus
… bei Betreten des Sitzungssaals nachzuweisen oder … eine aktuelle Bescheinigung … über die Durchführung eines negativen Corona-Tests
… vorzulegen" sei. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, das Mitgliedschaftsverhältnis zur Beklagten
sei mangels wirksamer Kündigung nicht zum 31.5.2013 beendet. Der Kläger habe keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall
nachgewiesen. Die von der NDGK angebotenen krankenversicherungsähnlichen Leistungen entsprächen nicht den Leistungen der GKV.
Die Bestimmungen des Statuts der NDGK sähen keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch vor.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) und eines Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug. Neben der Geltendmachung
des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene
Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert
bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass
das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise
auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.
a) Der Vortrag des Klägers zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehörs in einer mündlichen Verhandlung (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG iVm §
128 Abs 1 Satz 2, Abs 2, §
124 Abs
1 SGG) genügt diesen Anforderungen nicht.
Sowohl die in Art 6 Abs 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention als auch im Falle eines - wie hier - vom SG erlassenen Gerichtsbescheides nach §
153 Abs
1 und 4
SGG grundsätzlich vorgeschriebene mündliche Verhandlung bietet eine besondere Gewähr zur Wahrung des rechtlichen Gehörs. Der
Anspruch auf rechtliches Gehör soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen,
Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (vgl BSG Urteil vom 16.7.2019 - B 12 KR 6/18 R - BSGE 128, 277 = SozR 4-2400 § 7a Nr 12, RdNr 19; BVerfG vom 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen wird (BVerfG Beschluss vom 19.7.1967 - 2 BvR 639/66 - BVerfGE 22, 267, 274; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216 f). Dass hiergegen vom LSG verstoßen worden wäre, hat der Kläger nicht hinreichend dargetan.
Der Kläger rügt, seiner Prozessbevollmächtigten sei der Zutritt zum Sitzungssaal verweigert worden. Ausweislich des Sitzungsprotokolls
sei sie in Kenntnis des geforderten 3-G-Status zum Termin erschienen, habe diesen aber auf Nachfrage des Vorsitzenden nicht
nachweisen können. Eine Ausnahme vom 3-G-Status sei nicht in Erwägung gezogen worden. Mit diesem Vorbringen ist nicht aufgezeigt
worden, dass der Kläger alles getan hätte, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl stRspr; BSG Beschluss vom 28.9.2017 - B 3 KR 7/17 B - SozR 4-1720 § 186 Nr 1 RdNr 12 mwN). Dass die Prozessbevollmächtigte versucht hätte, die Teilnahme gleichwohl zu ermöglichen, und selbst um Prüfung einer Ausnahmesituation
gebeten hätte, wird mit der Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt. Soweit sie das Ausbleiben eines entsprechenden richterlichen
Hinweises rügt, fehlt es - ungeachtet dessen Notwendigkeit jedenfalls an Ausführungen dazu, was sie daraufhin vorgetragen
hätte und inwieweit ihr Vortrag geeignet gewesen wäre, das Gericht im Rahmen seines sitzungspolizeilichen Ermessens (§
61 Abs
1 SGG, §
176 GVG) zu der Zulassung einer Ausnahme zu veranlassen (vgl BSG Beschluss vom 8.3.2021 - B 12 KR 97/20 B - juris RdNr 5).
b) Sofern der Kläger behauptet, ein Beweisantrag sei verhindert worden, ist ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht hinreichend
bezeichnet. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungspflicht) nur gestützt werden, wenn sich die Rüge auf einen konkreten Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne
hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Unabhängig von der Frage des verweigerten Zutritts setzt die substantiierte Darlegung
einer Sachaufklärungsrüge daher zumindest voraus, dass der Kläger den Beweisantrag benennt, dem das LSG hätte folgen müssen,
wenn er ihn in der mündlichen Verhandlung gestellt hätte. Daran fehlt es.
2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger wirft auf Seite 13 der Beschwerdebegründung die Frage auf, "ob NDGK und DHF eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall
gemäß §§ 176,
5 I Nr. 13
SGB V darstellen." Damit stellt er bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit
einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht dar (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN). Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit
das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Es fehlt im Übrigen an hinreichenden Darlegungen zur Klärungsfähigkeit. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, inwiefern
das BSG im angestrebten Revisionsverfahren über die Anwendung des im Jahr 2021 in Kraft getretenen § 176
SGB V im Streit um die Beendigung der Mitgliedschaft im Jahr 2013 entscheiden könnte.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.