Beitragserhebung in der gesetzlichen Unfallversicherung; Veranlagung einer Konditorei in die Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs
2005
Gründe:
I
Die Klägerin wendet sich dagegen, dass sie von der Beklagten zu der neuen Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 veranlagt
wurde.
Die Klägerin betreibt eine Konditorei in F. und ist Mitglied der Beklagten. Durch Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999 war die
Klägerin ab 1.1.1999 nach dem Gefahrtarif 1999 noch in die Gefahrtarifstelle 2 "Konditoreien" mit der Gefahrklasse 3,7 veranlagt
worden. Der Gefahrtarif 1999 der Beklagten enthielt ua die Gefahrtarifstelle 1 mit der Gefahrklasse 6,7 für Bäckereien und
die Gefahrtarifstelle 2 mit der Gefahrklasse 3,7 für Konditoreien. Zur Vorbereitung eines neuen Gefahrtarifs ermittelte die
Verwaltung der Beklagten als Vorlage für die Beschlussfassung im April 2004 aus dem Beobachtungszeitraum 1999 bis 2003 eine
Gefahrklasse von 4,0 für Konditoreien und von 6,3 für Bäckereien. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss allerdings
später bei Erlass des Gefahrtarifs 2005, die Gefahrtarifstellen für Bäckereien und Konditoreien zusammenzuführen. In dem ab
1.1.2005 gültigen Gefahrtarif 2005 wurden die Bäckerei- sowie Konditoreibetriebe in der Gefahrtarifstelle 1 unter "Herstellung
von Back- und Konditoreiwaren", Gewerbegruppe 11, mit der Gefahrklasse 6,0 zusammengeführt. Der neue Gefahrtarif wurde vom
Bundesversicherungsamt (BVA) genehmigt.
Mit Verwaltungsakt vom 20.8.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin mit dem Unternehmensbereich Bäckereien/Konditoreien
zur Gefahrtarifstelle 1 mit der Gefahrklasse 6,0 des Gefahrtarifs 2005. Der Bürobereich (Gefahrklasse 0,8) und der Vertrieb
(Gefahrklasse 3,0) wurden jeweils eigenen Gefahrtarifstellen zugeordnet. Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid
vom 20.8.2005 Widerspruch, soweit Teile ihres Unternehmens zu der Gefahrtarifstelle 1 veranlagt wurden. Die Zusammenfassung
von Konditoreien und Bäckereien in einer einheitlichen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg
(Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005).
Die Klägerin hat Klage zum SG Frankfurt am Main erhoben, das eine Auskunft des BVA vom 9.6.2006 eingeholt hat, der diverse
Anlagen beigefügt waren und in der der Gefahrtarif 2005 im Ergebnis nicht beanstandet wurde. Durch Urteil vom 19.5.2008 hat
das SG sodann den Veranlagungsbescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids (insgesamt) aufgehoben. Zur Begründung
hat es ausgeführt, die Konditoreibetriebe könnten nach Anzahl und Größe unschwer eine eigene Tarifstelle bilden. Es sei weiterhin
von einem ungleichen Gefahrenrisiko bei Bäckern und Konditoren auszugehen, wobei nur auf die Nachtarbeit, Schichtdienst, Hitzeeinwirkungen,
Bäckerasthma und Mehlallergien speziell bei Bäckern hinzuweisen sei.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Das Hessische LSG hat durch Urteil vom 30.8.2011 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Gefahrtarif sei unabhängig von der Genehmigung
durch die Aufsichtsbehörde durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit als gesetztes objektives Recht des Unfallversicherungsträgers
nur daraufhin überprüfbar, ob er mit dem Gesetz und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar sei. Ähnlich wie dem Gesetzgeber
sei den ihre Angelegenheiten selbst regelnden öffentlich-rechtlichen Körperschaften als Stellen der mittelbaren Staatsverwaltung,
somit auch den Trägern der Sozialversicherung, ein nicht zu eng bemessener Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt,
soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung Recht setzten. Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste,
vernünftigste oder gerechteste Regelung treffe, sei nicht Aufgabe der Gerichte. Die Abwägung zwischen mehreren, jeweils für
die eine oder andere Regelung bei der Gestaltung des Gefahrtarifs wesentlichen Gesichtspunkten und die daraus folgende Entscheidung
obliege dem Unfallversicherungsträger, der eine Vielzahl von Gesichtspunkten zu beachten habe.
Zu der Frage, bis zu welcher Differenz Gefahrengemeinschaften etwa gleiche Gefährdungsrisiken aufweisen, würden in Literatur
und Rechtsprechung unterschiedliche Grenzbereiche formuliert. Bei größeren Gewerbezweigen könnten bereits Belastungsunterschiede
von 15 vH nicht mehr als annähernd gleich angesehen werden, während bei kleineren sogar Unterschiede von über 200 vH statistisch-mathematisch
als annähernd gleich anzusehen seien. Ein fester Prozentsatz könne danach nicht angegeben werden. Letztlich sei das Spannungsverhältnis
zwischen einer möglichst homogenen Gefahrengemeinschaft einerseits und dem erforderlichen versicherungsmäßigen Ausgleich zu
lösen, der nach dem Gesetz der großen Zahl eine gewisse Größe der Gefahrengemeinschaft fordere, damit es sich um eine "Versicherung"
handele. Die Frage einer ausreichenden Zahl von Betrieben zur Bildung einer eigenen Tarifstelle stelle sich zur Überzeugung
des Senats für die Konditoreibetriebe nicht, da die Beklagte im ersten Entwurf zum Gefahrtarif 2005 vom 29.4.2004 selbst von
2800 Nur-Konditoreien ausgegangen sei, für die sie eine Gefahrklasse von 5,9 errechnet hatte. Ansonsten sei der Maßstab des
annähernd gleichen Risikos an Art
3 Abs
1 GG zu messen, wonach vergleichbare Unfallgefahren sowohl für die der Gefahrtarifstelle angehörigen Gewerbezweige als auch für
die in die Gewerbezweige aufgenommenen Unternehmensarten zu fordern seien. Insoweit dürften kleinere Gewerbezweige nicht mit
den Risiken großer Gewerbezweige überbelastet werden. Der Senat folge Stimmen in der Literatur und Rechtsprechung, nach denen
eine Abweichung eines Gewerbezweigs von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Gefahrtarifstelle von bis zu 30 vH noch
tolerierbar sei. Eine Beitragsdifferenz der Konditoreibetriebe zum Gefahrklassendurchschnitt von einem Drittel sei mithin
im konkreten Fall noch hinnehmbar. Denn die Handwerke der Konditoren und Bäcker seien artverwandt, näherten sich einander
immer mehr an und seien über die jeweils gefertigten Produkte kaum auseinanderzuhalten. Eine mit vertretbarem Verwaltungsaufwand
zu leistende sachgerechte und valide Gewinnung von Zahlen zur Gefahrklassenberechnung sei bei getrennter Veranlagung beider
Handwerke unter Beibehaltung einer großen Zahl von Mischbetrieben nicht möglich. Die Beklagte sei gehalten, durch Typisierung
den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung zu tragen, womit für die Klägerin eine Beitragsmehrbelastung von einem Drittel
gegenüber der durchschnittlichen Gefahrtarifstelle hinzunehmen sei. Diese Belastung erreiche kein Ausmaß, das als unvertretbare,
die Klägerin in schwerwiegender oder gar existenzbedrohender Weise treffende und von ihr nicht hinzunehmende Härte zu werten
wäre.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision. Sie rügt eine Verletzung insbesondere des §
157 SGB VII. Zwar stehe dem Unfallversicherungsträger bei der Erstellung des Gefahrtarifs ein gewisser Gestaltungsspielraum zu, jedoch
mangele es an tatsächlichen Feststellungen, die die Entscheidung des LSG rechtfertigen könnten. Bei der Bildung von Gefahrtarifstellen
sei zu unterscheiden zwischen der Zusammenfassung einzelner Unternehmen zu Gewerbezweigen und der Zuordnung von Gewerbezweigen
zu einer Gefahrtarifstelle. Die Bildung von Gefahrengemeinschaften bei einer Gefahrtarifstelle stelle die zweite Stufe dar.
Bei der Bildung von Gewerbezweigen sei ein Belastungsunterschied von mehr als 15 vH nicht hinnehmbar (Hinweis auf Schulz,
Der Gefahrtarif im
SGB VII, SGb 1996, 572). Das LSG habe hingegen die für die zweite Stufe (Bildung von Gefahrengemeinschaften) geltende 30 vH-Grenze bereits auf die
Zusammenfassung von Unternehmen zu einem Gewerbezweig angewandt. Doch auch diese Grenze werde im vorliegenden Verfahren überschritten,
wenn das LSG noch eine Abweichung von einem Drittel (33,3 vH) billige. Das LSG habe zudem grundsätzlich verkannt, dass die
Beklagte für die tatsächlichen Voraussetzungen der von ihr erlassenen Verwaltungsakte aufgrund des Gefahrtarifs darlegungs-
und beweispflichtig sei. Weiterhin sei es unschwer möglich, Bäckerei- und Konditoreibetriebe verwaltungsmäßig sauber zu trennen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30.8.2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des
Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19.5.2008 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das Vorbringen der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen im Bestreiten des vom LSG zugrunde gelegten Zahlenmaterials, dessen
Herkunft und Richtigkeit den Gerichten nachgewiesen worden sei. Überzeugend habe das LSG dargelegt, dass eine weite Überschneidung
der von beiden Handwerken hergestellten Produkte bestehe. Deswegen sei auch plausibel, dass bei der Herstellung der Produkte
weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen herrschten. Zudem habe sich in den letzten Jahren die Tendenz
entwickelt, dass die Zahl von Mischbetrieben, die sowohl Bäckerei- als auch Konditoreiwaren herstellten, zunehme, was dazu
führe, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Konditorei- und Bäckereibetrieben faktisch unmöglich sei.
Soweit die Klägerin davon ausgehe, dass eine Differenzierung zwischen Konditoreien und Bäckereien in der Prüfpraxis vorgenommen
werden könne, könne von dem Betriebsprüfdienst doch nicht ernsthaft verlangt werden, dass dieser in den Betrieben jeweils
die genaue Zahl der hergestellten Brötchen und Torten ermittele.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.
1. Die von der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 20.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 14.10.2005 geführte Teilanfechtungsklage bezieht sich nur auf den Teil der Regelung, der den Unternehmensbereich "Produktion"
im Unternehmen der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) veranlagt. Die zulässige Klage ist in der Sache
unbegründet.
2. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß §
150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß §
153 Abs
1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage
für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist §
159 Abs
1 Satz 1
SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen
veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif
2005 rechtswidrig ist.
Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes
Recht fest (§
157 Abs
1 SGB VII, §
33 Abs
1 Satz 1
SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 11 f; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen
der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff mwN; vgl bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§
34 Abs
2 Satz 1
SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§
157 Abs
1 Satz 2
SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung
eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§
157 Abs
2 Satz 1
SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§
157 Abs
3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§
157 Abs
5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§
158 Abs
1 SGB VII).
Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung
als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten
selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit
sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915
RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730
RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr 4 zu § 725
RVO; BSG vom 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art
80 Abs
1 Satz 2
GG vgl auch den sog Facharztbeschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff; weiterhin BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 §
157 SGB VII Nr 1, jeweils RdNr 12 mwN; "weiter inhaltl Regelungsspielraum", vgl auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, §
157 SGB VII RdNr 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27).
Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, dh im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft
werden (Freischmidt in Hauck/Noftz,
SGB VII, K §
157 RdNr 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, §
157 SGB VII RdNr 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es zB §
55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs-
(und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage
erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen
im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen
den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen
einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr 7, S 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.
Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte
Recht mit dem
SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in §
157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist (vgl insbesondere
zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-Info 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 §
153 Nr 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche
Unfallversicherung -
SGB VII, Stand März 2008, §
157 RdNr 17 f; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S
54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl auch BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder
gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte
und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 24.1.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger
im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz,
SGB VII, K §
157 RdNr 9).
3. Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 1 nicht
zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen (a). Der Bescheid war auch
sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§
157,
158 SGB VII erlassen worden (b).
a) Die Beklagte war durch den vorherigen Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999, der zum Gefahrtarif 1999 ergangen war, nicht
an einer Neuveranlagung der Klägerin im Jahre 2005 gehindert.
Hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Unternehmen nach Maßgabe des §
159 SGB VII durch Verwaltungsakt zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt, wird dieser Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten mit der Bekanntgabe
wirksam (§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Veranlagungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der, nachdem er unanfechtbar geworden ist, in Bestandskraft
erwächst (§
77 SGG; dazu Fenn, NZS 2006, 237, 238).
Hier steht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheids 1999 dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif
2005 nicht entgegen, denn der Gefahrtarif 1999 galt gesetzlich befristet für eine Dauer von höchstens sechs Jahren (§
157 Abs
5 SGB VII). Auf die Begrenzung der Geltungsdauer wurde die Klägerin als Adressatin des früheren Veranlagungsbescheids ausdrücklich
hingewiesen. Für Zeiträume nach dem 31.12.2004 traf der Veranlagungsbescheid 1999 keine Regelung. Der aufgrund des Gefahrtarifs
1999 erlassene Verwaltungsakt hatte sich deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs 2 Alt 4 SGB X).
b) Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde legen,
denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.
Der Gefahrtarif 2005 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§
33 Abs
1 Satz 1, §
34 Abs
2 Satz 1
SGB IV). Der Gefahrtarif war neu festzusetzen, weil der zuvor geltende Gefahrtarif 1999 über den 31.12.2004 hinaus keine Geltung
mehr beanspruchen konnte (§
157 Abs
5 SGB VII). Die Gefahrklasse ist nach dem Verhältnis der gezahlten Leistungen an Versicherte in den Unternehmen der Gewerbezweige zu
den dort gezahlten Arbeitsentgelten berechnet worden (§
157 Abs
3 SGB VII). Die Beklagte hat die herangezogenen Zahlen dargelegt, die die Ermittlung der Gefahrklasse belegen. Der Gefahrtarif 2005
wurde durch das BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt (§
158 SGB VII).
Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Bäckereien" und "Konditoreien" zu
einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zu einer Gefahrtarifstelle
mit der Begründung, dass in früheren Gefahrtarifen der Beklagten über lange Zeiträume hinweg die Bäckereien einer eigenen
Gefahrtarifstelle (zuletzt mit Gefahrklasse 6,7) zugeordnet waren, während die Konditoreien getrennt davon einer anderen Gefahrtarifstelle
mit einer wesentlich niedrigeren Gefahrklasse (zuletzt 3,7) zugeordnet waren. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend,
die Beklagte habe die langfristig getrennte Zuordnung beider Gewerbezweige zu Tarifstellen im Gefahrtarif 2005 beibehalten
müssen.
Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Veranlagung beider Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle rechtlich
zulässig war, ist §
157 Abs
2 Satz 1
SGB VII. Danach sind im Gefahrtarif Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen
Risikoausgleichs zu bilden.
Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass nach §
157 Abs
2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif
gebildet werden können (sog Gewerbezweigprinzip, dazu BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 sowie BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 §
157 Nr 2; dazu auch K. Palsherm in Brandenburg jurisPK-
SGB VII, §
157 RdNr 27 f; Becker, BG 2004, 528, 529 ff; Heldmann, BG 2007, 36). Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist es alternativ möglich,
einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen
zusammenzufassen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1).
Vorliegend hat die Beklagte den Gefahrtarif in der hier streitigen Teilregelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt.
Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken
und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse,
die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die
gesamte Arbeitsumgebung geprägt (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 27). Dies setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen
strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Werden in einer Tarifstelle Unternehmen aus verschiedenen
Gewerbezweigen zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige nicht auffällig (statistisch signifikant)
von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der noch unschädlichen Abweichung hängt auch
von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl Schulz, BG 1984, 657, 659). Damit ggf eine Neugliederung vorgenommen werden
kann, muss die Belastung der jeweils zusammengefassten Unternehmenszweige gesondert festgehalten werden (Freischmidt in Hauck/Noftz,
SGB VII, K §
157 RdNr 10).
Die Beklagte war von diesen Maßstäben ausgehend berechtigt, Bäckereien und Konditoreien im Gefahrtarif 2005 zu einer Gefahrtarifstelle
zusammenzufassen. Sie hat dabei die Vorgaben des §
157 Abs
2 Satz 1
SGB VII nicht verletzt.
aa) Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen
(BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die Beklagte ist davon ausgegangen, die Unternehmen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes
könnten nach Produktionsweise und Art der hergestellten Produkte in der Praxis kaum noch unterschieden werden, so dass aufgrund
einer vergleichbaren Risikolage die beiden Handwerke einer Tarifstelle zuzuweisen seien. Gegen die Annahme, dass bei Erlass
des Gefahrtarifs 2005 nur noch ein Gewerbezweig bestand, spricht aber, dass es der Beklagten bislang immer möglich war, die
Gefährdungsrisiken beider Gewerbezweige nach den oben genannten Kriterien zu unterscheiden und verschiedenen Gefahrtarifstellen
zuzuordnen. Dies war auch im Jahre 2004 bei der Vorbereitung des Gefahrtarifs 2005 noch möglich, wie sich schon daraus ergibt,
dass die Beklagte noch getrennte Belastungsziffern für beide Gewerbe ermitteln konnte und eine Zuordnung zu getrennten Gefahrtarifstellen
zumindest als eine der möglichen Regelungen im Gefahrtarif in Betracht kam. Die Führung des Gewerbezweigs "Konditoreien" in
einer eigenen Tarifstelle scheiterte auch nicht daran, dass die Zahl der dem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen
keine Größenordnung erreicht, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt.
Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe in der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 beide Gewerbearten als einheitlichen
Gewerbezweig zusammengefasst, trifft es zwar zu, dass die Tarifstelle im Gefahrtarif 2005 von einer "Gewerbegruppe" ausgeht.
Allerdings sind im Gefahrtarif der Beklagten auch sonst (zB Gewerbegruppe 18 mit Herstellung von Bonbons, Erdnussröstereien,
Verarbeitung von Honig oder Gewerbegruppe 33 mit Pilzverwertung, industrielle Fertigung von Pizzen, Herstellung von Tierfutterkonserven)
offensichtlich unterschiedliche Gewerbezweige in einer Gruppe zusammengefasst. Es kommt hinzu, dass der Terminus "Gewerbegruppe"
kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifs ist.
b) Selbst wenn man aber im Folgenden zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei den Bäckereien und Konditoreien
um zwei getrennte Gewerbezweige handelte, die auch getrennt veranlagt werden konnten, war die Beklagte von Gesetzes wegen
nicht gehindert, beide Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Zu Recht hat das LSG aufgrund der von ihm festgestellten
Tatsachen entschieden, dass Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren beschäftigen, nach ihren
jeweiligen Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs eine Gefahrengemeinschaft iS
des §
157 Abs
2 Satz 1
SGB VII bilden können.
Zutreffend hat das LSG bei dieser Überprüfung der Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten darauf abgestellt, dass bei
der Bildung einer Gefahrengemeinschaft aus mehreren Gewerbezweigen diese nur zusammengefasst werden dürfen, wenn sie nach
den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse
aufweisen. Aufgrund der vom LSG festgestellten technologisch zumindest verwandten Produktionsweise in Betrieben, die Back-
und Konditoreiwaren herstellen, liegen zwischen beiden Gewerben keine so wesentlichen Unterschiede vor, dass diese unter Berücksichtigung
eines versicherungsmäßigen Ausgleichs nicht zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt werden dürfen. In Unternehmen des Konditorei-
und Bäckereigewerbes kommen gleichermaßen Teig-, Rühr-, Knetmaschinen und teilweise computergesteuerte Maschinen zum Einsatz.
Bei der Herstellung der Produkte herrschen weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen. Schließlich hat das
LSG auch anhand anderer Kriterien als der Produktionsweise und -mittel aufgezeigt, dass es Anhaltspunkte für erhebliche Gemeinsamkeiten
zwischen beiden Gewerbezweigen gibt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21.4.2004, BGBl I 632;
Verordnung über die Berufsausbildung zum Konditor/zur Konditorin vom 3.6.2003, BGBl I 790; Verordnung über verwandte Handwerke
vom 22.6.2004, BGBl I 1314). Zudem hat das erkennende LSG in seinem Urteil für den Senat gemäß §
163 SGG bindend festgestellt, dass jedenfalls in sog Mischbetrieben eine verwaltungspraktikable Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten
zu der Gruppe der Bäcker oder Konditoren nicht mehr möglich ist. Nach den Feststellungen des LSG ist "eine mit vertretbarem
Verwaltungsaufwand zu leistende sachgerechte und valide Gewinnung von Zahlen zur Gefahrklassenberechnung bei getrennter Veranlagung
beider Handwerke unter Beibehaltung einer großen Zahl von Mischbetrieben nicht möglich" (Urteil des LSG, aaO, S 23). Auch
diese Feststellung spricht dafür, dass die Beklagte bei der Zusammenlegung der Gruppen in einer Tarifstelle ihren Beurteilungsspielraum
in zulässiger Weise ausgeschöpft hat.
Ein Gebot der getrennten Zuordnung zu Gefahrklassen besteht auch nicht deshalb, weil der Gewerbezweig der Konditoreien ein
vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko hat. Der Senat hat bereits entschieden (vgl BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - RdNr 18 ff), dass namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen geprüft werden muss, ob die nach technologischen
Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr
die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten
Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein
Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig
folgen (dazu bereits BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr 1 zu § 730
RVO; ferner: BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 - HV-INFO 1988, 2215; vgl hierzu auch Spellbrink, SR 2012, 17, 25 mwN).
Läge ein solches "erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko" im Sinne der Rechtsprechung des Senats vor, könnten die Unternehmer
des Gewerbezweigs "Konditoreien" einen Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem
anderen, "passenderen" Gewerbezweig haben (s auch BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2), denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen
gewährleisten (BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2). Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig voneinander ab, kann dies
eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern
bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die
Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2).
Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) hätte sich bei getrennter Veranlagung für die Klägerin eine günstigere Gefahrklasse ergeben. Das Unternehmen der Klägerin
hätte dann nach den Berechnungen der Verwaltung der Beklagten, die der Beschlussfassung im Jahre 2004 zunächst zugrunde lagen,
ab 1.1.2005 die Gefahrklasse 4,0 statt (tatsächlich) 6,0 erhalten. Mithin bestand eine Differenz des Gefährdungsrisikos zwischen
der Klägerin und dem der Gefahrengemeinschaft von 33,3 vH (4,0 im Verhältnis zu 6,0). Unter Zugrundelegung dieses Wertes hat
sich der Satzungsgeber aber noch innerhalb des ihm durch §
157 SGB VII eröffneten Regelungsspielraums gehalten.
Der Senat hat in den bisher getroffenen Entscheidungen einen Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des
Satzungsgebers bei der Zusammenlegung von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft nach §
157 Abs
2 SGB VII nicht festgelegt. Die Klägerin hat insoweit zwar auf das Urteil vom 12.12.1985 (BSG - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2) verwiesen, nach dem eine Abweichung des Gefährdungsrisikos von plus 36,2 und minus 36,6 gegenüber der Gefahrtarifstelle
nicht mehr hinnehmbar sei. Bei einer Addition lagen die Abweichungen der Gefährdungsrisiken zwischen den dortigen gemeinsam
veranlagten Gewerbezweigen aber bei über 70 vH. Wenn die Klägerin im Übrigen Literaturstellen anführt, die geringere Grenzwerte
für eine noch zulässige Abweichung als ca 33 vH angeben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die vorliegende Abweichung
durchaus erheblich, andererseits zeigt gerade die Normformulierung des §
157 Abs
2 Satz 1
SGB VII, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssen, weil §
157 Abs
2 Satz 1
SGB VII ua auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert. Hierauf hat etwa der EuGH in seiner Entscheidung
zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass
§
157 Abs
2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei (vgl EuGH vom 5.3.2009 - C-350/07 - Slg 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, RdNr 47 Juris; hierzu Spellbrink, SR 2012, 17, 36).
Daneben muss und soll ein neuer Gefahrtarif von den in der Vergangenheit aufgetretenen Belastungsziffern ausgehend die Tarifstellen
der Mitgliedsunternehmen der jeweiligen Berufsgenossenschaft für die Zukunft regeln. Der Satzungsgeber darf deshalb berücksichtigen,
wenn sich Gefährdungsrisiken in bestimmten Gewerbezweigen aufgrund sich ändernder Produktionsbedingungen einander annähern.
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies hier so angenommen hat. Die Gewerbezweige "Bäckerei" und "Konditorei"
waren früher überwiegend handwerklich geprägt. Sie haben sich inzwischen zu einer stärker industriell geprägten Herstellung
von Back- und Konditoreiwaren fortentwickelt. Dadurch haben sich auch die Gefährdungsrisiken einander angenähert. Bei der
Prüfung der Abweichung der Gefährdungsrisiken durfte der Satzungsgeber annehmen, dass die Zahl an Mischbetrieben zunimmt und
eine Abgrenzung beider Gewerbezweige dadurch in Zukunft schwieriger vorzunehmen sein wird. Schließlich ist zu berücksichtigen,
dass der Satzungsgeber in der beanstandeten Tarifstelle ausdrücklich zulässt, dass abgrenzbare Betriebsteile, die zB die Herstellung
von Desserts, Süßwaren oder Dauerbackwaren betreiben, zu der Gefahrtarifstelle 2 (Gefahrklasse 3,4) veranlagt werden.
Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Beklagte für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch
nicht darlegungs- und nachweispflichtig. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die
zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im
Einzelnen begründungspflichtig ist (vgl hierzu auch BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 63 mwN, für SozR 4 vorgesehen). Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit
einer getroffenen Satzungsregelung nicht. Die Rechtsprechung überprüft folglich auch nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die
vernünftigste oder gerechteste Regelung getroffen hat. Das Revisionsgericht wiederum überprüft, ob die Tatsachengerichte aufgrund
der von ihnen festgestellten Tatsachen noch zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen haben, der Satzungsgeber habe noch
innerhalb der ihm eröffneten Satzungsautonomie gehandelt.
Dieser vom LSG getroffene rechtliche Schluss war hier nicht zu beanstanden, denn eine Differenz von 33,3 vH im Gefährdungsrisiko
liegt angesichts der besonderen Umstände der hier gemeinsam veranlagten Gewerbe noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des
Normgebers.
4. §
157 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage für den Gefahrtarif 2005 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
a) In dem durch §
157 SGB VII eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers liegt kein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip des
Art
20 Abs
3 GG abzuleitende Wesentlichkeitstheorie. Die Satzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger besteht nicht unbegrenzt, sondern
findet ihre Grenzen im Rechtsstaatsprinzip (Art
20 Abs
3 GG). Dieses erfordert ua, dass der Gesetzgeber bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität die wesentlichen
Entscheidungen selbst treffen muss (vgl hierzu insbesondere Papier/Möller, SGb 1998, 337, die davon ausgingen, die Regelungsermächtigung verstoße gegen die Wesentlichkeitstheorie; kritisch hierzu bereits Schulz,
SGb 1999, 172; zum damaligen Streit vgl Spellbrink, SR 2012, 17, 39; vgl auch BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 58).
§
157 SGB VII verletzt diese Vorgaben nicht. Angesichts der oben dargestellten langjährigen Anwendung und Auslegung der Regelung durch
Unfallversicherungsträger und Rechtsprechung konnte und kann nicht festgestellt werden, dass diese Satzungsermächtigung zur
Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist (so auch BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 §
157 Nr 3 = DVBl 2007, 1172, RdNr 19). Vielmehr ist §
157 SGB VII bei historischer Auslegung (ua auch zu den weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen der §§ 730 ff
RVO) und unter Berücksichtigung seiner Anwendung durch die Fachgerichte hinsichtlich der einfachgesetzlich normierten Anforderung,
"Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs" zu bilden,
hinreichend bestimmt (vgl zum Zweck der Norm BT-Drucks 13/2204, S 111; zur Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz BVerfG
aaO; sowie BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 29 ff).
b) Die Satzungsregelung ist auch im Hinblick auf die Grundrechte der Unternehmer aus Art
2 Abs
1 GG nicht zu beanstanden.
Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit
iS des Art
2 Abs
1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten ein Eingriff in das von Art
2 Abs
1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 244 f; BVerfG vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96, 109; vgl zuletzt BVerfG vom 16.7.2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535; dazu auch Jarass in Jarass/Pieroth,
GG, 12. Aufl, Art
2 RdNr 5). Dies gilt besonders für Unternehmen, die wie dasjenige der Klägerin nicht zwischen verschiedenen Trägern mit unterschiedlichen
Beitragssätzen wählen können, sondern kraft Gesetzes einem bestimmten Träger als beitragspflichtiges Unternehmen zugewiesen
sind (§
150 Abs
1 Satz 1, §
121 Abs
1 SGB VII).
Art
2 Abs
1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfG
vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, 38; stRspr). Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt
werden (Jarass in Jarass/Pieroth,
GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 20; vgl auch BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179). Eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig
sein, dh einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen (BVerfG vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320, 345). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme - hier der gesetzlichen Unfallversicherung - ist
in einem Sozialstaat (Art
20 Abs
3 GG) ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen
grundsätzlich rechtfertigt (zum Verhältnis von Handlungsfreiheit und Beitragszwang in der Sozialversicherung grundlegend:
BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4; BVerfG vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10; vgl zu Kammerbeiträgen: BVerfG vom 29.12.2004 - 1 BvR 113/03 - BVerfGK 4, 349, 353 f mwN; vgl insbesondere zur verfassungsrechtlichen Billigung des Beitragsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung:
BVerfG vom 9.3.2011 - 1 BvR 2326/07 - Bestätigung von BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R; BVerfG vom 10.3.2011 - 1 BvR 2891/07 - Bestätigung von BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R; zur verfassungsgerichtlichen Akzeptanz des Unfallversicherungssystems auch Spellbrink, BPuVZ 2012, 88).
Die Beklagte ist deshalb berechtigt, durch Satzung Gefahrtarife festzusetzen und spätestens nach Ablauf des in §
157 Abs
5 SGB VII bestimmten Zeitraums neu zu regeln. Dabei kann sie auch entscheiden, ob sich für zukünftige Veranlagungszeiträume Veränderungen
ergeben sollen (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).
c) Die Satzungsregelung, die der Veranlagung der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde liegt,
verletzt auch nicht den rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutz (Art
2 Abs
1 GG iVm Art
20 Abs
3 GG).
Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, in dem neuen Gefahrtarif 2005 eine Übergangsregelung vorzusehen. Das BSG hat bei Neuregelungen im Beitragsrecht bislang keinen Anlass gesehen, zu Gunsten der von einer Neuregelung in einem Gefahrtarif
negativ Betroffenen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen zu fordern (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 42). Dies folgte für das BSG insbesondere daraus, dass die Regelungen eines Gefahrtarifs nach den gesetzlichen Bestimmungen in §
159 Abs
1 Satz 1
SGB VII nur "für die Tarifzeit" gelten (vgl zur fehlenden Bindung an frühere Herabsetzungsentscheidungen: BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 7/02 R - SozR 4-2700 § 162 Nr 1 RdNr 15; zum Vertrauensschutz bei der Änderung von Veranlagungsbescheiden: BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 54/02 R - BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die betroffenen Unternehmer können daher in der Regel nicht erwarten, dass sich
für zukünftige Veranlagungszeiträume keine Veränderungen ergeben werden.
Auch hier hatte die Klägerin eine geschützte Rechtsposition jeweils nur im Rahmen eines bestimmten Gefahrtarifs inne, der
gemäß §
157 Abs
5 SGB VII von vornherein auf eine Geltungsdauer von maximal sechs Jahren begrenzt war. Ihre Rechtsposition aus dem Gefahrtarif 1999
galt mithin nur bis Ende 2004. Selbst wenn man von einer vertrauensbegründenden langen Tradition einer unterschiedlichen Zuordnung
von Konditoreien und Bäckereien in früheren Gefahrtarifen der Beklagten ausgehen wollte, hatte die Klägerin jedenfalls keine
formelle Rechtsposition erworben, in die durch den neuen Gefahrtarif 2005 eingegriffen wurde. Mithin lag hier keine Entwertung
einer bestehenden Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft vor, so dass sich der Gefahrtarif 2005 noch nicht einmal unechte
Rückwirkung beimaß (hierzu etwa BVerfG vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 - BVerfGK 14, 287). Da zudem eine Änderung der Gefahrklasse für Konditoreien im Sinne einer Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle
mit Bäckereien nach den Feststellungen des LSG bereits früher diskutiert worden war, durften die Unternehmer des Konditoreigewerbes
ohnehin nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der von den Bäckereien getrennten Veranlagung ihres Gewerbezweigs vertrauen.
Auch ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Fortbestand einer getrennten Veranlagung
Vermögensdispositionen getätigt hätte oder gar eine existenzielle Bedrohung der Unternehmen in Frage stand (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).
d) Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art
3 Abs
1 GG.
Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art
3 Abs
1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom
bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 88, 87, 96 f). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung
von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer
strengen Bindung (vgl BVerfGE 55, 72, 88).
Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands,
sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art
3 Abs
1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung
genügenden Typisierung gehalten hat (vgl BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3).
Für die Bildung der Gefahrtarifklasse 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht
erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in
dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken
und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.
Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des
SGB VII entspricht (vgl Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die
Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften
unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun
Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren
(vgl BT-Drucks 16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl Rothe,
DGUV-Forum 5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften
zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen
Zielvorgaben ausgehend ist es auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von
Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht
für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten.
Die Beklagte hat mithin eine gemäß Art
3 Abs
1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass Unternehmen, die Back- oder Konditoreiwaren
herstellen, zumindest ähnliche Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare Präventionserfordernisse
haben.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1, §
183 SGG und §
154 Abs
2 VwGO. Der Streitwert wurde in einem gesonderten Beschluss festgesetzt (vgl aber zu den Kriterien der Festsetzung BSG vom 11.4.2013 - B 2 U 8/12 R).