Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Höchstrichterlich bereits geklärte Rechtsfrage
Gründe:
Mit Urteil vom 26.3.2019 hat das Bayerische LSG einen Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Rentenversicherung verneint und seine Berufung gegen das Urteil des SG München vom 20.11.2015 zurückgewiesen.
Auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung, dass der Kläger als Bauingenieur weiterhin von der Rentenversicherungspflicht
befreit ist, blieb ohne Erfolg.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von §
160 Abs
2 Nr
1 SGG.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte)
Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 §
160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl 2014, §
160a RdNr 32 ff). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger formuliert als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung: "ob jeweilige Beschäftigung iSd. §
6 Abs.
1 SGB VI auf die ausgeübte Tätigkeit (Beschäftigung) oder den jeweiligen Arbeitgeber abstellt" (erste Rechtsfrage), "ob, wenn auf
den Arbeitgeber bezüglich der Befreiung abgestellt würde, hierdurch der Bauingenieur in seinen Grundrechten gem. Art
12 und Art
3 GG verletzt ist" (zweite Rechtsfrage) und, "ob für den Bauingenieur Vertrauensschutz in einen Befreiungsbescheid genießt, wenn
er im Vertrauen hierauf, ohne Änderung seiner Tätigkeit Beiträge in die Versorgungskammer geleistet und so im Vertrauen auf
den Bescheid finanzielle Vorkehrungen für sein Alter geschaffen hat, welche durch die nachträglich Rückkehr in die gesetzliche
Versicherung erheblich an Wert verlieren würden" (dritte Rechtsfrage).
Es kann dahinstehen, ob der Kläger damit durchgehend aus sich heraus verständliche Rechtsfragen zur Auslegung revisibler (Bundes-)Normen
formuliert hat, an denen das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu BSG Beschlüsse vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15 und vom 4.4.2016 - B 13 R 43/16 B - RdNr 6; Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181).
Jedenfalls hat der Kläger deren Klärungsbedürftigkeit nicht schlüssig dargetan. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig,
wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt
ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese
zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind,
die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben
(vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung
gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch
nicht beantwortet worden ist (vgl Krasney/Udsching/Groth, aaO, Kap IX RdNr 183 mwN).
1. Zur ersten Rechtsfrage trägt der Kläger vor, es bestünden bei den Instanzgerichten Auslegungszweifel, "inwieweit auf die
Beschäftigung, oder den Arbeitgeber abzustellen ist". Das BSG habe dazu noch nicht entschieden. Zugleich formuliert der Kläger, es sei "Der Tätigkeitsbezug des §
6 Abs
1 S 1 Nr
1 SGB VI […] nicht in Abrede zu stellen". Die Befreiung könne nur nicht für eine Tätigkeit ausgesprochen werden, die für die betroffene
Freiberuflergruppe "berufsfremd" sei.
Die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage ist damit nicht hinreichend dargelegt. Der Senat hat bereits nach Auslegung von
Befreiungsbescheiden entschieden, dass sich die Verwaltungsakte jeweils auf die konkret ausgeübte Beschäftigung bezogen haben
und nicht auf den Beruf als solchen. Die Entscheidungen betrafen ebenfalls Bauingenieure, die die Feststellung einer fortgeltenden
Befreiung aufgrund von Fomularbescheiden begehrten (BSG Urteile vom 13.12.2018 - B 5 RE 1/18 R - BSGE <vorgesehen>, SozR 4-2600 § 6 Nr 18 und - B 5 RE 3/18 R - SozR 4-2600 § 6 Nr
19). Zu dieser Rechtsprechung verhält sich die Beschwerdebegründung nicht. Mit seinen Ausführungen zum Merkmal "berufsfremd"
stützt sich der Kläger vielmehr auf Entscheidungen des BSG, die zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in der DDR ergangen sind (BSG Urteil vom 18.10.2007 - B 4 RS 17/07 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 14; BSG Urteil vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - und BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 5 RS 3/12 R). Inwieweit diese vorliegend einschlägig sein sollen, erschließt sich dem Senat nicht. Mit seinem weiteren Vortrag, es
sei "keineswegs erforderlich […] die Ausübung exakt derselben Tätigkeit, schon gar nicht bei demselben Arbeitgeber", formuliert
der Kläger seine eigene Rechtsauffassung, ohne sich insbesondere mit der bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung
zur Fortgeltung von Befreiungen nach der Sonderregelung des §
231 SGB VI zu befassen (vgl zum Beschäftigungs- bzw Tätigkeitsbezug einer Befreiung nach § 231 Abs 1 Satz 1 bereits BSG Urteil vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 59 und BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9 RdNr 22).
Soweit der Kläger aus der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG zitiert (BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KS 2/10 R) und verschiedene Beispiele aus der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung anführt, befasst
er sich mit einer ganz anderen Rechtsfrage, nämlich unter welchen Voraussetzungen die von §
6 Abs
1 Nr
1 SGB VI geforderte und allein nach Landesrecht zu bestimmende Pflichtmitgliedschaft jeweils in der berufsständischen Kammer und der
Versorgungseinrichtung besteht. Auch dazu enthält die jüngste Rechtsprechung des Senats klarstellende Ausführungen (vgl BSG Urteil vom 22.3.2018 - B 5 RE 5/16 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 16 RdNr 50 ff unter Hinweis auf BSG Urteil vom 7.12.2017 - B 5 RE 10/16 R - BSGE 125, 11 RdNr 23 ff = SozR 4-2600 § 6 Nr 14). Die Nichtzulassungsbeschwerde geht darauf ebenfalls nicht ein.
Schließlich ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers auch keine (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit)
der Rechtsfrage. Der Kläger meint, seine frühere, mit bestandskräftigem Bescheid erteilte Befreiung wirke fort, wenn allein
auf die Tätigkeit abgestellt würde. Dann käme es nicht mehr darauf an, dass er ab dem 17.3.1997 für eine andere juristische
Person des Privatrechts tätig geworden ist. Dies würde aber voraussetzen, dass der Kläger ein und dieselbe Tätigkeit fortlaufend
ausgeübt hat. Aus der Nichtzulassungsbeschwerde ergibt sich dies nicht. Vielmehr trägt der Kläger selbst in seiner Beschwerdebegründung
vor, es seien weitere Aufgabenfelder "wie Geschäftsführung und Projektleitung" hinzugekommen.
2. Mit seiner zweiten Rechtsfrage rügt der Kläger eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art
12 und Art
3 GG. Leitet eine Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung von Normen des
GG ab, darf sie sich nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung
der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen
Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr, zB
bereits BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 f = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 13 f). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen
aufgezeigt, die Sachgründe der jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des
GG im Einzelnen dargelegt werden (stRspr, zB BSG Beschluss vom 12.7.2013 - B 1 KR 123/12 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 10/10 B - juris RdNr 6).
Dies ist nicht geschehen. Allein das Vorbringen des Klägers, er sei wegen der Folgen für seine Altersversorgung nicht frei
in seiner Arbeitsplatz- bzw Arbeitgeberwahl und würde gleichheitswidrig behandelt, wenn er "im Vergleich zu seinen anderen
Kollegen nun aus dem Versorgungswerk raus soll", genügt dafür nicht.
3. An einem hinreichenden Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit fehlt es schließlich auch zur dritten Rechtsfrage. Der Kläger
macht dazu geltend, die Klärungsbedürftigkeit folge auch daraus, dass es "derzeit wohl" zwischen dem Versorgungswerk und der
Beklagten ungeklärt sei, "wie eine solche nachträgliche 'Übertragung' des Bestandes aus der Versorgung in die gesetzliche
Rente überhaupt zu erfolgen hat". Dies genügt nicht den Anforderungen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG an eine Beschwerdebegründung. Der Kläger nimmt keinerlei Bezug auf die bereits ergangene Rechtsprechung des BSG zum möglichen Vertrauensschutz infolge einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht (zu den Voraussetzungen vgl BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 5/10 R - SozR 4-2600 § 231 Nr 5 RdNr 33 ff). Mit seinem Vorbringen, er habe auf den Befreiungsbescheid vertraut und deshalb Vermögensverfügungen
zugunsten seiner Altersvorsorge getroffen, argumentiert der Kläger nur im Einzelfall. Auf die aus seiner Sicht vermeintliche
Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung kann die Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 67).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.