Rechtskraftwirkung eines abweisenden Urteils zur Feststellung einer Berufskrankheit im sozialgerichtlichen Verfahren
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Feststellung seiner Lebererkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1101, 1302, 1306 oder 1316 der Anlage 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV), hilfsweise die Feststellung als Wie-BK.
Der am 1960 geborene Kläger leidet an einer Fettleber (Steatosis hepatis). Er führt diese Erkrankung auf die Belastungen im
Rahmen seiner beruflichen Tätigkeiten in den Jahren 1977 bis ca. 1997 zurück. Vor allem geht es um Tätigkeiten als Maler und
Lackierer (mit Unterbrechungen von 1977 bis 1991) und eine abhängige Beschäftigung, nachfolgend auch selbstständige Tätigkeit,
in der Leuchtmittelwerbung für Tankstellen (1992 bis 1997 - so die Angaben des Klägers Bl. 226 f. VA).
Erste Beschwerden bemerkte der Kläger im Jahr 1983. Im Jahr 1986 wurden erhöhte Leberwerte festgestellt. Seither schreitet
die Erkrankung fort. Aktuell ist bei zwischenzeitlich diagnostizierter Leberzirrhose und Ösophagusvarizen mit mehrmaligen
Varizenblutungen eine Lebertransplantation geplant. Dem Kläger, der einen übermäßigen Alkoholkonsum stets verneinte und dessen
CDT-Wert als Hinweis auf eine äthyltoxische Genese wegen einer selten vorkommenden Transferrinvariante nicht sicher bestimmbar
ist (Gutachten Dr. B., Bl. 415f. VA), wurde wiederholt eine Alkoholkarenz empfohlen (zuletzt Arztbrief Prof. Dr. Sch., Medizinische
Klinik und Poliklinik der Technischen Universität M. vom 22.01.2010, Bl. 25 LSG-Akte).
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2005 die Anerkennung einer
BK oder Wie-BK ab. Sie stützte sich dabei u.a. auf das Gutachten des Direktors des Instituts und Poliklinik für Arbeits- und
Sozialmedizin des Universitätsklinikums H. Prof. Dr. T. vom Juni 2004, der eine berufliche Verursachung der Lebererkrankung
zwar für möglich, jedoch insbesondere auf Grund des Verlaufs der Erkrankung nach Ende der Exposition - in der Regel könne
man davon ausgehen, dass sich eine toxische Leberschädigung bessere oder sich sogar vollständig zurückbilde, wenn die verursachende
Noxe nicht mehr einwirke oder nicht mehr im Körper vorhanden sei - nicht für wahrscheinlich erachtete.
Die vom Kläger beim Sozialgericht Freiburg erhobene Anfechtungs- und Feststellungsklage (S 9 U 4846/05) wies das Sozialgericht mit Urteil vom 24.03.2009 ab. Es sah sich nicht in der Lage, eine der vom Kläger zur Feststellung
beantragten BKen (BK 1101 Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen, 1302 Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe,
1306 Erkrankungen durch Methylalkohol (Methanol) und 1316 Erkrankungen der Leber durch die Dimethylformamid (DMF) oder - wie
hilfsweise beantragt - eine Wie-BK festzustellen. Es stützte sich dabei auf das im Jahr 2008 im gerichtlichen Verfahren eingeholte
Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin und Allgemeinmedizin Dr. B.. Dieser ging, gestützt auf die Stellungnahmen des
Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten (Stellungnahmen der Mitarbeiterin Z. vom 18.01.2005 Bl. 191 VA und des Dipl.-Ing.
K. vom 21.02.2005 Bl. 198 VA), selbst unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers hinsichtlich der gesundheitsgefährdenden
Expositionen mit den oben genannten Stoffen nicht vom Nachweis der arbeitstechnischen Voraussetzungen aus und sah auch in
medizinischer Hinsicht keine Wahrscheinlichkeit für einen beruflichen Zusammenhang. Er bestätigte die zuvor schon von den
behandelnden Ärzten gestellte Diagnose einer nicht-alkoholischen Steatosis hepatitis (NASH) unklarer Ätiologie. Neue Erkenntnisse
in der medizinischen Wissenschaft darüber, dass Maler und Lackierer ein erhöhtes Risiko gegenüber der übrigen Bevölkerung
für die Entwicklung der beim Kläger vorliegenden Erkrankungen haben, lägen nicht vor. Das Urteil des Sozialgerichts wurde
- nach Rücknahme der vom Kläger erhobenen Berufung (L 2 U 2878/09) - rechtskräftig.
Im November 2009 beantragte der Kläger unter Hinweis auf eine Verschlimmerung seines Zustandes die Überprüfung des Bescheids
vom 23.08.2005. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
13.01.2010 ab. Die Verschlimmerung habe keinen Einfluss auf die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs.
Deswegen hat der Kläger am 11.02.2010 beim Sozialgericht Freiburg Klage erhoben. Im Wesentlichen hat er sich auf den Arztbrief
des Prof. Dr. Sch. vom 22.01.2010 (s.o.) gestützt, wonach die Leberzirrhose am ehesten äthyltoxischer Genes sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.07.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Für die Anerkennung der verfahrensgegenständlichen
BKen bzw. einer Wie-BK fehle es an den arbeitstechnischen Voraussetzungen. Selbst wenn man diese unterstelle, lasse sich nach
den Feststellungen des Sachverständigen Dr. B. nicht feststellen, dass die Erkrankung des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
ursächlich auf einer beruflich bedingten Exposition beruhe. Dem neu gestellten Antrag des Klägers lasse sich nichts entnehmen,
was dies zweifelhaft erscheinen lasse. Vom Kläger jetzt geltend gemachte Beschwerden (Übelkeit/Bewusstlosigkeit bei verschiedenen
Gerüchen, gelegentliches Blut-Erbrechen) habe er bereits Dr. B. mitgeteilt. Die nun von Prof. Dr. Sch. angenommene äthyltoxische
Genese, das heiße eines Zusammenhangs mit einem Alkoholkonsum, spreche eher gegen eine berufliche Ursache.
Gegen den ihm am 16.07.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.08.2010 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das
Sozialgericht habe nicht ausreichend gewürdigt, dass zwischenzeitlich Situationen mit akuter Lebensgefahr eingetreten seien.
Die von Prof. Dr. Sch. genannte äthyltoxische Genese bedeute, dass Ursache für die Lebererkrankung unter Ausschluss von sonstigen
unbewiesenen und bestrittenen Vermutungen wie Alkoholkonsum ausschließlich eine Vergiftung durch äthylenhaltige Stoffe sei.
Mit diesen habe er während seiner beruflichen Tätigkeit als Maler/Lackierer Kontakt gehabt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.07.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids
vom 22.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2010 zu verpflichten, den Bescheid vom 23.08.2005 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Erwiderung auf die vorangegangenen Gerichtsentscheidungen.
Der Senat hat Prof. Dr. Sch. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat seine Arztbriefe vom Januar und September
2010 vorgelegt. Im Arztbrief vom Januar 2010 hat er erwähnt, es bestehe eine Leberzirrhose am ehesten äthyltoxischer Genese.
Im Arztbrief vom September 2010 (Bl. 28 LSG-Akte) hat er eine noch kompensierte Leberzirrhose am ehesten auf dem Boden einer
NASH im Rahmen eines metabolischen Syndroms beschrieben. Eine begleitende äthyltoxische Komponente bei zwar geringem, aber
regelmäßigem Genuss von Alkohol hat er nicht ausgeschlossen, insbesondere da der Alkoholkonsum bei bereits bekannter Fettlebererkrankung
nicht vollständig eingestellt worden sei.
Als sachverständiger Zeuge hat Prof. Dr. Sch. angegeben, die Einschätzung einer durch Alkohol verursachten Leberzirrhose beruhe
auf dem klinischen Verlauf sowie den Vorunterlagen. Im Krankenhaus O. sei im Dezember 2009 ein Blutalkoholwert von 2 ‰ gemessen
worden. Der Kläger selbst habe im September 2010 einen regelmäßig geringen bis mäßiggradigen Alkoholkonsum angegeben. Somit
könne eine alkoholtoxische Ursache, eine solche sei im Arztbrief vom Januar 2010 gemeint gewesen, als wahrscheinlich angesehen
werden. Eine berufsbedingte Ursache der Lebererkrankung sei eher nicht wahrscheinlich, da die Erkrankung seit dem Ende jeglicher
beruflicher Schadstoffexposition weiter fortschreitend sei.
Auf Antrag des Klägers gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin G. eingeholt. Dieser hat darauf hingewiesen, es sei ihm
als Allgemein- und Hausarzt des Klägers nicht möglich, wie die Vorgutachter ein arbeitsmedizinisches Gutachten zu erstellen.
Dies sei auch nicht notwendig, da bereits hinreichend belegt worden sei, dass nach den strengen Kriterien der Arbeitsmedizin
nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu belegen sei, dass die Lebererkrankung ausschließlich berufsbedingt verursacht
wurde. Die medizinischen und arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitgegenständlichen BKen seien nicht erfüllt. Aus hausärztlicher
Sicht sei die Anerkennung als beruflich bedingte Schädigung gerechtfertigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 22.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2010.
Darin entschied die Beklagte ausschließlich über die Frage, ob sie bei Erlass des Bescheids vom 23.08.2005 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2005 von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen war und deswegen zu Unrecht die Anerkennung
einer BK oder Wie-BK abgelehnt hatte. Die Beklagte nahm diese Prüfung auf der rechtlichen Grundlage des § 44 SGB X vor. Dies zeigt nicht nur die von der Beklagten im Tenor des Bescheids vom 22.12.2009 verwandte Formulierung "ihr Antrag
auf Neufeststellung bzw. Rücknahme (...) wird abgelehnt", sondern folgt auch aus der Begründung dieses Bescheids sowie aus
den Ausführungen des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2010. Damit prüfte die Beklagte neben § 44 SGB X nicht zusätzlich, unabhängig vom bestandskräftigen Bescheid im Sinne einer neuen originären Entscheidung, ob zwischenzeitlich
eine BK oder Wie-BK - z.B. wegen späterer weiterer Expositionen oder wegen anderer Gesundheitsstörungen - eingetreten war.
Zwar hatte der Kläger auf eine Veränderung seines Gesundheitszustands hingewiesen. Dies aber nur in Form einer Verschlimmerung
des schon zuvor bekannten Leidens und nicht etwa im Hinblick auf den Hinzutritt einer neuen Erkrankung. Er selbst hatte ausdrücklich
einen Antrag "auf der Grundlage von § 44 SGB X" gestellt (Bl. 506 VA). In der Begründung des angefochtenen Bescheids vom 22.12.2009 brachte die Beklagte zum Ausdruck, dass
die geltend gemachte Verschlimmerung der Erkrankung keinen Einfluss auf die hier allein streitige, schon im Bescheid vom 23.08.2005
vorgenommene Beurteilung des Ursachenzusammenhangs habe, traf also keine originäre neue Entscheidung.
Grundsätzlich kann bei der Ablehnung der Feststellung einer BK ein Versicherter sein Begehren auf Feststellung einer BK -
wie es der Kläger ausweislich des schriftsätzlich gestellten Antrages verfolgt - zwar im Wege einer Feststellungsklage nach
§
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG verfolgen (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2). Dies ist indessen im Rahmen eines so genannten Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X nicht möglich. Denn dieses Verfahren hat das Ziel, den bestandskräftigen, eine BK verneinenden Verwaltungsakt zu beseitigen,
im Falle des entsprechenden Klageverfahrens die Beklagte zur Rücknahme dieses Verwaltungsaktes zu verurteilen. Bevor der bestandskräftige
Ablehnungsbescheid aber nicht beseitigt ist, steht dieser - eben wegen seiner Bestandskraft - einer vom Kläger nach seinem
schriftsätzlichen Vorbringen eigentlich begehrten gegenteiligen Feststellung durch das Gericht entgegen. Damit beschränkt
sich das Klagebegehren sachgerechterweise auf die Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides
(ständige Rechtsprechung des Senats seit Urteil vom 27.04.2006, L 10 U 5290/03); diesen Antrag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch gestellt.
Die Beklagte hat zu Recht die Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ablehnung der Feststellung der hier streitgegenständlichen
BKen 1101, 1302, 1306 oder 1316 oder einer Wie-BK abgelehnt. Die folgt bereits aus der Tatsache, dass auf Grund des rechtskräftig
gewordenen Urteils des Sozialgerichts Freiburg vom 24.03.2009 nach §
141 Abs.
1 Nr.
1 SGG zwischen den Beteiligten bindend feststeht, dass keine der eben genannten BKen und auch keine Wie-BK vorliegt. Im Übrigen
kann sich auch der Senat - wie zuvor schon das SG - nicht davon überzeugen, dass bei Erlass des Bescheids vom 23.08.2005 das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen
Sachverhalt ausgegangen wurde.
Zunächst kann dahingestellt bleiben, ob sich die Prüfung des Anspruchs des Klägers auf eine Rücknahme der bestandskräftig
gewordenen Ablehnung nach § 44 Abs. 1 oder nach § 44 Abs. 2 SGB X zu richten hat. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass vom einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen
wurde und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist,
mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Da im bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 23.08.2005 hinsichtlich der
jetzt vom Kläger zur Überprüfung gestellten Frage des Vorliegens einer BK an sich nicht über Leistungen entschieden wurde,
könnten Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gesehen werden. Für die Anwendung dieser Regelung (so auch ohne weitere Problematisierung für die streitige Feststellung
eines Arbeitsunfalls: BSG, Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 24/05 R in SozR 4 - 2700 § 8 Nr. 18) spricht jedoch, dass es bei der Feststellung einer BK letztendlich in der Regel doch (indirekt)
um Leistungsansprüche geht. Zudem erscheint der die Feststellung einer BK begehrende potentielle Leistungsempfänger insoweit,
als ihn § 44 Abs. 1 SGB X gegenüber dem alternativ in Betracht kommenden § 44 Abs. 2 SGB X privilegiert, schutzwürdig. Denn im Anwendungsbereich des Abs. 1 ist eine gebundene Entscheidung über die Korrektur mit Wirkung
für die Vergangenheit zu treffen, während der Behörde im Anwendungsbereich des Abs. 2 ein Ermessensspielraum gewährt wird.
Letztlich kann die Frage, ob Abs. 1 oder Abs. 2 des § 44 SGB X anzuwenden ist, offen bleiben, da auch nach § 44 Abs. 2 SGB X Voraussetzung wäre, dass der Bescheid vom 23.08.2005 rechtswidrig ist. Dies ist nicht der Fall.
Regelungsgegenstand des Bescheides vom 23.08.2005 war die Ablehnung der Anerkennung der Lebererkrankung als BK 1101, 1302,
1306, 1316 bzw. als Wie-BK, also gerade jener BK, deren Anerkennung der Kläger über § 44 SGB X auch im vorliegenden Rechtsstreit erstrebt.
Allerdings steht zwischen den Beteiligten rechtskräftig fest, dass keine der streitigen BKen beim Kläger vorliegt. Denn dasselbe
Ziel - Feststellung, dass die Lebererkrankung eine BK 1101, 1302, 1306, 1316 hilfsweise eine Wie-BK ist - verfolgte der Kläger
bereits im früheren Klageverfahren S 9 U 4946/05 mit der Feststellungsklage (so der damals in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gestellte und im Urteil wiedergegebene
Antrag). Diese Klage wurde vom Sozialgericht mit Urteil vom 24.03.2009 abgewiesen. Mit der Rücknahme der hiergegen eingelegten
Berufung wurde dieses Urteil rechtskräftig.
Mit der Abweisung einer auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichteten Klage steht das Gegenteil der begehrten Feststellung,
nämlich das Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses fest (BGH, Urteil vom 16.01.2008, XII ZR 216/05 u.a. in juris). Auf Grund der Rechtskraftwirkung (vgl. §
322 Abs.
1 Zivilprozessordnung -
ZPO -: Urteile sind der Rechtskraft ... fähig, als ... über den Anspruch entschieden ist) ist dies - das Nichtbestehen des zur
Feststellung begehrten Rechtsverhältnisses - auch für spätere Auseinandersetzungen zu berücksichtigen. Denn aus dem Lebenssachverhalt,
der der (abgewiesenen) Feststellungsklage zu Grunde lag, kann wegen der Rechtskraftwirkung auch künftig nichts hergeleitet
werden (BGH, aaO. für eine Leistungsklage nach rechtskräftig abgewiesener Feststellungklage).
Im sozialgerichtlichen Verfahren gilt Gleiches. Denn auch hier binden gemäß §
141 Abs.
1 Nr.
1 SGG rechtskräftige Urteile die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Ein sozialgerichtliches
Urteil über eine Klage auf Feststellung eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung (Arbeitsunfälle und
Berufskrankheiten, §
7 Abs.
1 SGB VII) ist ebenfalls nicht nur der formellen, sondern auch der materiellen Rechtskraft fähig (BSG, Urteil vom 28.06.1984, 2 RU 64/83, u.a. in juris). Mit der rechtskräftigen Abweisung einer auf Feststellung gerichteten Klage ist somit auch im sozialgerichtlichen
Verfahren das Gegenteil der begehrten Feststellung festgestellt (BSG aaO.: mit der Abweisung einer Klage auf Anerkennung von Wirbelsäulenbeschwerden als Folgen eines Arbeitsunfalles steht fest,
dass die Wirbelsäulenbeschwerden keine Unfallfolgen sind). Dies bedeutet, dass mit Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts
vom 24.03.2009, S 9 U 4846/05 über die Abweisung der Klage auf Feststellung der Lebererkrankung als BK Nr. 1101, 1302, 1306, 1316, hilfsweise als Wie-BK
rechtskräftig und damit für die Beteiligten und den Senat verbindlich fest steht, dass es sich bei der Lebererkrankung des
Klägers um weder eine BK Nr. 1101, 1302, 1306, 1316 noch um eine Wie-BK handelt.
Diese Rechtskraftwirkung ist - anders als bei kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw. Leistungsklagen (s. hierzu
Keller in Meyer-Ladewig,
SGG, 9. Auflage, § 141 Rdnrn. 11 ff.) - nicht durch §§ 44 ff. SGB X "eingeschränkt". Denn mit der Feststellungklage wird nicht über den Regelungsgegenstand eines (mit Verpflichtungs- bzw. Leistungsklage
zum Erlass begehrten) Verwaltungsaktes über Ansprüche (z.B. auf bestimmte Leistungen, aber auch allgemein auf Anerkennung
eines Versicherungsfalles oder von gesundheitlichen Folgen eines Versicherungsfalles, zum subjektiv öffentlichen Recht auf
"Anerkennung" s. BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, u.a. in juris), dessen Bestandkraft nach den §§ 44 ff. SGB X durchbrochen werden kann, sondern über das Rechtsverhältnis als solches entschieden. Dem entsprechend stellt sich die Rechtsposition
der Beteiligten wegen der Rechtskraftwirkung gerichtlicher Feststellungsurteile im Gegensatz zur durchbrechungsfähigen Bindungswirkung
feststellender oder eine Feststellung ablehnender Verwaltungsakte - was die Durchbrechungsfähigkeit anbelangt - anders dar
(BSG, Urteil vom 27.04.2010, B 2 U 23/09 R und Urteile vom 09.11.2010, B 2 U 6/10 R und B 2 U 14/10 R, alle u.a. in juris, für Falle der Stattgabe der Feststellungsklage).
Steht aber somit für die Beteiligten und den Senat verbindlich fest, dass es sich bei der Lebererkrankung des Klägers weder
um eine BK Nr. 1101, 1302, 1306, 1316 noch um eine Wie-BK handelt, erweist sich der Bescheid vom 23.08.2005 über die Ablehnung
einer Anerkennung der Lebererkrankung als eine solche BK als rechtmäßig. Folglich kann der Kläger auch nicht die Rücknahme
dieses Bescheides nach § 44 SGB X verlangen.
Im Übrigen geht der Senat wie die Beklagte und das Sozialgericht davon aus, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind,
dass die Beklagte bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung vom 23.08.2005 das Recht unrichtig angewandt hatte - dies
wird auch vom Kläger nicht behauptet - oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen war. Zur Vermeidung von Wiederholungen
nimmt der Senat zunächst Bezug auf die umfassenden und überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts im Urteil vom 24.03.2009,
denen im Wesentlichen die auch aus Sicht des Senats schlüssigen Gutachten von Prof. Dr. T. und Dr. B. zu Grunde lagen. Neue
Erkenntnisse, die die Gutachten der eben Genannten in Frage stellen würden, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch
nach der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme nicht ersichtlich.
Es steht daher nach wie vor fest, dass der Kläger - so Dr. B. - an einer NASH bzw. - so der Sachverständige G. - an einer
auf Grund der NASH zwischenzeitlich aufgetretenen Leberzirrhose leidet, wobei die Ätiologie (Ursache) der NASH unklar bleibt.
U.a. Dr. B. legte insbesondere unter Hinweis auf den Verlauf der Erkrankung nachvollziehbar dar, dass die Erkrankung nicht
hinreichend wahrscheinlich auf berufsbedingte Schadstoffexpositionen, die im Übrigen - was Dr. B. ebenfalls zutreffend darlegte
und was er im Einzelnen begründete - nicht hinreichend nachgewiesen sind, zurückgeführt werden kann.
Soweit der Kläger davon ausgegangen ist, Prof. Dr. Sch. habe im Arztbrief vom 22.01.2010 eine "Vergiftung durch äthylenhaltige
Stoffe", denen er beruflich ausgesetzt gewesen sei, beschrieben, hat sich diese Annahme als unzutreffend erwiesen. In seiner
sachverständigen Zeugenaussage hat Prof. Dr. Sch. eindeutig klargestellt, dass in seinem Arztbrief vom Januar 2010 eine alkoholtoxische
Verursachung gemeint war, die er im Arztbrief vom September 2010 zumindest noch als begleitende Komponente angesehen hat.
In seiner Zeugenaussage vom November 2010 hat er unter Hinweis auf einen im Dezember 2009 gemessenen Blutalkoholwert von 2
‰ sowie unter Bezugnahme auf eigene Angaben des Klägers eine alkoholtoxische - mithin nicht beruflich bedingte - Ursache der
Leberzirrhose als wahrscheinlich angesehen. Die Untersuchungen durch Prof. Dr. Sch. habe somit keine neuen Erkenntnisse gebracht,
die den von Prof. Dr. T. und Dr. B. nicht für ausreichend wahrscheinlich erachteten beruflichen Zusammenhang wahrscheinlicher
machen würden. Wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt, ist vielmehr das Gegenteil der Fall. Die Ausführungen von Prof.
Dr. Sch. zum schädlichen, bis zuletzt nicht eingestellten Alkoholkonsum lassen einen - so Dr. B. - möglichen aber nicht wahrscheinlichen
beruflichen Zusammenhang sogar weiter in den Hintergrund rücken.
Ähnliches gilt im Hinblick auf den vom Kläger beschriebenen und von Prof. Dr. Sch. und dem Sachverständigen G. bestätigten
fortschreitenden Verlauf der Erkrankung mit einer inzwischen drastischen Verschlechterung des Allgemeinzustands. Gerade dieser
Verlauf spricht - so Prof. Dr. Sch. und der Sachverständige G. ebenso wie Prof. Dr. T. und Dr. B. - gegen einen beruflichen
Zusammenhang.
Der auf Antrag des Klägers gehörte Sachverständige G. - gleichzeitig der Hausarzt des Klägers - hat im Ergebnis die Gutachten
von Prof. Dr. T. und Dr. B. bestätigt. Er hat Kriterien aufgezeigt, die für einen beruflichen Zusammenhang sprechen (Schadstoffbelastung;
erhöhte Leberwerte seit 1985, nachgewiesen seit 1995; schon früh Schwindel und dgl.; mit Ausnahme eines "mäßigen" Alkoholkonsums
keine anderen erkennbaren Ursachen), jedoch auch gegenteilige Kriterien (keine genaueren Nachweise zu den Schadstoffexpositionen;
herrschende medizinische Lehrmeinung; Verlauf der Erkrankung) erwähnt. In der Zusammenschau hat auch er die genaue Ursache
der Erkrankung für unklar gehalten. Soweit er "aus hausärztlicher Sicht" die Anerkennung einer beruflich bedingten Schädigung
für gerechtfertigt erachtet hat, hat er doch gleichzeitig klar bestätigt, dass die medizinischen und arbeitstechnischen Voraussetzungen
der streitgegenständlichen BKen nicht erfüllt sind. Auch das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung einer Wie-BK
hat er verneint. Damit trägt auch sein Gutachten das Begehren des Klägers nicht, insbesondere belegt es in keiner Weise, dass
die Beklage im Bescheid vom 23.08.2005 von einem unrichtigen Sachverhalt ausging.
Im Hinblick auf die zuletzt vom Kläger als weiter klärungsbedürftig angesprochenen "Themenbereiche" genetische Disposition,
medizinischer Nachweis für den Ausschluss eines übermäßigen Alkoholkonsums sowie Nachweise und Bewertung für den Ausschluss
anderer Ursachen als der Exposition von Lösemittelgemischen für seine Erkrankung ist zu ergänzen:
Eine etwaige genetische Disposition würde eine berufliche Verursachung, bei ohnehin nicht nachgewiesenen arbeitstechnischen
Voraussetzungen, nicht wahrscheinlicher machen.
Dem Ausmaß des Alkoholkonsums ist nicht weiter nachzugehen. Dr. B. verneinte einen wahrscheinlichen beruflichen Zusammenhang,
obwohl er eine NASH, das bedeutet gerade eine nicht-alkoholische Fettleber, diagnostizierte. Er maß dem vom Kläger eingeräumten
Alkoholkonsum damit keine wesentliche Bedeutung bei. Auch der Sachverständige G. hat unter der Annahme eines nur mäßigen Alkoholkonsums
das Vorliegen einer BK oder Wie-BK verneint. Somit würde ein nachgewiesener Ausschluss eines "übermäßigen" Alkoholkonsums
keinen Erkenntnisgewinn bringen.
Dies gilt auch für den Ausschluss anderer, neben einer beruflichen Belastung, in Betracht kommender Ursachen der NASH. Dabei
ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen beruflicher Exposition und Erkrankung positiv festgestellt werden
muss (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Insbesondere gibt es keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache und einem rein zeitlichen
Zusammenhang die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem
Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, aaO.).
Weitere Ermittlungen sind damit nicht veranlasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.