Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenversicherung für eine Brustverkleinerungsoperation; Mammahyperplasie keine Krankheit
im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung einer Brustverkleinerung in Höhe von 5.400,00 EUR streitig.
Die 1987 geborene Klägerin, die bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert ist, ist 158 cm groß und wiegt 48,6 kg. Das
Gewicht ihrer Brüste betrug vor der Operation rechts 850 g, links 750 g; sie musste BH-Körbchengröße 70 D tragen.
Am 18. November 2008 unterzeichnete die Klägerin eine privatärztliche Honorarvereinbarung mit der Frauenklinik R. (Bl. 20
Senatsakte). Der am 8. Januar 2009 geplante Operationstermin wurde auf den 11. Mai 2009 verschoben. Die Klägerin beantragte
mit Schreiben vom 30. Dezember 2008 bei der Beklagten unter Vorlage ärztlicher Atteste der Allgemeinmedizinerin Dr. B. (eine
schwere depressive Entwicklung drohe, die operative Verkleinerung der Brust solle eine Chronifizierung der bestehenden depressiven
Entwicklung vermeiden) und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D. (sie könne mit größter Wahrscheinlichkeit
von einer kosmetischen Operation profitieren und die sehr beeinträchtigenden psychosozialen Belastungen würden dadurch weitgehend
eliminiert) die Übernahme der Kosten für eine Brustverkleinerung.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dr. N.
gelangte aufgrund der Untersuchung der Klägerin zu dem Ergebnis, dass keine ausreichende Begründung für die beidseitige Brustverkleinerung
zu Lasten der GKV bestehe. Eine sogenannte Gigantomasie liege nicht vor, nur eine minimale Brustptose beidseits bei relativ
zur Körpergröße großen Brüsten. Die Klägerin leide an leicht vermindertem Selbstwertgefühl, sozialen Ängsten und sozialem
Rückzug, somit keiner eigentlichen psychiatrischen Erkrankung bei minimal depressiver Stimmungslage. Des Weiteren lägen rezidivierende
nuchale (auf den Nacken bezogene) Verspannungen bei BWS-Kyphose und ein Zustand nach Appendektomie im Dezember 2008 vor. Vorrangig
seien Maßnahmen wie Krankengymnastik, Funktionssport, Thermalgymnastik, Teilnahme an einer Selbsterfahrungsgruppe für Frauen,
gegebenenfalls Selbstsicherheitstraining.
Mit Bescheid vom 16. Januar 2009 lehnte die Beklagte daraufhin die Kostenübernahme mit der Begründung ab, die sozialmedizinischen
Voraussetzungen für die Brustverkleinerung seien nicht erfüllt.
Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, eine Besserung durch Krankengymnastik sei nicht eingetreten,
obwohl sie diese bereits regelmäßig in Anspruch genommen habe. Somit werde auch bestätigt, dass die Fehlbelastung des Rückens
durch ihre zu großen Brüste und damit verbundenen Schmerzen Krankheitswert habe. Nur die Brustverkleinerung könne diese Probleme
lindern. Funktionssport und Thermalgymnastik kämen für sie nicht in Betracht, da sie aus psychischen Gründen weder einen Badeanzug
noch Sportkleidung in der Öffentlichkeit trage. Ihr Problem sei auch keinesfalls mangelndes Selbstwertgefühl, sondern ihre
zu große Oberweite, sodass auch die Teilnahme an einer Selbsterfahrungsgruppe oder ein Selbstsicherheitstraining keinen Sinn
mache. Das Maß des Notwendigen, auf das die Leistungsgewährung der Krankenkasse beschränkt sei, wäre somit einzig und allein
eine Brustverkleinerung. Sie legte dazu weitere Atteste von Dr. B. (der Eingriff sei keineswegs als "Schönheits-Operation"
zu beurteilen, sondern es zeige sich enormer Leidensdruck, der durch sehr beeinträchtigende psychosoziale Belastungen zu einer
depressiven Entwicklung geführt habe) sowie von Dr. D. (die Klägerin sei in ihrer psychischen und sozialen Entwicklung nicht
wesentlich beeinträchtigt, zeige allerdings erhebliche Unsicherheit im Kontaktverhalten und ziehe sich daher von sozialen
Situationen, in denen sie ihre Körperformen nicht durch Kleidung verbergen könne, von anderen zurück; die Möglichkeiten einer
psychotherapeutischen Bearbeitung seien begrenzt, es sei anzunehmen, dass durch einen kosmetischen Eingriff die Verunsicherung
und die Irritation in einem Ausmaß rückläufig wäre, dass keine weiteren psychotherapeutischen Maßnahmen mehr erforderlich
seien) vor.
Die Beklagte schaltete erneut den MDK ein. Dipl.-Med. L. führte in ihrem Gutachten nach Aktenlage aus, die Klägerin leide
an einer Mamma-Hypertrophie beidseits, einer psychischen Beeinträchtigung bezogen auf die Mammahyperplasie (übergroße Brust)
sowie einem Verdacht auf Dysmorphophobie (Angst, durch einen Defekt, der für andere nicht oder nur minimal erkennbar ist,
entstellt zu sein). Nach der im Rahmen der Erstbegutachtung vorgenommenen körperlichen Untersuchung liege in Anbetracht der
objektivierten Brustgewichtsmessung eine Gigantomastie (Brustgewicht mehr als 1500 g pro Seite) nicht vor, wohl aber eine
mäßige bis ausgeprägte Mammahypertrophie, somit eine Normvariante der Natur und kein regelwidriger Körperzustand an der Brust.
Regelwidrige Körperzustände, die die Größe der weiblichen Brust definierten, gebe es bislang nicht. Einigkeit bestünde aber
darin, dass nur krankheitswidrige Extremfälle wie die entwicklungsbedingte Deformation der Mammae, ausgeprägte Asymmetrien
und seitengleiche Gigantomastie eine operative Behandlung erforderten. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall. Es müsse
vielmehr davon ausgegangen werden, dass der kosmetische Aspekt für den Operationswunsch im Vordergrund stünde. Das begründe
keine operative Behandlungsnotwendigkeit. Die psychische Problematik müsse mit den Mitteln der Psychotherapie behandelt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2009 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch mit der Begründung zurück, auch nach
nochmalige Befassung des MDK sei bestätigt worden, dass eine medizinische Notwendigkeit für eine operative Brustkorrektur
(Mammareduktionsplastik) nicht vorliege. Die psychischen Störungen bedürften der Behandlung durch eine vertragliche Psychotherapie.
Die Klägerin ließ die Operation am 11. Mai 2009 durchführen. Dafür stellte ihr die Frauenklinik R. keine Rechnung, sondern
die Klägerin überwies gemäß der privatärztlichen Honorarvereinbarung 5.400,00 EUR, wofür ihr ein Einnahmebeleg (Bl. 21 Senatsakte)
ausgestellt wurde.
Mit ihrer am 3. Juli 2009 beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, es sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass das Brustgewicht
auch in Relation zur Körpergröße stehen müsse. Bei ihr handele es sich um eine kleine, schlanke, zierliche junge Frau. Der
Eingriff sei am 11. Mai 2009 erfolgreich durchgeführt worden. Sie habe zuvor an muskulären Dysbalancen mit erheblichen Schulter-,
Nacken- und Brustwirbelsäulenbeschwerden, deutlicher Fehlhaltung und erheblichen Nacken- und Kopfschmerzen gelitten, die immer
wieder manualtherapeutischen Behandlungen hätten zugeführt werden müssen.
Mit Gerichtsbescheid vom 29. September 2009, der Klägerin zugestellt am 2. Oktober 2009, hat das SG die Klage mit der Begründung zurückgewiesen, für eine Operation am gesunden Organ bedürfe es einer besonderen Rechtfertigung,
denn es werde nicht gezielt die eigentliche Krankheit behandelt. Aufgrund der geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen
scheide eine Leistungsgewährung durch die GKV für die Operation aus. Eine andere, die Notwendigkeit des operativen Eingriffs
erforderlich machende Krankheit habe bei ihr nicht vorgelegen. Die bestehende Asymmetrie sei zwar als regelwidriger Zustand
zu bewerten, erfülle jedoch nicht die Kriterien einer Krankheit, denn sie erfordere weder ärztliche Behandlungsmaßnahmen,
noch rufe sie Arbeitsunfähigkeit hervor.
Zur Begründung ihrer dagegen am 15. Oktober 2009 eingelegten Berufung trägt die Klägerin vor, dass die psychiatrisch-psychotherapeutischen
Behandlungsversuche - weil letztlich nicht mehr als symptomatisch - ohne Erfolg geblieben wären. Eine Erkrankung habe lediglich
in Form der übergroßen Brüste bestanden. Diese erfüllten auch den Krankheitsbegriff, nämlich aufgrund der objektivierten erheblichen
Gewichtsunterschiede der einzelnen Brüste. Auch sei ihrer Körpergröße nicht ausreichend Berücksichtigung widerfahren, denn
diese sei ein zwingendes Parameter, wenn es um Proportionszuordnungen gehe, wie es zB in der herrschenden medizinischen Meinung
durch den anerkannten BMI zur Bestimmung des gesunden Gewichts und der Abgrenzung zur Adipositas längst der Fall sei.
Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29. September 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2009
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die ihr durch die
Brustverkleinerung vom 11. Mai 2009 in der Frauenklinik R. entstandenen Kosten in Höhe von 5.400,00 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Berichterstatterin hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 8. Dezember 2009 erörtert. Die Beteiligten haben sich mit
einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§
143,
155 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht erhobene Berufung der Klägerin, über die der Senat nach §
124 Abs
2 SGG im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft im Sinne des §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG, da die erforderliche Berufungssumme durch die geltend gemachte Erstattungsforderung überschritten wird. Die damit insgesamt
zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren
Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung der durch die Brustverkleinerung vom 11. Mai 2009 in der Frauenklinik
R. entstandenen Kosten in Höhe von 5.400,00 EUR.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist §
13 Abs.
3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V). Danach hat die Beklagte der Klägerin die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung zu erstatten, wenn sie eine unaufschiebbare
Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die erste Alternative - unaufschiebbare Leistung
- scheidet wegen Fehlens einer dringenden Behandlungsnotwendigkeit aus. Daher kommt als Rechtsgrundlage allein §
13 Abs
3 Satz 1 Alt 2
SGB V in Betracht. Diese Rechtsnorm bestimmt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten
für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten,
soweit die Leistung notwendig war. Ein Anspruch auf Kostenerstattung ist demnach nur gegeben, wenn folgende Voraussetzungen
erfüllt sind (vgl zum Ganzen BSG Urteil vom 16. Dezember 2008, B 1 KR 2/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 20): Bestehen eines Primärleistungs(Naturalleistungs-)anspruchs des Versicherten und dessen rechtswidrige
Nichterfüllung, Ablehnung der Naturalleistung durch die Krankenkasse, Selbstbeschaffung der entsprechenden Leistung durch
den Versicherten, Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, Notwendigkeit der selbst beschafften
Leistung und (rechtlich wirksame) Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung.
Ob dem Erstattungsbegehren der Klägerin bereits entgegen steht, dass ihr durch die abgelehnte Naturalleistungsgewährung möglicherweise
erstattungsfähige Kosten nicht entstanden sind, kann der Senat dahin gestellt sein lassen. Nach ständiger Rechtsprechung setzt
der Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V zwar voraus, dass ein rechtswirksamer Vergütungsanspruch des behandelnden Arztes wegen der Behandlung entstanden ist. Nötig
hierfür ist auch eine ordnungsgemäße Abrechnung (vgl etwa BSG Urteil vom 13. Juli 2004, B 1 KR 11/04 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 4). Für die hier streitige Krankenhausbehandlung gilt grundsätzlich, dass ein Anspruch nur in Frage
kommt, wenn die Abrechnung den weitgehend zwingenden Vorschriften des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntG) entspricht, das
nach § 1 Abs 2 S 1 KHEntG auch für Privatpatienten gilt. Das setzt grundsätzlich voraus, dass die Abrechnung entsprechend
§ 7 KHEntG erfolgt, also gegenüber dem Patienten die Operation nach den Fallpauschalen, also mit der entsprechenden Diagnose
sowie der Verweildauer, und ggfs Zusatzentgelten erfolgt. Soweit auch privatärztliche Leistungen abgerechnet wurden, so hat
das BSG entschieden, dass ein Honoraranspruch als Grundlage für eine Kostenerstattung nach §
13 Abs
3 SGB V nur dann in Betracht kommt, wenn er nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte spezifiziert ist (BSG Urteil vom 15. April 1997, 1 RK 4/96, SozR 3-2500 § 13 Nr 14). Das setzt voraus, dass der Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf eigene
Kosten behandelt zu werden, und dieses dem Arzt schriftlich bestätigt (§ 17 Abs 1 Nr 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä)).
Daran könnte es vorliegend fehlen, denn die Klägerin hat überhaupt keine Rechnung erhalten, sondern aufgrund der privatärztlichen
Honorarvereinbarung vom 18. November 2008 mit der Frauenklinik R. die Kosten beglichen, wie sie auf ausdrückliche Nachfrage
im Erörterungstermin bestätigt hat. Dies mag aber darauf beruhen, dass die Klinik die Operation als medizinisch nicht notwendig
erachtet hat.
Die geltend gemachte Kostenerstattung scheitert aus mehreren Gründen.
Die Ablehnung der beantragten Operation durch die Beklagte war nicht kausal für die der Klägerin entstandenen Kosten. Zwischen
der rechtswidrigen Ablehnung und der Kostenlast des Versicherten muss ein Ursachenzusammenhang bestehen, an dem es fehlt,
wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich
gewesen wäre. Eine vorherige Entscheidung der Krankenkasse ist selbst dann nicht entbehrlich, wenn die Ablehnung des Leistungsbegehrens
- etwa aufgrund von Erfahrungen aus anderen Fällen - von vornherein feststeht (BSG Urteil vom 4. April 2006, B 1 KR 5/05 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 8); dies gilt selbst dann, wenn es um Leistungen geht, die kraft Gesetzes ausgeschlossen sind (BSG Urteil
vom 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 12).
Die Klägerin hatte sich bereits am 18. November 2008 bei der Frauenklinik R. zu der Operation angemeldet und sich verbindlich
dazu entschlossen diese durchzuführen. Der Senat stützt sich insoweit auf die vorgelegte privatärztliche Honorarvereinbarung
mit der Frauenklinik R ... Der am 8. Januar 2009 geplante Operationstermin wurde lediglich, um die Frage der Kostenbeteiligung
der Beklagten abzuklären, auf den 11. Mai 2009 verschoben. Deswegen erfolgte auch die Abrechnung der Kosten nach der am 18.
November 2008 vereinbarten Vergütung. Die Klägerin hat keinen neuen Vertrag abgeschlossen, was zu erwarten gewesen wäre, wenn
sie sich erst nach der Ablehnung tatsächlich zur Durchführung der Operation entschlossen hätte. Durch den Abschluss des Behandlungsvertrags
hat sich die Klägerin damit auf die Operation endgültig festgelegt, die Ablehnung der Krankenkasse ist dann nicht kausal (so
auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. November 2008, L 4 KR 1357/07).
Die Klägerin hat schließlich keinen Naturalleistungsanspruch auf die Brustverkleinerungsoperation gehabt, weil die Mammahyperplasie
keine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und die Brustoperation zur Behandlung einer psychischen
Erkrankung nicht notwendig gewesen ist (vgl speziell zu einer Brustverkleinerungsoperation zuletzt LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 10. Dezember 2008, L 5 KR 2638/07, zit nach juris; Hessisches LSG, Urteil vom 21 August 2008, L 1 KR 7/07, zit nach juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Juni 2008, L 9 KR 589/07, zit nach juris; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 21. November 2007, L 5 KR 80/06; zit nach juris). Sie kann nach §
27 Abs
1 Satz 1
SGB V nur dann Krankenbehandlung verlangen, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung
zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Krankheit im Sinne dieser Norm ist ein regelwidriger, vom Leitbild des
gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig
macht (stRspr, BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, B 1 KR 19/07 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 14).
Bei der Klägerin besteht nach den Feststellungen der Gutachten des MDK, die in Auswertung der Befundberichte der behandelnden
Ärzte und einer Untersuchung der Klägerin ergangen sind, lediglich eine Mammahyperplasie, die aber keine derartige äußerliche
Entstellung bewirkt, dass dies einen Bedarf nach einer Mammaoperation hätte begründen können. Eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit
der Brust liegt nicht vor. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss
es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit
und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung
anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe
am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, B 1 KR 19/07 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 14).
Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein:
Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung
eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein,
dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig
zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung
im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren
müssen. Die Rechtsprechung hat als Beispiele für eine Entstellung zB das Fehlen natürlichen Kopfhaares bei einer Frau oder
eine Wangenatrophie oder Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert. Dagegen hat das BSG bei der Fehlanlage eines Hodens
eines männlichen Versicherten eine Entstellung nicht einmal für erörterungswürdig angesehen und eine Entstellung bei fehlender
oder wenig ausgeprägter Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen
Brust revisionsrechtlich abgelehnt (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 3/03 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 3). Die Feststellung, dass im Einzelfall ein Versicherter wegen einer körperlichen Anormalität an einer
Entstellung leidet, ist in erster Linie Tatfrage (zum Ganzen BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, aaO.).
Ausgehend von diesen Maßstäben handelt es sich im Fall der Klägerin, wie Dipl.-Med. L. zu Recht ausgeführt hat, um eine Normvariante
der Natur und keinen regelwidrigen Körperzustand an der Brust.
Soweit die Klägerin, ohne dass dies durch ärztliche Aussagen belegt ist, auf ihre Rückenprobleme hingewiesen hat, so besteht
kein Nachweis dafür, dass diese in dem Brustgewicht ihre Ursache haben, zumal das ermittelte Resektionsgewicht dies kaum belegt
und kein Nachweis der Erschöpfung konservativer Behandlungsmethoden erfolgt ist. Die behandelnden Ärzte haben deswegen die
Operationsnotwendigkeit auch psychisch begründet und sie ausdrücklich als "Schönheitsoperation" bezeichnet.
Die psychische Belastung der Klägerin rechtfertigt aber ebenfalls keinen operativen Eingriff auf Kosten der GKV. Nach der
Rechtsprechung des BSG können psychische Leiden einen Anspruch auf eine Brustoperation nicht begründen. Selbst wenn ein Versicherter
hochgradig akute Suizidgefahr geltend macht, kann er regelmäßig lediglich eine spezifische Behandlung etwa mit den Mitteln
der Psychiatrie beanspruchen, nicht aber Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der GKV (BSG, Urteil vom 28. Februar 2008,
aaO.).
Nach diesen Grundsätzen sind Operationen am - krankenversicherungsrechtlich gesehen - gesunden Körper, die psychische Leiden
beeinflussen sollen, nicht als "Behandlung" iS von §
27 Abs
1 SGB V zu werten, sondern vielmehr der Eigenverantwortung der Versicherten zugewiesen. Dies beruht in der Sache vor allem auf den
Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren
Erfolgsprognose sowie darauf, dass Eingriffe in den gesunden Körper zur mittelbaren Beeinflussung eines psychischen Leidens
mit Rücksicht auf die damit verbundenen Risiken besonderer Rechtfertigung bedürfen. Denn damit wird nicht gezielt gegen die
eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern es soll nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich
zugehörigen gesundheitlichen Defizits erreicht werden (BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, aaO.).
Die Berufung der Klägerin war deswegen zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf §
193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.