Anspruch auf Sozialhilfe; Übernahme der Stromkosten zum Betrieb der Heizungsanlage; Schätzung bei Erfassung durch einen Stromzähler
Tatbestand:
Streitig ist die Übernahme einer Nachforderung für Strom.
Die am 1968 geborene Klägerin ist am 13.02.2006 in den O. gezogen. Sie bewohnte eine 2-Zimmer-Wohnung (Wohnzimmer 16,5 m²,
Schlafzimmer 14,5 m²) mit Küche (14 m²), Bad (6 m²) und Flur (5 m²) mit insgesamt 56 m² Wohnfläche. Die Größe wurde vom Leistungsträger
wegen einer attestierten Panikstörung mit zusätzlichem Bedarf an Wohnraum als angemessen anerkannt. Beheizt wurde die Wohnung
in der Küche und im Schlafzimmer mit einem Ölofen, im Wohnzimmer mit einer im Jahre 2002 nachgerüsteten EVO-Tagesspeicherheizung. Im Bad waren ein Warm-Wasser-Boiler und ein Durchlauferhitzer zur Warmwasserbereitung an den Strom
angeschlossen. Der monatliche Abschlag für Strom an den Energieversorger, Elektrizitätswerk Mittelbaden (im Folgenden: E-Werk)
betrug 45 €, die die Klägerin zahlte.
Bis zur Feststellung der vollen Erwerbsminderung bezog sie vom 01.03.2006 bis 30.06.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Kommunalen Arbeitsförderung O., Außenstelle W., die auch Trägerin
der Kosten der Unterkunft war. Hier erhielt die Klägerin anteilige Heizkosten für Öl in Höhe von 96,33 € (Bescheid vom 14.03.2006,
Bl. 139 VA). Seit 01.06.2006 bezieht sie von dem Beklagten Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften
Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XII). Für den Bewilligungszeitraum vom 01.06.2006 bis 30.06.2007 berücksichtigte der Beklagte
nur die kalten Mietkosten in Höhe von 260 € (Widerspruchsbescheid vom 11.12.2006, Bl. 71 VA, Änderungsbescheid vom 25.09.2006,
Bl. 231ff VA). Im Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII vom 08.06.2006 hatte die Klägerin zu den Kosten der Heizung angegeben,
dass sie diese noch nicht einschätzen könne. Die Wohnung sei mit einer Einzelofenheizung ausgestattet, für die Heizöl benötigt
werde. Auf ihren Antrag vom 22.09.2006 hin, wonach sie Öl für ihre Öfen benötige, gewährte die Beklagte der Klägerin eine
Brennstoffbeihilfe in Höhe von 583 € für Oktober 2006 (vgl. Anlage zum Bescheid vom 20.03.2007, Bl. 275 VA). Die Klägerin
kaufte 800 l Heizöl (Rechnung vom 30.10.2006, Bl. 491 VA).
Mit der Stromabrechnung vom 06.03.2007 forderte das E-Werk von der Klägerin für den Abrechnungszeitraum vom 13.02.2006 bis
24.01.2007 nach Abzug zuvor geleisteter Abschläge den Nachzahlbetrag von 1.102,91 € und erhöhte den monatlichen Abschlag ab
01.04.2007 auf 169 €, auf den die Klägerin weiterhin 45 € zahlte. Der Gesamtverbrauch an Strom im HT-Bezug im Abrechnungszeitraum
betrug 8.179 kWh (Gesamtkosten 1.597,91 €).
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 15.03.2007 beim Beklagten die Übernahme der Stromschulden und bot Schuldentilgung
in monatlichen Raten zu 20 € an. Den hohen Stromverbrauch konnte sie sich nicht erklären, zumal ihre Vormieterin auch nur
einen Stromabschlag von 49 € gehabt habe. Zum 01.06.2007 zog die Klägerin wegen der hohen Kosten in eine andere Wohnung um.
Mit Schreiben vom 27.06.2007 versuchte die nunmehr anwaltlich vertretene Klägerin den hohen Stromverbrauch dadurch zu erklären,
dass sie die Wohnung nicht nur mit Öl, sondern im Wohnzimmer mit der unwirtschaftlichen Elektro-Speicherheizung, die mit teurem
Tagstrom betrieben wird, geheizt habe. Es bestehe auch der Verdacht auf Stromdiebstahl durch einen Mitmieter, der sich allerdings
bei einer Überprüfung der Anlage durch das E-Werk im Nachhinein nicht mehr habe feststellen lassen. Die jeweiligen Verbrauche
seien nicht quantifizierbar, eine Abgrenzung praktisch unmöglich. Durch eingeschränkte Nutzung der Speicherheizung und wärmere
Witterung haben die Abschlagszahlungen bis auf einen Differenzbetrag von 54,21 € für den letzten Abrechnungszeitraum vom 25.01.
bis 28.05.2007 gereicht. Die Klägerin wies auf die Ankündigung der Stromsperre hin, die für sie als insulinpflichtige Diabetikerin,
die auf einen Kühlschrank angewiesen sei, schwerste Gefahr für Leib und Leben bedeute. Das E-Werk habe bei Auszug der Klägerin
unter Berücksichtigung der laufenden monatlichen Zahlungen von 45,- € eine Gesamtforderung vom 1.323,12 € (inklusive 4,- €
Mahnkosten) berechnet (Anm. des Senates: zusätzlich erfasst ist in dieser Abrechnung noch der Zeitraum 25.01.2007 bis 28.05.2007,
deren Übernahme die Klägerin als Zuschuss beantragte).
Unterdessen untersagte das Amtsgericht L. (AG L. Az. 5 C 166/07) im Wege einstweiliger Verfügung mit Urteil vom 22.08.2007 dem E-Werk Mittelbaden die Einstellung der Stromversorgung.
Mit Bescheid vom 31.08.2007 lehnte der Beklagte die Übernahme der Stromkosten ab. Die Voraussetzungen des § 34 SGB XII seien
nicht mehr erfüllt, nachdem das AG Lahr dem E-Werk eine Stromsperrung untersagt habe. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos
(Widerspruchsbescheid vom 05.12.2007). Solange die Untersagung der Stromabschaltung Bestand habe, sei die Klägerin nicht mit
dem Verlust der Stromversorgung bedroht und komme eine Schuldenübernahme nach § 34 SGB XII nicht in Betracht.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, mit der sie ihr Begehren im Wesentlichen mit der gleichen Begründung weiterverfolgt hat. Nach ihrer Auffassung
sei sie nicht vorrangig auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Der Beklagte hat an seiner Rechtsauffassung hinsichtlich der
Möglichkeit einer Schuldenübernahme nach § 34 SGB XII festgehalten.
Das Amtsgericht Lahr hat nunmehr - mit Blick auf dieses sozialgerichtliche Verfahren - mit Beschluss vom 04.03.2008 den Rechtsstreit
wegen Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung zum Ruhen gebracht (Az. 5 C 269/07 Bl. 70 SG).
Das SG hat der Klage - bis auf einen Betrag in Höhe von 4,- € für Mahnkosten - mit Urteil vom 10.09.2009 stattgegeben und die Beklagte
verurteilt, an die Klägerin den Betrag von 1.319,12 € zu zahlen. Zur Begründung hat es im Urteil vom 10.09.2009 die Auffassung
vertreten, bei den vom Energieversorger geltend gemachten Stromkosten handele es sich um weitere Heizkosten, die der Beklagte
nach § 29 Abs. 3 SGB XII zu übernehmen habe. Auch wenn die Heizkosten hoch seien, so beruhten sie auf dem Gebrauch der unwirtschaftlichen
Elektrospeicherheizung. Eine Kostensenkung sei der Klägerin nicht möglich gewesen, das sie erst auf Grund der Mitteilung des
E-Werks vom 06.03.2007 von dem hohen Verbrauch erfahren habe. Gem. § 29 Abs. 1 Satz 2 SGB XII analog gehe die Risikoverteilung
zu Lasten des Leistungsträgers. Ein offensichtlich auch dem Leistungsempfänger bekanntes unwirtschaftliches Verhalten liege
nicht vor. Es sei weiter nicht erkennbar, dass der hohe Stromverbrauch durch andere Elektrogeräte verursacht worden sei. Auch
ergäben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Stromdiebstahl. Weitere gerichtliche Ermittlungen erschienen diesbezüglich
nicht erfolgversprechend. Von der Klägerin könne nicht verlangt werden, dass sie den unberechtigten Stromverbrauch durch Dritte
ausschließe, da sie in eine praktisch aussichtslose Beweisführung gedrängt würde. Dies erscheine unter rechtstaatlichen Gesichtspunkten
problematisch. Die 4,- € Mahnkosten seien weder nach § 29 Abs. 3 SGB XII noch nach § 34 SGB XII zu erstatten, da es sich weder
um Heizkosten handele noch in Anbetracht des geringen Betrages eine Notlage vorliege.
Gegen das dem Beklagten am 28.09.2009 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat dieser am 26.10.2009 schriftlich beim
Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und weiterhin die Auffassung vertreten, dass es sich um (Verbrauchs-)Strom-
und nicht um Heizkosten handele, für die § 34 SGB XII die Anspruchsgrundlage darstelle. Unverständlich sei, weshalb das SG seine Rechtsauffassung gegenüber dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren geändert habe, nachdem der Prozessbevollmächtigte
der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 10.09.2009 erklärt habe, dass sich der Verdacht auf Stromdiebstahl durch einen
anderen Mieter, in dessen Wohnung der Stromzähler der Klägerin angebracht war und auch Terrarien und Aquarien in seiner Wohnung
betrieben habe, erhärtet habe. Die Überprüfung durch einen Mitarbeiter des Stromversorgers habe keine Unregelmäßigkeiten an
der Heizung der Klägerin bzw. deren Stromanlage ergeben.
Ungeachtet dessen könne es sich nicht mehr um angemessene Heizkosten bei den Stromkosten handeln, da die Klägerin im streitgegenständlichen
Zeitraum eine Brennstoffbeihilfe in Höhe von 583 € erhalten habe, deren Verwendung nicht nachgewiesen sei. Im Übrigen sei
es schlichtweg unmöglich, dass Heizkosten in der Höhe allein durch die Beheizung des 20 m² großen Wohnzimmers - so die Angaben
der Klägerin - selbst mit einer unwirtschaftlichen EVO-Stromheizung entstanden sein könnten, zumal der Vormieter auch nur einen niedrigeren Stromabschlag von 49 € gehabt habe.
Dies bestätige den Verdacht, dass es sich bei den Stromschulden nicht um Heizkosten handele. Es sei der Klägerin notfalls
zuzumuten zivilrechtlich gegen den Stromdieb vorzugehen. Weiter lägen die rechtlichen Voraussetzungen für eine Versorgungssperre
durch den Energieversorger, der im Übrigen der Klägerin ratenweise Tilgung der Schuld anbiete, nicht vor.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10.09.2009 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Stromschulden durch die unwirtschaftliche
EVO-Tagesspeicherheizung entstanden seien und es sich um Heizkosten iS von § 29 SGB XII handele. Eine wirtschaftliche Überprüfung habe bei dem Überprüfungstermin durch das E-Werk nicht stattgefunden. In
der Tat könne der abnorm hohe Stromverbrauch teilweise auch durch einen Stromdiebstahl des Nachbarn erklärt werden. Dies sei
allerdings für einen zurückliegenden Zeitraum nicht aufklärbar und mangels Kenntnis des Stromverbrauchs des Mieters auch weder
straf- noch zivilrechtlich nicht mit Aussicht auf Erfolg zu verfolgen und deshalb der Klägerin nicht zumutbar. Zumindest dadurch
befinde sich die Klägerin in einer unverschuldeten Notlage, die auf Grund ihres Bedarfs an gekühltem Insulin eine gesundheitliche
Bedrohung im Falle einer Stromsperre darstelle.
Der Senat hat Ermittlungen durch schriftliche Befragung des E-Werks, des Vermieters (Familie R.), der Klägerin und des Beklagten
angestellt. Herr H. teilte für das E-Werk mit, dass es für den Verbrauch der von der Klägerin betriebenen Direktheizung keinen
Richtwert gebe, da vielfältige individuelle Faktoren beeinflussend seien. Ausgehend von der Leistungsfähigkeit der Anlage
würde sich rechnerisch für einen 24-stündigen Dauerbetrieb ein Verbrauch von 24 KWh zu einem Preis von 24 €/Tag ergeben. Damit
sei bei einem Dauerbetrieb von 67 Tagen rein rechnerisch schon der ganze abgerechnete Strom der Jahresabrechnung erklärt,
obwohl auch für andere Zwecke noch Strom verbraucht worden sein müsse. Einen Stromdiebstahl müsse man dann nicht mehr zusätzlich
unterstellen. Die rechtliche Möglichkeit einer Stromsperre bestehe nach dem Umzug weiter. Die Klägerin könne aber auch den
Stromanbieter wechseln. Durch Verrechnung von Gutschriften aus früheren Jahren habe sich die Forderung nunmehr auf 850,74
€ reduziert, zuzüglich Verfahrenskosten in Höhe von 388,83 €. Zu einer gütlichen Einigung mit Ratenzahlung in Höhe von 70
€ seien sie weiterhin unter Verzicht auf die Verfahrenskosten bereit.
Die Klägerin erklärte, das gekaufte Heizöl komplett verbraucht zu haben. Der Ölofen im Schlafzimmer sei defekt und nicht benutzbar
gewesen, deshalb habe sie Schlafzimmer und Flur über die offen stehende Küchentür mit beheizen müssen, was den hohen Ölverbrauch
erkläre. Außerdem sei die Bausubstanz in dem 200 Jahre alten Haus schlecht gewesen. Ein Vergleich mit der Stromforderung für
den Zeitraum vom 20.09.2009 bis 09.09.2010 (Gesamtkosten 1.146,21 €) belege, dass die streitgegenständliche Rechnung nicht
aus einem unwirtschaftlichen Verhalten der Klägerin herrühre. Die schuldlos für die Klägerin entstandenen Stromkosten ließen
sich nicht differenzieren.
Der Vermieter teilte die Heizmöglichkeiten in der Wohnung mit (s.o.). Nur diese Wohnung sei mit der EVO-Heizung nachgerüstet worden. Angaben zum Verbrauch konnte er nicht machen. Ob beim Auszug noch Heizöl im Tank gewesen sei,
sei nicht bekannt.
Der Beklagte teilte mit, den Betrag von 583 € für die Brennstoffbeihilfe für den Winter 2006/2007 dem Rundschreiben des Landkreistages
Baden-Württemberg vom 30.06.2006 bzw. den entsprechenden Empfehlungen hierzu entnommen zu haben. Hiernach handelte es sich
um Mittelwerte für flüssige Brennstoffe in einem Haushalt mit 1 und 2 Personen. Eine einheitliche Empfehlung für Beihilfe
ua. für die Elektroheizung sei nach wie vor nicht möglich. Nach dem "Heikos-Berechnungsverfahren" könne für den Wohnraum mit
16,5 m² in etwa von einem monatlichen Bedarf für Heizstrom in Höhe von 44,83 € (Werte für 2008) ausgegangen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten
sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten hat nur teilweise Erfolg.
Die statthafte (§§
143,
144 Abs.
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz [SGG]) sowie form- und fristgerecht (§
151 SGG) eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig und teilweise begründet. Das SG hat den Beklagten zu Unrecht über den Betrag von 503,37 € hinaus zur Übernahme des Nachzahlbetrages für Strom verurteilt.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid des Beklagten vom 31.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2007
mit dem der Beklagte die Übernahme von Stromschulden für den Abrechnungszeitraum vom 13.02.2006 bis 24.01.2007 in Höhe von
zuletzt beantragten 1.323,12 € als Zuschuss abgelehnt hat.
Zu klären ist zunächst, welche Art der Leistung die Klägerin beim Beklagten beantragt hat, wie die begehrte Übernahme der
Nachforderung rechtlich im Leistungssystem des SGB XII zu qualifizieren ist, weil sich daraus unterschiedliche rechtliche
Voraussetzungen ergeben. Infrage kommt nach dem Vorbringen der Klägerin, dass die Stromnachforderung entweder aus dem Verbrauch
der unwirtschaftlichen Elektroheizung resultiert, sodass Kosten für Heizung in Rede stehen, die sich nach § 29 SGB XII beurteilen.
Denkbare Verbrauchsquelle ist alternativ oder ergänzend ein Stromdiebstahl des Nachbarn, für den die Klägerin gegenüber dem
E-Werk mangels Nachweises einstandspflichtig ist. Demnach würde es sich um Schulden handeln, deren Übernahme zur Vermeidung
einer Notlage sich nach § 34 SGB XII richtet. Als weitere Variante ist auch anteilig ein höherer Verbrauch für Haushaltsstrom
möglich, auf dessen Übernahme grundsätzlich kein Anspruch besteht, weil die Leistung vom Regelsatz - unabhängig vom tatsächlichen
Verbrauch - mitumfasst ist. Zu denken wäre dann ebenfalls an eine Übernahme als Schulden nach § 34 SGB XII.
Der Senat geht davon aus, dass es sich bei dem nachzuzahlenden Verbrauch sowohl um Heiz- wie um Verbrauchsstrom gehandelt
hat, weil sich für einen Stromdiebstahl keine konkreten Anhaltspunkte haben finden lassen. Dieser ist weder nachgewiesen noch
wahrscheinlich, weil sich im Rahmen der Überprüfung durch den Mitarbeiter des E-Werks mit einer Inaugenscheinnahme der Zähler
und Stromleitungen ohne Vorankündigung in der Wohnung des Mitmieters keine Hinweise auf eine Manipulation der Anlage haben
finden lassen. Die Annahme eines Stromdiebstahl fußt lediglich auf einer vagen Mutmaßung der Klägerin, die die Möglichkeit
einer Nachweisbarkeit auch nicht sieht und deshalb Abstand von der Erstattung einer Anzeige bei der Polizei bzw. von einer
zivilrechtlichen Klage genommen hat.
Angesichts der Höhe der Nachforderung, die mit 1.102,91 € ca. das Doppelte der vorher geleisteten Abschläge in Höhe von 495
€ ausmacht, geht der Senat davon aus, dass sich dieser enorme Mehrverbrauch gegenüber der Vormieterin nicht - zumindest nicht
allein - durch eine Erhöhung des Verbrauchs an Haushaltsstrom erklären kann. Die Klägerin hat die Elektrospeicherheizung benutzt.
Von daher ist grundsätzlich von einem zumindest anteiligen Stromverbrauch als Heizkosten auszugehen. Demnach handelt es sich
bei der geltend gemachten Stromnachforderung zumindest auch um Kosten der Unterkunft und Heizung. Allerdings lässt sich nicht
aufklären, welchem Bereich - Heiz- oder Verbrauchsstrom - der erhöhte Stromverbrauch in welchem Umfang zuzuordnen ist, da
der Stromverbrauch unabhängig von der Verbrauchsquelle einheitlich über den einen Stromzähler der Klägerin, der sich in der
Nachbarwohnung befindet, erfasst wurde.
Die Klägerin hat dennoch gegen den Beklagten einen Anspruch darauf, dass der Bewilligungs-Bescheid vom 11.07.2006 in der Gestalt
der Änderungsbescheide vom 01.08.2006 und 25.09.2006, in dessen Bewilligungszeitraum das Nachforderungsverlangen des E-Werks
fällt, dahingehend geändert wird, dass für den Monat März weitere Leistungen für (Strom-)Heizung in Höhe von 503,37 € gewährt
werden.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 29 Abs. 3 SGB XII in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), weil der Beklagte als Leistung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung mit dem früheren Änderungs-Bescheid
vom 25.09.2006 diese für die Zeit vom 01.06.2006 bis 30.06.2007 ohne Kosten für die Heizung mit Strom bewilligt hatte. Nach
§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dürfte dieser Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft nur aufgehoben bzw. geändert werden, soweit in den tatsächlichen
oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Dies ist
der Fall, da die Klägerin einen Anspruch auf die zusätzliche Gewährung von Kosten für die Heizung hat, weil ein zusätzlicher
Bedarf als nachgewiesen anzusehen ist.
Die Klägerin hat als hilfebedürftige dauerhaft voll erwerbsgeminderte Leistungsbezieherin nach §§ 41 Abs. 1, 42 Satz 1 Nr.
2 SGB XII entsprechend § 29 SGB XII auch Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Nach § 29 Abs.
3 Satz 1 SGB XII werden Leistungen für Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit sie angemessen sind.
Diese Regelung umfasst nicht nur laufende, sondern auch einmalige Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (Bundessozialgericht,
Beschluss vom 16. Mai 2007, B 7b AS 40/06 R; Urteil vom 19. September 2008, B 14 AS 54/07 R; Urteil vom 16. Dezember 2008, B 4 AS 49/07 R - über juris). Soweit einzelne Nebenkosten - wie hier bei der Nachforderung - in einer Summe fällig werden, sind sie als
gegenwärtiger Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen (Bundessozialgericht,
Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 68/06 R). Bezieht sich die Nachforderung an Heiz- und Betriebskosten auf einen während der Hilfebedürftigkeit des SGB-XII-Leistungsberechtigten
eingetretenen und bisher noch nicht gedeckten Bedarf, handelt es sich jedenfalls um vom Leistungsträger zu übernehmende tatsächliche
Aufwendungen nach § 29 Abs. 3 SGB XII (zu § 29 SGB XII: Link in jurisPK-SGB XII, § 29, Rn 129; zu § 22 SGB II Bundessozialgericht,
Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/08 R; Urteil vom 16. Mai 2007, B 7b AS 40/06 R).
Grundsätzlich sind vom Beklagten im Rahmen der gebotenen Einzelfallbetrachtung nur die angemessenen Kosten zu übernehmen.
Auf Grund der hohen Nachforderung und der enormen Verbrauchserhöhung gegenüber der Vormieterin könnte davon ausgegangen werden,
dass die Kosten unangemessen waren. So ist "eklatant kostspieliges" oder unwirtschaftliches Heizen vom Leistungsträger nicht
zu finanzieren (BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 Rn. 21). Auch unter Heranziehung des höchsten Vergleichswertes (17,80 € pro Quadratmeter beheizte Wohnfläche und Jahr) nach
dem "Bundesweiten Heizspiegel" 2007, den das BSG unter bestimmten Umständen für die Bestimmung des Grenzwertes für angemessen
hält, ergeben sich Hinweise darauf, dass der angemessene Bedarf bereits durch die im Abrechnungszeitraum gewährten Brennstoffbeihilfen
in Höhe von 96,33 € und 583 € unter Abzug der Warmwasserpauschale gedeckt worden ist. Soweit die konkret geltend gemachten
tatsächlichen Heizkosten den auf dieser Datengrundlage zu ermittelnden Grenzwert überschreiten, besteht Anlass für die Annahme,
dass diese Kosten auch unangemessen hoch sind. (zu § 22 SGB II BSG, Urteil v. 02.07.2009 aaO.).
Dies kann vorliegend jedoch dahingestellt bleiben, da bei tatsächlich objektiv unangemessenen Heizkosten diese für einen Übergangszeitraum
dennoch in tatsächlicher Höhe zu übernehmen sind. § 29 Abs. 1 Satz 3 SGB XII ist in einem solchen Fall analog anzuwenden,
da für die insoweit seit 01.01.2005 bestehende Gesetzeslücke keine Begründung ersichtlich ist (vgl. Link in jurisPK-SGB XII,
§ 29, Rn 138 mit Hinweis auf Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, § 29 Rn. 31, Stand Mai 2007; Berlit in LPK-SGB XII, § 29
Rn. 83; Wenzel in Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl. 2009, § 29 Rn. 26; ebenso - für den Bereich des § 22 SGB II - BSG, Urteil
vom 19.09.2008 - B 14 AS 54/07 R ; Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R). Wird die Angemessenheitsgrenze überschritten, begründet dies zwar keinen Anspruch auf die höhere Leistung. Sie ist jedoch
als Bedarf des Hilfebedürftigen solange zu berücksichtigen, solange es ihm nicht möglich oder zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel,
durch Vermieten oder in sonstiger Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens 6 Monate. Wie das SG zutreffend erkannt hat, war dies der Klägerin deshalb nicht möglich, weil die hohen Kosten nach dem Einzug in die Wohnung
erstmalig im Rahmen der Jahresabschlussrechnung bekannt geworden sind. Sie konnte entsprechende Maßnahmen auf Grund fehlenden
Bewusstseins und fehlender Warnfunktion durch eine Kostensenkungsaufforderung nicht einleiten. Ausgehend vom zeitlichen Ablauf
braucht eine Begrenzung auf 6 Monate, die den Regelfall darstellt, nicht weiter diskutiert zu werden.
Allerdings besteht der Anspruch nicht in voller Höhe des Nachforderungsbetrags, da nicht belegt ist, dass es sich ausschließlich
um Heizkosten gehandelt hat. Der Anspruch auf Heizkosten besteht in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen
(BSG. B 14 AS 36/08 R aaO.). Diese sind im Falle der Klägerin nicht bekannt. Bei einheitlichen Energiekostenzahlungen sind die Kosten für Kochenergie,
Beleuchtung, Warmwasserzubereitung und den Betrieb elektrischer Geräte herauszurechnen (BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b
AS 15/07), weil sie bereits durch die Regelsatzleistungen abgegolten sind. Eine systemwidrige doppelte Leistung muss vermieden werden.
Von daher sind zunächst von der Gesamtstromrechnung in Höhe von 1.597,91 € die im Regelsatz enthaltenen Kosten der Warmwasserbereitung
in Höhe von 6,22 € pro Monat (BSG aaO.; mal 12 = 74,64 €) abzuziehen. Eine weitere Aufschlüsselung zwischen Heizkosten für
die Elektroheizung und Haushaltsenergie ist nicht möglich. Nach der Auskunft des E-Werks vom 23.07.2010 ist es auch nicht
rein rechnerisch möglich, ausgehend von der Leistungsstärke der Elektroheizung den tatsächlichen Verbrauch in etwa zu bestimmen,
weil dieser sich an verschiedenen nicht bestimmbaren Faktoren, wie z.B. Heizverhalten bemisst. Der gesamte Stromverbrauch
der Klägerin würde sich so auch durch den Dauergebrauch der EVO-Heizung an 67 Tagen erklären lassen, was unrealistisch ist, da unzweifelhaft auch Haushaltsstrom verbraucht worden ist. Weiterer
Aufschluss hat sich auch nicht durch die Befragung der Vermieter ergeben, die weder Auskunft zum Heizverbrauch noch zum Heizöl
geben konnten. Weiterer Ansatz für Ermittlungen mit Aussicht auf Erkenntnisgewinn ist nicht ersichtlich. Gegen einen vollständigen
Verbrauch des nachzuzahlenden Stroms für Heizenergie spricht wiederum, dass die Klägerin einen Großteil der Beheizung mit
Öl abgedeckt haben muss, da sie die 800 l Heizöl komplett für die Beheizung der 2-Zimmer-Wohnung verbraucht haben will. Weiteres
Indiz hierfür ist der erheblich geringere Stromverbrauch der Vormieterin, die bei gleicher Heizsituation trotz Elektroheizung
nur einen Abschlag von 49 € für Strom zu zahlen hatte.
Von daher hält der Senat im vorliegenden Fall eine Schätzung des Heizkostenanteils an den Stromkosten für sachgerecht (vgl.
BSG Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - über juris Rn. 27; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 03.01.2011 - L 5 AS 423/09 B ER; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.10.2009 - L 12 AS 4179/08). Da bei der Klägerin ggf. auch die die angemessenen Kosten übersteigenden Heizkosten zu berücksichtigen sind (s.o), ist
es vorliegend nicht sachgerecht, auf durchschnittliche Verbrauchswerte abzustellen (so LSG Sachsen-Anhalt aaO.). Der Senat
zieht deshalb die nach dem Umzug in die Wohnung ohne elektrische Heizung angefallenen Stromkosten in Höhe von 85 € pro Monat
(mal 12 = 1.020 €) zum Vergleich heran. Dieser nur auf Haushaltsenergie bezogene Verbrauch hat sich nach Angaben der Klägerin
nicht geändert, da sie die gleichen Geräte verwendet hat. Nach Abzug der Kosten der Warmwasserbereitung und der Kosten für
Haushaltsenergie ergibt sich somit der Schätzbetrag für Heizung in Höhe von 503,37 €, den der Beklagte der Klägerin in Abänderung
des Änderungsbescheids vom 25.09.2006 zu gewähren hat.
Den Restbetrag in Höhe von 819,75 € (1.323,12 € - 503,37 €) kann die Klägerin nicht als Schulden nach § 34 SGB XII beanspruchen.
Insoweit hat die Berufung des Beklagten Erfolg. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII können Schulden übernommen werden, soweit
dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Nach Satz 2 der Vorschrift
sollen sie übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Eine
drohende Stromsperre erfüllt grundsätzlich die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Bereits in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu § 15a Bundessozialhilfegesetz (BSHG) war anerkannt, dass eine unmittelbar drohende oder bereits erfolgte Sperrung der Energiezufuhr aufgrund Energiekostenrückständen
als eine dem drohenden Verlust der Wohnung vergleichbare Notlage anzusehen ist, weil die Versorgung mit Energie nach den heutigen
Lebensverhältnissen in Deutschland zum sozialhilferechtlich anerkannten Mindeststandard gehört (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil
vom 28. April 1999 - 24 A 4785/97 - FEVS 51, 89; Hess. VGH, Beschluss vom 27. Juni 1991 - 9 TG 1258/91 - FEVS 42, 265; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.07.2005 - L 1 B 7/05 SO ER; zu § 22 Abs. 5 SGB II vgl. Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 Rn. 158; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.
Aufl. § 22 Rn. 105). Solange die Untersagung des AG Lahr Bestand hat, ist die Klägerin aber nicht mit dem Verlust der Stromversorgung
bedroht. Im Übrigen ist ihr der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) entgegen zu halten. Sie hat die Möglichkeit, dem Angebot
des E-Werks auf Einräumung von Ratenzahlung nachzugehen. Nach der Liberalisierung auch des Strommarktes können Kunden grundsätzlich
den Anbieter wechseln, ohne dass der bisherige Grundversorger die Möglichkeit hätte, wegen noch bestehender Schulden die Durchleitung
zu verhindern (vgl. auch Gotzen, Übernahme von Energiekostenrückständen nach § 34 SGB XII, ZfF 2007, 248, 250). Auch hierauf ist die Klägerin zu verweisen.
Aus diesen Gründen war daher in Abänderung des Urteils des SG und des Bescheides der Beklagten vom 31.8.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.12.2007 die Beklagte lediglich
noch zur Zahlung von 503,37 € zu verurteilen. Im Übrigen war die Klage abzuweisen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG).