Anspruch auf Arbeitslosengeld; Verfügbarkeit bei Unterbrechungen wegen Kinderbetreuung; Glaubwürdigkeit des Arbeitslosen
Tatbestand
Streitig ist im Wege des Zugunstenverfahrens die Bewilligung höheren Arbeitslosengeldes ab 12.06.2008.
Der 1970 geborene Kläger hat die Berufe des Versicherungskaufmannes (1990) und des Berufskraftfahrers - Güterverkehr (IHK)
(1992) erlernt. Er hat drei Kinder, welche am 01.08.1999 (C. R. ), am 26.08.2004 (V. R. ) und am 12.12.2007 (R. R. ) geboren
wurden. V. R. war vom 30.08.2004 bis 28.12.2004, vom 01.09.2005 bis 16.11.2005 und seit 26.12.2006 mit Hauptwohnsitz sowie
in der Zeit vom 28.12.2004 bis 01.09.2005 und vom 16.11.2005 bis 26.12.2006 mit Nebenwohnsitz in der Wohnung des Klägers gemeldet.
R. R. war vom 18.12.2007 bis 01.03.2008, vom 12.04.2008 bis 25.04.2008, vom 12.05.2008 bis 11.06.2008 und dann wieder ab 17.12.2009
mit Hauptwohnung beim Kläger gemeldet. In den Zwischenzeit bestand eine Meldung beim Kläger als Nebenwohnsitz. Im von der
Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg für den Kläger geführten Rentenkonto sind unter anderem Kindererziehungszeiten
vom 01.09.2004 bis 31.08.2007 sowie Kinderberücksichtigungszeiten vom 26.08.2004 bis 08.04.2011 für V. R. und Kindererziehungszeiten
vom 01.01.2008 bis 29.02.2008, vom 01.05.2008 bis 31.05.2008 und vom 01.01.2010 bis 31.12.2010 sowie Kinderberücksichtigungszeiten
insbesondere vom 12.12.2007 bis 29.02.2008 für R. R. anerkannt. Der Anerkennung der Kindererziehungszeit für V. R. beim Kläger
lag eine übereinstimmende Erklärung des Klägers und der Mutter von V. R. vom 09.12.2004 über die Zuordnung der Zeit zugrunde
(Bl. 251 der Senatsakten). Die Anerkennung der Kindererziehungs- und -berücksichtigungszeiten beim Kläger beruht auf einer
Bestätigung vom 08.04.2011 (Bl. 252 der Senatsakte) .
Nach dem Ausbildungsabschluss zum Berufskraftfahrer war der Kläger bis September 2003 mit Unterbrechungen immer wieder als
Berufskraftfahrer beschäftigt. Anschließend war er arbeitslos. Im Rahmen einer von Oktober 2003 bis April 2004 durch die Beklagte
geförderten beruflichen Weiterbildungsmaßnahme absolvierte der Kläger im Juni 2004 die Meisterprüfung zum Industriemeister
Fachrichtung Kraftverkehr. Daraufhin war der Kläger in den Jahren 2008, 2009 und 2010 für die D.-Akademie GmbH als freier
Dozent im Bereich der Führerscheinausbildung tätig (Bl. 1031 VA), nach eigenen Angaben im Rahmen von Urlaubs- und Krankheitsvertretungen.
Nach Abschluss der Meisterausbildung bezog der Kläger noch bis 31.08.2004 Arbeitslosengeld.
Für den am 26.08.2004 geborenen V. R. bezog der Kläger für die ersten 24. Lebensmonate Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) in Höhe von monatlich 300,00 EUR und in Höhe von 250,00 EUR im 13. Lebensmonat sowie vom 29. bis zum 36. Lebensmonat Landeserziehungsgeld
in Höhe von 205,00 EUR (Bl. 361/363 VA).
Gleichzeitig war der Kläger vom 01.09.2004 bis 31.08.2007 unter Bezug eines von der Beklagten bewilligten Existenzgründungszuschusses
selbständig tätig. Ab 01.09.2007 führte er die Tätigkeit "Fahrzeughandel - Teile und Zubehör" im Nebenerwerb in einem zeitlichen
Umfang von weniger als 15 Stunden wöchentlich fort.
Am 05.06.2007 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 01.09.2007 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld unter Geltendmachung
einer Kindererziehungszeit ab 26.08.2004, wobei er angab, in Lohnsteuerklasse II eingruppiert zu sein. Die Beklagte bewilligte
Arbeitslosengeld ab 01.09.2007 für die Dauer von 11 Tagen bis 11.09.2007 in Höhe von 31,37 EUR unter Zugrundelegung eines
dem Arbeitslosengeldbezug bis 31.08.2004 entsprechenden Bemessungsentgelts von 71,59 EUR (Bescheid vom 16.07.2007, Bl. 374
VA). Den insbesondere hinsichtlich der Anspruchsdauer unter Berufung auf eine Kindererziehungszeit eingelegten Widerspruch
wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 28.09.2007, Bl. 440 VA), da der Kläger am 01.09.2007 keine neue Anwartschaftszeit
erfüllt habe.
Seit 03.09.2007 war der Kläger arbeitsunfähig und bezog vom 12.09.2007 bis 19.12.2007 sowie vom 18.01.2008 bis 20.04.2008
Krankengeld und vom 20.12.2007 bis 17.01.2008 Übergangsgeld von der Deutschen Rentenversicherung (Bl. 470 VA, Bl. 80 der Senatsakten
L 8 AL 2765/13).
Am 29.05.2008 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 12.06.2008 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Dabei machte
er Kindererziehungszeiten für V. und R. R. geltend. Gleichzeitig gab er an, R. lebe ab 12.06.2008 bei seiner Mutter, V. und
C. lebten seit Jahren bei ihm. Zur Frage der in den letzten 5 Jahren vor der Antragstellung zurückgelegten Zeiten gab er an:
vom 26.12.2006 bis 31.08.2007 Kinderbetreuungszeiten für V. R. , 12.09.2007 bis 20.04.2008 Kranken- und Übergangsgeldbezug
und vom 12.05.2008 bis 11.06.2008 Kinderbetreuungszeiten für R. R. . Er legte die Lohnsteuerkarte für 2008 vor, wonach er
in Steuerklasse II eingruppiert ist.
Mit Bescheid vom 10.06.2008 bewilligte die Beklagte ab 12.06.2008 mit einer Anspruchsdauer von 300 Tagen bis auf weiteres
Arbeitslosengeld in Höhe von 27,70 EUR täglich unter Zugrundlegung eines Bemessungsentgelts von 71,59 EUR, der Lohnsteuerklasse
I und des allgemeinen Leistungssatzes von 60 Prozent. Davon abweichend setzte die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 10.06.2008
das Arbeitslosengeld auf 31,66 EUR unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse II und des erhöhten Leistungssatzes (67 Prozent)
fest.
Ab 16.06.2008 meldete sich der Kläger in Elternzeit ab. Die Beklagte hob die Arbeitslosengeldbewilligung daraufhin ab dem
16.06.2008 auf (Bescheid vom 16.06.2008). Vom 16.06.2008 bis 04.07.2008 bezog der Kläger von der Krankenkasse Krankengeld.
In der Folgezeit beantragte der Kläger wiederholt für die Dauer von einigen Tagen Arbeitslosengeld und beanspruchte anschließend
jeweils Elternzeit. Die Beklagte bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 31,66 EUR täglich für die Zeit vom 28.08.2008
bis 07.09.2008 bei einer Anspruchsdauer von 296 Tagen (Bescheid vom 16.09.2008), für die Zeit vom 15.09.2008 bis 22.09.2008
bei einer Anspruchsdauer von 285 Tagen (Bescheid vom 23.09.2008), für die Zeit vom 25.10.2008 bis 06.11.2008 bei einer Anspruchsdauer
von 277 Tagen (Bescheid vom 06.11.2008, Aufhebungsbescheid vom 07.11.2008), für die Zeit vom 05.12.2008 bis 10.12.2008 bei
einer Anspruchsdauer von 264 Tagen (Bescheid vom 17.12.2008), für die Zeit vom 12.01.2009 bis 18.01.2009 bei einer Anspruchsdauer
von 258 Tagen (Bescheid vom 23.01.2009, Änderungsbescheide vom 05.06.2009 und vom 19.06.2009), für die Zeit vom 12.02.2009
bis 18.02.2009 bei einer Anspruchsdauer von 251 Tagen (Bescheid vom 13.02.2009, Aufhebungsbescheid vom 19.02.2009, Änderungsbescheide
vom 05.06.2009 und vom 19.06.2009), für die Zeit vom 18.03.2009 bis 24.03.2009 bei einer Anspruchsdauer von 244 Tagen (Bescheid
vom 25.03.2009, Änderungsbescheide vom 27.04.2009, vom 19.05.2009, vom 05.06.2009, vom 19.06.2009, vom 04.09.2009, vom 20.10.2009
und vom 20.11.2009), für die Zeit vom 15.04.2009 bis 21.04.2009 bei einer Anspruchsdauer 237 Tagen (Bescheid vom 27.05.2009,
Änderungsbescheide vom 19.06.2009, vom 04.09.2009, vom 20.10.2009 und vom 20.11.2009), für die Zeit vom 18.05.2009 bis 24.05.2009
bei einer Anspruchsdauer von 230 Tagen (Bescheid vom 27.05.2009, Änderungsbescheide vom 19.06.2009, vom 04.09.2009, vom 20.10.2009
und vom 20.11.2009), für die Zeit vom 22.06.2009 bis 28.06.2009 bei einer Anspruchsdauer von 223 Tagen (Bescheid vom 02.07.2009
und Änderungsbescheide vom 04.09.2009, vom 20.10.2009 und vom 20.11.2009), für die Zeit vom 27.07.2009 bis 31.07.2009 bei
einer Anspruchsdauer von 216 Tagen (Bescheid vom 27.07.2009 und Änderungsbescheide vom 04.09.2009, vom 20.10.2009 und vom
20.11.2009), für die Zeit vom 10.08.2009 bis 16.08.2009 bei einer Anspruchsdauer von 211 Tagen (Bescheid vom 22.09.2009, Änderungsbescheide
vom 20.10.2009 und vom 20.11.2009), für die Zeit vom 05.09.2009 bis 11.09.2009 bei einer Anspruchsdauer von 204 Tagen (Bescheid
vom 07.09.2009, Aufhebungsbescheid vom 14.09.2009, Änderungsbescheide vom 22.09.2009, vom 20.10.2009 und vom 20.11.2009) und
für die Zeit vom 06.10.2009 bis 12.10.2009 bei einer Anspruchsdauer von 197 Tagen (Bescheid vom 08.10.2009, Aufhebungsbescheid
vom 13.10.2009, Änderungsbescheide vom 20.10.2009 und vom 20.11.2009).
Im Erörterungstermin am 02.12.2009 im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Ulm geführten Rechtsstreits beantragte
der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 10.06.2008 sowie der folgenden Bewilligungsbescheide dahingehend, ihm höheres
Arbeitslosengeld ausgehend von einer Einstufung in die Qualifikationsgruppe 2 zu bewilligen.
Mit Bescheid vom 29.03.2010 (Bl. 999 VA) lehnte die Beklagte die Zurücknahme des Bescheides vom 10.06.2008 ab, weil die Überprüfung
ergeben habe, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei.
Am 06.04.2010 legte der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch ein (Bl. 1008 VA).
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2010 (Bl. 1011 VA) wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.03.2010
zurück. Da der Kläger schon ab 12.06.2008 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, könne er kein höheres Arbeitslosengeld
beanspruchen.
Am 27.04.2010 erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 29.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2010
Klage zum Sozialgericht Ulm (SG, S 7 AL 1470/10). Er begehre, - auch nachträglich - das Leistungsentgelt gemäß der Leistungsgruppe II (Meister) mit Kind zu bemessen. Die
Beklagte leiste kalendertäglich netto 31,66 EUR nach Leistungsgruppe III [Facharbeiter (Geselle) mit Kind]. Nach einer Leistungsberatung
durch die Geschäftsstelle der Beklagten in S. G. hätte ein höheres Arbeitslosengeld Anwendung finden müssen. Ihm stünden 35,83
EUR für Leistungsgruppe II (Meister) und Lohnsteuerklasse II mit drei Kindern zu. Er sei auch der Ansicht, dass der Anspruch
auf Arbeitslosengeld weiterhin bestehe und damit auch der Anspruch auf das höhere Arbeitslosengeld.
Mit Urteil vom 25.06.2013, dem Kläger zugestellt am 02.07.2013, wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld, weil er schon dem Grunde nach keinen Anspruch
auf Arbeitslosengeld habe. Der Kläger sei nicht verfügbar gewesen. Aufgrund des Verhaltens des Klägers habe die Beklagte keinerlei
Vermittlungsbemühungen in Bezug auf ihn unternehmen können, weil er dazu stets zu kurz im Leistungsbezug gewesen sei. Er sei
nicht bereit gewesen, jede Beschäftigung im Sinne von §
138 Abs.
5 SGB III anzunehmen, so dass er subjektiv nicht verfügbar gewesen sei. Dies ergebe sich aus den immer wieder erfolgenden kurzfristigen
Arbeitslosmeldungen, die eine Vermittlung während des Leistungsbezugs unmöglich zu machten. Andererseits folge dies daraus,
dass der Kläger sein Verhalten damit erkläre, dass er auf diese Weise versorgt und außerdem krankenversichert sei. Es sei
ihm nur darum gegangen, sich ohne Beschäftigung auf Kosten der Beklagten zu versorgen, den Anspruch so weit wie möglich zu
strecken und dabei seinen Krankenversicherungsschutz nicht zu verlieren. Er habe selbst erklärt, dass er dahin beraten worden
sei, dass er in dieser einen Wochen pro forma verfügbar sein müsse. Es sei sich demnach selbst darüber klar gewesen, nicht
wirklich verfügbar zu sein, sondern eben nur pro forma. Würde man trotz des Verhaltens des Klägers die subjektive Verfügbarkeit
bejahen, liefe dies dem Sinn und Zweck der Arbeitsförderung diametral entgegen. Da der Kläger danach schon dem Grunde nach
keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt habe, könne er auch keinen Anspruch auf höhere Leistungen haben.
Am 05.07.2013 hat der Kläger gegen das Urteil Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er sei vom
Richter offenbar falsch interpretiert worden. Es sei ihm nicht darum gegangen, nur versorgt zu sein und angeblich nicht arbeiten
zu wollen, sondern darum, solange er keine Arbeit habe/bekomme, versorgt zu sein. Die Agentur für Arbeit O. habe es jahrelang
nicht geschafft, ihm passende Arbeit zu vermitteln. Es sei nicht zutreffend, dass er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld
und deswegen keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld habe. Er sei Industriemeister, Leistungsgruppe 2 und nicht ungelernter
Hilfsarbeiter, Leistungsgruppe 0, wie ihn die Agentur A. seit Jahren unrichtig führe. Er sei zu jeder Einladung gekommen und
habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Er habe stets Betreuungen für die Kinder organisiert. Der Kläger hat in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat ergänzend ausgeführt, er hätte die Kinderbetreuung durch die namentlich benannten Verwandten und
Bekannten auch dann sicherstellen können, wenn ihm länger befristete oder unbefristete Beschäftigung angeboten worden wären.
Seine anfangs in den Anträgen nicht zeitlich begrenzte Verfügbarkeit habe er hauptsächlich deshalb in den nachfolgenden Arbeitslosmeldungen
in einen konkret bestimmten Zeitraum der Verfügbarkeit abgeändert, weil ihn die Krankenkasse und Wohngeldstelle wegen einer
einfacheren Berechnung der Beiträge zu dieser Verfahrensweise mit annähernd gleich zu berechnendem Einkommen und wohl auch
zur Vermeidung von Rückerstattung überzahlter Beiträge zu dieser Verfahrensweise gedrängt habe. Zudem sei seine Vorgehensweise
mit seinem Reha-Berater abgestimmt gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 25.06.2013 und den Bescheid vom 29.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 08.04.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Abänderung der Bescheide vom 10.06.2008 sowie der nachfolgenden
Bewilligungs- und Änderungsbescheide für die Zeit vom 12.06.2008 bis 15.06.2008, vom 28.08.2008 bis 07.09.2008, vom 05.09.2008
bis 22.09.2008, vom 25.10.2008 bis 06.11.2008, vom 05.12.2008 bis 10.12.2008, vom 12.01.2009 bis 18.01.2009, vom 12.02.2009
bis 18.02.2009, vom 18.03.2009 bis 24.03.2009, vom 15.04.2009 bis 21.04.2009, vom 22.06.2009 bis 28.06.2009, vom 27.07.2009
bis 31.07.2009, vom 10.08.2009 bis 16.08.2009, vom 05.09.2009 bis 11.09.2009 und vom 06.10.2009 bis 12.10.2009 höheres Arbeitslosengeld
unter Zugrundelegung eines fiktiven Bemessungsentgelt nach der Qualifikationsgruppe 2 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im Bewilligungsbescheid vom 10.06.2008 sei ein Arbeitslosengeld nach einem
täglichen Leistungssatz von 31,66 EUR bewilligt worden. Dabei sei von einem Bemessungsentgelt von 71,59 EUR ausgegangen worden,
da der Vorbezug bis 11.09.2007 berücksichtigt worden sei. Der Kläger habe durch diese Vergleichsberechnung einen höheren Leistungssatz
erhalten als ein Arbeitsloser mit abgeschlossener Berufsausbildung, der bei Qualifikationsstufe III einen täglichen Leistungssatz
von 29,84 EUR hätte. Eine Tätigkeit als Industriemeister Kraftverkehr habe der Kläger nie ausgeübt, so dass sich die Vermittlung
auf eine solche Tätigkeit nicht habe erstrecken können. Letztendlich hätten sich die Vermittlungsbemühungen auf eine Tätigkeit
erstrecken müssen, die der Qualifikationsstufe 4 oder 3 zuzuordnen sei. Da der Kläger sich bewusst jeweils nur wenige Tage
im Monat arbeitslos gemeldet habe, hätten Vermittlungsbemühungen nicht unternommen werden können. Der Kläger sei daher nicht
verfügbar gewesen.
Der Kläger habe Zahlungen wie folgt erhalten:
Kalenderjahr 2007:
|
11 Kalendertage,
|
Kalenderjahr 2008:
|
42 Kalendertage,
|
Kalenderjahr 2009:
|
68 Kalendertage,
|
Kalenderjahr 2010:
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20 Kalendertage,
|
Kalenderjahr 2011:
|
118 Kalendertage,
|
Kalenderjahr 2012:
|
42 Kalendertage.
|
Der ursprüngliche Anspruch auf Arbeitslosengeld sei am 11.09.2007 erschöpft gewesen. Der Neuanspruch ab 12.06.2008 mit einer
Anspruchsdauer von 300 Kalendertagen sei ebenfalls erschöpft. Ein Restanspruch bestehe somit nicht mehr.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie
die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt [vgl. §§
143,
144 Abs.
1 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)]. Die Statthaftigkeit der Berufung folgt nicht bereits aus §
144 Abs.
1 S. 2
SGG, weil die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr, sondern lediglich Arbeitslosengeld
für die Dauer von 110 Tagen betrifft. Zwar liegen die Bewilligungszeiträume, auf welche sich die zur Überprüfung gestellten
Bescheide beziehen, innerhalb eines Zeitraums von mehr als einem Jahr. Für die Frage, ob Leistungen für mehr als ein Jahr
streitig sind, sind die einzelnen zusammenhängenden Tage, für die Arbeitslosengeld beansprucht wird, zusammenzuzählen (vgl.
BSG, Urteil vom 18.12.1964 - 7 RAr 54/63). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt jedoch 750,00 EUR. Der Kläger begehrt insbesondere die Überprüfung des Bescheides
vom 10.06.2008, mit welchem für einer Anspruchsdauer von 300 Tagen ein tägliches Arbeitslosengeld von 27,70 EUR festgesetzt
wurde. Mit Änderungsbescheid desselben Tages wurde das Arbeitslosengeld auf 31,66 EUR festgesetzt. Der Kläger macht Arbeitslosengeld
i.H.v. 35,83 EUR aufgrund einer anderen Qualifikationsgruppeneinstufung und damit 4,17 EUR mehr geltend. Auch wenn die Arbeitslosengeldbewilligung
ab 16.06.2008 wieder aufgehoben wurde und die weiteren den angefochtenen Überprüfungsbescheid vom 29.03.2010 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2010 betreffenden Bewilligungsbescheide mit den entsprechenden Änderungsbescheiden insgesamt
lediglich über die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Dauer von insgesamt weiteren 106 Tagen entscheiden, beschränkt sich
der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht auf den geltend gemachten Mehrbetrag nur für die Dauer von 110 Tagen (insgesamt
458,70 EUR). Denn die mit dem Bescheid vom 10.06.2008 festgestellte Anspruchsdauer hat noch Auswirkungen auf die später geltend
gemachten Arbeitslosengeldansprüche, die auf dem mit dem Bescheid vom 10.06.2008 festgestellten Stammrecht beruhen bzw. die
- bei Erlöschen des Anspruchs aus dem Bescheid vom 10.06.2008 aufgrund der Erfüllung einer neuen Anwartschaftszeit - unter
Umständen um die Restdauer des erloschenen Anspruchs aus dem Bescheid vom 10.06.2008 zu verlängern sind, ist für diese somit
präjudiziell. Zudem hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid die Gewährung eines höheren Arbeitslosengeldes mit der
Begründung abgelehnt, der in dem Bescheid vom 10.06.2008 mit einer Anspruchsdauer von 300 Tagen festgestellte Anspruch auf
Arbeitslosengeld sei überhaupt nicht entstanden und hat damit die Anspruchsdauer zum Gegenstand der Überprüfung gemacht. Ist
für die Prüfung eines Anspruchs auf höheres Arbeitslosengeld die Erfüllung der Anwartschaftszeit zu überprüfen, umfasst die
Überprüfung auch die erworbene Anspruchsdauer. Insgesamt übersteigt damit der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von
750 EUR.
Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingereicht (§
151 SGG).
Die Berufung ist auch begründet. Der Bescheid vom 29.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2010 ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Unrecht eine Zurücknahme des Bescheides vom 10.06.2008
in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10.06.2008 sowie der für die Zeiträume bis zum 12.10.2009 ergangenen Bewilligungs-
und Änderungsbescheide abgelehnt. Die Beklagte hatte mit dem Bescheid vom 29.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 08.04.2010 ausdrücklich zwar nur die Zurücknahme des Bescheides vom 10.06.2008 abgelehnt. Da mit den für die weiteren
Bewilligungszeiträume ergangenen Bescheiden aus Sicht der Beklagten lediglich über die Auszahlung [§ 41 Erstes Buch Sozialgesetzbuch
(
SGB I)] des mit Bescheid vom 10.06.2008 entstandenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld (§
40 SGB I) entschieden wurde, regelt der angefochtene Bescheid konkludent auch die Ablehnung der Zurücknahme der vom Überprüfungsantrag
ebenfalls umfassten Bewilligungs- und Änderungsbescheide für die Zeiträume bis 12.10.2009. Der Kläger hat in den fraglichen
Zeiträumen Anspruch auf Gewährung höheren Arbeitslosengeldes.
Nach § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden
ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht
erhoben worden sind.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Beklagte hat bei Erlass des Bewilligungsbescheides vom 10.06.2008 in der
Fassung des Änderungsbescheides vom 10.06.2008 sowie der für die Folgezeiträume bis zum 12.10.2009 ergangenen Bewilligungs-
und Änderungsbescheide das Recht insoweit unrichtig angewandt, als Arbeitslosengeld lediglich mit einer Anspruchsdauer von
300 Tagen und unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgeltes von nur 71,59 EUR bewilligt wurde. Vielmehr war der Bemessung
des Arbeitslosengeldes ein tägliches Bemessungsentgelt von 81,67 EUR zugrunde zu legen und eine Anspruchsdauer von 349 Tagen
festzustellen. Insoweit wurden auch Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht. Der Kläger hat zwar nicht zum 12.06.2008 (und
auch nicht zum Beginn der folgenden hier streitigen Bewilligungszeiträume), jedoch bereits zum 01.09.2007 einen Anspruch auf
Arbeitslosengeld erworben, insbesondere war die Anwartschaftszeit erfüllt. Dieser Anspruch war zum Zeitpunkt der den streitgegenständlichen
Bescheiden zugrunde liegenden Anträge auf Arbeitslosengeld noch nicht erloschen. Der Kläger konnte in den streitgegenständlichen
Zeiträumen auch Arbeitslosengeld beanspruchen, insbesondere war er arbeitslos.
Anspruch auf Arbeitslosengeld haben Arbeitnehmer nach §
117 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) i. d. F. vom 20.04.2007 insbesondere bei Arbeitslosigkeit. Nach §
118 Abs.
1 SGB III i. d. F. vom 23.12.2003 setzt der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit voraus, dass der Arbeitnehmer arbeitslos
ist (Nr. 1), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat (Nr. 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt hat (Nr. 3).
Der Arbeitnehmer kann bis zur Entscheidung über den Anspruch bestimmen, dass dieser nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt
entstehen soll (§
118 Abs.
2 SGB III). Die Anwartschaftszeit hat nach §
123 SGB III i. d. F. vom 24.12.2003 erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden
hat. Die Rahmenfrist beträgt zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den
Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Rahmenfrist reicht nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose
eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte (§
124 Abs.
1 und
2 SGB III i. d. F. vom 27.12.2003)
Zwar hat der Kläger zur Zeit der den streitgegenständlichen Bewilligungszeiträumen zugrunde liegenden Arbeitslosmeldungen
zum 12.06.2008, zum 28.08.2008, zum 15.09.2008, zum 25.10.2008, zum 05.12.2008, zum 12.01.2009, zum 12.02.2009, zum 18.03.2009,
zum 15.04.2009, zum 18.05.2009, zum 22.06.2009, zum 27.07.2009, zum 10.08.2009, zum 05.09.2009 und zum 06.10.2009 eine neue
Anwartschaftszeit jeweils nicht erfüllt. Die einem Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 12.06.2008 zugrunde liegende Rahmenfrist
liefe vom 12.06.2006 bis 11.06.2008. Die dem zuletzt vorausgegangenen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 01.09.2007 zugrunde
liegende Rahmenfrist reicht vom 01.09.2005 bis 31.08.2007. Da der Kläger in dieser Zeit die Anwartschaftszeit erfüllt hat
(dazu unten), reichen die den maßgeblichen Arbeitslosmeldungen zuzuordnenden Rahmenfristen längstens bis 01.09.2007 zurück.
In den Rahmenfristen vom 01.09.2007 bis zuletzt zum 05.10.2009 hat der Kläger keine Versicherungspflichtverhältnisse mit einer
Dauer von mindestens zwölf Monaten.
In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig
sind (§
24 Abs.
1 SGB III). Versicherungspflichtig beschäftigt (§
25 SGB III) war der Kläger in den Zeiten vom 01.09.2007 bis zuletzt zum 05.10.2009 nicht. Auch war der Kläger nicht für die Dauer von
zwölf Monaten nach §
26 SGB III versicherungspflichtig. Zwar war er während des Bezugs von Krankengeld und Übergangsgeld vom 12.09.2007 bis 20.04.2008 und
vom 16.06.2008 bis 04.07.2008 nach §
26 Abs.
2 Nr.
1 SGB III versicherungspflichtig, da er unmittelbar vor dem Bezug des Krankengeldes bis 11.09.2007 bzw. bis 15.06.2008 Arbeitslosengeld,
mithin eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem
SGB III bezogen hat. Damit bestand Versicherungspflicht jedoch nur für die Dauer von 222 Tagen (im Bemessungsrahmen bis zum 11.06.2008)
bzw. 241 Tagen (im Bemessungsrahmen für die weiteren Arbeitslosengeldanträge für die Zeiten ab 28.08.2008 bis ab 06.10.2009).
In den Rahmenfristen vom 01.09.2007 bis zuletzt zum 05.10.2009 bestanden darüber hinaus keine sonstigen Versicherungspflichtverhältnisse
nach §
26 Abs.
2a SGB III wegen Kindererziehung. Danach sind versicherungspflichtig Personen in der Zeit, in der sie ein Kind, das das dritte Lebensjahr
noch nicht vollendet hat, erziehen, wenn sie unmittelbar vor der Kindererziehung versicherungspflichtig waren, eine laufende
Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt
haben, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach diesem Buch unterbrochen
hat (Nr. 1), und sich mit dem Kind im Inland gewöhnlich aufhalten oder bei Aufenthalt im Ausland Anspruch auf Kindergeld nach
dem
Einkommensteuergesetz oder
Bundeskindergeldgesetz haben oder ohne die Anwendung des §
64 oder §
65 des
Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des
Bundeskindergeldgesetzes haben würden (Nr. 2). Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift insbesondere für Kinder der oder des Erziehenden (Nr. 1). Haben
mehrere Personen ein Kind gemeinsam erzogen, besteht Versicherungspflicht nur für die Person, der nach den Regelungen des
Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung die Erziehungszeit zuzuordnen ist (§
56 Abs.
2 des
Sechsten Buches) (§
26 Abs.
2a Satz 3
SGB III). Gemäß §
26 Abs.
3 Satz 5
SGB III ist nach Abs.
2a nicht versicherungspflichtig, wer nach anderen Vorschriften dieses Buches versicherungspflichtig ist oder während der Zeit
der Erziehung oder Pflege Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat.
In die Rahmenfristen fällt die Geburt des Sohnes des Klägers R. R. am 12.12.2007. Bis zum 20.04.2008 kommt wegen der Erziehung
des Kindes eine Versicherungspflicht schon deswegen nicht in Betracht, weil der Kläger wegen des Bezuges von Krankengeld bereits
nach einer anderen Vorschrift (§
26 Abs.
2 Nr.
1 SGB III) versicherungspflichtig war. Ab 12.06.2008 bestehen schon keine Anhaltspunkte für eine zumindest überwiegende Erziehung von
R. durch den Kläger. Ab diesem Tag lebte R. R. nach den eigenen Angaben des Klägers bei seiner Mutter. Nach den Aufenthaltsbestätigungen
des Einwohnermeldeamtes war das Kind ab dem 12.06.2008 bei dem Kläger auch nur mit Nebenwohnsitz gemeldet. Der Hauptwohnsitz
lag bei der Mutter. Innerhalb der fraglichen Rahmenfristen hatte R. R. bei dem Kläger auch keinen Hauptwohnsitz, sondern erst
wieder ab dem 17.12.2009. Unabhängig von der Frage, ob der Kläger zwischen dem 12.12.2007 und dem 11.06.2008 ein Kind erzogen
hat, kommt - außerhalb der Zeiten der Versicherungspflicht wegen des Bezuges von Krankengeld - die Annahme des Bestehens einer
Versicherungspflicht nicht in Betracht, weil der Kläger jedenfalls keine laufende Entgeltersatzleistung nach dem
SGB III bezogen und auch keine den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung oder ein Versicherungspflichtverhältnis unterbrechende
als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt hat. Die Kindererziehung hat frühestens mit der Geburt am
12.12.2007 begonnen. Zuletzt hat der Kläger davor bis 11.09.2007 Arbeitslosengeld bezogen. Selbst wenn man bei einer Kindererziehung
ab 12.12.2007 die Unmittelbarkeit zum Arbeitslosengeldbezug bis 11.09.2007 noch als gegeben erachten wollte (vgl. zum Begriff
der Unmittelbarkeit z.B. Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB III, 1. Aufl. 2014, §
26 SGB III, Rn. 31ff.), wurde die Kindererziehung durch den Kläger am 01.03.2008 unterbrochen. R. war erst wieder ab 12.04.2008 beim
Kläger mit Hauptwohnsitz gemeldet. Durch die Rentenversicherung ist in der Zeit ab 01.03.2008 bis 30.04.2008 die Zeit der
Kindererziehung der Mutter von R. zugeordnet. Dafür, dass zwischen dem 01.03.2008 und dem 12.04.2008 dennoch eine zumindest
überwiegende Erziehung durch den Kläger stattgefunden haben könnte, bestehen keine Anhaltspunkte. Selbst wenn der Kläger das
Kind in dieser Zeit gemeinsam mit dessen Mutter erzogen hätte, käme eine Zuordnung zum Kläger nicht in Betracht. Für den Fall
einer gemeinsamen Erziehung verweist §
26 Abs.
2a Satz 3
SGB III auf §
56 Abs.
2 SGB VI. Danach wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet, wenn mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen haben. Haben
die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie
zuzuordnen ist. Die Zuordnung kann auf einen Teil der Erziehungszeit beschränkt werden. Die übereinstimmende Erklärung der
Eltern ist mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben. Die Zuordnung kann rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate
vor Abgabe der Erklärung erfolgen, es sei denn, für einen Elternteil ist unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Leistung
bindend festgestellt, ein Versorgungsausgleich oder ein Rentensplitting durchgeführt. Haben die Eltern eine übereinstimmende
Erklärung nicht abgegeben, ist die Erziehungszeit der Mutter zuzuordnen. Haben mehrere Elternteile das Kind erzogen, ist die
Erziehungszeit demjenigen zuzuordnen, der das Kind überwiegend erzogen hat, soweit sich aus Satz 3 nicht etwas anderes ergibt.
Eine übereinstimmende Erklärung des Klägers und der Mutter von R. , dass die Zeit dem Kläger zugeordnet werden soll, liegt
nicht vor. Durch die Rentenversicherung wurde die Erziehungszeit der Mutter zugeordnet. Diese Zuordnung wurde durch die Eltern
am 08.04.2011 bestätigt. Anhaltspunkte dafür, dass entgegen dieser Erklärung eine überwiegende Erziehung durch den Kläger
stattgefunden haben könnte, bestehen nicht. Spätestens mit der Unterbrechung der Erziehung am 01.03.2008 kann eine Unmittelbarkeit
der folgenden Erziehungszeiten zu dem Arbeitslosengeldbezug bis 11.09.2007 nicht mehr angenommen werden. Eine erneute Übernahme
der (überwiegenden) Erziehung durch den Kläger im April oder Mai 2008 bis zur Arbeitslosmeldung mit Wirkung zum 12.06.2008
kann daher keine Versicherungspflicht auslösen.
Jedoch hat der Kläger am 12.06.2008 noch einen am 01.09.2007 entstandenen Anspruch auf Arbeitslosengeld, der noch nicht erloschen
ist. Der Kläger war am 01.09.2007 arbeitslos im Sinne des §
119 SGB III i. d. F. vom 23.12.2003. Er stand nicht in einem Beschäftigungsverhältnis, insbesondere verrichtete er seine selbständigen
Tätigkeit nach seiner unwiderlegten Erklärung weniger als 15 Stunden wöchentlich. Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für
Arbeit hat er sich mit seinem Arbeitslosengeldantrag zur Verfügung gestellt und sein Bemühen, seine Beschäftigungslosigkeit
zu beenden, erklärt.
Der Kläger hat zum 01.09.2007 auch die Anwartschaftszeit erfüllt. In der Rahmenfrist vom 01.09.2005 bis 31.08.2007 hat der
Kläger 724 Tage, was 24 Monaten und vier Tagen entspricht (vgl. §
339 Satz 2
SGB III), in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Der Kläger hat vom 26.08.2004 bis 25.08.2007 sein Kind V. R. erzogen.
Das am 26.08.2004 geborene Kind ist das eigene Kind des Klägers und es hatte bis zum 25.08.2007 das dritte Lebensjahr noch
nicht vollendet. Der Kläger hielt sich auch mit dem Kind im Inland auf. Zur Überzeugung des Senats ist die Zeit dem Kläger
vollständig als - wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld bis 31.08.2004 - ab 01.09.2004 versicherungspflichtige Erziehungszeit
zuzuordnen. Dies folgt daraus, dass gegenüber der Deutschen Rentenversicherung eine Erklärung der Eltern von V. dahingehend
abgegeben worden ist, dass die Erziehungszeit dem Kläger zugeordnet werden soll und durch die Deutsche Rentenversicherung
Baden-Württemberg die Erziehungszeit bei dem Kläger entsprechend anerkannt wurde. Nach §
26 Abs.
2a SGB III ist die Erziehungszeit demjenigen Elternteil zuzuordnen, der das Kind erzogen hat. Erziehen Eltern ihr Kind gemeinsam, muss
eine Zuordnung der Zeit erfolgen; die Zeiten können nur einem Elternteil zugewiesen werden. Dazu sieht Absatz 2a Satz 3 eine
Zuordnung in Anwendung der Vorschrift des §
56 Abs.
2 SGB VI als echte Rechtsgrundverweisung vor. Bei gemeinsamer Erziehung haben die Eltern durch eine für die Bundesagentur für Arbeit
wie die Deutsche Rentenversicherung bindende gemeinsame Willenserklärung zu bestimmen, wem die Zeit zugeordnet wird. Dies
erfolgt maximal für zwei Monate rückwirkend und ist im Übrigen zukunftsgerichtet. Fehlt eine solche Erklärung, muss von Amts
wegen ermittelt werden, wer überwiegend erzogen hat (Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB III, 1. Aufl. 2014, §
26 SGB III, Rn. 42). Der Verweis auf die Vorschrift des §
56 Abs.
2 SGB VI erfolgt lediglich für den Fall der gemeinsamen Erziehung durch die Eltern. Hat ein Elternteil sein Kind allein erzogen, ist
diesem Elternteil die Erziehungszeit zuzuordnen. Liegt ein Fall der Alleinerziehung vor, kommen Tatbestände der gemeinsamen
oder überwiegenden Erziehung nicht in Betracht, d.h. insoweit besteht zwischen Alleinerziehung einerseits und gemeinsamer
und überwiegender Erziehung andererseits ein Verhältnis der Exklusivität [vgl. zu §
56 Abs.
2 SGB VI: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16.12.1997 - 4 RA 60/97, [...] Rn. 13, m.w.N.]. Es steht in der alleinigen Verantwortung der Eltern zu entscheiden, wie und mit welchem Ziel sie
die körperliche, geistige und seelische Entwicklung des Kindes fördern, insbesondere in welchem Ausmaß und mit welcher Intensität
sie sich selbst dieser Aufgabe widmen wollen. An diese vorgegebene Erziehungssituation sowie die Bewertung (Gewichtung) der
Erziehungsbeiträge seitens der Eltern knüpft §
56 Abs.
2 S. 3
SGB VI aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität typisierend an und räumt Eltern das Recht ein, durch übereinstimmende Erklärung
zu bestimmen, welchem Elternteil die Erziehungszeit zuzuordnen ist. Diese Entscheidung haben der Staat und seine Untergliederungen
ebenso hinzunehmen wie die übrigen im Rahmen der gemeinsamen Verantwortung für die Erziehung eines Kindes zulässigerweise
getroffenen Entscheidungen (BSG a.a.O., Rn. 16). Haben die bei der Erziehung zusammenwirkenden Eltern eine derartige öffentlich-rechtliche (Willens-)Erklärung
über die Zuordnung der Erziehungszeit überhaupt nicht, nicht übereinstimmend oder sonst nicht rechtswirksam, insbesondere
in den Fällen des §
56 Abs.
2 S. 3
SGB VI nicht rechtzeitig abgegeben, bleibt es bei dem Grundsatz des §
56 Abs.
2 S. 9
SGB VI dass die Erziehungszeit demjenigen zuzuordnen ist, der dann das Kind - nach objektiven Gesichtspunkten betrachtet - überwiegend
erzogen hat. Nur dann, wenn sich überwiegende Erziehungsanteile eines Elternteils nicht im erforderlichen Beweisgrad feststellen
lassen, sondern die Erziehungsbeiträge nach objektiven Maßstäben in etwa gleichgewichtig sind, wird die Erziehungszeit nach
der Auffangregelung des §
56 Abs.
2 S. 8
SGB VI der Mutter zugeordnet (BSG a.a.O., Rn. 16, m.w.N.). Den Eltern soll - wie sich aus §
56 Abs.
2 S. 9
SGB VI ergibt - das Gestaltungsrecht nach §
56 Abs.
2 S. 3
SGB VI selbst dann noch zustehen, wenn ein Elternteil das Kind überwiegend erzogen hat und danach an sich diesem Elternteil die
Erziehungs- und Berücksichtigungszeit zuzuordnen wäre (BSG a.a.O., Rn. 18, m.w.N.). Zwar kann im Fall des Klägers nicht festgestellt werden, dass er V. allein erzogen hat. Zweifel
daran ergeben sich insbesondere daraus, dass das Kind nicht über die gesamte Zeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres
bei dem Kläger mit Hauptwohnsitz gemeldet war und dem Kläger für einige Monate das Erziehungsgeld nicht gewährt wurde. Ebenso
wenig kann allerdings festgestellt werden, dass der Kläger an der Erziehung des Kindes nicht mitgewirkt hat, vielmehr die
Mutter die Erziehung allein übernommen hätte. Einer solchen Annahme steht schon die überwiegende Gewährung des Erziehungsgeldes
an den Kläger und die durchgehende Aufrechterhaltung eines (zumindest Neben-)Wohnsitzes beim Kläger entgegen. Demnach steht
fest, dass der Kläger das Kind zumindest gemeinsam mit der Mutter erzogen hat. Selbst wenn aber eine Erziehung des Kindes,
insbesondere in den Zeiten, in denen das Kind beim Kläger nur mit Nebenwohnsitz gemeldet war, überwiegend durch die Mutter
erfolgt wäre, muss die Berücksichtigung der Erziehungszeit aufgrund der übereinstimmenden Erklärung der Eltern zum Kläger
erfolgen. Zwar lag die Erklärung erst am 09.12.2004 vor, wie sich aus dem vom Rentenversicherungsträger übersandten Gesamtkontospiegel
ergibt (Bl. 251 der Senatsakten), so dass sie nur bis zum 01.10.2004 zurückwirken kann. Allerdings war V. R. bereits ab 30.08.2004
beim Kläger mit Hauptwohnsitz gemeldet, so dass davon auszugehen ist, dass er die Erziehung bereits vor Oktober 2004 zumindest
überwiegend übernommen hat. Dafür spricht auch die Gewährung des Erziehungsgeldes an den Kläger. Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) i.d.F. vom 09.02.2004 setzte der Anspruch auf Erziehungsgeld nämlich voraus, dass der Elternteil, dem das Erziehungsgeld
gewährt werden soll, mit einem Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt, und er dieses Kind selbst
betreut und erzieht. Darüber hinaus wurde die Erziehungszeit auch durch die Deutsche Rentenversicherung dem Kläger zugeordnet
und bei diesem anerkannt. Selbst wenn eine Erziehung durch den Kläger erst am 01.10.2004 begonnen hätte bzw. erst ab dieser
Zeit bei ihm zu berücksichtigen wäre, stünde dies der Berücksichtigung einer Versicherungspflicht für die Erziehungszeit nicht
entgegen, da der Kläger bis zum 31.08.2004 Arbeitslosengeld bezogen hat und jedenfalls bei einer Lücke bis zu einem Monat
die Unmittelbarkeit der Erziehungszeit zu dem vorangegangenen Bezug einer Entgeltersatzleistung noch als gegeben anzusehen
ist (vgl. mit überzeugender Begründung unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 30.03.2011 - B 12 AL 1/10 R: Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB III, 1. Aufl. 2014, §
26 SGB III, Rn. 44, 32).
Die Erfüllung der Anwartschaftszeit scheitert auch nicht daran, dass der Kläger während der Kindererziehungszeit eine mit
Existenzgründungszuschuss durch die Beklagte geförderte selbständigen Tätigkeit ausgeübt hat. Hierfür gibt schon der Wortlaut
des §
26 SGB III nichts her. Dies folgt auch aus Sinn und Zweck des §
26 Abs.
3 S. 5
SGB III, der dazu dient, eine Doppelversicherung auszuschließen bzw. vermeiden soll, dass die Betreuung und Erziehung eines Kindes
während des Bezugs einer Entgeltersatzleistung gleichzeitig wieder zur Begründung eines neuen Anspruchs dienen kann (Bt-Drs.14/6944,
S. 30). Nicht verhindert werden soll die Verrichtung einer wie auch immer gearteten Tätigkeit parallel zur Kindererziehung
im Sinne einer fehlenden Verfügbarkeit entsprechend §
119 Abs.
1 Nr.
3, Abs.
5 SGB III a.F. Der Gesetzgeber geht vielmehr selbst davon aus, dass die Verrichtung einer Tätigkeit einer Kindererziehung nicht entgegensteht,
insbesondere weist er selbst darauf hin, dass einem Erziehenden Nachteile im Arbeitslosenversicherungsschutz nicht entstehen
können, wenn neben der Betreuung und Erziehung eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt wird (Bt-Drs.14/6944, S.
30). Auch nach anderen gesetzlichen Vorschriften steht eine Erwerbstätigkeit dem Vorliegen einer Erziehungszeit nicht entgegen
(vgl. z.B. § 1 Abs. 1 Nr. 4 BErzGG, §
56 Abs.
3 S. 2
SGB VI). Der Annahme der Versicherungspflicht nach §
26 Abs.
2a SGB III steht auch nicht die Möglichkeit der Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach §
28a SGB III für die Zeit der Selbstständigkeit entgegen. Vielmehr schließt das Bestehen von Versicherungspflicht nach §
26 SGB III die Möglichkeit einer Versicherungspflicht auf Antrag nach §
28a SGB III aus (vgl. §
28a Abs.
2 S. 1
SGB III).
Damit hat der Kläger zum 01.09.2007 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben, da die tatbestandsbegründende Voraussetzungen
der §§
117,
118 SGB III a.F. vorliegen [§ 40 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I)].
Die Dauer des erworbenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld zum 01.09.2007 beträgt 360 Tage. Nach §
127 Abs.
1 SGB III i.d.F. vom 24.12.2003 richtet sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach der Dauer der Versicherungspflichtverhältnisse
innerhalb der um ein Jahr erweiterten Rahmenfrist (Nr. 1) und dem Lebensalter, das der Arbeitslose bei der Entstehung des
Anspruchs vollendet hat (Nr. 3). Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld beträgt nach Versicherungspflichtverhältnissen
mit einer Dauer von insgesamt mindestens 24 Monaten zwölf Monate (§
127 Abs.
2 SGB III). Eine längere Dauer bei Bestehen von Versicherungspflichtverhältnissen von mindestens 30 Monaten bzw. 36 Monaten innerhalb
der um ein Jahr erweiterten Rahmenfrist kommt nur in Betracht, wenn der Versicherte das 55. Lebensjahr vollendet hat, was
beim Kläger nicht der Fall ist. Auch eine Verlängerung der Anspruchsdauer um einen Restanspruch von 11 Tagen aus dem Jahr
2004 nach §
127 Abs.
4 SGB III, wonach sich die Dauer des Anspruchs um die Restdauer des wegen Entstehung eines neuen Anspruchs erloschenen Anspruchs verlängert,
wenn nach der Entstehung des erloschenen Anspruchs noch nicht vier Jahre verstrichen sind, liegt nicht vor, da die Verlängerung
längstens bis zu der dem Lebensalter des Arbeitslosen zugeordneten Höchstdauer vorgesehen ist (vgl. §
127 Abs.
4 a.E.
SGB III), so dass für den Kläger eine Verlängerung über die Dauer von zwölf Monaten hinaus nicht möglich ist. Die Anspruchsdauer
von zwölf Monaten entspricht 360 Tagen (§
339 S. 2
SGB III i.d.F. vom 24.12.2003).
Bei der Antragstellung mit Wirkung zum 12.06.2008 hatte der Kläger noch einen Restanspruch von 349 Tagen, da er nach Entstehung
des Anspruchs (Stammrecht) zum 01.09.2007 bereits 11 Tage Arbeitslosengeld bezogen hat, so dass sich der Anspruch von 360
Tagen um 11 Tage gemindert hat (§
128 Abs.
1 Nr.
1 SGB III i.d.F. vom 20.07.2006).
Art, Dauer und Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ab 12.06.2008 bestimmen sich weiterhin nach den Umständen, die zum
Zeitpunkt des Entstehen des Stammrechts, mithin am 01.09.2007, vorgelegen haben (BSG, Urteil vom 01.04.1993 -7 RAr 68/92, [...], Rn. 30 und Urteil vom 14.05.2007 - B 11 AL 12/13 R, [...], Rn. 16). Dass die Beklagte auf den Antrag des Klägers zum 01.09.2007 nicht den entstandenen Anspruch auf Arbeitslosengeld
von 360 Tagen, sondern lediglich einen vermeintlichen Restanspruch von 11 Tagen bewilligt hat, steht dem nicht entgegen. Denn
für das Entstehen des Stammrechts bedarf es weder eines Bewilligungsbescheids noch hindert eine rechtswidrige Ablehnung des
Antrags die Entstehung des Stammrechts (Öndül in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB III, 1. Aufl. 2014, §
137 SGB III, Rn. 14; BSG, Urteil vom 08.12.1994 - 11 RAr 41/94, [...] Rn. 15).
Dem Kläger war ab 12.06.2008 Arbeitslosengeld für die Dauer von 347 Tagen unter Zugrundelegung eines fiktiven Bemessungsentgelts
von 81,67 EUR, der Lohnsteuerklasse II und einem Leistungssatz von 67 Prozent zu bewilligen.
Das Arbeitslosengeld beträgt nach §
129 SGB III i.d.F. vom 16.02.2001 für Arbeitslose, die mindestens ein Kind haben, 67 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt),
das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, dass der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungszeitraum
umfasst nach §
130 Abs.
1 SGB III i.d.F. vom 23.12.2003 die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume
der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr, er endet mit dem
letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§
130 Abs.
1 Satz 2
SGB III). Bemessungsentgelt ist nach §
131 Abs.
1 SGB III i.d.F. vom 23.12.2003 das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose
im Bemessungszeitraum erzielt hat. Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis
Anspruch hatte, gelten als erzielt, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen
sind. Der einjährige Bemessungsrahmen ist demnach ausgehend vom Endzeitpunkt durch Rückrechnung zu ermitteln. Endzeitpunkt
ist der letzte Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs auf Alg. Entstanden ist
der Anspruch auf Arbeitslosengeld im vorliegenden Fall am 01.09.2007. Der Bemessungsrahmen endet deshalb am 31.08.2007; er
umfasst den Zeitraum vom 01.09.2006 bis zum 31.08.2007. Da in diesem Zeitraum kein Tag mit Anspruch auf Arbeitsentgelt liegt,
wird der Bemessungsrahmen nach §
130 Abs.
3 Satz 1 Nr.
1 SGB III auf 2 Jahre erweitert und reicht vom 01.09.2005 bis zum 31.08.2007. Auch während dieser Zeit hatte der Kläger keinen Anspruch
auf Arbeitsentgelt. Deshalb ist nach §
132 Abs.
1 SGB III i.d.F. vom 23.12.2003 als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen.
Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen
Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen
für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat (§
132 Abs.
2 Satz 1
SGB III). Dabei ist zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation
als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern (Qualifikationsstufe 2), ein Arbeitsentgelt
in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße und für solche Beschäftigungen, die eine abgeschlossene Berufsausbildung
in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel
der Bezugsgröße (§
132 Abs.
2 S. 2 Nr.
2 und
2 SGB III). Die Höhe des nach §
132 Abs.
2 SGB III anzusetzenden fiktiven Arbeitsentgelts ist - dem Gesetz folgend - in mehreren Schritten zu prüfen. In welche der Qualifikationsgruppen
der Arbeitslose einzustufen ist, bestimmt sich in erster Linie gemäß §
132 Abs.
2 S 1
SGB III nach der Beschäftigung, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen - unter Berücksichtigung
des in Betracht kommenden Arbeitsangebots - zu erstrecken hat (1. Prüfungsschritt). Ist die Beschäftigung i.S. von §
132 Abs.
2 S. 1
SGB III festgestellt worden, ist sie einer der vier Qualifikationsgruppen zuzuordnen (2. Prüfungsschritt). Die Zuordnung der Beschäftigung
zu den Qualifikationsgruppen macht §
132 Abs.
2 S. 2
SGB III ausdrücklich davon abhängig, dass entsprechende formelle Berufsabschlüsse vorliegen bzw. für eine Ausübung der Beschäftigung
vorgeschrieben sind ("erfordern"). Demgemäß kommt es nach der Rechtsprechung des BSG für die Zuordnung zu der jeweiligen Qualifikationsgruppe grundsätzlich darauf an, ob der Arbeitslose tatsächlich über den
für die angestrebte Beschäftigung erforderlichen förmlichen Berufsabschluss verfügt. Die Qualifikationsgruppen des §
132 Abs.
2 S. 2
SGB III sind ihrer Grundstruktur nach so angelegt, dass einem bestimmten Ausbildungsniveau des Betroffenen ein bestimmtes Entgelt
zugeordnet ist. Zwar muss eine in der Vergangenheit erworbene berufliche Qualifikation nicht immer allein maßgeblich dafür
sein, auf welche künftigen Beschäftigungen die Agentur für Arbeit ihre Vermittlungsbemühungen zu erstrecken hat; dennoch wird
in der Regel die Feststellung der in Betracht kommenden Beschäftigung in hohem Maße von dem förmlichen Berufsabschluss bestimmt
(vgl. BSG, Urteil vom 04.07.2012 - B 11 AL 21/11 R, [...], Rn. 17, m.w.N.). Maßgeblich ist, auf welche Tätigkeiten sich die Vermittlungsbemühungen "in erster Linie" zu erstrecken
haben, so dass nicht die Gesamtbreite der dem Arbeitslosen möglichen Beschäftigungen heranzuziehen ist, sondern die Tätigkeiten
relevant sind, mit denen der Arbeitslose bestmöglich wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann (BSG, Urteil vom 06.09.2006 - B 7a AL 66/05 R, [...], Rn. 22). Die aus §
35 Abs.
2 Satz 2
SGB III zu entnehmenden personenbezogenen Vermittlungskriterien sind Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit des Arbeitsuchenden
sowie die Anforderungen der angebotenen Stellen (zum Ganzen ausführlich LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.08.2007 - L 7 AL 1160/07, [...]). Die Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur haben sich bei Arbeitslosen, die einen Beruf erlernt und ausgeübt
haben, grundsätzlich in erster Linie auf solche Tätigkeiten zu erstrecken, die der beruflichen Qualifikation des Arbeitslosen
entsprechen. Denn es ist davon auszugehen, dass auf diese Weise eine Eingliederung in Arbeit besonders erfolgversprechend
ist. Dies gilt auch dann, wenn der Beruf längere Zeit nicht mehr ausgeübt worden ist. Eine längere Abwesenheit vom Beruf führt
nicht automatisch zu einer solchen Minderung der Qualifikation, dass die erlernten Fähigkeiten in der Arbeitswelt nicht mehr
verwertbar sind. Außerdem bildet gerade eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf eine
gute Basis für die Einarbeitung auch in solche Tätigkeiten, die durch eine permanente Änderung der beruflichen Anforderungen
geprägt sind (Urteil des Senats vom 18.07.2008 - L 8 AL 4570/07). Kommen mehrere Beschäftigungen in Betracht, richtet sich die fiktive Bemessung nach derjenigen, welche die höchste berufliche
Qualifikation erfordert und daher mit der für den Arbeitslosen günstigsten Qualifikationsgruppe verbunden ist (LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 09.08.2007 - L 7 AL 1160/07 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG zum sog. Günstigkeitsprinzip bei den Vorgängerregelungen § 200 Abs. 2 Satz 1
SGB III a.F. und § 112 Abs. 7 AFG).
Im vorliegenden Fall hatten sich daher die Vermittlungsbemühungen auf Tätigkeiten zu erstrecken, die den Nachweis über eine
abgeschlossene Qualifikation als Meister erfordern. Der Kläger hat die Qualifikation zum Industriemeister Fachrichtung Kraftverkehr
im Juni 2004 erworben. Die Erlangung dieser Qualifikation wurde durch die Beklagte als Maßnahme der beruflichen Weiterbildung
nach §
77 SGG i.d.F. vom 23.12.2002 gefördert. Die Förderung hat vorausgesetzt, dass diese Qualifikation erforderlich war, um den Kläger
beruflich einzugliedern (vgl. §
77 Abs.
1 Nr.
1 SGB III a.F.). Danach ist davon auszugehen, dass die Vermittlungsbemühungen der Beklagten vorrangig auf Tätigkeiten zu erstrecken
waren, die eine Qualifikation als Kraftverkehrsmeister erfordert haben. Dass der Kläger nach Erlangung der Qualifikation als
Meister bis zur Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld noch nicht in diesem Beruf gearbeitet hat, steht der Zuordnung
zu der Qualifikationsgruppe 2 nicht entgegen. Nach der gesetzlichen Regelung rechtfertigt eine langjährige Berufserfahrung
nicht die Einstufung in eine höhere Qualifikationsgruppe, weil es wesentlich darauf ankommt, ob der Arbeitslose über den für
die angestrebte Beschäftigung erforderlichen Berufsabschluss verfügt (BSG, Urteil vom 04.07.2012 - B 11 AL 21/11 R), so dass umgekehrt fehlende Berufserfahrung der Qualifikationsgruppeneinstufung entsprechend dem vorhandenen Berufsabschluss
nicht entgegenstehen kann. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Kläger nach Erlangung der Qualifikation als Meister
drei Jahre lang selbstständig tätig war bzw. eine Elternzeit wahrgenommen hat. Das
SGB III selbst geht davon aus, dass eine Vermittlung entsprechend einem vorhandenen Ausbildungsabschluss bis zur Dauer von 4 Jahren
der Verrichtung nicht dem Ausbildungsabschluss entsprechender Tätigkeiten noch möglich ist, da erst dann die Notwendigkeit
einer Weiterbildung wegen fehlenden Berufsabschlusses anerkannt wird (vgl. §
77 Abs.
2 Nr.
1 SGB III a.F., §
81 Abs.
2 Nr.
1 SGB III n.F., der in S. 2 nunmehr ausdrücklich auch Zeiten insbesondere der Kindererziehung der Ausübung einer an- oder ungelernten
Tätigkeit gleichstellt). Zurzeit der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld am 01.09.2007 waren seit Erlangung der
Qualifikation als Meister erst etwas mehr als 3 Jahre vergangen. Unterstellt das Gesetz selbst eine Berufsentfremdung erst
nach 4 Jahren, kann sich die Beklagte bei der Frage der Qualifikationsgruppeneinstufung nicht mit Erfolg darauf berufen, eine
von ihr geförderte Qualifizierung könne nach weniger als 4 Jahren nach der Erlangung der Qualifikation den Vermittlungsbemühungen
nicht mehr vorrangig zugrunde gelegt werden. Dafür dass eine Berufsentfremdung nicht eingetreten war, spricht auch, dass der
Kläger ab dem Jahr 2008 als Dozent im Bereich der Führerscheinausbildung tätig war, wofür die Qualifikation als Meister maßgeblich
gewesen sein dürfte.
Das Bemessungsentgelt beträgt nach der vorzunehmenden Einstufung in die Qualifikationsgruppe 2 ein Dreihundertsechzigstel
der Bezugsgröße. Bezugsgröße im Sinne der Vorschriften für die Sozialversicherung ist, soweit in den besonderen Vorschriften
für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes bestimmt ist, das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung
im vorvergangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag [§ 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch
(
SGB IV) i.d.F. vom 23.01.2006). Nach § 1 Abs. 1 Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2006 (SVBezGrV 2006), welche für das Jahr 2007 weiterhin galt, beträgt das Durchschnittsentgelt für das Jahr 2004 29.060
EUR. Aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag ergibt sich eine Bezugsgröße von 29.400 EUR. Daraus folgt
ein tägliches Bemessungsentgelt von 81,67 EUR, welches der Berechnung des Arbeitslosengeldes ab 01.09.2007 zugrunde zu legen
war.
Der als Arbeitslosengeld zu bewilligende Leistungssatz beträgt sodann für den Kläger, der mindestens ein Kind hat, 67 Prozent
des Leistungsentgeltes (§
129 Nr. 1
SGB III a.F.). Das Leistungsentgelt ermittelt sich aus dem Bemessungsentgelt abzüglich einer Sozialversicherungspauschale in Höhe
von 21 Prozent des Bemessungsentgelts, der Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle, die sich nach dem vom Bundesministerium
der Finanzen auf Grund des §
51 Abs.
4 Nr.
1a des
Einkommensteuergesetzes bekannt gegebenen Programmablaufplan bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach §
10c Abs.
2 des
Einkommensteuergesetzes in dem Jahr, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt und dem Solidaritätszuschlag, wobei bei der Berechnung Freibeträge
und Pauschalen, die nicht jedem Arbeitnehmer zustehen, nicht zu berücksichtigen sind (§
133 Abs.
1 SGB III in der Fassung vom 19.11.2004). Die Feststellung der Lohnsteuer richtet sich nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des
Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war (§
133 Abs.
2 SGB III a.F.), so dass im Fall des Klägers die Lohnsteuerklasse II zugrunde zu legen ist.
Da die Beklagte Arbeitslosengeld mit den dem Überprüfungsbescheid vom 29.03.2010 zugrunde liegenden Bescheiden nur unter Berücksichtigung
eines Bemessungsentgeltes i.H.v. 71,59 EUR statt 81,67 EUR gewährt hat, waren die entsprechenden Bescheide rechtswidrig.
Eine Zurücknahme der Bescheide und Gewährung höheren Arbeitslosengeldes kann die Beklagte rechtmäßig auch nicht mit der Begründung
ablehnen, sie habe höheres Arbeitslosengeld nicht zu Unrecht nicht erbracht, weil das dem Kläger gewährte Arbeitslosengeld
im bereits nicht zugestanden hätte. Zwar setzt § 44 Abs. 1 SGB X voraus, dass zwischen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsaktes und dem nicht Erbringen einer Sozialleistung
ein Kausalzusammenhang besteht. Das lässt sich nur anhand der materiellen Rechtslage beurteilen, so dass § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X dahin zu verstehen ist, dass die vorenthaltenen Sozialleistungen materiell zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Dies ergibt
sich auch aus Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 SGB X. Dieser besteht darin, dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns Geltung zu verschaffen und der Verwaltungsbehörde
zur Herstellung materieller Gerechtigkeit die Möglichkeit zu eröffnen, Fehler, die im Zusammenhang mit dem Erlass eines Verwaltungsaktes
unterlaufen sind, zu berichtigen. Hierbei soll nach dem Willen des Gesetzgebers deren Aufhebung nur dann in Betracht kommen,
soweit sich bei der erneuten Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Behörde zu Ungunsten des Antragstellers
falsch gehandelt hat. Ansonsten soll der Verwaltungsakt bestehen bleiben (BSG, Urteil vom 22. März 1989 - 7 RAr 122/87, [...], Rn. 23f.).
Der Kläger hat in den den fraglichen Bescheiden zugrunde liegenden Zeiträumen auch materiell zu Unrecht höheres Arbeitslosengeld
nicht erhalten. Er hatte jeweils sämtliche Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt. Er hatte den am
01.09.2007 erworbenen Anspruch auf Arbeitslosengeld, der noch nicht vollständig erfüllt (§
128 Abs.
1 Nr.
1 SGB III i.d.F. vom 20.07.2006) und noch nicht erloschen (§
147 SGB III i.d.F. vom 23.12.2003) war. Er stand nicht in einer Beschäftigung, war also beschäftigungslos, bemühte sich, die Beschäftigungslosigkeit
zu beenden, und war verfügbar (§
119 Abs.
1 SGB III a.F.), weil er bereit gewesen ist, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung auszuüben.
Der Senat konnte feststellen, dass der Kläger in der Lage und auch willens war, Vermittlungsbemühungen der Beklagten nachzukommen
und Stellenangebote für befristete oder unbefristete Beschäftigungen anzunehmen. Der auch für die anspruchsbegründende Voraussetzung
der subjektiven Verfügbarkeit beweispflichtige Kläger hat zur Überzeugung des Senats das Vorliegen dieser Tatsache nachgewiesen.
Die Feststellung einer inneren, subjektiven Tatsache, wie die konkrete Willensrichtung, von der die nach außen erkennbaren
Handlungen einer Person getragen sind, kann grundsätzlich auch allein auf der Grundlage glaubhafter Angaben der handelnden
Person zur vollen richterlichen Überzeugung getroffen werden. Vorliegend hat der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Senat
widerspruchsfrei und stimmig dargelegt, jederzeit bereit gewesen zu sein, sich um die von der Beklagten angebotene Stellen
zu bewerben, da für die Bewerbungsgespräche und auch die danach sich hieraus ergebende etwaige Beschäftigung jeweils für die
Betreuung der Kinder gesorgt gewesen sei bzw. er dies ohne weiteres hätte organisieren können.
Die vom glaubwürdigen Kläger dargelegten Umstände sind auch nicht erkennbar ungereimt, denn sie werden nicht von objektiven
äußeren Gegebenheiten widerlegt oder zumindest in Frage gestellt. Soweit die Beklagte die fehlende subjektive Verfügbarkeit
annimmt, hat sie keine belastbaren überzeugenden Umstände dargetan, die die Darstellung des Klägers unglaubhaft machen. Ist
der beweispflichtige Kläger grundsätzlich glaubwürdig, obliegt es der Beklagten solche objektiven Tatsachen beizubringen,
die das Vorbringen des Klägers erschüttern.
Mit seinen Anträgen auf Arbeitslosengeld hat der Kläger jeweils erklärt, den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung
zu stehen und bemüht zu sein, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Der Verfügbarkeit nach §
119 Abs.
1 Nr.
3, Abs.
5 SGB III a.F. steht nicht entgegen, dass der Kläger sich jeweils nur für wenige Tage arbeitslos gemeldet hat und sich sodann wieder
der Kindererziehung gewidmet hat. Gemäß §
119 Abs.
5 Nr.
1 SGB III a.F. steht den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens
15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden
Arbeitsmarktes ausüben kann und darf. Die Arbeitsfähigkeit wird allgemein als objektive Verfügbarkeit bezeichnet. Neben ausreichendem
Leistungsvermögen setzt das "Arbeiten-Können" für die nach § 138 Abs. 5 Nr. 1 erforderliche Arbeitsfähigkeit voraus, dass
der Arbeitslose tatsächlich und aktuell den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Es dürfen keine
faktischen Hindernisse vorliegen, die dem Arbeitslosen die Aufnahme von Beschäftigungen, die Teilnahme an Eingliederungsmaßnahmen
bzw. die zeit- und ortsnahe Reaktion auf Vorschläge der Agentur für Arbeit erheblich erschweren oder unmöglich machen. Der
Arbeitslose muss an jedem Tag, für den Leistungen erbracht werden, aktuell der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen und
durch nichts gehindert sein, ohne Verzug eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen (Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB, 05/15, §
138 SGB III, Rn. 148f.). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger an den Tagen, für die Arbeitslosengeld gezahlt wurde, nicht in der Lage
gewesen wäre, eine Beschäftigung anzunehmen, bestehen nicht. Insbesondere hat er dargelegt, dass die Kinderbetreuung für jeden
Tag der Arbeitslosigkeit gesichert war. Dies hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch Auflistung einer Reihe
von Personen, die für die Beaufsichtigung seiner Kinder zur Verfügung gestanden haben, bekräftigt. Die objektive Verfügbarkeit
fehlt bei einer nur kurzzeitigen Arbeitslosigkeit auch nicht deswegen, weil - wie die Beklagte meint - Vermittlungsbemühungen
der Beklagten in dieser Zeit nicht möglich wären. Das Gesetz sieht eine Mindestdauer der Arbeitslosigkeit für das Bestehen
der Verfügbarkeit nicht vor. Für den Senat ist auch nicht erkennbar, was die Beklagte daran hindern sollte, an den Tagen,
für die der Kläger Arbeitslosengeld beansprucht, Vermittlungsbemühungen hinsichtlich des Klägers zu unternehmen. Bloße Organisationsschwierigkeiten
der Beklagten sind nicht geeignet, das Fehlen einer objektiven Verfügbarkeit zu begründen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund,
dass der Gesetzgeber im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Bundesagentur für Arbeit (bzw. zugelassenen kommunalen
Trägern) aufgegeben hat, bereits bei der Beantragung von Leistungen unverzüglich Leistungen zur Eingliederung in Arbeit anzubieten
(Sofortangebot, § 15a Zweites Buch Sozialgesetzbuch). Wenn auch darunter nicht die Arbeitsvermittlung nach §
35 SGB III, auf die der erwerbsfähigen Hilfebedürftige wie auch der Arbeitslose ohnehin einen Anspruch hat, zu fassen ist, so setzt
doch die Unterbreitung eines Sofortangebots voraus, dass die Bundesagentur für Arbeit ihre Bemühungen hinsichtlich der Beendigung
bzw. Abwendung der Arbeitslosigkeit des Betroffenen unmittelbar aufnimmt.
Es kann auch nicht daraus, dass der Kläger sich jeweils nur für wenige Tage arbeitslos gemeldet hat um sich anschließend wieder
der Kindererziehung zu widmen, darauf geschlossen werden, dass er nicht ernsthaft bereit gewesen ist, eine abhängige Beschäftigung
aufzunehmen, und ihm damit seine subjektive Verfügbarkeit (Arbeitsbereitschaft) abgesprochen werden. In der Regel bringen
Beschäftigungslose ihre Arbeitsbereitschaft bereits dann zum Ausdruck, wenn sie sich arbeitslos melden (Öndül in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB III, 1. Aufl. 2014, §
138 SGB III, Rn. 98). Zwar hat das BSG beispielsweise Zweifel daran geäußert, ob ein selbstständig Tätiger, dessen Tätigkeit endet, für drei Tage eine abhängige
Beschäftigung sucht, wenn er schon vor der Arbeitslosmeldung einen Antrag auf Gründungszuschuss stellt und sich mit der Arbeitslosmeldung
wieder aus dem Arbeitslosengeldbezug abmeldet und damit deutlich macht, dass er wenige Tage nach dem Ende der letzten selbständigen
Tätigkeit wieder eine selbständigen Tätigkeit aufnehmen möchte. In solchen Fällen sei auch zweifelhaft, ob ein solcher Arbeitsloser
tatsächlich bereit ist, in dem verbleibenden Zeitraum von drei Tagen eine abhängige Beschäftigung aufzunehmen. Denkbar erscheine
auch, dass er zwischen den beiden Tätigkeiten nur eine kurze zeitliche Lücke gelassen hat, um den Anspruch auf Arbeitslosengeld
und diesem nachfolgend den Anspruch auf Gründungszuschuss entstehen zu lassen (BSG, Urteil vom 11.03.2014 - B 11 AL 10/13 R, SozR 4-4300 § 133 Nr. 6, SozR 4-4300 § 28a Nr. 8, Rn. 18). Der Kläger hat jedoch seine Arbeitsbereitschaft dem Senat schlüssig
und glaubhaft dargelegt. Er hat angegeben, dass er auch nach den Leistungsintervallen, Arbeit nicht abgelehnt hätte, sondern
gerade bei der Beklagten weiter als arbeitsuchend habe gelten wollen. Er hat auf Nachfrage des Senats ausdrücklich angegeben,
dass er bei entsprechenden Angeboten auch ein länger befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis eingegangen wäre. Für
den Senat ist auch erkennbar geworden, dass die jeweils für nur wenige Tage im Monat erklärte Verfügbarkeit bei den Arbeitslosmeldungen
nicht Ausdruck einer Taktik zur Vermeidung der Arbeitsvermittlung war, sondern neben einer grundsätzlich nicht zu beanstandenden
Sicherung sozialer Rechte vorwiegend der seitens der Krankenkasse und der Wohngeldstelle gewünschten Verwaltungspraktikabilität
diente und mit seinem Reha-Berater abgesprochen war, wie der Kläger nachvollziehbar in der mündlichen Verhandlung und seitens
der Beklagtenvertreterin unwidersprochen dargelegt hat. Diese Ausgangslage war der zuständigen Agentur der Beklagten auch
bekannt, letztlich war Arbeitslosengeld auf der Grundlage dieser Arbeitslosmeldungen auch bewilligt worden. Der Senat hat
daher keinen begründeten Zweifel daran, dass der Kläger tatsächlich auch bereit und in der Lage gewesen wäre, kurzfristig
eine Beschäftigung anzutreten. Dafür spricht die auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erfolgte Benennung
einer Reihe von Personen, die die Betreuung der Kinder im Wechsel hätten übernehmen können. Der Kläger hat die Personen spontan
und konkret mit Vor- und Nachnamen sowie Anschrift benannt. Er hat Angaben zu deren früherer Erwerbstätigkeit gemacht und
mitgeteilt, dass sie sich im Ruhestand befinden. Er hat ihre Bereitschaft und ihre Eignung zur Kinderbetreuung durch die Darlegung
der jeweils persönlichen Verhältnisse der Betreuungsperson plausibel gemacht und damit auch zur Überzeugung des Senats glaubhaft
belegt. Dabei hat er von sich aus auch für ihn nachteilige Informationen nicht weggelassen, sondern beispielsweise darauf
hingewiesen, dass sein Vater zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund seines Alters nicht mehr in der Lage wäre, die Kinder zu betreuen
oder dass nicht alle von ihm benannten Personen für eine alleinige Betreuung hinreichend zuverlässig gewesen wären. Die Einlassungen
des Klägers sind danach für den Senat glaubhaft. Ferner hat der Kläger darauf verwiesen, dass er als freier Dozent im Rahmen
von Urlaubs- und Krankheitsvertretungen auch während der Zeit der Kindererziehung tätig gewesen ist. Gerade die Übernahme
solcher Vertretungen erfordert die Bereitschaft und Fähigkeit zur kurzfristigen Arbeitsaufnahme. Schließlich hat der Kläger
in der mündlichen Verhandlung - von der Beklagten unwidersprochen - beanstandet, dass er von der Beklagten keine geeigneten
Arbeitsangebote erhalten hat. Auch die tatsächlichen Gegebenheiten sind nicht geeignet, die überzeugenden Darlegungen des
Klägers zu seiner subjektiven Arbeitsbereitschaft in Zweifel zu ziehen. Die bloße Wahrnehmung der Kindererziehung steht -
wie bereits ausgeführt - grundsätzlich weder der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit noch der Verfügbarkeit entgegen. Des Weiteren
hat auch die Beklagte nichts unternommen, das von ihr nachträglich behauptete Fehlen der subjektiven Verfügbarkeit des Klägers
durch objektive Tatsachen zu belegen. Vermittlungsangebote, die der Kläger hätte ablehnen können, worauf Zweifel an einer
Arbeitsbereitschaft hätten begründet werden können, liegen nicht vor. Die Beklagte hat dem Kläger keine Arbeitsangebote oder
Maßnahmen unterbreitet. Es fehlen hiernach jegliche objektiven Anhaltspunkte, die gegen die vom Kläger überzeugend dargelegte
subjektive Verfügbarkeit sprechen. Im Übrigen hat auch die Beklagte dem Kläger jeweils für die von ihm begehrten Zeiträume
Arbeitslosengeld bewilligt, so dass sie offenbar auch selbst keine durchgreifenden Zweifel an der subjektiven Verfügbarkeit
des Klägers hatte.
Waren demnach die Bescheide vom 10.06.2008, 16.09.2008, 23.09.2008, 06.11.2008, 17.12.2008, 23.01.2009 in der Fassung der
Änderungsbescheide vom 05.06.2009 und 19.06.2009, der Bescheid vom 13.02.2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 05.06.2009
und 19.06.2009, der Bescheid vom 25.03.2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 27.04.2009, 19.05.2009, 05.06.2009,
19.06.2009, 04.09.2009, 20.10.2009 und 20.11.2009, der Bescheid vom 27.05.2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 19.06.2009,
04.09.2009, vom 20.10.2009 und vom 20.11.2009, der Bescheid vom 02.07.2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 04.09.2009,
vom 20.10.2009 und vom 20.11.2009, der Bescheid vom 27.07.2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 04.09.2009, vom 20.10.2009
und vom 20.11.2009, der Bescheid vom 22.09.2009 in der Fassung des Änderungsbescheide vom 20.10.2009 und vom 20.11.2009, der
Bescheid vom 07.09.2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 22.09.2009, vom 20.10.2009 und vom 20.11.2009 und der Bescheid
vom 08.10.2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 20.10.2009 und vom 20.11.2009 für die Zeiten vom 12.06.2008 bis 15.06.2008,
vom 28.08.2008 bis 07.09.2008, vom 05.09.2008 bis 22.09.2008, vom 25.10.2008 bis 06.11.2008, vom 05.12.2008 bis 10.12.2008,
vom 12.01.2009 bis 18.01.2009, vom 12.02.2009 bis 18.02.2009, vom 18.03.2009 bis 24.03.2009, vom 15.04.2009 bis 21.04.2009,
vom 22.06.2009 bis 28.06.2009, vom 27.07.2009 bis 31.07.2009, vom 10.08.2009 bis 16.08.2009, vom 05.09.2009 bis 11.09.2009
und vom 06.10.2009 bis 12.10.2009, welche innerhalb eines Zeitraums von 4 Jahren vor dem Antrag vom 02.12.2009 auf Zurücknahme
der Bescheide liegen (§ 44 Abs. 4 SGB X), rechtswidrig und wurden dem Kläger Leistungen zu Unrecht nicht erbracht, hatte die Beklagte die Bescheide zurückzunehmen
(gebundene Entscheidung) und dem Kläger höheres Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelt von 81,67 EUR
zu bewilligen. Der Bescheid vom 29.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2010 war daher aufzuheben und
die Beklagte zu entsprechenden Bewilligung höherer Leistungen zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.