Anspruch auf Insolvenzgeld; Abschluss eines Arbeitsvertrags im Insolvenzverfahren; Anspruch des Insolvenzverwalters auf Insolvenzgeld
gegen die Agentur für Arbeit aus abgetretenem Recht
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind Ansprüche auf Insolvenzgeld (InsG) aus abgetretenem Recht streitig.
Der Kläger wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Konstanz vom 15.03.2004 (Az.: 40 IN 59/04) in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Firma V. International GmbH, S. (V.), - einem Leiharbeitsunternehmen
- zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, ohne dass der V. ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wurde. Nach diesem
Beschluss bedurfte es u. a. zur Wirksamkeit von Verfügungen durch die V. über Gegenstände ihres Vermögens der Zustimmung des
vorläufigen Insolvenzverwalters (Klägers). Weiter wurde in diesem Beschluss den Schuldnern der V. verboten, an die V. zu zahlen.
Der vorläufigen Insolvenzverwalter (Kläger) wurde ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen
sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen.
Durch Arbeitsverträge wurden durch V. am 30.03.2004 Frau G. (G.), am 02.04.2004 Frau M. (M.) und am 14.04.2004 Herr S. (S.)
als Arbeitnehmer eingestellt. G. war vom 01.04.2004 bis 31.05.2004, M. vom 05.04.2004 bis 24.05.2004 und S. vom 14.04.2004
bis Mitte Mai 2004 für die V. tätig.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Konstanz vom 01.05.2004 wurde über das Vermögen der V. am 01.05.2004 das Insolvenzverfahren
wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt.
Am 26.05.2004 beantragten M. und am 03.06.2004 G. bei der Agentur für Arbeit Konstanz (AA) die Zahlung von InsG jeweils für
die Zeit vom 01.04.2004 bis 30.04.2004. Den Anträgen waren Insolvenzgeldbescheinigungen über nicht ausbezahltes Netto-Arbeitsentgelt
für den Zeitraum vom 01.04.2004 bis 30.04.2004 der M. (1160,32 EUR) und der G. (765,94 EUR) beigefügt. Außerdem wurde eine
Insolvenzgeldbescheinigung für S. über noch nicht ausbezahltes Netto-Arbeitsentgelt (894,44 EUR) der AA vorgelegt. Ein Insolvenzgeldantrag
des S. findet sich nicht. Die Insolvenzgeldbescheinigungen waren vom Kläger ausgestellt und unterschrieben.
Auf Anschreiben des Klägers als Insolvenzverwalter vom 11.06.2004, in denen es heißt: "Insolvenzverfahren über das Vermögen
der V. Sehr geehrte ..., Ihre Entlohnung für den April 2004 muss aus der Insolvenzmasse bezahlt werden, da sich das Arbeitsamt
weigert, Insolvenzgeld zu entrichten ..., schlage ich vor, dass Sie mir Ihre Forderung gegen das Arbeitsamt auf Zahlung des
Insolvenzgeldes für den Monat April abtreten. Sie erhalten im Gegenzug ihren Nettolohn, sobald Sie das beigefügte Formular
unterschrieben zurückgereicht haben.", traten G. am 17.06.2004, M. am 22.06.2004 und S. am 25.06.2004 durch Abtretungsvereinbarungen
die ihnen "zustehenden Ansprüche gegen die Bundesagentur für Arbeit auf Insolvenzgeld für den Monat April 2004 an den Insolvenzverwalter
über das Vermögen der V. International GmbH, Herrn Rechtsanwalt A. H., R., ab. Der Insolvenzverwalter nimmt die Abtretung
hiermit an."
Am 29.06.2004 beantragte der Kläger bei der AA betreffend M., S. und G. die Zahlung von InsG aus abgetretenem Recht in Höhe
von insgesamt 2820,70 EUR. Er legte die Abtretungsvereinbarungen der G. vom 17.06.2004, der M. vom 22.06.2004 und des S. vom
25.06.2004 vor.
Mit Bescheid vom 01.07.2004 lehnte die AA den Antrag des Klägers auf InsG für Dritte ab. Zur Begründung wurde ausgeführt,
dem Antrag könne nicht entsprochen werden, weil zum Zeitpunkt des Abschlusses der Arbeitsverträge den Arbeitnehmern bekannt
gewesen sei, dass aufgrund der bevorstehenden Insolvenz eine Entgeltzahlung nicht erfolgen könne.
Hiergegen erhob der Kläger am 07.07.2004 Widerspruch. Er machte zur Begründung geltend, die vertretene Rechtsauffassung sei
unrichtig. Das Gesetz schränke die Anwendbarkeit der Insolvenzgeldvorschriften auf Arbeitnehmer, welche während des Insolvenzgeldzeitraumes
eingestellt würden, nicht ein. Ausgeschiedene Arbeitnehmer hätten ersetzt werden müssen, um die Entleiherfirmen zufrieden
stellen zu können. Es sei kein zusätzliches Personal aufgebaut worden. Die Anzahl der Arbeitnehmer der V. hätten sich seit
der Insolvenzantragstellung konstant verringert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2004 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt,
Arbeitnehmer, die in Kenntnis eines Insolvenzereignisses die Arbeit aufgenommen hätten, hätten keinen Anspruch auf InsG. Hiervon
sei bei den vorliegend betroffenen Arbeitnehmern auszugehen.
Am 08.09.2004 erhob der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage. Der Kläger führte zur Begründung aus, die ablehnenden Entscheidungen beruhten auf einer eklatanten Verkennung des
Begriffes des Insolvenzereignisses. Auch die von der Beklagten entwickelte Argumentation sei falsch und sie verstoße gegen
den Gleichbehandlungsgrundsatz. Auslöser der divergierenden Rechtsmeinungen sei die Tatsache, dass die Arbeitnehmer M., G.
und S. im Insolvenzgeldzeitraum nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung eingestellt worden seien. InsG sei ausnahmslos
allen Arbeitnehmern zu gewähren. Auf den Umfang und die Dauer der Beschäftigung sowie auf die Frage, ob der Antragsteller
künftig als Arbeitnehmer tätig werden wolle, komme es nicht an. Ein Missbrauchsfall liege nicht vor. Die Arbeitnehmer M.,
G. und S. seien im Rahmen normaler Fluktuation eingestellt worden, da V. ansonsten nicht mehr in der Lage gewesen wäre, ihre
laufenden Verpflichtungen gegenüber Vertragspartnern zu erfüllen.
Die Beklagte trat der Klage unter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunktes entgegen. Sie hat zur Begründung ergänzend ausgeführt,
entscheidende Frage sei, ob die nach Bekanntwerden der vorläufigen Insolvenz abgeschlossenen Arbeitsverträge gegen ein Gesetz
oder die guten Sitten verstießen und folglich nichtig seien. Durch die Annahme und Ausführung der Verleiheraufträge, die erst
aufgrund der Neueinstellungen durchgeführt werden könnten, seien Beträge zur Masse geflossen. Die Unkosten (Entgelte) müssten
folglich aus der Masse beglichen werden. Es sei deshalb zu unterscheiden, ob die Arbeitnehmer vor oder nach der vorläufigen
Insolvenzverwaltung eingestellt worden seien. Die Einstellung von Personal nach Beginn der vorläufigen Insolvenz könne nicht
zu Lasten der Insolvenzversicherung erfolgen. Wisse der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Einstellung, dass eine Lohnzahlung
durch den Arbeitgeber wegen des laufenden Insolvenzeröffnungsverfahrens nicht erfolgen werde, bestehe wegen Verstoßes gegen
§
611 BGB kein Anspruch auf InsG. Es werde davon ausgegangen, dass bereits bei der Einstellung der vorliegend betroffenen Arbeitnehmer
vereinbart worden sei, dass die Entgeltansprüche entweder durch eine Insolvenzgeldzahlung oder eine Zahlung aus der Masse
abgesichert seien. Die Beklagte berief sich auf ein Urteil des BSG.
Das SG hat M., G. und S. schriftlich als Zeugen gehört, die sich am 21.03.2005 und 22.06.2006 (M.), 01.04.2005 und 23.06. 2006 (G.)
sowie 18.01.2006 und 23.05.2006 (S) jeweils unter Vorlage der mit der V. geschlossenen Arbeitsverträge und weiterer Unterlagen
äußerten. Hierzu wird auf die Blätter 20 bis 48, 52 bis 61, 68, 70 bis 72 und 72b der SG-Akte verwiesen.
Mit Urteil vom 28.06.2006 verurteilte das SG die Beklagte, M., G. und S. InsG zu gewähren und das InsG in Höhe von insgesamt 2820,70 EUR an den Kläger auszubezahlen.
Es hat zur Begründung ausgeführt, die betroffenen Arbeitnehmer hätten bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.05.2004
noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt für den Monat April 2004 in Höhe von zusammen 2820,70 EUR gehabt. Die geschlossenen Arbeitsverträge
seien wirksam zustande gekommen. Das vom Beklagten in Anspruch genommene Urteil des BSG sei vorliegend nicht übertragbar.
Die aus den Arbeitsverträgen erworbenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die nicht Masseverbindlichkeiten seien, seien mit dem
am 01.05.2004 eingetretenen Insolvenzereignis zu Ansprüchen auf InsG gem. §
183 Abs.
1 Satz 1
SGB III geworden. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei unerheblich, ob bzw. wann die betroffenen Arbeitnehmer Kenntnis von der
Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder von der Bestellung des Klägers als vorläufiger Insolvenzverwalter
gehabt hätten. Aufgrund der wirksam mit der V. geschlossenen Arbeitsverträge hätten sie gegen die V. bis zum Eintritt des
Insolvenzereignisses am 01.05.2004 Arbeitsentgeltansprüche erworben, die sie nach Eintritt des Insolvenzereignisses als Ansprüche
auf InsG wirksam an den Kläger abgetreten hätten.
Gegen das der Beklagten am 04.08.2006 zugestellte Urteil hat sie am 15.08.2006 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung
ausgeführt, §
183 Abs.
2 SGB III stehe einem Anspruch auf InsG entgegen. Der Sinn und Zweck der Regelung des §
183 Abs.
2 SGB III spreche für eine ausfüllungsbedürftige Lücke im Gesetz, weshalb eine analoge Anwendung des §
183 Abs.
2 SGB III geboten sei. Aufgrund des am 15.03.2004 eingeleiteten Insolvenzeröffnungsverfahrens sei dokumentiert worden, dass ein Insolvenzereignis
im Sinne des §
183 Abs.
1 SGB III eintreten werde und dass die Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin gegeben gewesen sei. Den Arbeitnehmern sei die Zahlungsunfähigkeit
auch bekannt gewesen. Mithin könnten sie sich nicht darauf berufen, in Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin
ihre Arbeit aufgenommen zu haben. Schließlich hätten sie durch ihre Arbeitsaufnahme billigend in Kauf genommen, dass der Arbeitgeberin
den aus dem Arbeitsvertrag nach §
611 BGB geschuldeten Arbeitsentgeltanspruch nicht erfüllen könne. Insoweit könne ein Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer, welches Grundlage
für die Einführung der Regelung des §
183 Abs.
2 SGB III gewesen sei, nicht erblickt werden. Vielmehr sei aufgrund ihrer Kenntnis über die Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin ein
Anspruch auf InsG in Anlehnung an die Regelung des §
183 Abs.
2 SGB III zu verneinen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger hat sich dem erstinstanzlichen Urteil angeschlossen und ergänzend ausgeführt, der Gesetzeswortlaut des §§
183 SGB III spreche ausdrücklich gegen die Auslegung der Beklagten. Eine Gesetzeslücke liege nicht vor. Es bestehe auch keine Legitimation
für einen Analogieschluss, da das InsG neben dem Schutz der Arbeitnehmer auch die Sanierung insolventer Unternehmen bezwecke.
Eine Auslegung könne daher nur dahin gehen, dass alle betriebsdienlich Beschäftigten vom InsG umfasst werden müssten, unabhängig
davon, ob es sich um eine Beschäftigung auf Grund bestehender Arbeitsverhältnisse oder auf Grund nach der Insolvenzantragstellung
zu Stande gekommener Arbeitsverhältnisse handele. Die Beklagte könne nicht bestreiten, dass die vorgenommenen Neueinstellungen
betriebsdienlich gewesen seien. Ein Missbrauchsfall werde von der Beklagten nicht behauptet und liege auch nicht vor.
Der Senat hat M., G. und S ergänzend schriftlich als Zeugen dazu angehört. Hierzu haben sich die Zeugen am 14.02.2007 (S),
22.02.2007 (G) und 17.04. 2007 (M) geäußert. Auf die Blätter 20, 23 und 24 der Senatsakte wird verwiesen.
Der Kläger hat auf Nachfragen des Berichterstatters weiter vorgetragen, es müsse konzediert werden, dass das Schreiben an
G. missverständlich, wie auch die Auszahlung an die betroffenen Arbeitnehmer nicht mit der nötigen Differenzierung vorgenommen
worden sei. Die Bezeichnung der Zahlung als "Lohn" sei unrichtig. Materiellrechtlich seien weder Löhne bezahlt noch Masseverbindlichkeiten
befriedigt worden. Bei den Zahlungen an die betroffenen Arbeitnehmer handele es sich um Kaufpreise für die Abtretung der Insolvenzgeldforderungen.
Es würde keinen Sinn machen, durch eine Lohnzahlung den Insolvenzgeldanspruch auszuhöhlen, wenn die Abtretung dazu dienen
solle, dem Insolvenzverwalter die Geltendmachung der Insolvenzgeldansprüche gegen die AA zu ermöglichen. Schließlich wäre,
wenn die Auffassung vertreten würde, die AA habe zu Unrecht die Insolvenzgeldzahlungen verweigert, an Schadensersatzansprüche
bzw. Aufwendungsersatzansprüche gegen die AA zu denken. Denn infolge der rechtswidrigen Weigerung der AA sei er gezwungen
gewesen, andere Zahlungswege für neue eingestellte Arbeitnehmer zu suchen, um diese nicht schutzlos zu stellen bzw. in einem
Prozess durch mehrere Instanzen gegen die AA zu treiben. Der Kaufpreis sei von dem für Insolvenzzwecke auf den Namen des vorläufigen
Insolvenzverwalters eingerichteten Treuhandkonto bezahlt worden. Über dieses Konto seien Geschäfte abgewickelt worden, welche
dem Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung zuzurechnen gewesen sei. Das Konto sei durch den Einzug von Kundenforderungen
gespeist worden. Das Konto habe unmittelbar vor der Insolvenzeröffnung einen Habenstand von 368.364,93 EUR aufgewiesen. Es
sei im Zuge der Insolvenzeröffnung auf einen Kanzleikollegen als Treuhänder übertragen worden. Die Kaufpreiszahlungen an die
Arbeitnehmer seien durch diesen in seiner Funktion als Treuhänder erfolgt. Die im Jahr 2004 praktizierte Treuhandlösung sei
angewendet worden, um vor der Insolvenzeröffnung den Spagat zwischen dem Verbot der Befriedigung von Insolvenzforderungen
einerseits und der Notwendigkeit der Einhaltung von Zahlungsversprechen andererseits zu vollziehen. Die Treuhandlösung habe
vorgesehen, dass die während der vorläufigen Insolvenzverwaltung erzielten Barüberschüsse auf einen Treuhänder übertragen
würden mit der Maßgabe, zunächst alle unechten Masseverbindlichkeiten vorab vollständig zu befriedigen und erst dann den verbleibenden
Überschuss dem Insolvenzverwalter in die Insolvenzmasse zu überstellen. Da es sich nicht um Arbeitsentgelt gehandelt habe,
komme es nicht darauf an, aus welchen Mitteln der Kaufpreis finanziert worden sei. Vorliegend habe der Treuhänder das Versprechen
des vorläufigen Insolvenzverwalters (Kläger) gegenüber den Arbeitnehmern eingelöst, wonach die Insolvenzgeldansprüche der
Arbeitnehmer gegen Zahlung eines Kaufpreises in gleicher Höhe angekauft werden würden, um die Arbeitnehmer nicht der Willkür
der AA aussetzen zu müssen.
Die Beklagte hat zum ergänzenden Vorbringen des Klägers Stellung genommen.
Der Senat hat die mündliche Verhandlung in der öffentlichen Sitzung am 15.02.2008 mit Beschluss (zur weiteren Klärung des
Sachverhaltes) vertagt.
Der Senat hat M. ergänzend zu ihrer Antragstellung auf InsG schriftlich angehört, die sich unter dem 16.10.2008 hierzu geäußert
hat (Blatt 63 der Senatsakte). Auf Veranlassung des Senats hat außerdem die Beklagte weitere Ermittlungen hinsichtlich eines
Insolvenzgeldantrages des S. angestellt, die erfolglos geblieben sind. Mit Schriftsatz vom 04.02.2009 hat die Beklagte ergänzend
geltend gemacht, durch die Zahlungen des Klägers an G. und M. in Höhe des Nettolohns für April 2004 seien Leistungen an nichtberechtigte
Dritte erbracht worden, die sie als Gläubigerin gem. §
362 Abs.
2 BGB nachträglich genehmige. Damit seien die Arbeitsentgeltansprüche erfüllt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter
Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf InsG aus abgetretenem Recht.
Das angefochtene Urteil des SG war daher aufzuheben.
Rechtsgrundlage für den vom Kläger aus abgetretenem Recht geltend gemachten Anspruch ist §
183 Absatz
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (
SGB III) idF des Art 1 Nr. 54a des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001 (BGBl I S. 3443). Danach haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei 1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3.
vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt
worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden
drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. InsG ist gemäß §
324 Abs.
3 Satz 1
SGB III innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Nach §
185 Absatz
1 SGB III (in der mit Wirkung vom 01.01.2004 geänderten Fassung des Gesetzes vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) wird InsG in Höhe des Nettoarbeitsentgeltes geleistet, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze
begrenzte Bruttoarbeitseinkommen um die gesetzlichen Abzüge gemindert wird.
Diese Voraussetzungen waren hinsichtlich der M., G. und S. erfüllt. Sie waren aufgrund der zwischen ihnen und der V. geschlossenen
Arbeitsverträge vom 30.04.2004 (G.), 02.04.2004 (M.) und 14.04.2004 (S.) im Inland beschäftigt und hatten für den - allein
streitigen - Monat April 2004, der nach dem Eintritt des ersten Insolvenzereignisses durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen der V. am 01.05.2004 (Beschluss des Amtsgerichts Konstanz vom 01.05.2004 - Az.: 40 IN 59/04 -) im Insolvenzgeldzeitraum liegt, noch offene Ansprüche auf Nettoarbeitsentgelt gegen die V. in Höhe von 1160,32 EUR (M.),
765,94 EUR (G.) und 894,44 EUR (S), was aufgrund der vorgelegten Insolvenzgeldbescheinigungen vom 18.05.2004 (für M.), 17.05.2004
(für G.) und 18.05.2004 (für S.) feststeht. Auch wenn diese Bescheinigungen vom Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter
unterschrieben sind, besteht kein Anlass an der Richtigkeit der gemachten Angaben zu zweifeln. Zweifel hat auch die Beklagte
nicht geäußert.
Die Arbeitsverträge sind wirksam zustande gekommen und verstoßen nicht gegen ein Gesetz oder die guten Sitten, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und
verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung seiner eigenen Entscheidung gemäß §
153 Abs.
2 SGG auf die Entscheidungsgründe im Urteil des SG (Seite 7). Dass die Arbeitsverträge im Insolvenzeröffnungsverfahren (vorläufiges Insolvenzverfahren) durch V. abgeschlossen
wurden, verstößt auch nicht gegen bindende Vorschriften der
Insolvenzordnung (
InsO) wie auch nicht gegen den Beschluss des Amtsgerichts Konstanz vom 15.03.2004, mit dem der V. kein allgemeines Verfügungsverbot
gemäß §
22 Abs.
1 InsO auferlegt wurde, so dass der V. die Möglichkeit zum Abschluss der Arbeitsverträge nicht genommen war. Eine Unwirksamkeit
der Arbeitsverträge hat die Beklagte im Übrigen im Berufungsverfahren auch nicht (mehr) ausdrücklich geltend gemacht. Einem
Anspruch auf InsG steht auch nicht entgegen, dass es sich bei diesen Arbeitsverträgen um Leiharbeitsverhältnisse gehandelt
hat (vgl. hierzu Krodel in Niesel,
SGB III, 4. Auflage, §
183 RdNr. 29 f.). Anhaltspunkte für das Vorliegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassungen liegen nicht vor.
Dem Anspruch auf InsG steht auch nicht entgegen, dass die Arbeitsverträge im Insolvenzeröffnungsverfahren (vorläufigen Insolvenzverfahren)
abgeschlossen wurden. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten gehörten die Arbeitnehmer M., G. und S. zum berechtigten
Personenkreis. Voraussetzung für einen InsG-Anspruch ist nach dem klaren Gesetzeswortlaut des §
183 Abs.
2 SGB III nur, dass ein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer im Insolvenzgeldzeitraum liegende Arbeitsentgeltansprüche gegen seinen
Arbeitgeber hat, die nicht erfüllt worden sind und beim Arbeitgeber ein Insolvenzereignis eingetreten ist, worauf das SG im angefochtenen Urteil zutreffend abgestellt hat. Diese Voraussetzungen lagen bei M., G. und S. aber bis zum maßgeblichen
Insolvenzereignis vor, wie bereits oben festgestellt worden ist.
Der Ansicht der Beklagten, eine aus dem Sinn und Zweck der Regelung des §
183 Abs.
2 SGB III gebotene analoge Anwendung dieser Norm stehe einem Anspruch auf InsG entgegen, kann nicht gefolgt werden. Die eine analoge
Anwendung rechtfertigende planwidrige Gesetzeslücke ist dem Regelungszusammenhang der Insolvenzausfallversicherung nicht zu
entnehmen. Nach §
183 Abs.
2 SGB III hat ein Arbeitnehmer, der in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen hat, Anspruch
für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses. Diese Vorschrift geht auf § 141b Abs. 4 AFG zurück. Vor der Einführung des § 141b Abs. 4 AFG durch das 10. AFG-ÄndG vom 18.12.1992 (BGBl I 2044) bot die bis dahin bestehende Gesetzeslage nach der Rechtsprechung des BSG keinen Schutz,
wenn ein Arbeitsverhältnis erst nach dem den Insolvenzgeldanspruch - damals Konkursausfallgeld - begründenden Insolvenzereignis
geschlossen worden ist (vgl. u.a. BSG Urt. v. 19.03.1986, SozR 4100 § 141 b Nr. 37; Urt. v. 18.07.1989, NZA 1990, 118). Zur Korrektur dieser Rechtsprechung wurde mit der Regelung des § 141b Abs. 4 AFG die Bezugsberechtigung dahin erweitert, dass InsG (Konkursausfallgeld) auch an Arbeitnehmer gezahlt wird, die gutgläubig
die Arbeit aufgenommen haben. Ziel dieser Erweiterung der Bezugsberechtigung war, sozialpolitisch nicht vertretbar erscheinende
Härten zu vermeiden (vgl. zum Vorstehenden Peters-Lange in Gagel,
SGB III, §
183 RdNr. 33; Estelmann in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
183 RdNr.
158 f.). Vor diesem Hintergrund trägt §
183 Abs.
2 SGB III dem Schutz der Arbeitnehmeransprüche auf InsG Rechnung. Sinn und Zweck der zur Vermeidung von Härten geregelten Erweiterung
der Bezugsberechtigung durch §
183 Abs.
2 SGB III steht damit einer von der Beklagten vertretenen anspruchseinschränkenden Anwendung bei im Insolvenzeröffnungsverfahren geschlossenen
Arbeitsverhältnissen entgegen. Auch das Vorbringen der Beklagten, die Einstellung von Personal nach Beginn der vorläufigen
Insolvenz könne nicht zu Lasten der Insolvenzversicherung erfolgen, rechtfertigt ihre Ansicht nicht. Allein der Umstand, dass
Personalkosten, die zur Verbesserung der Insolvenzmasse anfallen, auf die Insolvenzgeldausfallversicherung verlagert werden,
steht einem Anspruch auf InsG nicht entgegen (vgl. hierzu auch BSG, Urt. vom 22.03.1995 - 10 RAr 1/94 -, SozR 3-4100 § 141k Nr. 2). Es bedürfte vielmehr einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, die einen Insolvenzgeldanspruch
bei Arbeitsverträgen, die erst im Insolvenzeröffnungsverfahren abgeschlossen werden, ausschließt oder einschränkt, die aber
fehlt. Auch sonst bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Missbrauch durch V. und den Arbeitnehmern, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, dem sich der Senat zur Begründung seiner eigenen Entscheidung ebenfalls
anschließt.
Im Übrigen trifft die Ansicht der Beklagten, durch das am 15.03.2004 eingeleitete Insolvenzeröffnungsverfahren sei die Zahlungsunfähigkeit
der Arbeitgeberin den Arbeitnehmern auch bekannt gewesen sei, hinsichtlich der M. nicht zu. M. hat bei ihrer schriftlichen
Anhörung als Zeugin im Berufungsverfahren mit Schreiben vom 17.04.2007 angegeben, erst durch ein Mitarbeiterrundschreiben
vom 26.04.2004 davon erfahren zu haben, dass bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei.
Gleichwohl sind die geltend gemachten Zahlungsansprüche des Klägers nicht begründet.
Die Ansprüche auf InsG der M. und G. sind durch die getroffenen Abtretungsvereinbarungen vom 17.06.2004 und 22.06.2004 auf
den Kläger durch (dingliche) Abtretung übergegangen. Dies trifft allerdings bei S. nicht zu.
Nach § 189 Satz 1
SGB III kann ein Anspruch auf InsG wie Arbeitseinkommen gepfändet, verpfändet oder übertragen werden, nachdem das InsG beantragt
worden ist. Eine isolierte Abtretung des Insolvenzgeldanspruches (ohne Übertragung des Anspruches auf Arbeitsentgelt), wie
dies vorliegend erfolgt ist, lässt § 189 Satz 1
SGB III nur für die Zeit nach der Antragstellung auf InsG zu, was hier zur Wirksamkeit der Übertragung der Ansprüche von M. und G.
führt. M. hat am 26.05.2004 durch ihren bevollmächtigten (vertretungsbefugten) Ehemann, wie sie dem Senat auf Nachfrage am
16.10.2008 schriftlich mitgeteilt hat, und damit vor der am 22.06.2004 erfolgten isolierten Übertragung ihres Anspruches auf
InsG, innerhalb der Frist des §
324 Abs.
3 SGB III einen Antrag auf InsG bei der Beklagten wirksam gestellt. Dies trifft auch für G. zu, die bei der Beklagten am 03.06.2004
vor der isolierten Übertragung ihres Anspruches auf InsG durch die Abtretungsvereinbarung vom 17.06.2004 innerhalb der Frist
des §
324 Abs.
3 SGB III wirksam einen Antrag auf InsG gestellt hat. § 189 Satz 1
SGB III beinhaltet jedoch für die isolierte Abtretung des InsG-Anspruches vor Stellung des InsG-Antrages ein gesetzliches Verbot
i.S.d. §
134 BGB (vgl. Krodel in Niesel,
SGB III, 4. Auflage, § 189 RdNr. 3; Estelmann in Eichert/Schlegel,
SGB III, § 189 RdNr. 20). Eine vor der Antragstellung auf InsG erfolgte isolierte Übertragung ist unwirksam. Dies trifft hinsichtlich der
Abtretung des Anspruches auf InsG durch S. zu. Er hat keinen Antrag auf InsG gestellt, so dass jedenfalls das gesetzliche
Verbot des § 189 Satz 1
SGB III greift. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob ein Anspruch des S. auf InsG mangels Antragstellung ausscheidet oder ob die
am 29.06.2004 erfolgte Antragstellung durch den Kläger dem Antragserfordernis des §
324 Abs.
3 SGB III genügt. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat behauptete ausdrückliche Übertragung des Rechts auf Antragstellung
durch S. - was rechtlich entbehrlich ist, da der Anspruchsinhaber auch das Antragsrecht innehat - ändert nichts an der Beurteilung
der fehlenden Wirksamkeit der isolierten Abtretung des InsG-Anspruchs. Hinsichtlich des geltend gemachten, von S. abgeleiteten
Anspruchs erweist sich die Berufung der Beklagten daher als begründet, da der Kläger bereits den Anspruch des S. nicht erworben
hat.
Der aus abgetretenen Rechten von G. und M. hergeleitete Zahlungsanspruch ist dagegen nicht entstanden, weil der Versicherungsfall
eines InsG-Anspruches dieser Arbeitnehmerinnen nicht eingetreten ist. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Vorschrift des
§
183 Abs.
1 SGB III ist, dass der im geschützten Zeitraum geschuldete Arbeitslohn tatsächlich ausgefallen ist (h. M., vgl. u. a. Schmidt in Mutschler/Bartz/Schmidt-De
Caluwe,
SGB III, Großkommentar, 3. Aufl., §
183 Rdnr. 2 und 4; Niesel,
SGB III, 4. Aufl., §
183 Rdnr. 107). Der Arbeitsentgeltanspruch darf deshalb auch nicht erloschen, verjährt oder verwirkt sein. Das Erlöschen des
Anspruchs durch Erfüllung kann auch noch nach dem maßgeblichen Insolvenzzeitpunkt und nach Stellung des InsG-Antrags eintreten
(vgl. Schmidt aaO., § 183 Rdnr. 74). Die für den Monat April 2004 offenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt der G. und M. sind
durch Erfüllung erloschen. Der Kläger teilte als Insolvenzverwalter in Schreiben an M., G., und S. mit, dass ihre Entlohnung
für den April 2004 wegen der Weigerung der Beklagten, InsG zu bezahlen, aus der Insolvenzmasse bezahlt werden müsse, und dass
sie im Gegenzug einer Abtretung ihrer Forderungen gegen die Beklagte auf Zahlung von InsG den "Nettolohn" erhielten, was der
Kläger auch eingeräumt hat. Auf dieser Grundlage erfolgten die Abtretungen der Insolvenzgeldansprüche durch M. und G. an den
Kläger und der Kläger leistete Zahlungen in Höhe des Nettolohns an die Arbeitnehmerinnen.
Nach § 187 Satz 1
SGB III waren die Ansprüche auf Arbeitsentgelt aber mit den InsG-Anträgen von M. und G. auf die Beklagte übergegangen, denn der Anspruchsübergang
tritt selbst bei unbegründeten InsG-Anträgen aus Gründen der Rechtsklarheit ein (vgl. Schmidt, aaO. § 187 Rdnr. 5 mit Hinweis
auf BSG SozR 4100 § 141b Nr. 11). Stellt sich dagegen heraus, dass ein Anspruch auf InsG nicht begründet ist, wird der Arbeitnehmer
mit bindender Ablehnung des Leistungsantrags auf InsG wieder Forderungsinhaber, insoweit ist die bestandskräftige Ablehnungsentscheidung
auflösende Bedingung für den gesetzlichen Forderungsübergang (BSG aaO.). Die Beklagte hat die InsG-Anträge von G. und M. nicht
förmlich durch einen Ablehnungsbescheid beschieden, so dass der gesetzliche Forderungsübergang der Entgeltansprüche auf die
Beklagte nach § 187 Satz 1
SGB III ununterbrochen fortwirkte und die Beklagte zum Zeitpunkt der Auszahlung des "Nettolohns" durch den Insolvenzverwalter immer
noch Gläubigerin war. Die Auszahlung von Nettolohn an die Arbeitnehmerinnen M. und G. durch den Insolvenzverwalter erfolgte
daher an den nichtberechtigten Altgläubiger. Da der Kläger zum Zeitpunkt der Zahlung nach seiner Erklärung in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat davon ausgegangen ist, dass InsG-Anträge der Arbeitnehmer gestellt worden waren, waren ihm die Umstände
des gesetzlichen Forderungsübergangs bekannt und eine befreiende Leistung war insoweit ausgeschlossen (§
407 Abs.
1 BGB). Dem hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 04.02.2009 Rechnung getragen und die Leistung zum Zwecke der Erfüllung an den
nichtberechtigten Dritten nachträglich genehmigt (§§
362 Abs.
2,
185 BGB). Mit der Genehmigung des Neugläubigers hat die zum Zwecke der Erfüllung an den Altgläubiger bewirkte Leistung die Forderung
zum Erlöschen gebracht.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist aus den Umständen nicht zu schließen, dass die von ihm an die Arbeitnehmerinnen M.
und G. geleisteten Zahlungen nicht den Arbeitslohn, sondern eine Kaufpreiszahlung für die übertragene Forderung betreffen
sollten. Nach §
362 BGB erlischt eine Schuld, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Erfüllung tritt nach der von der herrschenden
Meinung vertretenen Theorie der realen Leistungsbewirkung als objektive Tatbestandsfolge der Leistung ein. Subjektive Merkmale
gehören nicht zum Tatbestand der Erfüllung (vgl. Palandt,
BGB, 68 Auflage, §
362 RdNr. 1 m.w.N.; Stürner in Jauernig,
BGB, 12. Aufl., §
362 Rdnr. 2 m.w.N.). Danach ist für die Erfüllungswirkung einer Leistung weder ein übereinstimmender Wille zwischen Gläubiger
und Schuldner bzw. eine Einigung noch eine ausdrückliche Zweckbestimmung des Schuldners erforderlich. Andererseits ist aber
durch eine Tilgungsbestimmung des Schuldners bei mehreren in Betracht kommenden Forderungen die Festlegung möglich, auf welche
Forderung zum Zwecke der Erfüllung geleistet wird (vgl. Palandt aaO.; Stürner aaO.). Es ist deshalb auch nicht relevant, ob
G., M. und S. die erfolgte Zahlung als Leistung von Arbeitsentgelt verstanden haben. Maßgeblich ist vielmehr allein der Inhalt
der Mitteilung des Klägers an M., G. und S. gegen die Übertragung des InsG-Anspruches Nettolohn auszuzahlen. Damit ist auf
die Forderung "Arbeitsentgelt" bezahlt worden. Für die Behauptung des Klägers im Berufungsverfahren, dass die Zahlungen tatsächlich
Kaufpreise für die Abtretungen der Insolvenzgeldforderungen gewesen und nicht zur Erfüllung der rückständigen Arbeitsentgelte
erfolgt seien, könnte möglicherweise die Interessenlage sprechen, zur Erhaltung des Insolvenzgeldanspruches kein Arbeitsentgelt
zu zahlen. Andererseits ist im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut der Schreiben, wonach Nettolohn ausgezahlt werden soll,
und nach dem vorgerichtlichen Vorbringen (vgl. Gesprächsnotiz vom 15.06.2004, Bl. 9 der Verwaltungsakte, und Widerspruchbegründung
vom 06.07.2004) zu schließen, dass die Konsequenz des Erlöschens des Anspruchs auf Arbeitsentgelt auf den zum Zeitpunkt des
Eintritts des Insolvenzereignisses bereits entstandenen InsG-Anspruch, wie der Kläger nach den obigen Ausführungen hat zutreffend
annehmen dürfen, nicht überschaut worden ist und tatsächlich "Lohn" gemeint war.
Im Übrigen wäre die Berufung der Beklagten auch begründet, wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausginge, es sei tatsächlich
auf eine Kaufpreisschuld gezahlt worden.
Die Finanzierung des Insolvenzgeldanspruchs durch den Insolvenzverwalter aus dem Vermögen des Gemeinschuldners widerspricht
dem Rechtsgedanken in § 188 Abs. 4
SGB III, wenn der Insolvenzverwalter wie ein Dritter den Insolvenzgeldanspruch vom Arbeitnehmer erwirbt, obgleich die gesetzliche
Möglichkeit vorhanden gewesen wäre, den Arbeitsentgeltanspruch direkt zu befriedigen. Nach § 188 Abs. 4
SGB III hat der neue Gläubiger keinen Anspruch auf InsG, wenn ihm vor dem Insolvenzereignis ohne Zustimmung der Agentur für Arbeit
zur Vorfinanzierung Arbeitsentgelt übertragen worden ist. Die Agentur für Arbeit darf der Übertragung nur zustimmen, wenn
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch die Vorfinanzierung der Arbeitsentgelte ein erheblicher Teil der Arbeitsplätze
erhalten bleibt. Diese Regelung ersetzte die Vorgängerregelung in § 141 k Abs. 2a AFG (vgl. Schmidt aaO. § 188 RdNr. 26ff), wonach der Anspruch auf Konkursausfallgeld ausgeschlossen war, wenn der neue Gläubiger des zum Zwecke der Vorfinanzierung
übertragenen Arbeitsentgeltanspruchs am Unternehmen des Arbeitgebers beteiligt bzw. bereits Gläubiger des Arbeitgebers war.
Hierauf gestützt wurde eine Konkursausfallgeld-Vorfinanzierung im Sequestrationsverfahren von der Rechtsprechung dann nicht
gebilligt, wenn sie einzelnen Gläubigern oder dem Arbeitgeber bzw. an dessen Unternehmen Beteiligen einseitige Sondervorteile
verschafften (vgl. Urteil des BSG vom 22.03.1995 aaO.), weil dies als Umgehungsgeschäft zu werten war.
Bei wertender Betrachtung stellen die erfolgten Abtretungen der Ansprüche von M. und G. nach diesen Rechtsgrundsätzen ein
Umgehungsgeschäft zum Vorteil des Arbeitgebers/Gemeinschuldners V. und zu Lasten der Beklagten dar. Ein solches Umgehungsgeschäft
ist anzunehmen, wenn die Ansprüche der M. und G. auf Arbeitsentgelt rechtswirksam durch den Insolvenzverwalter in Form einer
Finanzierung durch Forderungskauf realisiert werden, was durch den gleichen Mittelaufwand auch mit der Erfüllung hätte erfolgen
können. Einer damit vergleichbaren Vorfinanzierung im Insolvenzeröffnungsverfahren (durch Abtretung der Arbeitsentgeltansprüche)
durch Dritte hätte die Beklagte die Zustimmung verweigern können, denn wenn die Erfüllung der Arbeitsentgeltansprüche rechtlich
und tatsächlich - wie hier bei ausreichender Masse (zur Insolvenzeröffnung betrug das Treuhandbarvermögen 368.364,93 EUR gegenüber
den streitgegenständlichen Lohnforderungen in Höhe von 2820,70 EUR) - dem Insolvenzverwalter, der gerade nicht Dritter ist,
möglich war, ist eine arbeitsplatzerhaltende Vorfinanzierung nicht zu rechtfertigen. Die vom Kläger als Insolvenzverwalter
nach Insolvenzeröffnung getätigte Finanzierung des InsG-Anspruchs, dem eine Vorfinanzierung vor Insolvenzeröffnung über ihn
als Insolvenzverwalter durch Übertragung des Arbeitslohns nach § 188 Abs. 4
SGB III verschlossen gewesen wäre, erweist sich damit als Umgehung des Regelungszweckes.
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war die Vorgehensweise des Klägers als vorläufiger Insolvenzverwalter
von vornherein darauf ausgerichtet, die im Insolvenzeröffnungsverfahren eingestellten Arbeitnehmerinnen hinsichtlich des für
April 2004 begründeten Arbeitslohns auf den Insolvenzgeldanspruch zu verweisen. Die enttäuschte Erwartung des Klägers wegen
der erkennbar gewordenen - unrichtigen - Rechtsauffassung der Beklagten, die Arbeitnehmerinnen M. und G. gehörten nicht zum
geschützten Personenkreis, gehört zu dem vom Kläger kalkulierten Risiko, das nur mit Befriedigung des Lohnanspruchs, wie den
Arbeitnehmern auch zugesagt worden war, hätte ausgeräumt werden können.
Zwar war durch das Insolvenzgericht kein allgemeines Verfügungsverbot über den Gemeinschuldner V. ausgesprochen, weshalb die
mit Billigung des vorläufigen Insolvenzverwalters begründeten Verbindlichkeiten keine bevorrechtigten Masseverbindlichkeiten
gem. §
55 Abs.
2 InsO waren, deren Befriedigung aus der Insolvenzmasse möglich war. §
55 Abs.
2 Satz 2
InsO ist auf die im Eröffnungsverfahren mit einem nach §
22 Abs.
2 InsO bestellten (schwachen) vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Dauerschuldverhältnisse nicht anwendbar (BGH Urt. v. 18.07.2002
- IX ZR 195/01 -, BGHZ 151, 353). Ergibt sich die Notwendigkeit für die beabsichtigte Betriebsfortführung trotz Insolvenzantrages neue oder weitere Verbindlichkeiten
eingehen zu müssen, die aber nur zu Stande kommen, wenn für den Vertragspartner die Gegenleistung, hier Arbeitslohn, gesichert
ist, kann der schwache Insolvenzverwalter sich vom Insolvenzgericht entsprechende Einzelermächtigungen erteilen lassen, diese
Verpflichtungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse eingehen zu können (BGH aaO.; h. M. vgl. Haarmeyer in Münchener Kommentar
InsO, 2. Aufl. 2007, §
22 Rdnr. 70; Bäuerle in Braun,
InsO, 3. Auflage, §
55 RdNr. 58 ff, jeweils m.H.). Von der Möglichkeit, durch Einzelermächtigung des Insolvenzgerichts Masseverbindlichkeiten begründen
zu können, hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Ob das von ihm praktizierte und dem Senat im Schriftsatz vom 17.07.2007
dargelegte "doppelte Treuhandmodell" vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung mit den Regelungen der
Insolvenzordnung vereinbar ist, lässt der Senat dahinstehen. Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens ergeben sich einerseits daraus,
dass die vom Kläger zur Begründung der Zulässigkeit des Doppeltreuhand-Modells angeführte Belegstelle (Uhlenbruck,
InsO, 12. Aufl. 2002, § 22 Rdnr. 194) sich ausschließlich auf Rechtsprechung zur Sequestration nach der außer Kraft getretenen Konkursordnung bezieht und sich mit der Rechtsprechung des BGH im Urteil vom 18.07.2002 nicht auseinander setzt. Andererseits wird z. T.
auch die Auffassung vertreten, dass die (Doppel)Treuhand-Lösung nach der Entscheidung vom 18.07.2002 nicht mehr anzuwenden
ist (so wohl Bäuerle aaO.§ 55 RdNr. 58 ff) bzw. die in der Praxis in unterschiedlichsten Ausgestaltungen vorgenommene Doppel-Treuhand
- bei vielfältig umstrittenen Modalitäten - nur nach richterlicher Genehmigung für die Zwecke der Prüfung und Vermeidung der
Masseunzulänglichkeit zur Verfügung steht (vgl. Haarmeyer in Münchener Kommentar
InsO, 2. Aufl. 2007, §
22 Rdnr. 71 m.w.H.). Nach eigenem Vorbringen wäre der Kläger jedoch im konkreten Fall nicht gehindert gewesen, die von ihm so
genannten "unechten Masseverbindlichkeiten" gegenüber M. und G. ebenso wie die anderen im Rahmen des nach der
InsO nicht anfechtbaren Bargeschäftes (§
142 InsO) zu befriedigen. Gerade hierfür war das Treuhandmodell von ihm gewählt worden. Hat der vorläufige Insolvenzverwalter eine
"unechte Masseverbindlichkeit" mit Wirkung vor der Insolvenzeröffnung nicht erfüllt, sodass die Forderung zur Insolvenzforderung
geworden ist, ist die nach Insolvenzeröffnung vorgenommene Vorabfinanzierung des InsG-Anspruchs durch den Insolvenzverwalter,
so wie ein Dritter sie vorgenommen hätte, wirtschaftlich die nachträgliche Erfüllung des Arbeitsentgeltanspruchs, die ihm
aber schon im vorläufigen Insolvenzverfahren offen gestanden hätte.
Hinweise darauf, dass eine bevorzugte Erfüllung der Arbeitslohnansprüche von M. und G. in Insolvenzeröffnungsverfahren als
anfechtbare Rechtshandlungen i. S. v. §
184 Abs.
1 Nr.
2 SGB III gegolten hätten, liegen nicht vor. Abgesehen davon, dass der Kläger sich für seine Verfahrensweise nicht darauf berufen hat,
eine anfechtbare Rechtshandlung habe vermeiden zu wollen, wäre die im Lohnabrechnungszeitraum für April erfolgte Bezahlung,
ggf. auch noch mit einer zeitlichen Verzögerung von 30 Tagen (vgl. Peters-Lange, info also 2008, 255), bei kongruenter Deckung von unmittelbar ausgetauschter Leistung und Gegenleistung ein nicht anfechtbares Bargeschäft nach
§
142 InsO gewesen. Die bei Bargeschäften allein noch in Betracht kommende Vorsatzanfechtung nach §
133 InsO setzt einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz beim Arbeitgeber und Kenntnis hiervon beim Forderungsgläubiger, dem Arbeitnehmer,
voraus. Neben dem hier fraglichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz - mit der Sicherung der einstweiligen Betriebsfortführung
wird als mittelbarer Vorteil erreicht, die Masse durch die Einziehung der Forderung von den Kunden aus den abgewickelten Geschäften
zu erhöhen - ist die Anfechtung jedenfalls dann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn, wie hier,
der vorläufige Insolvenzverwalter Verträgen des Gemeinschuldners zugestimmt hat und im Zusammenhang damit Zusagen für die
damit entstehenden Verbindlichkeiten erteilt worden sind (vgl. Peters-Lange, aaO. mit weiteren Hinweisen). Die dem Kläger
daher mögliche Verfahrensweise der Erfüllung wäre danach auch nicht im Sinne von §
184 Abs.
1 SGB III für den InsG-Anspruch schädlich gewesen.
§
197a Abs.
1 SGG in der seit 2. Januar 2002 gültigen Fassung, wonach für das Berufungsverfahren und auch für das Klageverfahren Kosten nach
den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) zu erheben sind, ist auf den vorliegenden Rechtsstreit anzuwenden. Denn weder der Kläger noch die Beklagte führen den Rechtsstreit
als Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger
nach §
56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (
SGB I). Der Kläger ist kein Leistungsempfänger im Sinne dieser Regelung. Er macht eine Leistung aus abgetretenem Recht geltend,
die ihm nicht auf Grund gesetzlich eingeräumter Rechtsinhaberschaft als Sozialleistung zusteht. Nach Abtretung eines Anspruchs
auf Arbeitsentgelt wird zwar der Zessionar gemäß § 188
SGB III unmittelbar kraft Gesetzes Rechtsinhaber der Sozialleistung InsG, dagegen wird bei der nur rechtsgeschäftlich erfolgten isolierten
Übertragung des InsG-Anspruches die kostenprivilegierende Rechtsinhaberschaft auf Sozialleistung nicht erworben (h. M., vgl.
Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG Kommentar, 9. Aufl., §
183 Rdnr. 6a m. w. N.).
Das Sozialgericht hat übersehen, dass auch für das erstinstanzliche Verfahren Kosten nach den Vorschriften des GKG zu erheben sind. Es hat nur nach §
193 SGG über die außergerichtlichen Kosten, nicht aber über die Gerichtskosten entschieden. Da die Monatsfrist des §
140 SGG abgelaufen ist, kann das Urteil des Sozialgerichts nicht ergänzt werden. Die unterbliebene Entscheidung über die Gerichtskosten
erster Instanz kann durch den Senat nachgeholt werden (vgl. BSG SozR 3 1500 § 140 Nr. 2).
Der Senat hat die Revision zugelassen.