Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Atemwegserkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4301
und/oder 4302 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung (
BKV) bzw. als Wie-BK nach §
9 Abs.
2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII).
Der 1950 geborene Kläger nahm nach dem Abitur im Jahr 1970 das Studium an der Universität H. auf, wo er zunächst Psychologie
studierte, anschließend ab 1977 Medizin, von 1979-1986 Soziologie, von 1991-2000 Rechtswissenschaften und seit dem Jahr 2001
Zahnmedizin.
Mit Schreiben vom 17.01.2002 zeigte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Badischen Unfallkasse, das Vorliegen
einer BK an und gab dazu an, er habe sich im Labor der Universitätszahnklinik H. im Sommersemester eine Allergie gegen Zigarettenrauch
sowie nicht ordnungsgemäß gelagerte Werkstoffe (Gips u.a.) zugezogen. Diese Allergie sei chronifiziert, weswegen er ohne Medikamente
nicht mehr zurechtkomme und internistisch und otorhinolaryngologisch behandelt werden müsse.
Im Rahmen eines Termins beim Beratungsarzt der Beklagten, Dr. T. (Lungenarzt und Internist), gab der Kläger am 04.02.2002
an, im April und Mai 2001 sowie zwei Wochen im Juli 2001 drei bis vier Stunden täglich im Gipsraum der Zahnklinik der Universität
H. Gipsstaub und Zigarettenrauch ausgesetzt gewesen zu sein. Im Gipsraum hätten sich etwa 100 Studenten befunden. Eine Absauganlage
habe es nicht gegeben, auch keinen Mundschutz, allenfalls natürliche Belüftung. Beschwerdeauslöser seien Gipsstaub und Zigarettenrauch.
Zu früheren Atemwegserkrankungen gab der Kläger an, er leide seit 1986 an einer chronischen Sinusitis mit behinderter Nasenatmung
und Beeinträchtigung von Geruch und Geschmack. Die jetzige Symptomatik habe im April/Mai 2001 mit massiv behinderter Nasenatmung
und subjektiver Atemnot begonnen und sich in den Semesterferien 2001 gebessert. Dr. T. stellte eine leichtgradige Behinderung
der Nasenatmung und einen Normalbefund der Nasennebenhöhlen und des Rachenraums fest. Ein durchgeführter Allergietest ergab
intrakutan eine mäßiggradige Sensibilisierung auf die Hausstaubmilbe, Milcheiweiße und Mehle, ohne Nachweis spezifischer IgE-Antikörper
dagegen. Ein nasaler Provokationstest mit physiologischer Kochsalzlösung ergab keine Reaktion. Mit Staub von inertem Talkumpuder
wurde subjektiv Juckreiz und Zugehen der Nase ausgelöst sowie ein Anstieg des Strömungswiderstands der Nase innerhalb des
noch normalen Bereichs. Dr. T. diagnostizierte eine unspezifische Reizbarkeit der Nasenschleimhaut und schloss eine obstruktive
Lungenfunktionsstörung aus. Er schlug aber eine Überprüfung der Exposition im Gipsraum vor.
Die Beklagte leitete daraufhin ein Feststellungsverfahren ein. Im BK-Fragebogen gab der Kläger unter dem 14.03.2002 an, er
leide seit Ende April/Anfang Mai 2001 an Brennen in der Nase, Trockenheit und Nasenlaufen. Er habe zwischen 1970 und 1977
täglich 15 Zigaretten geraucht und von 1984 bis 1994 ca. 5-10 Zigaretten täglich. Atemwegserkrankungen seien früher im üblichen
Rahmen (Infekte/Schnupfen) aufgetreten, stärker ausgeprägt 1996/97. Er sei im Wintersemester 2001/02 und im Sommersemester
2002 wegen Krankheit beurlaubt gewesen.
Die Beklagte zog Unterlagen über frühere Erkrankungen des Klägers bei, darunter eine Bescheinigung des Dr. S. (Facharzt für
Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, K.) vom 04.01.2002, der unter Bezugnahme auf ein beigefügtes Attest von Dr. W. (Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde,
H.) vom 06.08.1985 ausführte, der Kläger leide seit 1985 unter einer chronischen Sinusitis maxillaris mit Zyste in der Kieferhöhle.
Seit 1985 finde regelmäßig eine Dauerbehandlung wegen Kieferhöhlenbeschwerden statt, seit 1998 bei ihm. In einer weiteren
(undatierten) Bescheinigung gab Dr. S. an, die letzten Behandlungen wegen Sinusitis maxillaris seien am 11.06.2001 sowie im
Dezember 2001 erfolgt. Es seien Therapien mit topischen Kortikoiden und Mukolytika durchgeführt worden. Im Rahmen der Sinusitis
hätten auch Störungen der Geruchs- und Geschmackswahrnehmung bestanden.
Die Beklagte befragte weitere behandelnde Ärzte des Klägers. Der Arzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. H. teilte mit Schreiben
vom 23.04.2002 mit, der Kläger habe sich am 05.06.2001 bei ihm vorgestellt wegen Schmerzen im Bereich des linken Nasenlumens.
Die Endoskopie habe ein kleines Furunkel im Nasenvorhof links mit leichter Rötung des linken Nasenflügels ergeben. Die übrigen
HNO-Spiegelbefunde seien ohne wesentliche Besonderheiten gewesen. Der Arzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. P. teilte mit
Schreiben vom 22.04.2002 mit, er habe den Kläger am 10.05.2000 im Zusammenhang mit Nebenhöhlenbeschwerden untersucht. Er habe
damals vom klinischen Befund her eine chronische Sinusitis ausschließen können. Der Kläger habe sich im Zusammenhang mit der
jetzigen Erkrankung am 13.03.2002 wieder vorgestellt und angegeben, schon früher Nebenhöhlenbeschwerden gehabt zu haben. Diese
seien aber vorübergehender Natur gewesen und hätten im letzten Jahr deutlich zugenommen. Er habe die Diagnose Polyposis nasi
gestellt. Zur Abgrenzung einer früheren Nebenhöhlenerkrankung und einer BK halte er eine allergologische Begutachtung für
erforderlich. Unter dem 04.04.2002 stellten Dr. Z. und E. (Ärzte für Radiologie) aufgrund einer CT-Untersuchung der Nasennebenhöhlen
coronar polypoiode, teils auch entzündliche Sinusitis maxillaris links mehr als rechts, ethmoidalis bds. und diskrete des
Sinus sphenoidales fest, außerdem eine Polyposis nasi und eine Nasenseptumdeviation nach rechts.
Die von der Beklagten mit der Prüfung, ob der Kläger an seinem Arbeitsplatz schädigenden Einflüssen ausgesetzt war, beauftragte
Präventions-Abteilung führte am 30.08.2002 einen Ortstermin in der Kopfklinik der Universität H. durch und führte im Bericht
vom 03.09.2002 hierzu aus, im Kurs der zahnärztlichen Propädeutik, an welchem der Kläger im genannten Zeitraum teilgenommen
habe, seien folgende Übungen durchgeführt worden: Situationsmodelle mit Abformungen und Ausgüssen, Fluoridierungsschienen,
Gussübungen sowie eine Klammerbiegeübung und eine Prophylaxeübung. Im Rahmen der Übungen habe der Kläger im Wesentlichen Umgang
mit dem pulverförmigen Alginat und Gips gehabt. Diese Stoffe stellten keine Gefahrstoffe dar. Es habe hier eine kurzzeitige,
wenige Sekunden dauernde Staubexposition bestanden, die kaum bis in den Atembereich des Betroffenen gereicht habe. Die Labors
seien mit Sicherheitseinrichtungen (Absauganlagen) nach dem Stand der Technik ausgestattet. Wenn Expositionen aus Tätigkeiten
oder Nachbararbeitsplätzen zu Gefahrstoffen und Desinfektionsmitteln (Produkte Paladur und IMPRESEPT) bestanden hätten, könnten
diese nur so gering und so kurzzeitig gewesen sein, dass die arbeitsplatzbezogenen Beurteilungswerte dauerhaft und sicher
unterschritten waren. Das Zigarettenrauchen sei nur im Gipsraum erlaubt gewesen. Dieser Raum sei mit einer Zu- und Abluftanlage
technisch belüftet. Eine Exposition gegenüber Zigarettenrauch habe maximal eine Stunde pro Tag bestanden.
Die Beklagte schlug dem Kläger sodann mit Schreiben vom 06.09.2002 drei mögliche Gutachter für die Prüfung, ob ein Versicherungsfall
vorliegt, vor, worauf sich der Kläger (erst) unter dem 21.11.2003 mit dem Wunsch äußerte, Prof. Dr. H., Direktor der Hals-Nasen-Ohren-Klinik
des Städtischen Klinikums K., mit der Begutachtung zu beauftragen.
In dem aufgrund ambulanter Untersuchungen des Klägers vom 08.03., 10.03., 11.03. und 16.03.2004 erstatteten Hals-Nasen-Ohrenärztlichen
Gutachten vom 20.05.2004 berichteten Prof. Dr. H. und Dr. L. über mehrere durchgeführte allergologische Untersuchungen. Bei
einer Epicutantestung wurden unter Anderem als Substanzen standardisierte Lösungen der Firma H. sowie Gips aus dem Dentallabor
verwendet. Getestet wurden der Standardblock (25 Substanzen), der Zahnfüllstoffeblock ohne Menthol, jedoch mit Methylmethacrylat
(10 Substanzen) sowie drei Gipsarten Blau, Vel Mix Stone Weiß und Moldabastr SH schnellhärtend der Firma P. in K.. Es zeigte
sich auf Duftstoffmix nach 48 bis 72 Stunden eine schwach positive Reaktion mit tastbarer Infiltration und Rötung. Auf Methylmethacrylat
zeigte sich keine allergische Reaktion. Prof. Dr. H. und Dr. L. diagnostizierten beim Kläger eine Polyposis nasi bei chronischer
Sinusitis ethmoidalis, sphenoidalis et maxillaris beidseits. Es gebe keinen sicheren Hinweis für eine allergische oder irritativ
toxische Genese der rhinitischen Beschwerden. Mit großer Wahrscheinlichkeit seien die vom Kläger geäußerten Beschwerden auf
das Krankheitsbild der chronischen Sinusitis mit Polyposis nasi zurückzuführen, die nach der Literatur ohnehin weder mit einer
irritativ-toxischen noch allergischen Rhinitis kausal sicher in Verbindung gebracht werden könne. Die chronische Sinusitis
mit radiologisch nachgewiesenen Verschattungen der Nasennebenhöhlen habe schon früher vorgelegen. Bereits seit 1986 seien
rezidivierende Sinusitiden aufgetreten (Bericht Dr. S.). In einer kranialen MRT-Aufnahme vom 04.04.2000 sei weichteilisointenses
Gewebe im Sinus maxillaris sowie in einzelnen Ethmoidalzellen und minimal an der dorsalen Wand des linken Sinus sphenoidalis
beschrieben. In der coronaren Computertomografie der Nasennebenhöhlen vom 04.04.2002 finde sich eine am ehesten polypoide,
teils auch entzündliche Sinusitis maxillaris links mehr als rechts, Sinusitis ethmoidalis bds. und diskret der Sinus sphenoidales,
eine Polyposis nasi sowie eine Nasenseptumdeviation nach rechts. Dies bedeute kein Neuauftreten, sondern lediglich eine Zunahme
des Krankheitsbildes. Um einen Zusammenhang zwischen der Staubexposition im propädeutischen Kurs und der Zunahme der nasalen
Beschwerden zu klären, wäre ein Arbeitsplatzprovokationstest erforderlich. Den hierfür vereinbarten Termin habe der Kläger
jedoch kurzfristig abgesagt und einen weiteren Untersuchungstermin abgelehnt.
Mit Schreiben vom 02.02.2005 führte Dr. E. (Staatlicher Gewerbearzt, Regierungspräsidium S.) aus, eine BK 4301 der
BKV könne wegen mangelnder Mitwirkung des Versicherten nicht zur Anerkennung vorgeschlagen werden. Dieser habe die notwendigen
arbeitsplatzbezogenen Expositionstests mit zahnärztlichem Material abgelehnt. Diese Untersuchungen seien aber zur Klärung
des Ursachenzusammenhangs unerlässlich.
Mit Bescheid vom 25.02.2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung von Berufskrankheiten nach Nr. 4301 und Nr. 4302 der Anlage
1 zur
BKV sowie eine Entschädigung wie eine BK nach §
9 Abs.
2 SGB VII ab. Es liege keine durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung (einschließlich Rhinopathie) vor
und auch keine durch chemisch-irritative oder toxische Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung. Der von Prof. Dr.
H. und Dr. L. durchgeführte Allergietest (Scratch) auf im Labor verwendete Arbeitsstoffe (verschiedene Gipsarten) habe keine
Sensibilisierung ergeben. Voraussetzung für die Anerkennung einer Rhinopathie als BK sei aber der Nachweis einer allergischen
Rhinopathie. Diese liege aber nicht vor, da zum einen wegen der massiv vorhandenen Polypen keine nasale Provokation möglich
gewesen sei und zum anderen bei der Epikutantestung keinerlei Sensibilisierung auf Berufsstoffe nachweisbar gewesen sei. Es
sei vielmehr eine Polyposis nasi bei chronischer Sinusitis diagnostiziert worden. Eine solche Erkrankung sei bereits seit
1985 nachgewiesen. Außerdem seien Kieferhöhlenbeschwerden sowie Zysten und Polypen aufgetreten. Die Beschwerdesymptomatik
des Klägers erkläre sich vollständig durch dieses Krankheitsbild. Um einen Zusammenhang zwischen der Staubexposition im propädeutischen
Kurs und der nasalen Beschwerden zumindest im Sinne der Verschlimmerung zu klären, wäre ein Arbeitsplatzprovokationstest erforderlich
gewesen. Den hierfür vereinbarten Termin habe der Kläger jedoch abgesagt und weitere diesbezügliche Untersuchungen verweigert.
Die medizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 4302 seien nicht erfüllt, da diese BK nur die unteren Atemwege betreffe und eine
Lungenfunktionseinschränkung bzw. ein hyperreagibles Bronchialsystem beim Kläger nicht festgestellt werden konnte. Es erübrige
sich daher auch eine weitere Überprüfung des vom Kläger als schädigende Einwirkung geltend gemachten Zigarettenrauchs. Die
Voraussetzungen für eine Anerkennung als Wie-BK lägen ebenfalls nicht vor. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde durch
Widerspruchsbescheid vom 27.04.2005 zurückgewiesen.
(Bereits) am 02.02.2005 hat der Kläger Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben mit dem Ziel, seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen aus der Unfallversicherung wegen einer Berufskrankheit
zu verbescheiden. Diese Klage hat er am 24.05.2005 umgestellt auf die begehrte Anerkennung der Atemwegserkrankung als BK Nr.
4301 und
4302 bzw. wie eine BK nach §
9 Abs.
2 SGB VII und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe den Sachverhalt unzureichend ermittelt. Es liege bei ihm
eine Allergie vor, die er sich bei dem propädeutischen Kurs im Sommersemester 2001 durch Kontakt mit Gips und anderen Werkstoffen
zugezogen habe. Er sei bei dem Kurs nicht nur durch das pulverförmige Alginat und Gips beeinträchtigt worden, sondern auch
durch weitere Werkstoffe, die durch das Beschleifen von Kunststoffzähnen freigesetzt worden seien. Hierzu zählten toxische
Stoffe, Staubbelastung und ätzende Stoffe. Hinzu kämen weitere Duftstoffe, Desinfektionsspray, Trennmittel, Talkum sowie Zigarettenrauch.
Die Abluftanlage sei während des Kurses auch nicht immer in Betrieb gewesen; regelmäßig hätten die Fenster offen gestanden
und die Anlage sei nicht in Betrieb gewesen. Es habe auch nicht nur kurzzeitig eine Staubexposition gegeben. Der bei der Epikutantestung
verwendete Gips sei nicht identisch mit dem während des Kurses verwendeten Gips. Er habe bei dem Kurs außerdem Zähne der Firma
F. beschleifen müssen, die hierzu nicht geeignet gewesen seien, weshalb schädliche Stoffe freigesetzt worden seien, die eine
Allergie bei ihm ausgelöst hätten. Die Beklagte habe zu Unrecht auch nicht berücksichtigt, dass er 1985/86 als Buchbinder
in der Universität H. tätig gewesen sei. Er sei seinerzeit als Aushilfsangestellter in der Universitätsbibliothek H. tätig
gewesen und habe unter Staubeinwirkungen gelitten, was zu einer allergischen Entzündung geführt habe. Außerdem sei er im Sommersemester
1986 bzw. im Wintersemester 1986/87 Tutor in der klinischen Chemie im Medizinstudium gewesen und dabei in Kontakt gekommen
mit Poolserum, was ebenfalls Quelle der Allergie sein könne. Schließlich habe er am 16.07.2001 einen Rollerunfall erlitten,
der sich ebenfalls ausgewirkt habe.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten mit dem Hinweis, dass Dr. W. beim Kläger bereits im Jahr 1985 eine Polyposis
nasis bei chronischer Sinusitis festgestellt habe, außerdem ein Septumdeviation (abweichende Nasenscheidewand von der Medianebene).
Dieser Befund stehe nicht im Zusammenhang mit allergisierenden Stoffen, sondern sei außerberuflich entstanden.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines internistisch-pneumologischen Gutachtens bei Dr. G., S.. Dieser berichtete im Gutachten
vom 03.03.2006 über von ihm durchgeführte allergologische Untersuchungen. Danach waren im Pricktest bei ausreichend positiver
Histaminreaktion keine signifikanten Sofortreaktionen auf sämtliche überprüften perennialen und saisonalen Inhalationsallergene
erkennbar. Im Epicutantest mit Dentalprodukten zeigte sich ebenfalls keine signifikante Reaktion. Die Gesamt-IgE war mit 117
IU/ml leicht erhöht. Dr. G. diagnostizierte beim Kläger eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung bei vorbestehender chronischer
Erkrankung der oberen Luftwege im Sinne eines sog. sinubronchialen Syndroms. Eine berufliche Verursachung der Erkrankung sei
nicht wahrscheinlich. Eindeutige Hinweise für eine exogen allergische Erkrankung der oberen Atemwege i.S. einer allergischen
Rhinitis bestünden nicht. Weitere Testmöglichkeiten im Hinblick auf während des Praktikums einwirkenden Allergene bestünden
nicht. Die weiteren benannten Substanzen hätten soweit bekannt keine die Atemwege sensibilisierende Wirkung, so dass auch
weitere Tests, z.B. mit Schleifstäuben, Desinfektionsmitteln, Talkum etc. nicht sinnvoll seien.
Es sei nun erstmals eine deutliche bronchiale Obstruktion und Lungenüberblähung festgestellt worden. Eine ergänzende bronchiale
Provokationstestung habe der Kläger nicht durchführen lassen. Ob diese bronchiale Obstruktion als Ausdruck einer obstruktiven
Atemwegserkrankung eher einem Asthma bronchiale oder einer chronischen Bronchitis zugeordnet werden müsse, sei schwierig.
Mehr bronchitischen Charakter habe die Husten-Auswurf-Symptomatik und die Tatsache, dass der Kläger über einige Jahre in doch
nicht unerheblichem Maße geraucht habe, wenngleich er hierzu jetzt aktuell keine konkreten Angaben gemacht habe. Auch für
die Erkrankung der unteren Atemwege werde keine primär berufliche Verursachung gesehen. Obstruktive Atemwegserkrankungen kämen
bei Zahnärzten, Zahnarzthelfern und Zahntechnikern, die langjährig und mit Sicherheit wesentlich intensiver in ihrer Arbeit
gegenüber Dentalprodukten und deren Stäuben und Dämpfen ausgesetzt seien, nicht häufiger als in der Normalbevölkerung vor.
Beim Kläger habe nur eine kurzzeitige und nach allen bisherigen Ermittlungen geringfügige Exposition gegenüber unspezifischen
Irritantien vorgelegen. Über diesen kurzen Kontakt sei die Entwicklung einer generalisierten Erkrankung der oberen und unteren
Luftwege nicht anzunehmen. Auch bei einer Exposition mit einer bislang nicht identifizierten Substanz wäre ein anderer Krankheitsverlauf
zu erwarten. Stattdessen handele es sich um einen chronischen Krankheitsverlauf mit progressiver Tendenz, der sich jetzt über
die chronisch entzündlichen Prozesse an den oberen Atemwegen auf die unteren Atemwege ausgedehnt habe. Es liege daher keine
BK nach Nr. 4301 und Nr. 4302 vor. Auch die Voraussetzungen der Anerkennung wie eine BK (§
9 Abs.
2 SGB VII) lägen nicht vor. Der Kläger gehöre keiner Personengruppe an, die durch ihre Tätigkeit (hier den vorübergehenden Besuch des
propädeutischen Kurses an der Universität) in höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sei,
die eine obstruktive Atemwegserkrankung auslösen könnten. Unter Berücksichtigung der Vorerkrankungen und des Krankheitsverlaufs
bestehe auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass das jetzt feststellbare Krankheitsbild ursächlich mit der Praktikumstätigkeit
in Zusammenhang stehe.
Mit Schriftsatz vom 11.04.2006 hat der Kläger einen Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. G. wegen der Besorgnis der
Befangenheit gestellt. Der Kläger und Dr. G. seien früher Kommilitonen gewesen, und der Kläger sei im Jahr 1997 sein Patient
gewesen. Hierzu hat der Kläger einen - mit handschriftlichem Datumsvermerk 8.9.1997 - versehenen Befundbericht von Dr. G.
(Diagnosen: V.a. Lungentuberkulose, Ausschluss bronchopulmonale Erkrankung; Vorgeschichte:....Früher starker Raucher...) vorgelegt.
Dr. G. sei "durch das Physikum gefallen". Er, der Kläger, sei außerdem im Untersuchungszeitpunkt krank gewesen. Der Kläger
habe bis zum Eingang des Gutachtens annehmen müssen, dass Dr. G. kein Gutachten erstatten, sondern den Gutachtensauftrag zurückgeben
würde. Es werde beantragt, Prof. B., Ordinariat für Arbeitsmedizin der Universität H., Zentralinstitut für Arbeitsmedizin
gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) mit einer Begutachtung zu beauftragen.
Hierzu hat Dr. G. mit Schreiben vom 30.06.2006 dahin gehend Stellung genommen, es sei richtig, dass er und der Kläger Kommilitonen
gewesen seien, es habe sich aber nur um eine sehr lose Bekanntschaft gehandelt, die sich bald verloren habe. Im Gegensatz
zum Kläger habe er sein Studium abgeschlossen und sei auch nicht "durch das Physikum gefallen". Er habe den Kläger auch nie
behandelt, sondern nur im Rahmen der Begutachtung untersucht. Als er den Kläger, der während des Studiums noch "F. G." geheißen
habe, anlässlich der Begutachtung wiedererkannt habe, habe er diesem vorgeschlagen, einen anderen Gutachter zu wählen. Der
Kläger habe aber insistiert, von ihm begutachtet zu werden. Er habe die Begutachtung dann ordnungsgemäß durchgeführt.
Am 14.11.2006 hat das SG auf Antrag des Klägers Prof. Dr. B., H., mit der Erstellung eines Gutachtens gemäß §
109 SGG beauftragt. Nachdem der Kläger im Zeitraum zwischen Dezember 2006 und November 2007 mehrere - zuvor vereinbarte - Untersuchungstermine
unter Hinweis auf erlittene Unfälle sowie Erkrankungen abgesagt hatte, hat das SG den Sachverständigen am 10.12.2007 telefonisch vom Gutachtensauftrag entbunden, nachdem dieser darauf hingewiesen hatte,
dass ein Gutachten nach Aktenlage kein anderes als das bisher festgestellte Ergebnis erbringen könnte.
Mit Beschluss vom 07.01.2008 hat das SG das Befangenheitsgesuch gegen den Sachverständigen Dr. G. abgelehnt. Die dagegen erhobene Beschwerde hat das Landessozialgericht
Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 12.12.2008 (L 9 U 3731/08 B) zurückgewiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 16.02.2009 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es lägen schon die - im Vollbeweis nachzuweisenden - arbeitstechnischen
Voraussetzungen der Berufskrankheiten Nr. 4301 und Nr. 4302 nicht vor, da der Kläger nach den Ausführungen des Präventionsdienstes
im Rahmen des Praktikums im Labor der Kopfklinik der Universität H. wegen der nur kurzzeitigen Exposition mit Alginat und
Gips und der Sicherheitseinrichtungen (Absauganlage) weder mit allergisierenden (BK Nr. 4301) noch mit chemisch-irritativen
Stoffen (BK Nr. 4302) exponiert gewesen sei. Selbst wenn man den Angaben des Klägers glaube, dass die Absauganlage nicht in
Betrieb gewesen und er mit anderen Stoffen (Desinfektionsmittel, Talkum etc.) in Kontakt gekommen sei, sei nicht davon auszugehen,
dass die beim Kläger vorhandene Erkrankung einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung mit weitgehend fixierter Obstruktion
mit Wahrscheinlichkeit durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sei, diese also in Verbindung mit allergisierenden
Stoffen stehe. Dr. G. habe in seinem Gutachten - auch unter Berücksichtigung und unter Übereinstimmung mit dem vorhergehenden
Gutachten von Prof. Dr. H. - darauf hingewiesen, dass beim Kläger kein Anhalt für eine wesentliche allergische Verursachung
der Atemwegserkrankung bestehe. Bei der Allergietestung konnten keine relevanten Reaktionen gegenüber Inhalationsallergenen
gefunden werden. Der Epicutantest war unauffällig und zeigte keine relevante positive Reaktion. Auch ein Pricktest zeigte
keine signifikanten Sofortreaktionen auf sämtliche überprüften perennialen und saisonalen Inhalationsallergene. Die Gesamt-IgE
war mit 117 IU/ml leicht erhöht, so dass auch hier eine Sensibilisierung unwahrscheinlich erscheine. Gegen einen kausalen
Zusammenhang spreche auch, dass Dr. T. in seinem beratungsärztlichen Bericht darauf hingewiesen habe, dass eine unspezifische
Hyperreagibilität vorliege. Bei der Verabreichung von inertem weder toxisch noch allergisierend wirkendem Talkum habe die
Nasenschleimhaut mit einer Kongestion bzw. Obstruktion reagiert. Angesichts dessen seien die während des Praktikums aufgetretenen
Beschwerden bei einer vorherigen langjährigen chronischen Rhino-Sinusitis lediglich als Ausdruck einer unspezifischen Hyperreagibilität
zu werten. Ein Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der beim Kläger jetzt vorliegenden Atemwegserkrankung
sei somit nicht hinreichend wahrscheinlich. Eine BK nach Nr. 4301 und Nr. 4302 könne ebenso wenig anerkannt werden wie eine
Wie-BK. Zu Letzterer habe Dr. G. in seinem Gutachten ausgeführt, dass nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft Atemwegserkrankungen
weder bei Zahnärzten, Zahnarzthelfern noch bei Zahntechnikern, die langjährig und wesentlich intensiver als der Kläger aufgrund
ihrer Arbeit mit Dentalprodukten deren Stäuben und Dämpfen ausgesetzt seien, häufiger vorkommen als in der Normalbevölkerung.
Nur in wenigen Einzelfällen werde in der Fachliteratur über die Entwicklung einer obstruktiven Atemwegserkrankung in Dentallaboren
durch Inhalation von Acrylatdämpfen berichtet. Beim Kläger sei zu beachten, dass nur eine kurzzeitige und geringfügige Exposition
gegenüber unspezifischen Irritantien vorgelegen habe, die schwerlich mit diesen Fällen zu vergleichen seien.
Der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen Prof. B. sei wegen Verzögerung des Rechtsstreit in entsprechender Anwendung von
§
109 Abs.
2 SGG aufgehoben worden. Der Kläger sei insoweit seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen.
Gegen den am 18.02.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24.02.2009 Berufung zum LSG eingelegt und sein bisheriges
Vorbringen wiederholt und vertieft. Er habe der Testung der zahnmedizinischen Stoffe nicht widersprochen. Die untersuchende
Oberärztin von Prof. Dr. H., Frau Dr. L., habe bei der Untersuchung seine Conchen links verletzt und ihm erhebliche Schmerzen
zugefügt. Die richtige Untersuchung habe dann Dr. H. durchgeführt. Der pathologische Befund des Gewebes habe vermehrte eosinophile
Zellen ergeben, die eine Allergie aufzeigen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Februar 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 2005
in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. April 2005 aufzuheben und festzustellen, dass seine Atemwegserkrankung eine Berufskrankheit
nach den Nrn. 4301 bzw. 4302 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung, hilfsweise eine Berufskrankheit nach §
9 Abs.
2 SGB VII darstellt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben zunächst durch Einholung eines Gutachtens gemäß §
109 SGG bei Prof. Dr. N. (Direktor des Instituts und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin der der Ludwig-Maximilians-Universität
M.). In dem gemeinsam mit Dr. O. erstellten Gutachten vom 15.07.2010 werden eine chronische Rhino-Sinusitis bei Polyposis
nasi, Septumdeviation und Conchapyherplasie sowie eine allergische Rhinopathie im Sinne einer BK Nr. 4301 durch Methylmethacrylate
diagnostiziert. Hierzu wird ausgeführt, der Kläger habe bei der Anamneseerhebung angegeben, dass er zusätzlich zu den Angaben
gegenüber dem Präventionsdienst auch 2-Komponenten-Kunststoffe aus einer pulverförmigen und einer flüssigen Komponente angerührt
habe, so dass hierdurch eine weitere Exposition gegenüber Methylmethacrylaten bestanden habe. Methylmethacrylate hätten eine
atemwegssensibilisierende Wirkung, die auch bei Einhaltung der Grenzwerte relevant sein könne. Erschwerend für die Diagnostik
einer allergischen Rhinopathie durch Exposition gegenüber Methylmethacrylaten sei die Tatsache, dass keine standardisierten
Prick-Hauttestlösungen oder Tests auf spezifische IgE-Antikörper zur Verfügung stünden. Eine Testmöglichkeit auf spezifische
IgE-Antikörper gegenüber Methylmethacrylaten sei vor einigen Jahren aufgrund von fehlenden Positivkontrollen vom Markt genommen
worden. Aufgrund dieser Angaben des Klägers sei am 01.02.2010 eine arbeitsplatzsimulierende Expositionstestung durchgeführt
worden, bei der der Kläger kleinere Mengen eines zahnärztlichen 2-Komponenten-Kunststoffes verarbeitet habe und dadurch über
eine Stunde gegenüber niedrigen Konzentrationen von Methylmethacrylat exponiert gewesen sei. Nach Exposition konnte ein signifikanter
Abfall des nasalen Flusses rechts dokumentiert werden, links war von Anfang an kein Flow messbar. Somit sei die arbeitsplatzsimulierende
Expositionstestung mit Methylmethacrylaten als positiv zu bewerten. Zum Ausschluss einer nasalen Hyperreagibilität auf diverse
unspezifische Irritantien sei am 29.06.2010 ein Provokationstest von Dres. Z. und L., M., durchgeführt worden. Aufgrund dieses
Tests konnte nach sequentieller seitengetrennter Provokation keine statistisch signifikante Veränderung des nasalen Atemstromvolumens
gemessen werden, sodass eine Hyperreagibilität der nasalen Schleimhaut als konkurrierende Ursache ausgeschlossen werden konnte.
Es sei somit ein Kausalzusammenhang zwischen atemwegssensibilisierend wirkenden Methylmethacrylaten und der nasalen Obstruktion
als typisches Krankheitsbild einer allergischen Rhinopathie bestätigt. Diese sei als BK Nr. 4301 zur Anerkennung zu bringen.
Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liege nicht vor.
Die Voraussetzungen einer BK Nr. 4302 lägen demgegenüber nicht vor. Eine obstruktive Atemwegserkrankung habe nicht im Vollbeweis
nachgewiesen werden können. Im Rahmen der lungenfunktionsanalytischen Diagnostik habe sich weder eine restriktive noch ein
obstruktive Ventilationsstörung gezeigt, lediglich eine geringgradige Lungenüberblähung. Begleitend sei das exhalierte Stickstoffmonoxid
deutlich erhöht gewesen als möglicher Hinweis auf eine eosinophile bronchiale Entzündung im Rahmen eines asthmatischen Geschehens.
Die weiterführende Diagnostik eines Asthma bronchialis mit einer unspezifischen bronchialen Provokation habe der Kläger jedoch
- wie bereits beim Vorgutachten - abgelehnt. Zusätzlich fehlten die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 4302.
Soweit Dr. G. eine obstruktive Atemwegserkrankung diagnostiziert habe, sei bei genauer Betrachtung der damaligen Fluss-Volumen-Kurve
von einer suboptimalen Mitarbeit des Klägers bei Erhebung der spirometrischen Messwerte auszugehen. Auch die völlig im Normbereich
liegenden Atemwiderstände sprächen gegen eine relevante obstruktive Ventilationsstörung. Unabhängig von der fraglichen Diagnose
einer Atemwegserkrankung stehe - wie auch Dr. G. ausgeführt habe - dies in keinem Kausalzusammenhang zu einer beruflichen
Ursache. Es fehle die für eine berufsbedingte Atemwegserkrankung typische Arbeitsanamnese mit engem zeitlichen Bezug zur Exposition.
Die Beklagte hat zum Gutachten von Prof. Dr. N. ausgeführt, dass es nach Internetrecherchen einen sog. Basophilen-Degranulationtest
(BDT) zum Nachweis der allergischen Sensibilisierung vom Soforttyp (Typ I) u.a. auch auf Methylmethacrylate gebe. Zudem sei
nicht erkennbar, dass es selbst bei Vorliegen einer allergischen Rhinopathie einen Zwang zur Unterlassung aller Tätigkeiten,
die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Erkrankung ursächlich waren oder sein können, gebe. Hierzu
habe Prof. Dr. N. lediglich angegeben, dass der Kläger eine Umschulung zum IT-Arbeiter im April 2010 begonnen habe und grundsätzlich
die Exposition gegenüber Methylmethacrylaten vermieden werden sollte. Mit Blick auf mögliche technische und organisatorische
Maßnahmen (z.B. technische Vorrichtungen zum Absaugen von Dämpfen) und persönliche Schutzmaßnahmen (z.B. Verwendung von Atemschutzmasken)
sei der Unterlassungszwang nicht belegt. Sofern der inhalative Kontakt mit dem Allergen im Rahmen des Studiums der Zahnmedizin
und einer Tätigkeit als Zahnmediziner durch solche Schutzmaßnahmen vermieden werden könnte, wäre auch das Kriterium der Aufgabe
der gefährdenden Tätigkeit nicht erfüllt.
Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens bei Prof. Dr. T. (Direktor des Instituts und Poliklinik
für Arbeits- und Sozialmedizin des Universitätsklinikums H.). Im Gutachten vom 01.02.2013 hat dieser zunächst zur Anamnese
ausgeführt, der Kläger habe angegeben, zeitlebens Nichtraucher zu sein. Seine entgegenstehenden Angaben, wie sie im Gutachten
von Prof. Dr. N. (zwischen 1970 und 1989 maximal 10 Zigaretten täglich) und im Fragebogen der Unfallkasse (zwischen 1970 und
1977 15 Zigaretten täglich) dokumentiert sind, seien unzutreffend. Der Kläger habe weiter angegeben, im Sommersemester 2001
während eines sog. Phantomkurses einen Kunststoff verarbeitet zu haben, der aus zwei Komponenten bestand. Hierbei sei er gegenüber
Dämpfen von Methacrylaten exponiert gewesen. Prof. Dr. T. berichtet weiter, dass eine allergologisch-immunologische Untersuchung
des Klägers nicht erfolgen konnte, da dieser eine Blutentnahme abgelehnt habe. Die durchgeführte kardiopulmonale Funktionsprüfung
habe keinen Anhalt für eine obstruktive und restriktive Ventilationsstörung oder eine Lungenüberblähung ergeben. Die anteriore
Rhinomanometrie habe hochgradig behinderte Nasenflüsse gezeigt. Er diagnostizierte eine chronische Rhino-Sinusitis bei Polyposis
nasi, eine Septumdeviation und Conchahyperplasie (Fremddiagnose), außerdem eine arterielle Hypertonie sowie Adipositas Grad
1 und eine Hochtonschwerhörigkeit rechts (Fremddiagnose). Der Kläger leide zwar an einer chronischen Rhinopathie mit nasaler
Obstruktion, es liege aber keine allergische Rhinopathie i. S. der BK Nr. 4301 vor. Insoweit sei zunächst von den Ergebnissen
der Hauttestungen auszugehen. Von Frau Dr. L. seien sowohl Prick- und Scratch-Tests (Typ I-Allergie) als auch Epikutantestungen
(Typ IV-Allergie) auf Umweltallergene und Berufsallergene (Screening) durchgeführt worden. Mit Ausnahme von Duftstoff-Mix
(Einfach-Positiv-Reaktion) hätten sich keine Sensibilisierungen ergeben, insbesondere nicht auf das Methylmethacrylat. Der
Gesamt-IgE-Serumspiegel sei nicht erhöht gewesen, so dass sich auch serologisch kein Hinweis auf eine allergische Disposition
ergeben habe. In Übereinstimmung mit dem HNO-ärztlichen Untersuchungsbefund habe auch die allergologische Diagnostik durch
Dr. G. keine relevanten Resultate gezeigt. Im Prick- und im Epikutantset hätten sich keine positiven Reaktionen gezeigt, insbesondere
waren die getesteten Acrylate negativ. Allerdings treffe dies nur für die Kontaktallergie zu, die pathogenetisch eine Immunreaktion
vom verzögerten Typ darstelle. Die an den Atemwegen und an den Augenbindehäuten als Asthma bronchiale oder Rhinokunjunktivitis
auftretenden allergischen Reaktionen seien demgegenüber in der Mehrzahl auf eine Reaktion des Allergens mit spezifischen Antikörpern
der IgE-Klasse zurückzuführen und zählten zu den Manifestationen vom Soforttyp. Festzustellen sei aber, dass sämtliche Epicutantestungen
jedenfalls nicht auf eine Sensibilisierung hinwiesen. D.h. es fehle aufgrund der "negativen" Sensibilisierung bei den Hauttestungen
auf Methylmethacrylat zumindest ein Hinweis auf eine Soforttyp-Allergie.
Im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. N. habe der Kläger in der Expositionskabine eine Stunde lang mit einem Zweikomponenten-Prothesenkunststoff
gearbeitet, der 90 bis 100% Methylmethacrylat enthalte; es handele sich allerdings um das Produkt Selectaplus und nicht das
im zahnärztlichen Praktikum verwendete Produkt Paladur. Die von Prof. Dr. N. aus den Ergebnissen der nasalen Provokation,
insbesondere aus dem Abfall des nasalen Flusses gezogene Schlussfolgerung, dass damit der kausale Zusammenhang zwischen atemwegssensibilisierend
wirkenden Methylmethacrylaten und der nasalen Obstruktion als typisches Krankheitsbild einer allergischen Rhinopathie bestätigt
sei, wäre nur dann zutreffend, wenn es wissenschaftlich gesichert wäre, dass Methylmethacrylate grundsätzlich beim Menschen
atemwegssensibilisierend wirkten. Da die Gutachter ihre Ergebnisse nicht durch wissenschaftliche Quellen belegt hätten, sei
nachfolgend auf die aktuellen wissenschaftlichen Ergebnisse hinzuweisen. Die Arbeitsstoffkommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG) habe schon im Jahr 1997 die allergene Wirkung von Methylmethacrylat auf den Menschen dokumentiert. Danach hätten schon
zu diesem Zeitpunkt gesicherte Fallberichte zur allergenen Wirkung des Methylmethacrylats auf der Haut vorgelegen. Von einer
Markierung als Atemwegsallergen sei vorläufig abgesehen worden. In einer weiteren Bewertung aus dem Jahr 2006 sei festgestellt
worden, dass Methylmethacrylat auf Haut und Schleimhäute reizend wirke. Während in der Nachlieferung die hautsensibilisierende
Wirkung durch weitere Untersuchungsresultate bestätigt werde, lägen für eine atemwegssensilisierende Wirkung keine (neuen)
Angaben vor (DFG 2006). Auch Borak et al. gelangten in ihrer Übersichtsarbeit (2011) nach Berücksichtigung und Bewertung von
rund 300 Literaturangaben zu der Feststellung, sowohl die experimentellen als auch die Fallbeispiele sprächen dafür, dass
Methylmethacrylat keine Atemwegssensibilisierung verursache. Demgegenüber liege ausreichende Evidenz dafür vor, dass Methylmethacrylat
die Atemwege irritiere und es in der Lage sei, ein chemisch induziertes Berufsasthma zu verursachen. Die von den Untersuchern
festgestellten abgefallenen nasalen Flussraten ließen sich durch eine chemisch-irritative Reaktion der Nasenschleimhaut ausreichend
erklären. Aufgrund der chronischen Nasenschleimhautentzündung der Klägers sei von einer gesteigerten Empfindlichkeit insbesondere
für Gase und Dämpfe mit Reizwirkung auszugehen.
Eine BK Nr. 4302 sei ebenfalls nicht zu bestätigen. Beim Kläger liege nicht das Krankheitsbild einer obstruktiven Atemwegserkrankung
(Asthma bronchiale, chronische obstruktive Bronchitis) i.S. der BK Nr. 4302 vor. Außerdem habe eine Gefährdung durch die Tätigkeit
im zahnärztlichen Praktikum nicht bestanden. Schließlich lägen auch keine neueren medizinischen Erkenntnisse vor, die es rechtfertigen
würden, die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen wie eine Berufskrankheit i.S.d. §
9 Abs.
2 SGB VII zu entschädigen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz
und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen
Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang)
muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und
die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte
Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender
Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge
genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher
Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O.).
Diese überzeugende, wissenschaftlich fundierte Aussage von Prof. Dr. T. wird gestützt durch öffentliche, im Internet zugängliche
Quellen. So liegen nach der Zusammenfassung des Technical Support Document (TSD) zu Methylmethacrylat (Status: "interim",
Stand: 01/2007) durch das Umweltbundesamt keine ausreichenden Hinweise für eine sensibilisierende Wirkung des MMA im Atemtrakt
vor. Unspezifische asthmatische Effekte aufgrund einer Atemwegsreizung könnten aber nicht ausgeschlossen werden (Quelle: www.umweltbundesamt.de/nachhaltige-produktion.../anlagen/.../MMA.pdf).
Auch in der Empfehlung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 29.04.2004 über die Ergebnisse der Risikobewertung
und über die Risikobegrenzungsstrategien für verschiedene Stoffe (Amtsblatt der Europäischen Union L 144 vom 30. April 2004)
wird von einer "Reizung der Atemwege und Inhalationswirkung infolge der Inhalationsexposition" durch Methylmethacrylat bei
gleichzeitiger "Hautsensibilisierung infolge der Exposition der Haut bei der Verwendung u.a. in zahnmedizinischen Labors"
ausgegangen (Quelle: www.baua.de/de/Chemikaliengesetz-Biozidverfahren/.../OJ_028_de.pdf). Auch im Übrigen liegen keine gesicherten
Erkenntnisse vor, dass über das (unspezifische) Irritationspotential von Methylmethacrylat in Bezug auf die Schleimhäute des
Nasen-Rachen-Raums, das als gesichert gilt, der Stoff bei der Entstehung von arbeitsplatzbedingtem Asthma eine Rolle spielt,
auch wenn im Schrifttum über einzelne Fälle von Sensibilisierung im Zusammenhang mit Methylmethacrylat berichtet wird (Bundesinstitut
für Risikobewertung, Stellungnahme Nr. 014/2012 vom 22.12.2011; Quelle: www.bfr.bund.de). Auf die zuletzt genannten, im Internet
zugänglichen Erkenntnisquellen kommt es jedoch im Ergebnis nicht an, da sich bereits aus dem Gutachten von Prof. Dr. T. und
den dort genannten wissenschaftlichen Veröffentlichungen der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand hinsichtlich einer
atemwegssensibilisierenden Wirkung von Methylmethacrylat zur Überzeugung des Senats hinreichend ergibt.
Hiernach ist insgesamt zur Überzeugung des Senats der fundierten und schlüssig begründeten Beurteilung von Prof. Dr. T. in
seinem Gutachten zu folgen, wonach zwar beim Kläger infolge der seit dem Jahr 1985 dokumentierten chronischen Rhinosinusitis
mit einer daraus folgenden gesteigerten Empfindlichkeit für Gase und Stoffe mit Reizwirkung - vom Beratungsarzt Dr. T. als
unspezifische Reizbarkeit der Nasenschleimhaut bezeichnet - infolge der Exposition mit einem Reizstoff, z.B. Methylmethacrylat,
eine chemisch-irritative Reaktion eintreten konnte. Eine Verursachung oder Verstärkung seiner Erkrankung der oberen Atemwege
durch einen allergisierenden Stoff lässt sich demgegenüber nicht wahrscheinlich machen. Namentlich das Methylmethacrylat ist
hierfür nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit geeignet. Für eine ergänzende
(schriftliche oder mündliche) Befragung von Prof. Dr. N. zu diesem Punkt besteht keine Veranlassung. Soweit der rechtskundig
vertretene Kläger insoweit schriftsätzlich eine ergänzende Befragung von Prof. Dr. N. beantragt hatte, wurde dieser Beweisantrag
in der maßgebenden mündlichen Verhandlung nicht mehr weiter verfolgt, sondern nur noch ein Sachantrag gestellt (vgl. BSG, Beschlüsse vom 06.03.2008 - B 5a R 426/07 B - und vom 05.03.2002 -B 13 RJ 193/01 B - SozR 3-1500 § 160 Nr. 35). Auch von Amts wegen sieht der Senat keine Veranlassung für eine ergänzende Befragung des Sachverständigen
Prof. Dr. N., der wie ausgeführt seine Auffassung mit keinerlei wissenschaftlichen Quellen belegt hat und daher die wissenschaftlich
fundierte (Gegen-) Auffassung von Prof. Dr. T. nicht ernstlich zu erschüttern vermag.
Unabhängig davon fehlt es für die BK Nr. 4301 auch am zu fordernden Vollbeweis eines Unterlassungszwanges. Das Tatbestandsmerkmal
des Zwangs zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten setzt in der Regel voraus, dass die Tätigkeit, die zu der Erkrankung
geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und der Versicherte die schädigende Tätigkeit
und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein
können, tatsächlich aufgegeben hat. Ob der Zwang zum Unterlassen der bisherigen Tätigkeit medizinisch geboten war, d. h. deren
Fortsetzung wegen der schon eingetretenen Gesundheitsstörungen oder der Gefahr der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens
der Krankheit aus medizinischer Sicht nicht verantwortet werden konnte, ist im Wege einer nachträglichen objektiven Betrachtungsweise
festzustellen. Durch das Tatbestandsmerkmal des Zwanges der Aufgabe der beruflichen Beschäftigung soll in typisierender Weise
der Schweregrad der Krankheit beschrieben werden. Weiter hat das Merkmal den Zweck, ein Verbleiben des Versicherten auf dem
ihn gefährdenden Arbeitsplatz zu verhindern und dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungsleistung
zu verhüten (BSG, Urteil vom 05.05.1998 - B 2 U 9/97 R- <[...]> m. w. N.).
Eine medizinische Notwendigkeit, das Studium der Zahnmedizin oder jedenfalls entsprechende Studienleistungen in Form von Praktika,
die mit dem Umgang mit Methylmethacrylat oder anderen Stoffen verbunden sind, aufzugeben oder zu unterlassen, lässt sich im
Rahmen der nachträglichen objektiven Betrachtungsweise nicht feststellen. Der Umstand, dass der Kläger nach Abschluss des
propädeutischen Praktikums im Sommersemester 2001 gesundheitliche Beschwerden geltend gemacht hat, belegt nicht, dass auch
objektiv aus medizinischer Sicht die Notwendigkeit bestand, diese Tätigkeit aufzugeben. Die Beklagte hat zutreffend darauf
hingewiesen, dass diverse technische und organisatorische Maßnahmen (z.B. technische Vorrichtungen zum Absaugen von Dämpfen,
Sicherheitssichtscheibe) und persönliche Schutzmaßnahmen (z.B. Schutzbrille, Mund- und Nasenschutz, Hautschutz) in Betracht
kommen, um den Atem- oder sonstigen Kontakt mit Methylmethacrylat zu vermeiden. Ein Unterlassungszwang ist somit nicht belegt.
Des Weiteren hat der Kläger sein Studium der Zahnmedizin bisher auch nicht aufgegeben.
Das Vorliegen einer BK Nr. 4302 scheitert bereits an den medizinischen Voraussetzungen, da nach den insoweit übereinstimmenden,
schlüssig begründeten Begutachtungen von Prof. Dr. N. und Prof. Dr. T. beim Kläger keine obstruktive Atemwegserkrankung im
Sinne eines Asthma bronchiale oder einer chronischen obstruktiven Bronchitis (COPD) feststellbar ist. Soweit der erstinstanzliche
tätige Sachverständige Dr. G. eine solche obstruktive Atemwegserkrankung diagnostiziert hat, hat Prof. Dr. N. plausibel dargelegt,
dass bei genauer Betrachtung der damaligen Fluss-Volumen-Kurve von einer suboptimalen Mitarbeit des Klägers bei Erhebung der
spirometrischen Messwerte auszugehen ist. Gegen eine relevante obstruktive Ventilationsstörung sprechen auch die bei seiner
Begutachtung und der durch Prof. Dr. T. völlig im Normbereich liegenden Atemwegswiderstände. Hiervon ausgehend braucht die
Frage einer etwaigen Verursachung einer solchen Erkrankung, etwa durch eigenen Nikotinkonsum - den der Kläger zuletzt im Gegensatz
zu seinen früheren Angaben in Abrede gestellt hat - nicht näher nachgegangen werden. Obstruktive Atemwegserkrankungen der
oberen Luftwege (im Sinne einer Rhinopathie) durch chemisch-irritative oder toxisch wirkende Stoffe werden von der BK Nr.
4302 nicht erfasst (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 1059).
Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.