Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Mehrbedarf für von der Krankenkasse nicht erstattete verschreibungspflichtige Medikamente
Gründe:
I. Streitig war im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, ob die Antragsgegnerin (Ag) die Kosten für das verschreibungspflichtige
Medikament "Medikinet" zu übernehmen hat.
Der 1989 geborene Antragsteller (ASt) bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-)
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zuletzt aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 08.02.2010 für die Zeit vom
01.01.2010 bis 31.05.2010. Den Antrag auf - dauerhafte - Übernahme der Kosten für das aufgrund seiner Erkrankung erforderliche
Medikament vom 05.03.2010 lehnte die Ag mit Bescheid vom 19.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2010
ab. Für verschreibungspflichtige Medikamente sei allein die Krankenkasse zuständig, die die Übernahme aber bereits abgelehnt
habe, weil das Medikament nicht für Erwachsene zugelassen sei.
Dagegen hat der ASt Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Am 16.06.2010 hat er die vom SG zur Bewilligung von PKH nachgeforderten Unterlagen übersandt. Über die Klage ist noch nicht entschieden worden.
Zugleich mit der Klageerhebung hat der ASt einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der Kostenübernahme für das Medikament
(176,47 Euro für jeweils 10 Wochen) und die Bewilligung von PKH für das einstweilige Rechtsschutzverfahren begehrt, wobei
er auf die Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Rahmen des Hauptsacheverfahrens hingewiesen hat.
Mit Schreiben vom 15.06.2010 hat das SG auf die mangelnde Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes hingewiesen und eine Rücknahme des Antrages auf einstweiligen
Rechtsschutz angeregt. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 20.08.2010 hat es den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt.
Weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund sei gegeben. Zuständig für verschreibungspflichtige Medikamente sei
die Krankenkasse, wobei nicht geklärt sei, ob entsprechend wirksame Medikamente für Erwachsene existierten. Obwohl der ASt
drei Monate ohne Versorgung mit diesem Medikament sei, seien Ausfallerscheinungen nicht bekannt. Ein Anordnungsgrund sei daher
nicht erkennbar.
Die Bewilligung von PKH für das einstweilige Rechtsschutzverfahren hat das SG mit Beschluss vom 15.09.2010 abgelehnt. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seien mangels Vorlage der Erklärung
hierzu nicht nachgewiesen. Zudem habe von Anfang an keine Erfolgsaussicht bestanden.
Dagegen hat der ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht habe bestanden.
Die Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen seien im Rahmen des Hauptsacheverfahrens erfolgt, auf diese
sei hingewiesen worden.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und
die Akten des SG zum Verfahren S 15 AS 647/10 hingewiesen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-). Das SG hat nicht allein mangels Vorliegens der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Bewilligung von PKH abgelehnt
(§
173 Abs
3 Nr
2 SGG). Der sog. Beschwerdewert ist vorliegend auch erreicht (§§
172 Abs
3 Nr
1 i.V.m. 144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGG), denn die Ag hat den vom Ast unabhängig vom Bewilligungsabschnitt auf Dauer gestellten Antrag auf laufenden Mehrbedarf entsprechend
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bzw gemäß dem daraufhin erlassenen § 21 Abs 6 SGB II mit gesondertem Bescheid
abgelehnt, obwohl zutreffender Weise nur eine Ablehnung der Änderung des Bewilligungsbescheides vom 08.02.2010 zugunsten des
ASt hätte erfolgen können, denn dieser Mehrbedarf stellt lediglich ein Berechnungselement des Gesamtbedarfes dar (vgl hierzu
die Ausführungen des Senates im Urteil vom 16.10.2008 - L 11 AS 337/06 - mwNw) und ist keiner vom Bewilligungszeitraum gelösten Regelung zugänglich. Der Bescheid vom 19.04.2010 entbehrt nach der
genannten Rechtsprechung des Senates einer Rechtsgrundlage. Die geltend gemacht Beschwer umfasst somit eine über den Bewilligungsabschnitt
hinausgehende Leistung von Mehrbedarf. Die Beschwerde ist aber nicht begründet.
Gemäß §
73 a SGG iVm §
114 Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bot vorliegend keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg. Eine Ablehnung des Antrages mangels Vorliegens der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
durch das SG hat allerdings nicht erfolgen dürfen, denn diesbezüglich hat der ASt auf seine Erklärung hierzu im Rahmen des Hauptsacheverfahrens
S 15 AS 647/10 hingewiesen und die vom SG in diesem Verfahren nachgeforderten Unterlagen vorgelegt.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist der Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht. Ein früherer
Zeitpunkt kommt allenfalls dann in Betracht, wenn sich die Entscheidung über den Antrag verzögert hat und eine Änderung zum
Nachteil des ASt eingetreten ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
73 a Rdnr 7 d; vgl. dazu auch Beschluss des Senates vom 30.10.2008 - L 11 B 741/08 AS PKH). Bei der Entscheidung des Senates über die Beschwerde ist daher zu berücksichtigen, dass der im Rahmen des einstweiligen
Rechtsschutzverfahrens ergangene Beschluss vom 20.08.2010 rechtskräftig ist. In einem solchen Fall besteht grundsätzlich keine
Veranlassung, die Erfolgsaussichten des PKH-Gesuchs losgelöst vom rechtskräftig abgeschlossenen Hauptsacheverfahren (hier
einstweiligen Rechtsschutzverfahrens) erneut zu prüfen. Das Beschwerdegericht darf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache
auch nicht abweichend von der Vorinstanz beurteilen (vgl. Beschluss des Senates vom 28.09.2006 - L 11 B 736/06 AS PKH).
Vorliegend war die Entscheidung des SG über die Bewilligung von PKH frühestens mit Eingang der vom SG nachgeforderten Unterlagen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen am 16.06.2010 möglich. Zwar hat das SG diese Unterlagen lediglich im Hauptsacheverfahren S 15 AS 647/10 nachgefordert. Nachdem der ASt aber hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Bewilligung von PKH
im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auf die Angaben im Hauptsacheverfahren verwiesen hatte, war eindeutig,
dass die Nachforderung von Unterlagen durch das SG im Rahmen des Hauptsacheverfahrens auch das einstweilige Rechtsschutzverfahren betraf. Der ASt hat diese vom SG nachgeforderten Unterlagen auch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens übersandt. Bereits mit Schreiben vom 15.06.2010
hat das SG jedoch auf die fehlenden Erfolgsaussichten mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes hingewiesen. Das SG war also bereits damals der Auffassung, der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz biete keine hinreichende Erfolgsaussicht.
Das Fehlen einer anderweitigen Medikationsmöglichkeit ist auch bis heute vom ASt nicht glaubhaft gemacht worden. Damit aber
hat sich die Sach- und Rechtslage seit dem frühestmöglichen Zeitpunkt für eine Entscheidung über die Bewilligung von PKH am
16.06.2010 jedenfalls nicht zum Nachteil des ASt verändert, so dass auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung
des Senates letztendlich abzustellen ist. In diesem Zeitpunkt liegt die rechtskräftige Entscheidung des SG über das einstweilige Rechtsschutzbegehren vor, so dass eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Bewilligung von PKH vorliegend
zu verneinen ist.
Unabhängig von alldem fehlte es auch von Anfang an am Vorliegen eines Anordnungsanspruches. Es war weder glaubhaft gemacht
worden, dass das Medikament nicht durch ein anderes, von der Krankenkasse zu übernehmendes Mittel ersetzt werden kann, noch
ist es Aufgabe der Ag, als Ersatzkostenträger für verschreibungspflichtige Medikamente einzuspringen. Der ASt hat gemäß §
5 Abs
1 Nr
2 a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) einen Anspruch auf Versorgung mit notwendigen Arzneimitteln gegen seine Krankenkasse gemäß §
27 Abs
1 Satz 2 Nr
3 SGB V (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/7b AS 64/06 R - Rdnr 31ff der Veröffentlichung in Juris). Allein die evtl erforderliche Aufhebung des Bescheides vom 19.04.2010 aus formalen
Gründen, nämlich mangels Rechtsgrundlage für einen eigenständigen, vom Bewilligungszeitraum losgelösten Bescheid, begründet
keinen Anordnungsanspruch für die im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahren begehrte Leistung.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Diese Entscheidung ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§
177 SGG).