Rente wegen Erwerbsminderung
Schwere spezifische Leistungsbehinderung
Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
Benennung einer Verweisungstätigkeit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die 1957 geborene Klägerin hat von September 1974 bis Juni 1977 den Beruf der Bankkauffrau erlernt. Im Anschluss daran war
sie bis Januar 1986 im erlernten Beruf tätig. Nach Zeiten der Kindererziehung war sie von März 1990 bis Juni 1991 und zuletzt
von Februar 1997 bis Januar 2004 als Bankkauffrau versicherungspflichtig beschäftigt.
Die Klägerin begehrte erstmals mit Antrag vom 21. Januar 2004 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten.
Sie sei seit April 1997 erwerbsgemindert. Sie verwies auf Folgeschäden nach lateraler Gesichtsfraktur rechts (April 1997),
Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen sowie auf die Folgen eines am 5. Januar 1976 erlittenen Verkehrsunfalls, bei dem
sie einen Beckenbruch links, eine Oberschenkelfraktur links, einen Oberarmfraktur rechts, und ein Trauma rechter Unterschenkel
erlitten habe. In der Folge sei es zu mindestens 20 Schulterluxationen gekommen. Ein ärztliches Attest vom 15. Januar 1998
über die gesundheitlichen Folgen eines tätlichen Angriffs des Ehemanns im April 1997 wurde vorgelegt.
Die Beklagte holte ein chirurgisches Gutachten von Dr. G. und ein nervenärztliches Gutachten von Dr. K. ein. Dr. G. stellte
bei der Klägerin noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden sowohl für die letzte berufliche Tätigkeit als Bankkauffrau als
auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt fest. Dr. K. kam zu dem Ergebnis, die Klägerin könne als Bankkauffrau nur noch 3 bis
unter 6 Stunden, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch 6 Stunden und mehr leichte Arbeiten aus wechselnder Ausgangslage, zeitweise
im Sitzen, in Tagschicht, ohne hohe Anforderungen an Konzentrations- und Reaktionsvermögen, ohne Überwachung und Steuerung
komplexer Arbeitsvorgänge, ohne Verantwortung für Personen und Maschinen, ohne hohe Anforderungen an die Grobmotorik des rechten
Arms, ohne häufiges Bücken, zu ebener Erde, ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, sowie ohne Tätigkeiten mit erhöhter
Unfallgefahr verrichten. Eine wesentliche Besserung sei auf Sicht von einem halben Jahr durchaus möglich.
Nachdem der beratende Arzt Dr. B. noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr sowohl für die Tätigkeit als Bankkauffrau
als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angenommen hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. April 2004 den Rentenantrag
zunächst ab.
In den darauf folgenden Widerspruchsverfahren zog die Beklagte weitere Befundberichte bei. Aus dem Befundbericht der Psychiaterin
D. vom 5. August 2004 ergibt sich, dass bei der sich gerade in Scheidung befindlichen Klägerin ein depressiv-ängstliches Syndrom
im Sinne einer Anpassungsstörung mit erheblicher Antriebsstörung, innerer Unruhe, Anspannung, Nervosität und reduzierter Leistungsfähigkeit
und Belastbarkeit vorlag. Die beratende Ärztin Dr. G. nahm daraufhin ein 3- bis unter 6-stündiges Leistungsvermögen der Klägerin
sowohl als Bankkauffrau als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an. Die Folgen der im Jahr 1997 erlittenen Mittelgesichtsfraktur
würden sich jetzt im Zuge einer weiteren privaten Problematik und daraus resultierenden Befindlichkeitsstörung quantitativ
leistungsmindernd auswirken. Aufgrund dessen bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 26. November 2004 Rente
wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer ab 1. Februar 2004 und mit Bescheid vom 30. November 2004
Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit.
Der gegen die Befristung der Rente wegen voller Erwerbsminderung erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.
April 2005 zurückgewiesen. In dem darauf folgenden Klageverfahren (Az. S. 15 R 1326/05) wurde ein Gutachten von Dr. C. vom 1. Februar 2006 eingeholt. Dieser diagnostizierte einen atypischen Gesichtsschmerz sowie
eine depressive Entwicklung mit Somatisierung. Das Anerkenntnis einer bis Juli 2007 gewährten EU-Rente sei angesichts der
Tatsache, dass die Klägerin sich zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. K. noch nicht in konsequenter neurologischer oder
psychiatrischer Behandlung befand, als eher großzügig zu bezeichnen. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass die Erwerbsminderung
der Klägerin behoben werden könne. Nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden ambulanten kassenärztlichen Maßnahmen sei
zweifellos eine Besserung des im Vordergrund stehenden psychiatrischen Syndroms zu erwarten. Die Klage wurde sodann mit Gerichtsbescheid
vom 15. März 2006 abgewiesen. Die hiergegen erhobene Berufung wurde von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 7.
Februar 2007 wirksam zurückgenommen.
Auf den Weitergewährungsantrag der Klägerin vom 8. Februar 2007 hin zog die Beklagte weitere Befundberichte bei. Nach einer
Verfahrensverzögerung aufgrund der Anfechtung der Rücknahme durch die Klägerin erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Juli
2007 den Rentenanspruch wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 30. September 2007 an. Der weitere Anspruch werde von
Amts wegen geprüft. Der Psychiater T. teilte zunächst in seinem Befundbericht vom 2. Juli 2007 mit, der Fall sei schwer beurteilbar,
da die Klägerin zwei Jahre keinen Arzt konsultiert habe. Mit Attest vom 27. September 2005 erklärte er dann, die Klägerin
leide an einer massiven Trigeminusneuralgie sowie an einer massiv ausgeprägten depressiven Symptomatik.
Die Beklagte holte sodann ein Gutachten von Dr. K. vom 1. Oktober 2007 ein, das dieser nach einem Hausbesuch erstellte. Dr.
K. diagnostizierte eine Dysthymie mit Angstsymptomen, einen Verdacht auf Trigeminusneuralgie rechts, eine somatoforme Störung
im Bereich des Bewegungsapparates mit Cephalgien und Vertigosymptomen. Die Klägerin könne noch seit 1. Oktober 2007 leichte
Arbeiten aus wechselnder Ausgangslage, zeitweise im Sitzen, im Tagesschicht, ohne hohe Stressbelastung, zu ebener Erde, ohne
häufiges Bücken, ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, ohne Zwangshaltung und ohne Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr
6 Stunden und mehr täglich sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch als Bankkauffrau verrichten.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Oktober 2007 die Weitergewährung von Rente wegen teilweiser bzw. voller
Erwerbsminderung, Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für die Zeit ab 1. Oktober 2007 ab. Die Klägerin
sei in der Lage, in ihrem bisherigen Beruf als Bankkauffrau sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden täglich
erwerbstätig zu sein.
Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. März wurde der Widerspruch zurückgewiesen. In den
Verhältnissen, die dem Bescheid vom 26. November 2004, mit dem Rente wegen teilweiser Berufsunfähigkeit auf Dauer gewährt
worden sei, zu Grunde gelegen haben, sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Die Klägerin sei nunmehr wieder in der Lage,
ihren bisherigen Beruf als Bankkauffrau mindestens 6 Stunden täglich auszuüben. Gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X sei ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit eine
wesentliche Änderung eingetreten sei. Diese liege in der Änderung des Gesundheitszustands der Klägerin. Dies erfordere eine
Aufhebung der Entscheidung über die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zukunft ab 1. Oktober
2007.
In dem darauf folgenden Klageverfahren (Az. S 27 R 792/08) erhob das SG gemäß §
106 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - Beweis durch Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage von Dr. M., nachdem die Klägerin zunächst erklärt hatte, einen Sachverständigen
nicht aufsuchen zu können und in der Folge auch Termine zur Erstellung eines Gutachtens im Wege des Hausbesuches abgesagt
hatte.
Dr. M. stellte in seinem Gutachten vom 17. August 2008 bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Sensibilitätsstörungen
im Bereich des Nervus infraorbitalis rechts bei Zustand nach Gesichtsschädelverletzung 1997 (funktionell neurologisch unbedeutsam)
2. Verdacht auf atypischen Gesichtsschmerz, wobei dieser jedoch aufgrund der Aktenlage so wenig gut belegt ist und aufgrund
der von der Klägerin nicht wahrgenommenen Behandlungsmöglichkeiten als eher leichtgradig eingeschätzt werden muss 3. leichtgradige
Anpassungsstörung (reaktive Depression vor dem Hintergrund der psychosozialen Konfliktsituation), bei einer eher histrionischen
und kränkbaren Primärpersönlichkeit.
Die Klägerin könne noch leichte und mittelschwere Arbeiten wechselschichtig im Gehen, Stehen und Sitzen im Freien und in geschlossenen
Räumen vollschichtig mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen verrichten. Das Heben und Tragen von schweren Lasten sollte vermieden
werden. Einschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht.
Daraufhin wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13. November 2008 unter Bezugnahme auf das Gutachten von Dr. M. ab. Die Klägerin sei seit
1. Oktober 2007 wieder in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als Bankkauffrau 6 Stunden und mehr tätig zu sein.
Der Verwaltungsakt, mit dem teilweise Erwerbsminderung auf Dauer gewährt worden sei, sei gemäß §
48 Abs.
1 S. 1
SGB VI mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Im darauffolgenden Berufungsverfahren beim Bayerischen Landessozialgericht (Az. L 14 R 1011/08) zog das Gericht u.a. die Schwerbehindertenakten beim Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Oberbayern sowie die Verfahrensakten
beim Bayerischen Landessozialgericht L 15 SB 135/07, die ein orthopädisches Gutachten von Dr. L. und ein neurologisches Gutachten nach Aktenlage von Dr. E. sowie ein nervenärztliches
Gutachten für das SG München vom 1. Februar 2006 von Dr. C. enthalten, bei. Es holte ein nervenärztliches Gutachten von Dr.
B., das im Wege eines Hausbesuchs vom 29. Mai 2009 erstellt wurde, nebst ergänzender Stellungnahme vom 5. Oktober 2009 ein.
Dr. B. stellte bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Zustand nach Fraktur des rechten Orbitabogens der Kieferhöhlenvorder-
und hinterwand sowie des rechten Jochbogens 2. atypischer Gesichtsschmerz (differentialdiagnostisch Trigeminusneuralgie rechts)
3. Dysthymie 4. Narzisstisch geprägte Primärpersönlichkeit mit histrionischer Ausgestaltung 5. Rentenwunsch. Die Klägerin
könne zumindest leichte Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen in geschlossenen Räumen sowie bei Ausschluss von Kälte und Nässe
auch im Freien vollschichtig ausüben. Nicht mehr zumutbar seien das Heben und Tragen schwerer Lasten, häufiges Bücken sowie
Tätigkeiten unter Zeitdruck und Nachtschichttätigkeiten. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit im Telefonbanking sei der Klägerin
6 Stunden und mehr zumutbar. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht.
Das Bayerische Landessozialgericht verurteilte daraufhin mit Urteil vom 22. April 2010 die Beklagte unter Abänderung des Gerichtsbescheids
des SG vom 13. November 2008 sowie des Bescheids der Beklagten vom 30. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
5. März 2008, der Klägerin vom 1. Oktober bis 30. November 2007 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
zu gewähren und wies die Berufung im Übrigen zurück. Die Revision wurde nicht zugelassen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde
der Klägerin hin wurde vom Bundessozialgericht mit Beschluss vom 25. Januar 2011 die Revision zugelassen. In einer Stellungnahme
vom 2. August 2011 erklärte der beratungsärztliche Dienst der Beklagten, bei der Klägerin habe ab Ende der Zeitrente Berufsunfähigkeit
vorgelegen. Daraufhin gab die Beklagte im Rahmen des laufenden Revisionsverfahrens ein von der Klägerin angenommenes "Anerkenntnis"
ab, wonach die Beklagte der Klägerin über den 30. November 2007 hinaus Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze bewilligte. Zugleich erklärte die Beklagte, sie werde über einen am 24. Februar 2011
gestellten und bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens zum Ruhen gebrachten Weitergewährungsantrag entscheiden.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2011 bewilligte die Beklagte in Ausführung des Anerkenntnisses Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit auf Dauer.
Auf Nachfrage der Beklagten erklärte die Klägerin, ihr Antrag vom Februar 2011 beziehe sich grundsätzlich auf die Weiterzahlung
der Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Oktober 2007. Aufgrund der Verschlimmerung ihrer Gesichtsschmerzen ab 2003
habe sie ihre Halbtagsbeschäftigung in der S. nicht mehr ausüben können. Sie sei psychisch und physisch sehr angeschlagen.
Auch bereiteten ihr die Folgen des im Jahr 1976 erlittenen Verkehrsunfalls größere Probleme. So leide sie unter rezidivierenden
Schulterluxationen rechts, Knie- und Hüftproblemen, Kreuzschmerzen, Seh- und Gefäßstörungen.
Mit Bescheid vom 20. August 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 24. Februar 2011
ab. Zugleich erklärte sie, sie habe den Bescheid vom 14. Dezember 2011 aufgrund des Rentenantrags vom 24. Februar 2011 gemäß
§ 44 SGB X nochmals überprüft und festgestellt, dass die Rente in zutreffender Höhe festgestellt worden ist. Auf den hiergegen erhobenen
Widerspruch hin zog die Beklagte weitere Befundberichte bei.
Mit angefochtenem Bescheid vom 6. Dezember 2012 hob die Beklagte den Bescheid vom 20. August 2012 wieder auf und lehnte den
Antrag vom 24. Februar 2011 in seiner Konkretisierung mit Schreiben vom 23. Februar 2012 auf Überprüfung des Bescheids vom
30. Oktober 2007 im Hinblick auf die begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ab. Die Überprüfung des Bescheids vom 30.
Oktober 2007 habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden
sei. Die Rente sei in zutreffender Höhe festgestellt worden. Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe
nicht. Die vorgelegten Befundberichte hätten keine neuen Ergebnisse geben. Ein späterer Leistungsfall für eine Rente wegen
voller Erwerbsminderung habe ebenfalls nicht festgestellt werden können. Das Leistungsvermögen betrage 6 Stunden und mehr
für den allgemeinen Arbeitsmarkt. Dem Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung könne daher nicht entsprochen werden.
Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2013 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum SG unter dem Az. S 15 R 224/13 erhoben und vorgetragen, sie könne mit ihren Behinderungen keine 1 bis 2 Stunden täglich mehr arbeiten. Sie leide unter einer
Trigeminusneuralgie und habe ständig Angst vor Schulterluxationen. Auch bestünden Knieprobleme und Gefäßstörungen.
Das SG hat diverse Befundberichte sowie einen Änderungsbescheid des Versorgungsamtes A-Stadt vom 22. Oktober 2013 beigezogen, wonach
der Grad der Behinderung (GdB) ab 30. Juli 2013 50 beträgt.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. Februar 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch auf Zurücknahme des Bescheids vom 30. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 5. März 2008 gemäß § 44 SGB X. Nach den Feststellungen des Dr. B. im Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht sei die Klägerin bereits
seit Dezember 2006 wieder in der Lage, zumindest leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden täglich
zu verrichten. Aus den eingeholten Befundberichten ergebe sich, dass seitdem keine neuen Tatsachen vorlägen, die geeignet
wären, die Feststellungen von Dr. B. infrage zu stellen.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (Az. L 13 R 113/14) eingelegt und darauf verwiesen, in laufender ärztlicher Behandlung zu sein. Mittlerweile sei ihr ein GdB von 60 zuerkannt
worden.
Der Senat hat diverse Befundberichte beigezogen und ein orthopädisches Gutachten von Dr. B. sowie ein nervenärztliches Gutachten
von Dr. C. eingeholt.
Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 20. August 2014 bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Degeneratives
und fehlstatisches Cervikalsyndrom mit Osteochondrose C5/C6, geringer C4/C5 und Uncarthrose beidseits mit sensibler Dysästhesie
im Sinne einer sensiblen Cervicobrachialgie rechts 2. Habituelle Schulter(sub)luxation rechts bei Zustand nach Oberarmfraktur
mit Oberarmnagelung, mäßiggradige Schultereckgelenksarthrose rechts mit demonstrierter Schulterteilsteife 3. Medialbetonte
und retropatellare Gonarthrose links 4. Beginnende posttraumatische Coxarthrose links nach Oberschenkelfraktur links, Marknagelung
und verbleibender Beinverkürzung links. Initiale Coxarthrose Grad I nach Kellgren rechts.
Die Klägerin sei über den 30. September 2007 hinaus in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten gehend,
stehend und sitzend unter Vermeidung ausschließlichen Gehens und Stehens (mindestens 50 % sitzende Arbeitsanteile) im Freien
und in geschlossenen Räumen vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden seien das Heben und Tragen von schweren Lasten, Arbeiten
aus ungünstigen Wirbelsäulenpositionen heraus, Überkopfarbeiten, Arbeiten unter kraftvollem Einsatz des rechten Arms im Schultergelenk
sowie Arbeiten im oberen Arbeitskreis rechts, kniend, gebückt und gehockt zu erbringende Arbeiten, Arbeiten mit Absturzgefahr
auf Leitern, Treppen und Gerüsten, Arbeiten unter Zeitdruck, am Fließband und im Akkord. Das Restleistungsvermögen der Klägerin
erlaube bei Berücksichtigung der qualitativen Leistungseinschränkungen noch die Verrichtung üblicherweise in ungelernten Tätigkeiten
geforderten Arbeiten. Wesentliche Einschränkungen der Wegefähigkeit bestünden nicht. Die Klägerin könne öffentliche Verkehrsmittel
benutzen.
Dr. C. hat in seinem im Wege eines Hausbesuchs erstellten Gutachten vom 2. März 2015 bei der Klägerin eine Dysthymie und ein
Schmerzsyndrom festgestellt sowie auf die von Dr. B. diagnostizierten Gesundheitsstörungen verwiesen. Die Klägerin könne seit
30. September 2007 auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten, gehend stehend und sitzend, überwiegend sitzend,
im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig verrichten. Akkord- und Schichtarbeiten sowie besondere thermische Bedingungen
(Zugluft), Heben und Tragen schwerer Lasten, Arbeiten aus ungünstigen Wirbelsäulenpositionen heraus, Überkopfarbeiten und
Arbeiten unter kraftvollem Einsatz des rechten Arms, kniend, gebückt und gehockt zu erbringende Arbeiten sowie Arbeiten mit
Absturzgefahr auf Leitern, Treppen und Gerüsten seien nicht mehr möglich. Das Restleistungsvermögen der Klägerin erlaube die
Verrichtung von Tätigkeiten, die üblicherweise in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen. So seien ihr zum Beispiel
Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken sowie Zusammensetzen von
Teilen zumutbar. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Die Klägerin könne ein öffentliches
Verkehrsmittel benutzen. Die Umstellungsfähigkeit der Klägerin sei nicht eingeschränkt.
Hierzu hat die Klägerin erklärt, das Gutachten von Dr. C. enthalte viele Fehler und sei falsch.
Mit Bescheid vom 30. Juli 2015 hat die Beklagte einen weiteren Rentenantrag der Klägerin vom 21. Juli 2015 abgelehnt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts München vom 6. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 31. Januar 2013 zu verurteilen, den Bescheid vom 30. Oktober 2007 zurückzunehmen und der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung
über den 30. September 2007 hinaus entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der erledigten Berufungsakten sowie
der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 6. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2013
zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht keine Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. September 2007 hinaus zu.
Streitgegenstand ist nur der Bescheid vom 6. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2013. Der
Bescheid vom 30. Juli 2015, mit dem die Beklagte den neuerlichen Rentenantrag der Klägerin vom 21. Juli 2015 abgelehnt hat,
wurde nicht gemäß §
96 SGG Gegenstand des laufenden sozialgerichtlichen Verfahrens. Denn dieser Bescheid hat nicht im Sinne des §
96 SGG den Ablehnungsbescheid vom 6. Dezember 2012 abgeändert oder ersetzt. Eine Änderung liegt vor, wenn ein Verwaltungsakt teilweise
aufgehoben und durch eine neue Regelung ersetzt wird, eine Ersetzung, wenn ein neuer Verwaltungsakt ganz an die Stelle des
alten tritt (Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, § 96 Rn. 4 m.w.N.). Eine Abänderung oder Ersetzung liegt dabei grundsätzlich
nur dann vor, wenn die Beschwer des Betroffenen gemindert oder vermehrt wird. Mit dem Bescheid vom 6. Dezember 2012 hat die
Beklagte im Ergebnis zum einen den Antrag vom 24. Februar 2011 als Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X im Hinblick auf den Ablehnungsbescheid vom 30. Oktober 2007 ausgelegt und diesen Antrag zu Recht abgelehnt und zugleich aber
diesen Antrag auch als erneuten Rentenantrag ausgelegt und abgelehnt. Mit Bescheid vom 30. Juli 2015 hat die Beklagte hingegen
allein den Antrag vom 21. Juli 2015 auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt. Dadurch wurde die auf andere
Anträge bezogene ablehnende Entscheidung vom 6. Dezember 2012 weder ganz noch teilweise aufgehoben und durch eine neue Regelung
ersetzt, sondern vielmehr - bezogen auf einen späteren Zeitpunkt - bestätigt. Eine analoge Anwendung der Bestimmung ist seit
deren Neufassung zum 1. Januar 2008, wonach eine Einbeziehung nur in Fällen der Änderung und Ersetzung möglich ist, nicht
mehr zulässig. Die Notwendigkeit einer Einbeziehung ergibt sich auch nicht aus der Gefahr einer doppelten gerichtlichen Prüfung
mit eventuell widersprüchlichen Entscheidungen. Denn aus Sicht des Senats ist der neuerliche Rentenantrag der Klägerin vom
21. Juli 2015 mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, da auch über einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung für die
Zeiten ab Juli 2015 vom Senat zu entscheiden ist.
Die Beklagte hat zu Recht den Überprüfungsantrag der Klägerin und zugleich den neuerlichen Rentenantrag vom 24. Februar 2011
abgelehnt. Der Klägerin steht keine Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. September 2007 hinaus zu.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden
sind, ist gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Die Beklagte
hat mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 30. Oktober 2007 zurückzunehmen, soweit mit diesem
die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. September 2007 abgelehnt worden war. Der Klägerin steht
ab diesem Zeitpunkt keine Rente wegen voller Erwerbsminderung mehr zu.
Gem. §
43 Abs.
2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten
fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit
haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter
den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert
ist gem. §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein
kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Für den Senat steht aufgrund des im Verfahren L 14 R 1011/08 eingeholten Gutachten des Dr. B. vom 29. Mai 2009 sowie der im anhängigen Verfahren eingeholten Gutachten von Dr. B. und
Dr. C. fest, dass die Klägerin seit 1. Oktober 2007 wieder in der Lage ist, mindestens 6 Stunden täglich zumindest leichte
Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.
Im Vordergrund stehen bei der Klägerin Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem und orthopädischem Fachgebiet.
Bei der Begutachtung der Klägerin durch Dr. B. im April 2009 widersetzte sie sich einer körperlichen Untersuchung. Auch einer
Blutabnahme zum Zwecke einer Laboruntersuchung gestattete die Klägerin nicht unter Hinweis darauf, sie habe bereits viele
Spritzen erhalten. In psychopathologischer Hinsicht war sie bewusstseinsklar und orientiert. Ihre Grundstimmung war dysphorisch.
Sie war überaus klagsam, aber nicht eigentlich depressiv, sondern eher unzufrieden. Affektiv war die Klägerin leichtgradig
eingeengt. Der Antrieb erschien gemindert. Nennenswerte kognitive Defizite ergaben sich nicht, soweit dies für den Sachverständigen
angesichts der unzureichenden Mitarbeit der Klägerin überprüfbar war. Auch die Gedächtnisleistungen waren ausreichend erhalten.
Die intellektuelle Leistungsfähigkeit der Klägerin liegt im Bereich der mittleren Norm. Es zeigte sich eine hochgradig narzisstisch
gestörte, histrionisch und asthenisch geprägte Primärpersönlichkeit mit anankastischen und querulatorischen Zügen.
Nach den für den Senat nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. B. steht die sich aus diesem Befund abzuleitende chronische
dysthyme Störung einer täglichen mindestens 6-stündigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht entgegen. Ein schweres
depressives Syndrom liegt bei der Klägerin nicht vor. Hiergegen spricht auch die kämpferische Haltung der Klägerin in Bezug
auf das sozialgerichtliche Verfahren sowie auf einen Rechtsstreit mit ihrem früheren Ehemann. Eine suffiziente Therapie wird
von der Klägerin nicht durchgeführt. Dies gilt auch in Bezug auf das von ihr in den Vordergrund gerückte Schmerzsyndrom im
Bereich der rechten Gesichtshälfte. Nach den Feststellungen von Dr. B. handelt es sich insoweit am ehesten um eine Trigeminus-
Neuropathie bzw. einen atypischen Gesichtsschmerz. Allerdings ist, so Dr. B., kaum nachvollziehbar, dass die Klägerin bereits
seit einigen Monaten auf die Einnahme eines Schmerzmedikaments verzichtet, da eine Schmerzsymptomatik im Zusammenhang mit
einer Trigeminusneuralgie so intensiv ist, dass Betroffene sich in aller Regel durch nichts davon abbringen lassen, eine dagegen
wirksame Substanz einzunehmen. Gänzlich untypisch ist es auch, dass die nach Angaben der Klägerin ein- bis zweimal pro Tag
für ein bis zwei Minuten auftretenden Gesichtsschmerzen zu einem völligen Erschöpfungszustand führen. Die Klägerin macht geltend,
dass dieses Schmerzsyndrom praktisch ihr gesamtes Leben beherrsche und sie zu praktisch nichts mehr in der Lage sei. Dies
steht aber nicht in Einklang damit, dass sie durchaus in der Lage ist, gemeinsam mit ihrem Ehemann zu einem Familienfest zu
fahren und Urlaube in Südtirol zu verbringen.
Bestätigt wurde die Leistungsbeurteilung des Dr. B. durch die Ausführungen von Dr. C. und Dr. B ...
Die neurologische Untersuchung der Klägerin bei Dr. C. erbrachte Angaben einer Hautgefühlsminderung im Bereich der rechten
Wange entsprechend dem Versorgungsgebiet des 2. Trigeminusastes. Motorische Trigeminus-Ausfälle lagen nicht vor. Im Übrigen
war der neurologische Untersuchungsbefund unauffällig. Soweit die Klägerin ihren rechten Arm bei der Überprüfung der Motorik
im rechten Schultergelenk aus Angst vor einer erneuten Luxation nicht bewegte, hatte dies keine periphere Nervenschädigung
zur Ursache. Trophische Störungen am rechten Arm ließen sich von Dr. C. nicht positivieren. Die spricht nach seiner, den Senat
überzeugenden Einschätzung für einen normalen Einsatz des rechten Arms.
In psychiatrischer Hinsicht war die Klägerin auf die Schmerzsymptomatik fixiert, die Stimmung war vorwürflich, dysthym verstimmt,
allerdings nicht depressiv. Eine Antriebsminderung zeigte sich gegenüber Dr. C. nicht, die Klägerin wirkte vielmehr verbittert,
latent gereizt sowie missmutig-dysphorisch. Hirnorganische Einschränkungen fanden sich nicht. Auch Dr. C. hat es als nicht
nachvollziehbar erachtet, dass sich die Klägerin ungeachtet des von ihr angegebenen hohen Leidensdrucks in Bezug auf den Gesichtsschmerz
nicht in ärztlicher Behandlung befindet und auch keine Medikamente einnimmt. Bereits seit mehreren Jahren erfolgt auch keine
psychiatrische Behandlung mehr. Eine Leidensverschlechterung ist nach den Feststellungen von Dr. C. nicht eingetreten und
auch für den Senat nicht erkennbar.
Die Einwendungen der Klägerin gegen das Gutachten von Dr. C. im Schriftsatz vom 26. April 2015 stellen das von Dr. C. nachvollziehbar
beschriebene Leistungsbild nicht infrage. Die Einwendungen betreffen völlig untergeordnete Details etwa des tätlichen Angriffs
durch den ersten Ehemann im Jahr 1997 oder der Familienverhältnisse (Geburtsdatum der Tochter, Stadtteil, in dem sich der
Wohnsitz der Klägerin befindet u.ä.m.).
Auch nach der Einschätzung von Dr. C., der sich der Senat anschließt, ergibt sich aus diesem Befund keine tragfähige Begründung
für eine Einschränkung der quantitativen Leistungsfähigkeit der Klägerin für zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarkts.
Dies gilt auch bei Mitberücksichtigung der Gesundheitsstörungen der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet. Bei der Untersuchung
der Klägerin durch Dr. B. war diese in einem regelgerechten Allgemein- und normalen Ernährungszustand. Haut und sichtbare
Schleimhäute waren gut durchblutet, es zeigten sich kein Ikterus, keine Zyanose und keine allgemeinen Gewebswassereinlagerungen.
Die Pulse waren allseits gut tastbar, der Tonus der peripheren Muskulatur war normal. Die Haltung war gerade, das Entkleiden
erfolgte selbsttätig ohne Hilfestellung.
Die Wirbelsäule der Klägerin befand sich im Lot bei Beckengeradstand. Die Bewegungen waren flüssig und unauffällig, die paravertebrale
Muskulatur war regulär ausgebildet. Die Halswirbelsäule war in allen Freiheitsgraden frei beweglich. Radiologisch zeigte sich
ein fortgeschrittenes fehlstatisches und degeneratives Syndrom. Dies bedingt nach den Vorstellungen von Dr. B. den Ausschluss
von schweren Hebe- und Tragebelastungen sowie von Überkopfarbeiten.
Das Vornüberneigen der Brust- und Lendenwirbelsäule führte die Klägerin mäßig zügig aus. Das Wiederaufrichten aus der Vorneige
gelang jedoch aus rückeneigener Kraft. Links- und Rechtsrotation sowie Lateralflexion waren reduziert. Die besonderen Standarten
konnten von der Klägerin beidseits problemlos ausgeführt werden. In neurologischer Hinsicht zeigten sich reguläre Reflexe,
das Zeichen nach Laségue war beidseits negativ, den Langsitz konnte die Klägerin schmerzfrei einnehmen. Leistungseinschränkungen
resultieren aus diesem Befund nicht.
An den oberen Extremitäten waren sämtliche Gelenkskonturen symmetrisch. Muskelathropien konnte Dr. B. ebenso wenig feststellen
wie Weichteilschwellungen oder Ergussbildungen. Die Funktionsgriffe der Schulter (Überkopf-, Nacken- und Schürzengriff) waren
der Klägerin links frei durchführbar, rechts nur der Schürzengriff mit Einschränkungen. Die grobe Kraft war beidseits nicht
gemindert, beide Schultergelenke zeigten sich bandstabil und nicht druckdolent. Die Impingementzeichen waren beidseits negativ,
eine kraftvolle Abduktion war beidseits möglich. Hinweise für eine Rotatorenmanschettenruptur lagen nicht vor.
Die von der Klägerin hauptsächlich vorgetragenen Beschwerden im Bereich der rechten Schulter gehen auf eine Polytraumatisierung
im Jahr 1976 mit Oberarmfraktur zurück. Es zeigte sich bei Dr. B. ein unklares Bild einer aktiven Schulterteilsteife. Nach
den Ausführungen des erfahrenen Sachverständigen war die körperliche Untersuchung der Klägerin nicht vollständig und frei
möglich, da jedwede Hochrotation, Abduktion in Richtung Horizontale sowie kombinierte Außenrotation mit einer starken muskulären
Gegenspannung beantwortet wurde. In radiologischer Hinsicht war das Schulterhauptgelenk völlig unauffällig. Es war lediglich
eine leichtgradige, das Beschwerdebild jedoch nicht erklärende Schultereckgelenksarthrose zu erkennen. Auffälliges ist auch
eine beidseits erhaltene normale Muskelummantelung sowie eine reguläre Handinnenflächenbeschwielung. Eine starke Einschränkung
der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand lässt sich damit nicht objektivieren. Auch das von der Klägerin demonstrierte Tragen
einer Schulterschlinge rechts ist völlig kontraproduktiv. Soweit eine habituelle Schultersubluxationsneigung vorliegt, ist
eine reine Ruhigstellung zu vermeiden und stattdessen ein Aufbautraining mit Kräftigung der schulterstabilisierenden Muskulatur
angezeigt. Nach der Einschätzung von Dr. B., der sich der Senat anschließt, ist die Klägerin jedenfalls im unteren Arbeitskreis
etwa mit leichten Schreibarbeiten einsetzbar. Ausgeschlossen sind nachvollziehbar das Heben und Tragen von schweren Lasten
sowie Arbeiten aus der Überkopfposition heraus.
An den unteren Extremitäten zeigte sich eine anlaufende mediale und retropatellare Kniegelenksarthrose links mit deutlicher
medialer Höhenminderung des Gelenks und entsprechenden degenerativen Umbauveränderungen am Knochen. Allerdings haben diese
radiologisch nachweisbaren degenerativen Prozesse bisher nur zu einer endgradigen Beugebehinderung bei ansonsten freier Beweglichkeit
geführt. Ein Erguss lag nicht vor, die Bandführung war stabil. Auch insoweit ist die von der Klägerin vorgenommene Ruhigstellung
durch eine Kniebandage kontraproduktiv und stattdessen eine krankengymnastische Übungsbehandlung zur Kräftigung der knieumgreifenden
Muskulatur sinnvoll. Kniebelastende Tätigkeiten sind bei diesem Befund zu vermeiden.
An den Hüftgelenken zeigte sich eine leicht vorauseilende Arthrose links mit einer konzentrischen Bewegungseinschränkung und
entsprechenden Rotationsschmerzen. Das Zeichen nach Trendelenburg war jedoch noch negativ, das Gangbild nicht hüfthinkend.
Die rechte Hüfte zeigte nur initiale Verschleißerscheinungen ohne klinisch fassbare Bewegungseinschränkungen.
Nach alledem ist der Senat in Übereinstimmung mit allen Sachverständigen davon überzeugt, dass die Klägerin seit 1. Oktober
2007 noch mindestens 6 Stunden täglich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verrichten kann.
Trotz dieses festgestellten Leistungsvermögens der Klägerin von 6 Stunden und mehr für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt wäre ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung jedoch dann gegeben, wenn bei ihr eine
Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegen würde und
der Klägerin keine Tätigkeit benannt werden könnte, die sie trotz ihrer qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens
6 Stunden täglich verrichten kann.
Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint die Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein
weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B5 RJ 64/02 R). Als Beispiel hierfür ist etwa die Einarmigkeit eines Versicherten zu nennen.
Das Merkmal "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Vielzahl
von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche
Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. In diesen Fällen besteht die Verpflichtung, ausnahmsweise eine
konkrete Tätigkeit zu benennen, weil der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten
keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende
Anzahl von Arbeitsplätzen gibt oder ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG Urteil vom 10. Dezember 2003, B5 RJ 64/02 R, in [...]).
Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt bei der Klägerin jedoch ebenso wenig vor wie eine Summierung ungewöhnlicher
Leistungseinschränkungen. Bei ihr besteht weder ein besonderer Pausenbedarf noch ist die Beweglichkeit der oberen Extremitäten
relevant eingeschränkt. Im unteren Arbeitskreis gibt es keinerlei qualitative Leistungseinschränkungen, lediglich Überkopfarbeiten
oder schwere Hebe- und Tragebelastungen sind ausgeschlossen. Die von Dr. C. und Dr. B. genannten qualitativen Leistungseinschränkungen,
die oben im Sachverhalt wiedergegeben sind und von denen der Senat ausgeht, sind darüber hinaus weder zahlreich noch schränken
sie den möglichen Einsatzbereich der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erheblich ein. Dr. C. hat darüber hinaus ausdrücklich
bestätigt, dass die Klägerin noch in der Lage ist, die Tätigkeiten zu verrichten, die üblicherweise in ungelernten Tätigkeiten
verrichtet zu werden pflegen (z.B. Zureichen, Abnehmen usw.). Dr. B. hat ausdrücklich leichte Schreibarbeiten für zumutbar
erachtet. Schließlich ist auch die Wegefähigkeit der Klägerin nach der übereinstimmenden Einschätzung von Dr. B., Dr. C. und
Dr. B. erhalten. Das Gangbild der Klägerin war nach den Feststellungen von Dr. B. zwar zögerlich, aber hinkfrei. Damit ist
der allgemeine Arbeitsmarkt für die Klägerin sicher nicht verschlossen.
Nach alledem steht der Klägerin über den 30. September 2007 hinaus keine Rente wegen voller Erwerbsminderung mehr zu. Die
Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht den Überprüfungsantrag sowie den neuerlichen Rentenantrag der Klägerin
vom 24. Februar 2011 abgelehnt.
Die Berufung war damit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§§
183,193
SGG) berücksichtigt, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. §
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.