Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Kein Härtefallmehrbedarf aufgrund von Pflichtbeiträgen selbständiger Künstler zur gesetzlichen
Rentenversicherung; Kein Mehrbedarf bei die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten übersteigenden Unterhaltszahlungen
Tatbestand
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld II für die Zeit von November 2011 bis Februar 2012. Er macht insbesondere einen
Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II geltend wegen Pflichtbeiträgen, die er als Künstler an die gesetzliche Rentenversicherung leisten musste.
Der im Jahr 1977 geborene alleinlebende Kläger beantragte erstmals im August 2011 Arbeitslosengeld II beim Beklagten. Bereits
zum Oktober 2011 schied der Kläger wegen Einkommenserzielung aus dem Leistungsbezug wieder aus. Im November 2012 stellte der
Kläger erneut einen Leistungsantrag. Der Kläger war in der strittigen Zeit fortlaufend selbständig als Tontechniker und Musiker
erwerbstätig. Über Vermögen verfügte er laut Leistungsantrag nicht, auch nicht über ein Auto.
Für ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft hatte er monatlich 250,- Euro Kaltmiete und 50,- Euro an Nebenkosten einschließlich
Gasheizung und zentraler Warmwassererzeugung zu bezahlen.
Mit an den Kläger gerichteten Bescheid vom 22.06.2012 setzte die beigeladene B. (KSK) auf der Berechnungsgrundlage eines voraussichtlichen
Jahreseinkommens von 20.200,- Euro die Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit ab Juni 2012 fest, darunter 164,97 Euro monatlich
für die gesetzliche Rentenversicherung. Am 21.11.2012 teilte der Kläger der KSK ein neues voraussichtliches Jahresarbeitseinkommen
von 15.450,- Euro mit. Mit Bescheid der KSK vom 16.01.2013 wurde der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung ab 01.01.2013
auf monatlich 121,67 Euro festgesetzt. Mit einem weiteren Bescheid der KSK wurde die Versicherungspflicht nach § 1 KSVG zum 31.03.2013 beendet.
Für seine zwei Kinder (N. geb. 2000 und S. geb. 2002) zahlte der Kläger jeden Monat, nicht jedoch im November 2012, Barunterhalt
von 606,- Euro. Die Unterhaltsverpflichtungen waren durch Urkunden des Jugendamts vom 12.06.2012 auf monatlich 334,- Euro
für N. bzw. 272,- Euro für S. festgelegt.
Mit Bescheid vom 19.11.2012 wurden vorläufig Leistungen von monatlich 758,04 Euro für November und Dezember 2012 bewilligt.
Die Unterkunftskosten wurden in voller Höhe als Bedarf anerkannt. Der Unterhalt wurde als Abzugsposten berücksichtigt. Für
die Kranken- und Pflegeversicherung wurden Zuschüsse nach § 26 SGB II bewilligt.
Mit Änderungsbescheid vom 12.12.2012 wurden für die Monate November und Dezember 2012 wegen Pflichtversicherung die Zuschüsse
nach § 26 SGB II gestrichen und das Alg II auf jeweils 603,60 Euro festgesetzt und wiederum vorläufig bewilligt.
Mit Bescheid vom 07.01.2013 wurden für Januar und Februar 2012 jeweils vorläufig 682,- Euro an Alg II bewilligt, davon 382,-
Euro für den Regelbedarf und 300,- Euro für die Unterkunft.
Mit Schreiben vom 15.01.2013 stellte der Kläger im Januar 2013 beim Beklagten einen Antrag auf Mehrbedarf. Er müsse für die
Rentenversicherung pro Monat 150,- Euro an die B. bezahlen. Außerdem benötige er monatlich 50,- Euro für Fahrtkosten wegen
der Arbeit und 292,- Euro für den Steuerberater, der die Steuererklärung für 2011 erstellen solle.
Mit Bescheid vom 21.01.2013 lehnte der Beklagte einmalige Beihilfen für Fahrtkosten und Steuerberaterkosten ab. Diese könnten
nur als Betriebsausgaben abgesetzt werden. Auch die Gewährung eines Mehrbedarfs für die Rentenversicherungsbeiträge wurde
abgelehnt.
Mit Schreiben vom 15.02.2012 widersprach der Kläger der Ablehnung der Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge. Er müsse
Rentenversicherungsbeiträge bezahlen, erhalte dafür aber keine Leistungen des Beklagten. Die Gesetze seien fehlerhaft und
würden ihn in den Ruin treiben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2013 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zum 01.01.2011 seien durch das
Haushaltbegleitgesetz 2011 die Rentenversicherungspflicht der Bezieher von Alg II, die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
(§
6 Abs.
1b SGB VI) und der Zuschuss für Rentenversicherungsbeiträge (§ 26 Abs. 1 SGB II) aufgehoben worden. Rentenversicherungsbeiträge könnten lediglich gemäß § 11b Abs. 1 SGB II vom Einkommen abgesetzt werden.
Im April 2012 legte der Kläger eine endgültige Aufstellung seines Einkommens aus selbständiger Tätigkeit vor. Er erzielte
Einnahmen von 400,- Euro im November 2012, 500,- Euro im Dezember 2012, 1.163,- Euro im Januar 2013 und 1.202,- Euro im Februar
2013, insgesamt also 3.265,- Euro an Betriebseinnahmen. Als Betriebsausgaben wurden lediglich Monatsfahrkarten für öffentliche
Verkehrsmittel (je 49,70 Euro im November und Dezember, 48,10 Euro im Januar und 51,50 Euro im Februar) geltend gemacht, die
in voller Höhe anerkannt wurden. Der verbleibende Gewinn von 3.066,- Euro wurde auf vier Monate aufgeteilt und jeweils 766,50
Euro als Einkommen aus Selbständigkeit angesetzt.
Mit Bescheid vom 09.04.2013 (1) wurde das Alg II für November und Dezember 2012 auf jeweils 646,80 Euro endgültig festgesetzt.
Die Kosten der Unterkunft von 300,- Euro sowie 374,- Euro für Regelbedarf wurden als Bedarf anerkannt. Für jeden Monat wurden
766,50 Euro als Einkommen angesetzt, um den Grundfreibetrag von 100,- Euro, um weiteren prozentualen Freibetrag von 133,30
Euro sowie den monatlichen Unterhalt von 606,- Euro bereinigt. Damit verblieben monatlich 27,20 Euro als anrechenbares Einkommen.
Ein Zuschuss zu Sozialversicherungsbeiträgen wurde nicht anerkannt.
Mit Bescheid vom 09.04.2013 (2) wurde für November und Dezember 2012 eine Erstattung von jeweils 111,24 Euro nach endgültiger
Leistungsfestsetzung verfügt.
Mit Bescheid vom 09.04.2013 (3) wurde das Alg II für Januar und Februar 2013 auf jeweils 654,80 Euro endgültig festgesetzt.
Die Berechnung erfolgte in gleicher Weise wie zuvor jedoch mit einem Regelbedarf von je 382,- Euro.
Mit Bescheid vom 09.04.2013 (4) wurde für Januar und Februar 2013 eine Erstattung von jeweils 27,20 Euro nach endgültiger
Leistungsfestsetzung verfügt.
Bereits am 22.03.2013 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht München. Es gehe ihm um die Rentenversicherungsbeiträge, die
er bezahlen müsse, aber dafür keine Leistungen erhalte. Wenn er wieder aus dem Leistungsbezug ausscheide, müsse er diese Beiträge
nachzahlen, sonst sei er später nicht versichert.
Das Sozialgericht lud die B. wegen Interessensberührung bei.
Mit Urteil vom 17.12.2013 hob das Sozialgericht den Bescheid vom 21.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.03.2013
auf. Ferner verurteilte es den Beklagten dazu, den Bescheid vom 19.11.2012 in Gestalt der Bescheide vom 12.12.2012 und vom
17.01.2013 teilweise aufzuheben und dem Kläger für die Zeit von 01.11.2012 bis 28.02.2013 höhere Leistungen zu gewähren mit
der Maßgabe, dass der monatliche Pflichtbetrag des Klägers zur gesetzlichen Rentenversicherung als Mehrbedarf berücksichtigt
werde, soweit er nicht gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II SGB II vom Einkommen abzusetzen sei.
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld II bilde einen einheitlichen Anspruch. Eine isolierte Entscheidung über einen Mehrbedarf
sei nicht zulässig. Es handle sich beim Ablehnungsbescheid um eine Ablehnung eines Antrags auf Überprüfung der bewilligten
Leistung nach § 44 SGB X. Dem Kläger stünden aber höhere Leistungen zu, weil für die Rentenbeiträge ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II anzuerkennen sei soweit dieser nicht gemäß § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II vorrangig vom Einkommen abzuziehen sei. Es handle sich um eine atypische Bedarfslage, weil der Kläger als Künstler nach dem
Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliege; ein Ausnahmetatbestand nach §§ 3 ff KSVG liege nicht vor. Dieser Bedarf könne nicht auf andere Weise gedeckt werden. Die Berufung wurde ausdrücklich zugelassen. Das
Urteil wurde dem Beklagten am 14.01.2014 zugestellt.
Der Beklagte hat am 07.02.2014 Berufung eingelegt. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs
nach § 21 Abs. 6 SGB II. Die Rentenbeiträge dienten schon nicht der Sicherung des Lebensunterhalts. Auch Sozialversicherungsbeiträge, die für Leistungsbezieher
an die Sozialversicherungsträger gezahlt werden, seien kein Bestandteil des Alg II. Der Kläger könne die Beiträge aus seinem
Einkommen bezahlen und es obliege ihm, sein voraussichtliches Jahreseinkommen gegenüber der B. zu korrigieren.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. Dezember 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und weit überwiegend begründet, weil die zulässige Klage weit überwiegend unbegründet war. Lediglich
im Dezember 2012 stehen dem Kläger weitere 27,20 Euro zu. Auf die Frage, ob die Rentenversicherungsbeiträge ein Mehrbedarf
nach § 21 SGB II sind, kommt es nur im Monat Dezember 2012 an, jedoch ist ein Mehrbedarf zu verneinen.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Die Berufung wurde vom Sozialgericht ausdrücklich zugelassen, so dass es auf den Berufungsstreitwert nach §
144 Abs.
1 SGG nicht ankommt.
Zu den Beteiligten ist festzustellen, dass die zu Recht nach §
75 Abs.
1 Satz 1
SGG einfach beigeladene KSK die Sozialversicherungsbeiträge gemäß KSVG verwaltet und bezuschusst, selbst aber kein Sozialversicherungsträger ist.
2. Zulässiger Streitgegenstand sind nur noch die vier Bescheide vom 09.04.2013. Die beiden endgültigen Bewilligungsbescheide
haben die vorläufigen Bewilligungs- und Änderungsbescheide und den Überprüfungsbescheid gemäß §
96 SGG ersetzt. Die endgültige Festsetzung erledigt die vorläufige Bewilligung auf sonstige Weise nach § 39 Abs. 2 SGB X (BSG, Urteil vom 22.08.2012, B 14 AS 13/12 R, Rn. 12). Dies gilt auch für den Überprüfungsbescheid. Das Sozialgericht hat anscheinend von den endgültigen Festsetzungen
entgegen §
96 Abs.
2 SGG keine Mitteilung erhalten.
Wie das Sozialgericht zutreffend ausführt, kann über einen Mehrbedarf nach § 21 SGB II nicht isoliert entschieden werden. Ein Mehrbedarf ist ein Bedarfselement für die Berechnung des gesamten Leistungsanspruchs.
Ein Antrag auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs in einer laufenden Bewilligung ist daher als Antrag auf Überprüfung der
laufenden Bewilligung wegen eines Mehrbedarfs gemäß § 44 SGB X zu werten. Eine isolierte Ablehnung des Mehrbedarfs ist als ablehnender Überprüfungsbescheid mit dem Inhalt "keine höheren
Leistungen wegen Mehrbedarf" zu werten. Da der Überprüfungsantrag im Januar 2013 gestellt wurde und sich auf die Zeit ab dem
erneuten Leistungsbeginn im November 2012 bezog geht das Berufungsgericht davon aus, dass davon die beiden Bewilligungszeiträume
für November und Dezember 2012 sowie Januar und Februar 2013 betroffen sind.
3. Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs.
4 SGG. Der Kläger begehrt höhere Leistungen als ihm gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. §
328 SGB III endgültig bewilligt wurden. Daneben wendet er sich mit der isolierten Anfechtungsklage gegen die mit den beiden Erstattungsbescheiden
geforderten Rückzahlungen.
Wegen der isolierten Anfechtungsklage gegen die Erstattungsbescheide ist ein Grundurteil nach §
130 Abs.
1 SGG nicht zulässig. Ein Grundurteil ist auch im zulässigen Bereich problematisch, wenn die Leistungsberechnung komplex ist und
von vielen Faktoren abhängt. Dass die Beteiligten nur über einen von vielen Berechnungsfaktoren streiten, bedeutet weder,
dass die Berechnung im Übrigen richtig ist noch dass es auf den strittigen Faktor ankommt.
4. Weil nach einer bestandskräftigen vorläufigen Bewilligung bei einer endgültigen Festsetzung nach §
328 Abs.
3 SGB III kein Vertrauensschutz nach §§ 45 ff SGB X besteht, ist ohne Bindung an die vorläufigen Bewilligungen zu prüfen, ob dem Kläger ein höherer Leistungsanspruch zusteht
als der, der endgültig bewilligt wurde. Falls ja, ist der zugehörige Erstattungsbescheid ebenfalls zu ändern.
Der Kläger erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Im strittigen Zeitraum hatte der Kläger das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, er war erwerbsfähig sowie hilfebedürftig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland.
Für die einzelnen Monate ist der Leistungsanspruch des Klägers durch Gegenüberstellung von Bedarf und anrechenbarem Einkommen
zu ermitteln.
a) Anspruch im November 2012
Das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit berechnet sich nach §§ 11, 11b SGB II und § 3 Alg II-V.
Nach § 3 Alg II-V ist das Einkommen des Klägers für den Bewilligungszeitraum zu ermitteln. Dieser umfasst ausweislich des Bescheids vom 19.11.2012,
der Änderungsbescheids vom 12.12.2012 und der endgültigen Festsetzung vom 09.04.2013 (3) nur die beiden Monate November und
Dezember 2012. Dies ist zwar im Vergleich zur Regelbewilligung für sechs Monate (§ 41 Abs. 1 S. 4 SGB II) ungewöhnlich kurz, aber verbindlich weil nicht angefochten und im Übrigen wohl der selbständigen Tätigkeit und der bewilligungslosen
Zeit davor geschuldet. Im Bewilligungszeitraum November/Dezember 2012 hatte der Kläger 400,- plus 500,- Euro an Betriebseinnahmen,
§ 3 Abs. 1 S. 1 Alg II-V.
Davon sind notwendige Ausgaben ("echte Betriebsausgaben") abzuziehen, § 3 Abs. 2 Alg II-V. Der Kläger macht 49,70 Euro für Monatsfahrkarten des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) geltend. Dies kann aber nicht
anerkannt werden, weil die ausschließliche betriebliche Nutzung der Monatsfahrkarten nicht nachgewiesen ist. Der Kläger hatte
kein Auto und nur gelegentlich Arbeitseinsätze. Daher erfolgt kein Abzug dieser Ausgaben. Im Monat November wäre aber auch
dieser Abzug nicht entscheidungserheblich.
450,- Euro pro Monat sind als Einkommen nach § 3 Abs. 4 S. 1 Alg II-V anzusetzen.
Nach § 3 Abs. 4 S. 3 Alg II-V erfolgt dann die Bereinigung nach § 11b SGB II. Dabei sind abzuziehen: Keine Steuern, 167,97 Euro Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, 100,- Euro Grundfreibetrag
nach § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II (hierhin würden auch Fahrtkosten zur Betriebsstätte gehören, BSG, Urteil vom 05.06.2014, B 4 AS 31/13 R, Rn. 17), 70,- Euro prozentualer Freibetrag für 20 % zwischen 100,- und 450,- Euro, kein Unterhalt, da dieser im November
nicht gezahlt wurde. Dies ergibt zusammen 337,97 Euro an Abzügen.
112,03 Euro verbleiben als anrechenbares Einkommen.
Der Bedarf berechnet sich aus dem Regelbedarf von monatlich 374,- Euro und den tatsächlichen Kosten der Unterkunft von 300,-
Euro, zusammen 674,- Euro.
Abzüglich 112,03 Euro Einkommen bleiben 561,97 Euro als Leistungsanspruch.
Es wurden aber bereits endgültig 646,80 Euro bewilligt, also 84,83 Euro zu viel. Der Kläger hat keinen weiteren Anspruch.
Die 167,97 Euro für die Rentenversicherung können für November schon deswegen kein Mehrbedarf sein, weil sie hier als Absetzposten
beim Einkommen anerkannt wurden.
b) Anspruch im Dezember 2012
Der Gewinn nach § 3 Abs. 4 Alg II-V berechnet sich wie zuvor mit 450,- Euro.
Bei der Bereinigung nach § 11b SGB II kommt zu den vorgenannten Absetzbeträgen von zusammen 337,97 Euro eine weiterer Abzug von 606,- Euro für die tatsächlich
erfolgte Unterhaltszahlung aufgrund des Unterhaltstitels nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 7 SGB II. Der Unterhaltstitel war die Urkunde des Jugendamtes nach § 59 Abs. 1 Nr. 3, § 60 SGB VIII. Dies ergibt zusammen 943,97 Euro an Abzügen. Es ist daher kein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit anrechenbar.
Der Bedarf berechnet sich aus dem Regelbedarf von monatlich 374,- Euro und den tatsächlichen Kosten der Unterkunft von 300,-
Euro, zusammen 674,- Euro. In dieser Höhe besteht sein Anspruch auf Alg II.
Die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 167,97 Euro sind kein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II (Härtefallmehrbedarf).
Der Kläger war als Künstler trotz des Bezugs von Alg II der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß
§
2 Satz 1 Nr. 5
SGB VI i.V.m. §§ 1 bis 4 KSVG unterworfen und hatte einen Beitrag in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Beitrags zu zahlen nach §§
157 ff
SGB VI (§
165 Abs.
1 Nr.
3 SGB VI). Beim Jahresarbeitseinkommen von 20.200,- Euro und 9,8 % Beitragsanteil waren dies monatlich 164,97 Euro entsprechend dem
Bescheid der KSK vom 22.06.2012.
Ein Bedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II müsste unverzichtbar sein und zum Existenzminimum gehören (vgl. Schmidt in Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 21 SGB II Rn. 61). Es handelt sich schon um keinen gegenwärtigen Bedarf zur Existenzsicherung. Der Kläger begehrt die Übernahme von
Rentenversicherungsbeiträgen. Diese sind nicht selbst aktuell existenzsichernd. Dies zeigt sich auch darin, dass die geringen
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung bei Leistungsbezug nach SGB II zum 01.01.2011 gestrichen wurden.
Es handelt sich auch nicht um einen unabweisbaren Bedarf.
Der Kläger hätte zunächst gemäß § 12 Abs. 3 KSVG die Verringerung des voraussichtlichen Jahresarbeitseinkommens mitteilen können und dadurch seine Beitragslast zum nächsten
Monatsersten senken können.
Der Kläger hätte im zivilrechtlichen Verfahren gemäß §
323 ZPO die Abänderung des Unterhaltstitels, hier der Urkunde des Jugendamt nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 60 SGB VIII, anstreben können (vgl. BSG, Urteil vom 09.11.2010, B 4 AS 78/10 R, Rn. 14). Er war nicht leistungsfähig für eine Unterhaltszahlung von monatlich 606,- Euro. Die Möglichkeit, titulierten
Unterhalt von Einkommen nach § 11b Abs. 1 Nr. 7 SGB II abzusetzen, macht Unterhaltszahlungen auf einen nicht der Realität entsprechenden Unterhaltstitel nicht zu einem existenzsichernden
(Mehr-)Bedarf des Unterhaltsverpflichteten.
Es kann sein, dass durch Wegfall oder die Reduzierung der Unterhaltszahlungen die Kinder selbst hilfebedürftig werden. Das
ist aber durch entsprechende Leistungen für die Kinder zu regeln, nicht durch Leistungen für den Vater. Um einem Missverständnis
vorzubeugen: Es ist aller Ehren wert, dass der Kläger sich so engagiert für seine Kinder einsetzt. Wenn er sich dabei aber
wirtschaftlich an seine Grenzen kommt, tritt dafür nicht die Grundsicherung für Arbeitsuchende ein.
Ein Anspruch auf einen Zuschuss nach § 26 SGB II besteht nicht, weil der Kläger unmittelbar über den Leistungsbezug in der GKV und der sozialen Pflegeversicherung versichert
ist. Die Versicherung über die KSK ist nachrangig, § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 KSVG.
Es wurden für Dezember 2012 endgültig 646,80 Euro bewilligt. Bei einem Anspruch in Höhe von 674,- Euro stehen dem Kläger weitere
27,20 Euro zu. Der endgültige Bewilligungsbescheid und der Erstattungsbescheid waren daher entsprechend zu ändern.
c) Januar und Februar 2013
Im Bewilligungszeitraum Januar/Februar 2013 hat der Kläger 1.163,- Euro plus 1.202,- Euro an Betriebseinnahmen erzielt, §
3 Abs. 1 S. 1 Alg II-V.
Die Ausgaben für den ÖPNV können wiederum nicht als notwendige Ausgaben nach § 3 Abs. 2 Alg II-V (echte Betriebsausgaben) abgezogen werden.
Als Einkommen nach § 3 Abs. 4 S. 1 Alg II-V ergeben sich 2.365,- Euro, davon die Hälfte für jeden der beiden Monate sind 1.182,50 Euro.
Bei der Bereinigung nach § 11b SGB II sind abzuziehen: Keine Steuern, 121,67 Euro an Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung, 100,- Euro Grundfreibetrag
nach § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II, 180,- Euro prozentualer Freibetrag für 20 % zwischen 100,- und 1.000,- Euro, 18,25 Euro für 10 % zwischen 1.000,- und 1.182,50
Euro und 606,- Euro für gezahlten Unterhalt. Das ergibt zusammen 1.025,92 Euro an Abzügen.
Es verbleiben156,58 Euro als anrechenbares Einkommen pro Monat.
Der monatliche Gesamtbedarf setzt sich zusammen aus dem Regelbedarf von 382,- Euro und 300,- Euro für die Unterkunft, zusammen
682,- Euro. Ein Anspruch auf einen Mehrbedarf besteht nicht. Die Rentenversicherungsbeiträge wurden bereits vom Einkommen
abgezogen. Ein Anspruch auf einen Zuschlag nach § 26 SGB II besteht ebenfalls nicht.
Es verbleiben als Leistungsanspruch pro Monat 525,42 Euro (682,- minus 156,58 Euro). Da bereits monatlich 654,80 Euro bewilligt
wurden, hat der Kläger keinen weitergehenden Leistungsanspruch.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Der Kläger hat lediglich für einen Monat 27,20 Euro erhalten. Er begehrte Leistungen in Höhe der Rentenversicherungsbeiträge
für vier Monate von insgesamt etwa 573,- Euro.
6. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.