Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses für Ausländer bei Aufenthalt
zur Arbeitsuche; Anwendung auch bei fehlenden Bemühungen zur Arbeitsuche
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1989 geborene, verheiratete Antragstellerin zu 1) und ihr 2011 geborener Sohn, der Antragsteller zu 2) sind italienische
Staatsbürger. Nach eigenen Angaben lebt die Antragstellerin zu 1) seit Oktober 2013 von ihrem Ehemann getrennt. Sie reiste
nach eigenen Angaben im November 2012 nach Deutschland ein und bildete zunächst mit ihrem Ehemann (bis zur Trennung) und dem
Antragsteller zu 2) eine Bedarfsgemeinschaft. Seit August 2013 besucht der Antragsteller zu 2) eine Kindertagesstätte. In
der Zeit vom 26. Februar 2014 bis 27. März 2014 ging die Antragstellerin zu 1) einer geringfügigen Beschäftigung in dem Eiscafé
Cnach. Mit Bescheid vom 27. Mai 2014 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern aufgrund eines von der Antragstellerin
zu 1) erstmals ausschließlich für sich und den Antragsteller zu 2) gestellten Antrages vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Mai 2014 bis 31. August 2014 in Höhe von 1.137,76 € und für die Zeit vom 1. September bis 27. September
2014 in Höhe von 1.023,98 €. In der Zeit von November 2013 bis Mitte Juni 2014 besuchte die Antragstellerin zu 1) einen Sprach-
und Integrationskurs. Im Anschluss daran begann sie einen weiteren Kurs (Berufsdeutsch B 2+). Seit dem 28. September 2014
ist sie Inhaberin einer Reisegewerbekarte, um auf Märkten als Verkäuferin zu arbeiten. Für den Antragsteller zu 2) erhält
die Antragstellerin zu 1) Kindergeld.
Am 16. September 2014 beantragte die Antragstellerin zu 1) erneut für sich und den Antragsteller zu 2) bei dem Antragsgegner
Leistungen nach dem SGB II. Darin gab sie an, seit dem 28. September 2014 einer selbständigen Tätigkeit im Reisegewerbe nachzugehen. Laut eingereichter
Erklärung zum vorläufigen Einkommen aus selbständiger Tätigkeit erwarte sie im September 2014 keinen Gewinn, von Oktober 2014
bis Dezember 2014 Verluste von monatlich 6,- €, im Januar 2015 einen Gewinn von 94,- € und im Februar 2015 einen Gewinn von
44,- €.
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2014 lehnte der Antragsgegner den Antrag mit der Begründung ab, die Antragsteller seien gemäß
§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Die Antragstellerin zu 1) habe ein Aufenthaltsrecht in Deutschland allein zum Zwecke der Arbeitsuche. Aus
ihrer Selbständigkeit könne sie in Anbetracht des angegebenen Gewinns kein Freizügigkeitsrecht herleiten.
Dagegen erhob die Antragstellerin zu 1) am 13. Oktober 2014 (Eingangsdatum) Widerspruch. Sie sei auf die Leistungen dringend
angewiesen. Da sie sich in einem Sprachkurs befinde, an dem sie von 9.00 Uhr bis 15.15 Uhr teilnehme, sei ihr als alleinerziehende
Mutter die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit am Nachmittag nicht möglich. Ihrer selbständigen Tätigkeit könne sie nur jeden
Freitag nachgehen. Da die Erzielung höheren Einkommens auf Grund der benannten Lebensbedingungen nicht möglich sei, dürfe
das geringe Einkommen nicht als Begründung der Leistungsablehnung herangezogen werden. Ihr Ehemann erhalte weiterhin Leistungen,
was nicht nachvollziehbar sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 2014 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück. Die Antragstellerin zu 1) könne
sich nicht auf den Status einer Selbständigen im Sinne des Gemeinschaftsrechts berufen. In Anbetracht der angegebenen Gewinne
liege eine tatsächliche und echte selbständige Tätigkeit von wirtschaftlicher Bedeutung nicht vor, so dass die Antragstellerin
zu 1) ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsucheherleiten könne(und davon ableitend auch der Antragsteller
zu 2]) und sie und der Antragsteller zu 2) folgend nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen seien. Der Leistungsausschluss sei nach der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH)
vom 11. November 2014, C-333/13, nicht europarechtswidrig.
Am 14. November 2014 haben die Antragsteller bei dem Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Ihre Lage (die der Antragstellerin zu 1]) sei kritisch, da sie derzeit allein Kindergeld erhalte, welches nicht genüge um
das Leben und die Unterkunft zu finanzieren. Bis sie eine Arbeitsstelle gefunden habe, möchte sie als Marktverkäuferin (M/Markt
am M) tätig sein. Aktuell arbeite sie dort jeweils sonntags und erwirtschafte dort regelmäßig einen Gewinn in Höhe von bis
zu 120,- €. Nach Abschluss des Familiengerichtsverfahrens (Scheidung, Umgang mit dem gemeinsamen Kind) werde sie zusätzlich,
voraussichtlich jeden 2. Samstag im Monat (voraussichtliches Umgangsrecht ihres Ehemannes mit dem Antragsteller zu 2)), auf
dem Markt arbeiten. Dann sei ein Gewinn von 200,- € bis 250,- € möglich. Sollte sich die derzeitige Arbeitsuche schwierig
gestalten, werde sie ihre selbständige Tätigkeit auf weitere Tage und andere Märkte ausweiten.
Dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat die Antragstellerin zu 1) eine eidesstattliche Versicherung vom 19. November
2014 und eine Wareneinkaufsliste vom 1. Oktober 2014 beigefügt, wegen deren Inhalts auf Blatt 41 und 57 der Gerichtsakte verwiesen
wird.
Mit Beschluss vom 9. Dezember 2014 hat das Sozialgericht Berlin den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 748,99 € für den Zeitraum vom 14. November 2014 bis zum 30. November 2014 sowie vom 1. Dezember 2014 bis 31.
Dezember 2014 in Höhe von 1.321,76 € und vom 1. Januar 2015 bis 30. April 2015 in Höhe von1.337,64 € vorläufig zu gewähren.
Die einstweilige Anordnung gelte längstens bis zu einer bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache. Dabei
geht das Sozialgericht offensichtlich davon aus, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II wegen des Anwendungsvorranges des Unionsrechts unionrechtswidrig sei. Der Leistungsausschluss verstoße gegen Art. 45 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der Arbeitnehmerfreizügigkeit gewährleiste. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes seien dazu bestimmt, den
Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Ferner sei § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auf die Antragsteller gar nicht anwendbar. Das Sozialgericht misst der Antragstellerin zu 1)(und davon abgeleitet auch dem
Antragsteller zu 2)) -ohne sich konkret festzulegen, aber jedenfalls - für den Fall, dass sie sich nicht auf Arbeitsuche befinde,
einen Leistungsanspruch zu. Einen Leistungsausschluss für Nicht-Arbeitsuchende gäbe es nämlich im SGB II nicht. Sofern den Antragstellern kein materielles Aufenthaltsrecht zukomme, seien ihnen Leistungen nicht etwa im "erst recht-Schluss"
zu verweigern. Eine andere Sichtweise verkenne die verfassungsrechtliche Dimension des Problems. Schließlich entspreche es
der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern.
Gegen den dem Antragsgegner am 9. Dezember 2014 zugestellten Beschluss hat dieser am 29. Dezember 2014 Beschwerde bei dem
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Es bestehe kein Anordnungsanspruch, da die Antragsteller gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen seien. Der Leistungsausschluss stehe nach der Entscheidung des EuGH vom 11. November 2014 mit dem Europarecht
im Einklang. Im Übrigen fehle es an einem Anordnungsgrund.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte
und der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners (...) Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet.
Nach §
86b Abs.
2 S. 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die
Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt
oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint
(§
86b Abs.
2 S. 2
SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass die Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den
so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft
machen (§
86 b Abs.
2 S. 4
SGG, §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung -
ZPO). Auch im Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung maßgeblich (OVG Hamburg, NVwZ 1990, 975).
Mit Blick auf den Antragsteller zu 2), der selbst nicht prozessfähig ist (§§
71 Abs.
1 und
2 des
Sozialgerichtsgesetzes [SGG], §
104 ff.
Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]), dürfte mangels ordnungsgemäßer Vertretung ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bereits nicht zulässig gestellt
worden sein. Bisher liegt kein Nachweis darüber vor, dass die Antragstellerin zu 1) als gesetzliche Vertreterin des Antragstellers
zu 2) das alleinige Sorgerecht gemäß §
1629 BGB besitzt oder dass der andere Sorgerechtsinhaber eine Zustimmung zur Prozessführung erteilt hat (vgl. Bundessozialgericht
(BSG), Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 54/08 R, zitiert nach juris).
Aber selbst wenn von einer Prozessfähigkeit des Antragstellers zu 2) auszugehen wäre, haben die Antragsteller für den Zeitraum
bis zur Entscheidung des erkennenden Senates schon einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Derartige Ansprüche für
die Vergangenheit können regelmäßig nicht im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens anerkannt werden. Diese sind
in einem Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Etwas Anderes kann nur dann in Betracht kommen, wenn die sofortige Verfügbarkeit
von für zurückliegende Zeiträume zu zahlenden Hilfen zur Abwendung eines gegenwärtig drohenden Nachteils erforderlich ist.
Hierzu sind Tatsachen jedoch weder glaubhaft gemacht worden, noch sonst für das Gericht ersichtlich.
Darüber hinaus ist - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - auch ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Zumindest
dieser fehlende Anordnungsanspruch steht der begehrten einstweiligen Anordnung auch für die Zukunft entgegen.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben
(erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II
1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund
des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei
Monate ihres Aufenthalts,
2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt (§ 7 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB II).
Ob ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche überhaupt tatsächlich besteht, kann bei einem nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II greifenden Leistungsausschluss jedoch dahinstehen. Ein anderes Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 1) ist jedenfalls
nicht anzunehmen, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. Soweit das Sozialgericht offensichtlich das Tatbestandsmerkmal der
Arbeitsuche in Zweifel zieht (insoweit ohne Subsumtion), gleichwohl auch für den Fall einer fehlenden Arbeitsuche in Anlehnung
an die Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen (u.a. Beschluss vom 3. Dezember 2014, L 2 AS 1623/14 B ER, zitiert nach juris) einen Leistungsanspruch zuerkennt, teilt diese Rechtsauffassung der Senat nicht (s. unten).Die
Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gilt auch in allen Fällen, in denen kein materielles Aufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU festgestellt werden
kann, weil insoweit die Anspruchsvoraussetzungen zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II nicht erfüllt sind.
Wie schon das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 30. Januar 2013 (B 4 AS 54/12 R, zitiert nach juris) ausgeführt hat, greift der Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht, wenn ein anderes Aufenthaltsrecht als zum Zweck der Arbeitsuche besteht. Entscheidend ist das Vorliegen der Voraussetzungen
für ein weiteres Aufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU. Nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit
von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 2004, 1950, 1986) haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach
Maßgabe dieses Gesetzes.
Ein Aufenthaltsrecht ergibt sich nicht aus § 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern(FreizügG/EU) in der Fassung des Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften vom 2. Dezember 2014 (BGBl. I S.
1922).
Gemäß § 2 Abs. 1 FreizügG/EU haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe
dieses Gesetzes.
Gemäß § 2 Abs. 2 FreizügG/EU sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt:
1. Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen,
1a. Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen
können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden,
2. Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbständige
Erwerbstätige),
3. Unionsbürger, die, ohne sich niederzulassen, als selbständige Erwerbstätige Dienstleistungen im Sinne des Artikels 57 des
Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union erbringen wollen (Erbringer von Dienstleistungen), wenn sie zur Erbringung der Dienstleistung berechtigt sind,
4. Unionsbürger als Empfänger von Dienstleistungen,
5. nicht erwerbstätige Unionsbürger unter den Voraussetzungen des § 4 (",
6. Familienangehörige unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4,
7. Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben.
Diese Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Nrn. 1, 1a, 2 und 5 liegen nicht vor. Die Antragstellerin zu 1) hat
kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin. Sie steht derzeit in keiner abhängigen Beschäftigung. Die Antragstellerin zu 1)
war nach eigenen Angaben lediglich zwischen Februar und März 2014 in einer Eisdiele als Angestellte tätig. Soweit insoweit
überhaupt ein Arbeitnehmerstatus anzunehmen ist, ist die sechsmonatige Nachwirkung des Arbeitnehmerstatus (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU) bereits im September 2014 abgelaufen. Ungeachtet eines Nachweises, dass die länger als sechs Monate in Deutschland aufhältige
Antragstellerin zu 1) weiterhin Arbeit sucht, ist auch eine begründete Aussicht auf Einstellung - trotz in der Beschwerdeerwiderung
vom 15. Januar 2015 vorgetragenen Probearbeitens - nicht glaubhaft gemacht.
Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischer Prüfung, kann die Antragstellerin
zu 1) zur Überzeugung des Senats auch nicht den Selbständigenstatus für sich in Anspruch nehmen.
Wie der Begriff des "Arbeitnehmers" (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU) ist auch der Begriff des "selbständigen Erwerbstätigen" nach Gemeinschaftsrecht zu bestimmen. Insoweit dürften keine anderen
Maßstäbe anzulegen sein als die, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union für die Beurteilung
der Eigenschaft als "Arbeitnehmer" ergeben (so bereits Senatsbeschluss vom 25. Juli 2012, L 29 AS 1504/12 B ER, zitiert nach juris). Dementsprechend kommt es auch hier darauf an, ob die Antragstellerin zu 1) eine "tatsächliche
und echte Tätigkeit" von wirtschaftlicher Bedeutung ausübt; außer Betracht zu bleiben haben dagegen Tätigkeiten mit einem
so geringen Umfang, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (vgl. Gerichtshof der Europäischen
Union [EuGH], Urteil vom 14. Juni 2012, C-542/09; zum "Arbeitnehmerbegriff" auch: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 23/10 R; Beschluss des erkennenden Senats vom 4. Juli 2012, L 29 AS 1244/12 B ER, alle zitiert nach juris).).
Die auf Art. 49 AEUV (ehemals Art. 43 EG-Vertrag) basierende Niederlassungsfreiheit umfasst die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen
Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), Urteil
vom 25. Juli 1991, C-221/89, zitiert nach juris). Maßgeblich ist die Möglichkeit für einen Unionsangehörigen, in stabiler und kontinuierlicher Weise
am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaates als seines Herkunftsstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen (EuGH,
Urteil vom 11. März 2010, C-384/08, zitiert nach juris). Sofern es sich um eine Tätigkeit handelt, deren Umfang sich als völlig untergeordnet und unwesentlich
darstellt, wird eine Niederlassung verneint (EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010, C-14/09; vgl. auch Beschluss des erkennenden Senats vom 25. Juli 2012, L 29 AS 1504/12 B ER, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. August 2012, L 11 AS 39/12 B ER m. w. N., jeweils zitiert nach juris).Letzteres dürfte hier - ungeachtet einer festen Betriebsstätte, die bei einem
Reisegewerbe nicht regelmäßig vorhanden ist - anzunehmen sein.
Nach der zum Antrag eingereichten Erklärung zum vorläufigen Einkommen aus selbständiger Tätigkeit ergibt sich lediglich ein
durchschnittlicher monatlicher Gewinn von 20,- € bis 50,- €. Damit steht schon die erforderliche Niederlassung in Frage. Soweit
die Antragsteller entgegen dieser Angaben erstinstanzlich nunmehr die Erwirtschaftung eines monatlichen Gewinnsvon bis zu
120,- € behaupten, ist dies bisher in keiner Weise glaubhaft gemacht. Aber selbst für den Fall des tatsächlichen Ausübens
der selbständigen Tätigkeit in diesem Umfang, handelt es sich aber auch insoweit noch nicht um nennenswerte Einkünfte im Sinne
des Gemeinschaftsrechts. Mit derart geringen Einkünften können - auch bei sparsamster Lebensführung - unvermeidlich entstehende
Kosten für Ernährung, Kleidung, Krankenversicherung und Unterkunft nicht ansatzweise gedeckt werden. Auch der Umfang der Tätigkeit
(jeweils sonntags) lässt diese als völlig untergeordnet und unwesentlich erscheinen, so dass bereits eine "Niederlassung"
kaum angenommen werden kann. Wenngleich höchstrichterlich noch ungeklärt ist, wo die Grenze zu ziehen ist, jenseits derer
eine Tätigkeit einen mehr als völlig untergeordneten und unwesentlichen Umfang hat, bedarf dies hier, im Rahmen eines auf
die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gerichteten Verfahrens, keiner weiteren Ausführungen. Jedenfalls zeigt die Höhe,
die in verschiedenen Bereichen des Sozialrechts als die Geringfügigkeitsgrenze überschreitend festgelegt sind, dass auch der
Gesetzgeber Einkünfte in Höhe eines Betrags von rund 120,- € monatlich als nicht wesentlich ansieht. So ist eine Beschäftigung
nicht mehr geringfügig, wenn aus ihr Entgelt in Höhe von mindestens 450,01 € erzielt wird (§
20 Abs.
2 des
Vierten Buches des Sozialgesetzbuch [SGB IV]), beim Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ist ein Hinzuverdienst erst dann zu
berücksichtigen, wenn er 450,- € überschreitet (§
96a Abs.
2 Nr.
2 des
Sechsten Buches des Sozialgesetzbuch [SGB VI]), auf Renten wegen Todes wird Einkommen erst dann angerechnet, wenn es das 26,4fache bzw. das
17,6fache des aktuellen Rentenwertes überschreitet (§
97 Abs.
2 SGB VI), mithin Beträge, die deutlich über 400,- € liegen. Das Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. Oktober 2010 (B 14 AS 23/10 R, zitiert nach juris) steht der hier vertretenen Auffassung (bei unterstelltem monatlichen Verdienst von bis zu 120,- €)
nicht entgegen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass diese Entscheidung nicht im Zusammenhang mit einer selbständigen Erwerbstätigkeit
ergangen ist. Soweit dort eine Tätigkeit als Handwerkshelfer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 7,5 Stunden und einem
monatlichen Entgelt von 100,- € als ausreichend angesehen wird, ist darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um eine tragende
Erwägung handelt. Denn aus der im entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits beendeten besagten Tätigkeit ließen sich für
den Antragsteller keinerlei rechtliche Vorteile mehr herleiten.
Mangels glaubhaft gemachter ausreichender Existenzmittel kann sich die Antragstellerin zu 1) auch nicht auf § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU stützen. Schließlich besteht für die Antragsteller auch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU, da sich die Antragstellerin zu 1) noch keine fünf Jahre durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Danach lässt sich ein Aufenthaltsrecht allenfalls aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten, so dass der Ausschlusstatbestand
des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greift. Nach der jüngsten Entscheidung der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 11. November 2014, C-333/13, zitiert nach juris, steht diese Vorschrift den europarechtlichen Vorgaben, d. h. Art. 24 Abs. 1 der "Unionsbürgerrichtlinie"
2004/38 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 b und Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004, nicht entgegen. Die ständige Rechtsprechung
des erkennenden Senats (u.a. Beschlüsse vom 5. März 2012, L 29 AS 414/12 B ER, vom 7. Juni 2012, L 29 AS 920/12 B ER, vom 12. Juni 2012, L 29 AS 914/12 B ER, vom 22. Juni 2012, L 29 AS 1252/12 B ER und vom 9. November 2012, L 29 AS 1782/12 B ER, jeweils zitiert nach juris) wird damit bestätigt.
Soweit das Sozialgericht eine konkrete Arbeitsuche der Antragstellerin zu 1) - entgegen ihrem eigenen, sowohl erst- als auch
zweitinstanzlichen Vortrag - in Zweifel zieht, das Eingreifen des Ausschlusstatbestandes aber verneint, weil Leistungen für
EU-Bürger ohne materielles Aufenthaltsrecht nicht etwa im "erst recht-Schluss" zu verweigern seien, teilt diese Auffassung
der Senat nicht. Der Leistungsausschluss greift auch für den Fall, dass die Antragstellerin zu 1) gegebenenfalls tatsächlich
keine Bemühungen zur Arbeitsuche entfaltet hat bzw. entfaltet. Gerade dieser Sachverhalt lag auch der EuGH-Entscheidung vom
11. November 2014, aaO., zugrunde.
Der angenommene Leistungsausschluss verstößt nicht gegen Art. 18 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2, 21 AEUV. Der Ausschluss von Ausländern, die über kein Aufenthaltsrecht verfügen, stellt keinen Verstoß gegen Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG dar.
Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs hat am 11. November 2014, C-333/13, aaO., in dem Vorabentscheidungsersuchen des Sozialgerichts Leipzig zur Zulässigkeit eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II im Verhältnis zu Art. 18 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und 20 Abs. 2 AEUV sowie Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 und Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 in Beantwortung der Fragen des Sozialgerichts Leipzig entschieden, dass nicht erwerbstätige Unionsbürger,
die sich allein mit dem Ziel, in den Genuss von Sozialhilfe (im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38, d.h. sämtliche
von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen) zu kommen,
in einen anderen Mitgliedstaat begeben, von bestimmten Sozialleistungen ausgeschlossen werden können. Nach Auffassung des
EuGH können Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten eine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats
hinsichtlich des Zugangs zu bestimmten Sozialleistungen (wie den deutschen Leistungen der Grundsicherung) nur verlangen, wenn
ihr Aufenthalt die Voraussetzungen der Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten
frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158, 77) erfüllt.
Der Aufnahmemitgliedstaat sei nach dieser Richtlinie nicht verpflichtet, während der ersten drei Monate des Aufenthalts Sozialhilfe
zu gewähren. Bei einer Aufenthaltsdauer von mehr als drei Monaten, aber weniger als fünf Jahren (wie im vorliegenden Fall),
mache die Richtlinie das Aufenthaltsrecht u.a. davon abhängig, dass nicht erwerbstätige Personen über ausreichende eigene
Existenzmittel verfügen. Damit solle verhindert werden, dass nicht erwerbstätige Unionsbürger das System der sozialen Sicherheit
des Aufnahmemitgliedstaats zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts in Anspruch nehmen. Ein Mitgliedstaat müsse daher die Möglichkeit
haben, nicht erwerbstätigen Unionsbürgern, die von ihrer Freizügigkeit allein mit dem Ziel Gebrauch machen, in den Genuss
der Sozialhilfe eines Mitgliedstaats zu kommen, obwohl sie nicht über ausreichende Existenzmittel für die Beanspruchung eines
Aufenthaltsrechts verfügen, Sozialleistungen zu versagen.
Die Unionsbürgerrichtlinie und die Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Verordnung (EG) Nr. 883/2004
vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 166, 1, berichtigt im ABl. 2004, L 200, 1
in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1244/2010 vom 9. Dezember 2010, ABl. L 338, 35 geänderten Fassung) stünden einer nationalen
Regelung nicht entgegen, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Bezug bestimmter "besonderer beitragsunabhängiger
Geldleistungen" ausschließt, während Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden,
diese Leistungen erhalten, sofern den betreffenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten im Aufnahmemitgliedstaat kein
Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie zusteht.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts gilt folglich die Regelung zum Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht nur in den Fällen, in denen ein Antragsteller tatsächlich und aktiv Arbeit sucht. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gilt vielmehr auch in allen Fällen, in denen kein materielles Aufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU festgestellt
werden kann (so auch LSG Hamburg, Beschluss vom 1. Dezember 2014, L 4 AS 444/14 B ER; LSG Hessen, Beschluss vom 11. Dezember 2014, L 7 AS 528/14 B ER, wonach die Anspruchsvoraussetzungen in § 7 Abs. 1 Satz 1 um die ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung des Bestehens
eines Aufenthaltsrechts in der Bundesrepublik Deutschland zu erweitern ist; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24. Juli
2014, L 15 AS 202/14 B ER, alle zitiert nach juris). Es würde zudem zu Wertungswidersprüchen führen, wenn EU-Bürger, die kein anderes Aufenthaltsrecht
geltend machen können, gerade dann Leistungen nach dem SGB II sollen beziehen können, wenn sie eine Arbeitsuche nicht einmal beginnen, sie ihre ursprüngliche Absicht, Arbeit zu suchen,
aufgeben oder sich ihre Arbeitsuche als gescheitert herausstellt (so zutreffend bereits LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss
vom 24. Juli 2014, aaO.). Zudem dürfte es einen Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) darstellen, wenn der EU-Bürger, der sich lediglich formal erlaubt im Bundesgebiet aufhält, leistungsrechtlich besser gestellt
würde als derjenige, der ein materielles Aufenthaltsrecht besitzt. Eine bevorzugte Behandlung dieser erwerbsfähigen Unionsbürger,
die keine tatsächliche und aktive Arbeitsuche betreiben, würde auch mit der in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II festgelegten Pflicht kollidieren, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen.
Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II verstößt - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - auch nicht gegen Art. 45 Abs. 2 AEUV. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sind keine finanziellen Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaats erleichtern wollen. Denn diese
Leistungen dienen allein der Existenzsicherung (so bereits der erkennende Senat im Beschluss vom 18. Juli 2013, L 29 AS 1539/13 B ER, nicht veröffentlicht, LSG Hessen, Beschluss vom 11. Dezember 2014, aaO.).
Im zugrundeliegenden Verfahren kann sich folglich die nicht erwerbstätige Antragstellerin zu 1) nicht auf ein Aufenthaltsrecht
nach der Richtlinie 2004/38 berufen, denn Voraussetzung für einen rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
von über drei Monaten wäre hiernach der Nachweis ausreichender Existenzmittel durch die Antragsteller. Über solche Mittel
verfügen sie nach eigenen Angaben nicht.
Nach alledem schließt folglich § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II den Leistungsbezug nach dem SGB II stets dann aus, wenn kein anderweitiger Aufenthaltszweck als derjenige der Arbeitsuche ein Aufenthaltsrecht begründen kann,
so dass auch solche Ausländer vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen sind, die kein materielles Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet haben, weil sie keine Arbeit suchen, über keinen
ausreichenden Krankenversicherungsschutz und keine ausreichenden Existenzmittel verfügen oder (noch) kein Daueraufenthaltsrecht
haben (§ 2 Absatz 2 Nrn. 5 und 7 in Verbindung mit § 4 Absatz 1 und § 4a FreizügG/EU).
Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Vielmehr sind sie auch von den Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des 20. Senats des LSG Berlin-Brandenburg in dessen Entscheidung
vom 10. Dezember 2014, L 20 AS 2697/14 B ER, zitiert nach juris, die er nach eigener Prüfung für zutreffend hält, an. Darin heißt es:
"Nach § 21 Satz 1 SGB XII sind Personen, die als Erwerbsfähige dem Grunde nach Leistungsberechtigte nach dem SGB II sind, von der Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII ausgeschlossen. Grundsätzlich richten sich die Leistungsansprüche von Erwerbsfähigen und ihren Angehörigen nach dem SGB II, ein subsidiäres Eingreifen von Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII (scheidet aus). Die Abgrenzung der Systeme der Grundsicherung nach dem SGB II und dem SGB XII geschieht durch den Begriff der Erwerbsfähigkeit (Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage, § 21, Rn. 8; Eicher in: juris PK-SGB XII, § 21, Rn. 12, 15), wie dies auch im Wortlaut des § 21 Satz 1 SGB XII zum Ausdruck kommt. Diese Vorschrift ist, soweit Leistungen nach dem SGB XII in Erwägung gezogen werden, "als vor die Klammer gezogene Ausschlussnorm" vorab zu prüfen (Eicher, aaO., Rn. 8). Dies gilt
auch für erwerbsfähige Ausländer, die dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB XII sind (Eicher, aaO.). Die Regelung des § 21 SGB XII stellt eine Norm zur Abgrenzung der Hilfesysteme nach dem SGB II und dem SGB XII anhand der Erwerbsfähigkeit dar. Dies gilt auch, soweit ein tatsächlicher Leistungsanspruch bei vorhandener Erwerbsfähigkeit
nach dem SGB II nicht ausgelöst wird, da es für die Abgrenzung nur auf einen Anspruch dem Grunde nach ankommt. Durch die Abgrenzung der Leistungssysteme
in § 21 SGB XII nach der Erwerbsfähigkeit und die Ausschlusswirkung bei einem Anspruch nach dem System des SGB II dem Grunde nach bei Erwerbsfähigkeit scheidet ein Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII auch für solche Personen aus, die erwerbsfähig sind, deren Anspruch jedoch aus anderen rechtlichen Gründen ausgeschlossen
ist. Soweit § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Ansprüche nach dem SGB XII für Ausländer, die sich im Inland aufhalten, normiert, ist diese Regelung nach ihrer systematischen Stellung nach § 21 SGB XII und unter Berücksichtigung dessen, dass die gleichrangigen Sicherungssysteme der Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII hinsichtlich des dem Grunde nach anspruchsberechtigten Personenkreises nach der Erwerbsfähigkeit abzugrenzen und die Normen
in diesem Sinne harmonisierend auszulegen sind (Eicher, aaO., Rn. 9f.), dahin auszulegen, dass die Regelung in § 23 SGB XII jedenfalls nicht erwerbsfähigen Ausländern und ihren Angehörigen einen - dem Grunde nach im SGB II geregelten - Anspruch unter anderen Voraussetzungen zusätzlich oder ersatzweise zuerkennt (a.A. offenbar: Eicher, aaO., Rn.
26 ff.; Coseriu in: juris PK-SGB XII, § 23, Rn. 36.3). Wie auch der Anwendungsbereich des § 22 SGB XII als Sonderregelung für Auszubildende im SGB XII deshalb begrenzt ist, weil Auszubildende regelmäßig erwerbsfähig sind und damit die Anspruchsberechtigung sich allein aus
dem SGB II ergeben kann (Grube, aaO., Rn. 1), gilt auch ein eingeschränkter Anwendungsbereich für § 23 SGB XII, da sich auch für diesen Personenkreis die Leistungsberechtigung nach dem Leistungssystem des SGB II bestimmt. Auch in diesem Leistungssystem wird für EU-Bürger das europarechtliche Gleichbehandlungsgebot - unter Berücksichtigung
des nunmehr erklärten Vorbehalts - berücksichtigt."
Wegen der eingreifenden, vorgenannten Leistungsausschlüsse ist die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches nicht gelungen.
Durch diesen Beschluss hat sich der Antrag des Antragsgegners auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses des Sozialgerichts
(§
199 Abs.
2 SGG) erledigt.
Den Antragstellern war Prozesskostenhilfe nach §
73a SGG in Verbindung mit §
119 Abs.1 S. 2
ZPO ohne Prüfung zu bewilligen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder
mutwillig erscheint, weil der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).