Erstattung von Hinterbliebenenrente wegen verschwiegener Wiederheirat
Tatbestand
Im Streit ist eine Rücknahme und Erstattung von Hinterbliebenenrente.
Der Kläger ist am ... 1961 geboren und Witwer der am ... 1998 verstorbenen M.F. (im Folgenden: Versicherte), die bei der Beklagten rentenversichert war. Er war vom ... 1993 bis zum Versterben mit der Versicherten verheiratet.
Am 6. November 1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Hinterbliebenenrente. Diese wurde dem Kläger
gewährt und ruhte ab Oktober 1998 wegen einer Einkommensanrechnung.
Der Kläger heiratete am ... 2000 erneut (J.B.). Die Ehe wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 6. Dezember 2010, rechtskräftig seit dem ... 2011, geschieden.
Der Kläger bezog mittlerweile Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zwischenzeitlich wurde sein Sohn A. am ... 2010 geboren. Als Mutter wurde eine Frau G.K. genannt, die die der Beklagten
bis dahin nicht die bekannte weitere Ehefrau des Klägers war.
Am 15. April 2011 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Hinterbliebenenrente, konkret der Witwerrente nach dem
vorletzten Ehegatten, die ihm mit Bescheid vom 6. Mai 2011 zum 1. März 2011 gewährt wurde. Im Antragsformular gab er an, dass
er bereits einmal verheiratet war. Er legte die Unterlagen über seine Ehe mit J.B. sowie den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Harburg
über die Scheidung vom 6. Dezember 2010 vor.
Im Bescheid vom 6. Mai 2011 führte die Beklagte aus, dass die frühere Ehefrau und Versicherte am ... 1998 verstorben sei und
die nach deren Tod eingegangene weitere Ehe am ... 2011 aufgelöst worden sei. Unter der Überschrift „Ich möchte heiraten oder
eine Eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Wie wirkt sich das auf die Rente aus?“ wies die Beklagte darauf hin, dass
eine Eheschließung unverzüglich mitzuteilen ist. Mit Bescheid vom 6. Juni 2011 berechnete die Beklagte die Rente neu ab dem
1. April 2011 wegen einer Änderung im Krankenversicherungsverhältnis. Mit Bescheid vom 14. Juni 2011 berechnete die Beklagte
die Hinterbliebenenrente wiederum wegen einer Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses neu ab dem 1. März 2011.
Am 13. Juni 2014 wurde der Beklagten von der gesetzlichen Krankenversicherung des Klägers mitgeteilt, dass der Kläger ggfs.
wiederverheiratet sei und deshalb der Status der Familienversicherung greifen könne. Auf eine entsprechende Anfrage der Beklagten
teilte der Kläger telefonisch mit, dass er keine Heiratsurkunde vorlegen könne, da er nicht erneut geheiratet habe. Seine
Lebensgefährtin habe bei der Krankenkasse irrtümlich vom Ehemann gesprochen und die Familienversicherung beantragt, da sie
die deutschen Gesetze nicht kenne. Nach telefonischer Rücksprache mit der Krankenkasse des Klägers ergab sich, dass er dort
mitgeteilt hat, er habe nach muslimischem Recht in einer Moschee geheiratet.
Nachdem der Kläger auf weitere Ermittlungsversuche der Beklagten nicht reagierte, versagte ihm diese mit Bescheid vom 2. September
2014 die Hinterbliebenenrente ab dem 1. Oktober 2014 in voller Höhe.
Auf den Bescheid meldete sich der Kläger telefonisch und teilte mit, es gebe keine Heiratsurkunde. Jeder Imam von jeder Moschee
könne das bestätigen. Er komme vorläufig nicht mehr dorthin, wo er geheiratet habe. Die Daten seiner Lebensgefährtin könne
er aus Datenschutzgründen nicht herausgeben.
Am 19. September 2014 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Versagungsbescheid und teilte mit, er habe in einer Moschee in
Ä. am ... 2007 geheiratet. Seine Frau besitze die ä. Staatsangehörigkeit. Ob bei der Hochzeit ä. Recht beachtet worden sei,
könne er nicht beantworten. Er habe jedenfalls vom deutschen Konsulat in K. die Information erhalten, dass die Ehe nicht anerkannt
würde und seine Frau daraus keine Aufenthaltserlaubnis ableiten könne. Er legte eine Übersetzung aus der arabischen Sprache
eines mit Heiratsurkunde überschriebenen Dokuments vor, aus dem hervorgeht, dass er seine jetzige Frau am ... 2007 geheiratet
hatte. Beide wurden in der Urkunde als ä. Staatsangehörige ausgewiesen. Die Ehefrau wurde durch ihren Vater vertreten. Die
Heirat erfolgte vor einem ä. Standesbeamten und wurde beurkundet. Eine Ausfertigung der Urkunde wurde dem Standesamt A. zur
amtlichen Verwahrung übersandt und eine verblieb beim ä. Register. Sie wurde von dem Ehemann, dem Vertreter der Ehefrau, zweier
Trauzeugen und dem Standesbeamten unterzeichnet. Auf Bl. 213 bis 214 der Verwaltungsakte der Beklagten wird ausdrücklich Bezug
genommen.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2014 hörte die Beklagte den Kläger dazu an, dass beabsichtigt sei, die Bescheide vom 6. Juni
2011 und 14. Juni 2011 mit Wirkung ab dem 1. März 2011 zurückzunehmen und die Überzahlung in Höhe von 24.855,58 € zurückzufordern.
Der Kläger sei wiederverheiratet und es bestehe deshalb kein Anspruch auf eine Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten.
Die Voraussetzungen für die Rücknahme seien erfüllt, da der Kläger unrichtige bzw. unvollständige Abgaben gemacht habe. Der
Kläger erhielt Gelegenheit, sich bis zum 2. Januar 2015 dazu zu äußern.
Der Kläger erklärte am 23. Dezember 2014, dass er sich nicht bewusst gewesen sei, unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht
zu haben. Die Ehe sei nicht anerkannt worden. Auf den Gedanken, dass er eine nach seinen Informationen ungültige Eheschließung
in seinem Antrag hätte angeben sollen, sei er nicht gekommen.
Die Beklagte hob den Bescheid vom 6. Juni 2011 und den Bescheid vom 14. Juni 2011 mit Bescheid vom 2. März 2015 mit der Begründung
auf, bei einer Eheschließung im Ausland seien die Gesetze des Ortes zu beachten, an dem die Ehe geschlossen wurde. Als Witwer
sei auch der Hinterbliebene aus einer sog. hinkenden Ehe, d.h. einer in Deutschland nicht anerkannten Ehe, die nach dem Recht
des Landes geschlossen wurde, dessen Staatsangehörigkeit wenigstens einer der Ehegatten besitzt, anzusehen. Die vorgelegte
Heiratsurkunde erfülle die Voraussetzungen für eine rechtswirksame Eheschließung in Ä.. Ein Anspruch auf Witwerrente sei nicht
gegeben, so lange der Hinterbliebene noch mit einer Ehefrau verheiratet sei. Erst wenn alle Ehefrauen verstorben oder die
Ehen aufgelöst seien, käme eine Hinterbliebenenrente in Betracht. Im Rahmen des Ermessens sei zu beachten, dass der Kläger
die Ehe im Rentenantrag nicht angegeben habe, weil er nach Auskunft des deutschen Konsulats in K. davon ausging, dass keine
gültige Ehe vorliegt. Dies sei nicht geeignet, von einer Bescheidrücknahme abzusehen. Für die Zeit vom 1. März 2011 bis 30.
September 2014 seien 24.855,58 € zu erstatten.
Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 26. März 2015 Widerspruch mit der Begründung, da die dritte Eheschließung nach deutschem
Recht nicht gültig gewesen sei, sei er weiterhin Witwer und habe Anspruch auf die Witwerrente. Aber auch wenn es anders sein
sollte, so gelte sein bisheriges Vorbringen. Es fehle jedenfalls an einer genügenden Grundlage für eine rückwirkende Aufhebung
und damit verbunden die Erstattung der Rentenzahlungen.
Mit Beschluss vom 8. April 2015 wurde über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte meldete
die Forderung mit Verfügung vom 14. Juli 2015 an. Der Insolvenzverwalter bestritt die Forderung in voller Höhe.
Die Eheschließung am ... 2007 in K. wurde letztlich am 23. März 2016 in das Eheregister des Standesamts Hamburg-Harburg eingetragen.
Der Kläger hatte sich zuvor ratsuchend an die Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle der Freien und Hansestadt Hamburg
gewandt, die mit Schreiben vom 7. März 2016, vertreten durch Frau D., beim Bezirksamt Hamburg die Erteilung einer Bescheinigung
über das Nichtbestehen einer Ehe begehrte. Auf Bl. 329 der Verwaltungsakte der Beklagten wird ausdrücklich Bezug genommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wiederholte die Beklagte
im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Bescheid vom 2. März 2015 und führte ergänzend aus, zurückzunehmen sei der Bescheid
vom 6. Mai 2011, weil dieser die Ansprüche auf Witwerrente für die Zeit ab dem 1. März 2011 regle. Am 6. Juni 2016 sei lediglich
eine Neuberechnung erfolgt, hierbei handle es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die hiermit berichtigt werde.
Am 23. Juni 2016 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem
Vorverfahren vertieft.
Der Kläger hat gegenüber dem Sozialgericht im Zuge der Erörterung um eine Kopie des Auszugs aus dem Eheregister des Standesamts
Hamburg-Harburg mit der Registernummer E 93/16 gebeten. Er halte den Auszug für gefälscht. Er habe die Eintragung der Ehe
nicht beantragt und nichts dazu unterschrieben. Seine Frau habe den Antrag ebenfalls nicht gestellt. Der Auszug aus dem Eheregister
wurde dem Kläger mit der Niederschrift des Erörterungstermins vom 6. Februar 2019 übersandt. Eine weitere Stellungnahme dazu
ist nicht erfolgt.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 21. November 2019 die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben als es die Erstattungsforderung
von 24.855,58 € betrifft und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es dargelegt, dass die Klage trotz des Insolvenzverfahrens
zulässig sei. Die erhobene Anfechtungsklage sei rechtschutzintensiver als die subsidiäre (negative) Feststellungsklage gemäß §
55 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens von §
302 Insolvenzordnung (
InsO). Es bestünde auch ein Rechtschutzbedürfnis für die Klage. Ein Klageerfolg würde sich nur dann nicht einstellen können, wenn
die im Rahmen des Insolvenzverfahrens angemeldete Forderung zwischenzeitlich ohne den ursprünglichen Widerspruch zur Tabelle
festgestellt worden wäre. Denn dann würde die Wirkung des §
201 Abs.
2 InsO eintreten, ein Bestreiten der Forderung wäre für den Schuldner nicht mehr möglich. Das sei aber vorliegend nicht der Fall,
der Widerspruch sei noch eingetragen.
Die Klage sei im Hinblick auf die Erstattungsforderung begründet. Die Beklagte habe die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) nicht eingehalten. Denn die Beklagte habe mit Bescheid vom 2. März 2015 zunächst nur die Anpassungsbescheide vom 6. Juni
2011 und 14. Juni 2011 zurückgenommen und nicht den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 6. Mai 2011 mit der Erstfeststellung
des Rentenstammrechts. Ausgehend von der mit der Anhörung gesetzten Frist zur Stellungnahme bis zum 2. Januar 2015 sei die
später erst mit dem Widerspruchsbescheid am 6. Juni 2016 verfügte ausdrückliche Aufhebung des Bescheides vom 6. Mai 2011 nicht
mehr innerhalb der Jahresfrist erfolgt. Entgegen der Angabe im Widerspruchsbescheid handele es sich auch nicht um die Berichtigung
eines offensichtlichen Schreibfehlers bzw. einer offensichtlichen Unrichtigkeit. Es sei nicht erkennbar, dass die Behörde
den Willen gehabt habe, auch diesen Bescheid aufzuheben, zumal dieser auch in der Anhörung nicht erwähnt worden sei.
Im Übrigen sei die Klage jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 i.V. m. § 45 Abs. 3 SGB X würden für die Zukunft vorliegen. Der Bewilligungsbescheid sei von Anfang an rechtswidrig gewesen Der Kläger sei bei Erlass
des Bescheides vom 6. Mai 2011 rechtswirksam verheiratet gewesen, die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch
– Sechstes Buch für die Gewährung einer Witwenrente hätten nicht vorgelegen. Die Eheschließung sei in das Eheregister des
Standesamtes Hamburg-Harburg eingetragen worden, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der in der Verwaltungsakte
befindlichen Urkunde um eine Fälschung handele. Der Kläger habe die Ehe zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt und könne
sich deshalb nicht auf Vertrauensschutz berufen. Er habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass er nicht gewusst habe, dass die
Ehe anzugeben sei, sondern sei rechtsirrig nur davon ausgegangen, dass die Ehe ungültig sei. Soweit er vorgetragen habe, dass
ihm in einem deutschen Konsulat die Auskunft erteilt worden sei, dass die Ehe in Deutschland nicht anerkannt werden könne,
sei das Vorbringen nicht glaubhaft. Der Kläger habe im Erörterungstermin weder einen Zeitpunkt noch einen Mitarbeiter benennen
können, der die Auskunft erteilt habe. Unabhängig davon habe er keine schriftliche Auskunft erhalten und habe sich wie seine
Ehefrau, die unter Berufung auf die Ehe bei der Krankenkasse vorgesprochen habe, auch verheiratet gefühlt. Zudem ergebe sich
aus dem vom Kläger vorgelegten Übersetzung der Heiratsurkunde bereits deren Verbindlichkeit als offizielles Dokument.
Die Beklage hat am 17. Januar 2020 gegen das am 18. Dezember 2019 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Sie vertritt die
Auffassung, dass die Rücknahme fristgerecht innerhalb der Jahresfrist erfolgt sei. Das Sozialgericht habe es versäumt, den
Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 2. März 2015 gemäß §
133 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) auszulegen. Für die Ermittlung des wirklichen Willens sei nach der Rechtsprechung des BSG auf alle Umstände und Gesichtspunkte abzustellen, die zur Aufhellung des Inhalts des Verwaltungsaktes beitragen könnten.
Für einen verständigen und die Zusammenhänge berücksichtigenden Beteiligten sei es erkennbar gewesen, dass die Beklagte im
Hinblick auf die geschlossene Ehe die Rentenbewilligung aufheben und die überzahlte Rente zurückfordern wollte. Dies sei —
auch ohne Benennung und Bezeichnung — bereits aus der durchgeführten Anhörung ersichtlich, aus welcher wie später im Bescheid
auch der Zeitraum der Rücknahme bzw. der Wille erkennbar geworden sei, die Gewährung der Rente rückwirkend von Anfang an zurückzunehmen.
Im Bescheid sei dargelegt worden, dass der Anspruch auf Hinterbliebenenrente von Anfang an nicht bestanden habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. November 2019 abzuändern und die Klage im vollen Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil für zutreffend und verweist im Wesentlichen auf sein Vorbingen im erstinstanzlichen Verfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte
des Amtsgerichts Hamburg, Insolvenzgericht, Az.: 68c IK 197/15 und die Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte, insbesondere form- und fristgerechte Berufung der Beklagten ist zulässig und ganz überwiegend begründet. Das
Sozialgericht hat die angefochtenen Bescheide zu Unrecht teilweise, soweit sie die Rücknahme der Gewährung einer Hinterbliebenenrente
mit Wirkung für die Vergangenheit und Erstattung betreffen, aufgehoben (1). Die Beklagte war allerdings nur berechtigt, die
Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung festzustellen, insoweit waren die Bescheide abzuändern (2).
Weil nur die Beklagte Berufung eingelegt hat, umfasst der Streitgegenstand des Berufungsverfahren lediglich die Frage, ob
die Beklagte berechtigt war, die Rente rückwirkend zurückzunehmen und eine Erstattung in Höhe von 24.855,58 € zu fordern.
Soweit es die Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft betrifft, ist das Urteil des Sozialgerichts rechtskräftig und sind die
Bescheide bestandskräftig geworden.
Die Erwägungen des Sozialgerichts für die Zulässigkeit der Klage im Zusammenhang mit dem während des Verwaltungsverfahrens
eröffneten Privatinsolvenzverfahren sind weitgehend zutreffend. Der Kläger ist spätestens nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens
durch Beschluss vom 14. Oktober 2016 wieder prozessführungsbefugt unabhängig von der Frage, ob trotz des Insolvenzverfahrens,
welches erst nach Erlass des Ausgangsbescheides eröffnet wurde, ein eigenes Anfechtungsrecht des Schuldners bestanden hat.
Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners ist jedoch nur hinsichtlich des massebefangenen Vermögens eingeschränkt
(vgl. BFH v. 31.01.2012 – I S 15/11 in juris, Rn. 10). Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ist das Verfahren nicht (mehr) gemäß §
202 SGG in Verbindung mit §
240 Zivilprozessordnung (
ZPO) unterbrochen.
(1) Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Rücknahme der dem Kläger mit Bescheid vom 6. Mai 2011 gewährten Hinterbliebenenrente
liegen vor. Der Rücknahmebescheid ist hinreichend bestimmt, der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen und die
Jahresfrist wurde von der Beklagten gewährt.
Die Beklagte war durch die Vorschriften der
Insolvenzordnung (
InsO) nicht gehindert, nach Eröffnung eine Leistungsbewilligung nach den §§ 45 und 48 SGB X aufzuheben. Dies gilt selbst dann, wenn – wie hier – die daraus entstehende Forderung als Insolvenzforderung anzusehen ist
(LSG Sachsen-Anhalt v. 09.10.2014 – L 5 AS 673/13 in juris, Rn 41). Grund hierfür ist, dass die Rücknahme oder Aufhebung den Erstattungsanspruch durch Beseitigung des Rechtsgrundes für die
ursprüngliche Leistung erst entstehen lässt. Es handelt sich nicht um eine Maßnahme zur Verfolgung einer Forderung auf Befriedigung
aus der Insolvenzmasse. Das muss schon deshalb gelten, weil eine der Anmeldung zugängliche Forderung bis zur Aufhebung der
Leistungsbewilligung noch nicht existiert, weil der Leistung der Rechtsgrund der ursprünglichen Bewilligung zugrunde liegt.
Die Aufhebung ist deshalb zwingende Voraussetzung für das Entstehen einer im Insolvenzverfahren berücksichtigungsfähigen Forderung
(LSG Sachsen-Anhalt v. 09.10. 2014 – L 5 AS 673/13 in juris, Rn 41 mit weiteren Nachweisen).
Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat
(begünstigender Verwaltungsakt) auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2-4 ganz oder teilweise mit Wirkung für
die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß § 45 Abs. 2 darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt
nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter
Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig,
wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder
nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X kann sich unter anderem auf Vertrauensschutz nicht berufen soweit der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes
kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte – grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche
Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Der Bewilligungsbescheid vom 6. Mai 2011 wurde von dem Rücknahmebescheid vom 2. März 2015 erfasst. Soweit der Ausgangsbescheid
wegen mangelnder Bestimmtheit – der zurückzunehmende Bescheid wurde nicht ausdrücklich genannt – gemäß § 33 SGB X mangelbehaftet gewesen sein sollte, wurde dieser Mangel durch den Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2016 geheilt. Denn Gegenstand
der Klage ist gemäß §
95 SGG, sofern wie hier ein Vorverfahren stattgefunden hat, der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid
gefunden hat. Auch der Widerspruchsbescheid ist ein Verwaltungsakt, der den ursprünglichen Verwaltungsakt zulässig verändern
bzw. modifizieren kann, Verwaltungsakt und Widerspruchsbescheid sind als prozessuale Einheit anzusehen (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 13. Auflage, §
95 Rn 2). Maßgeblich ist daher der Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides und im Widerspruchsbescheid ist der
ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 6. Mai 2011 ausdrücklich benannt. Unabhängig davon, ob es sich um einen Fall der offensichtlichen
Unrichtigkeit im Sinne von § 38 Abs. 1 SGB X handelt, ist der auf eine Rücknahme dieses Bescheides gerichteter Wille der Behörde unverkennbar. Ein Mangel an Bestimmtheit
liegt jedenfalls unter Berücksichtigung des Widerspruchsbescheides daher nicht vor.
Der Bewilligungsbescheid vom 6. Mai 2011 war bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig. Voraussetzung für die Gewährung
einer Hinterbliebenenrente ist, dass die Witwe oder der Witwer nicht wieder geheiratet haben. Der Kläger war jedoch zum Zeitpunkt
der Bewilligung verheiratet, was sich – wie vom Sozialgericht zutreffend dargelegt – aus der Eintragung im Eheregister des
Standesamtes Hamburg-Harburg zu der Registernummer E 93/16 ergibt. Damit ist von einer nach deutschem Recht anerkannten Eheschließung
auszugehen und weiterer Ermittlungen hierzu bedarf es nicht. Insbesondere ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für die vom
Kläger ins Blaue hinein gemutmaßte Fälschung. Wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, ist es auch bei dieser Behauptung
geblieben, denn der Kläger hat als ihm eine Kopie der Urkunde übersandt worden ist, seine Fälschungsthese nicht weiter untermauert.
Auch das Schreiben der Öffentlichen Rechtsauskunft vom 7. März 2016 spricht für die Echtheit der Urkunde. Denn offensichtlich
hat der Kläger erfolglos probiert, das Standesamt davon zu überzeugen, dass die Ehe unwirksam ist. Es ist deshalb von einer
Schutzbehauptung auszugehen und weitere Ermittlungen sind nicht erforderlich.
Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil er es zumindest grob fahrlässig unterlassen hat, die Beklagte
über die in Ehe zu unterrichten. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte
vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Diese Voraussetzungen
liegen vor, denn der Kläger hat unvollständige Angaben zu seinem Ehestand gemacht, indem er es unterlassen hat, der Beklagten
über seine 2007 in Ä. geschlossene Ehe zu unterrichten. Der Kläger hat es unterlassen, auf die Frage, ob (und ggf. wann) er
wieder geheiratet hat, die Ehe mit seiner gegenwärtigen Ehefrau anzugeben. Es bestand — wie sich aus der Frage im Antragsformular
– für den Kläger eindeutig ergab, die Verpflichtung zutreffende Angaben zum Personenstand zu machen. Gegen diese Obliegenheit
hat der Kläger verstoßen und das Verschweigen ist als zumindest grob fahrlässig zu bewerten.
Grobe Fahrlässigkeit liegt bei einem besonders schwerwiegenden Sorgfaltspflichtverstoß vor. Maßgeblich dafür ist die persönliche
Einsichtsfähigkeit, ein Verstoß liegt vor, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder nicht
beachtet worden sind, die in dieser Situation jedem hätte einleuchten müssen. Angaben sind dann grob fahrlässig, wenn dem
Versicherten ohne weitere Überlegungen klar sein musste, dass er den betreffenden Umstand mitteilen musste. Bei fehlender
Sprachkompetenz muss sich der Versicherte ggf. sachkundige Hilfe holen, wenn z.B. die Fragen in einem Antragsformular nicht
verstanden werden (Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 45 Rn. 52 mit weiteren Nachweisen). Ausgangspunkt der Prüfung ist zunächst die Fragestellung im Antragsformular. Gefragt wurde, ob der Kläger wieder geheiratet
hat. Diese Frage ist klar und unmissverständlich. Es liegt auf der Hand und hätte vom Kläger auch erkannt werden müssen, dass
er die 2007 in Ä. geschlossene Ehe hätte angeben müssen, und zwar unabhängig davon, ob er von einer wirksamen oder unwirksamen
Ehe ausgegangen ist. Denn auf rechtliche Bewertungen bezog sich die Fragestellung erkennbar nicht, es bestand auch keine Einschränkung
im Hinblick auf nur im Inland geschlossene Ehen. Der Maßstab, ob ein grob fahrlässige Mitteilungspflichtverletzung vorliegt,
bezieht sich allein auf die Frage, ob eine Mitteilung der Ehe erforderlich gewesen wäre, beinhaltet aber nicht die Fragestellung,
ob der Kläger hätte wissen müssen, dass die in Ä. geschlossene Ehe in Deutschland anerkannt wird und rechtswirksam ist. Aufgrund
der Fragestellung war offensichtlich, dass eine Prüfung der Ehe im Zweifel von der Beklagten vorzunehmen war und hierfür wahrheitsgemäße
und vollständige Angaben erforderlich waren. Insofern vermag die Behauptung des Klägers, dass er von einer im deutschen Rechtskreis
ungültigen Ehe ausgegangen sei, nichts an der Qualifizierung als besonders schwerwiegenden Sorgfaltspflichtverstoß zu ändern.
Denn auf derartige Überlegungen der Versicherten kam es nach der Fragestellung gerade nicht an. Das gilt auch dann, falls
dem Kläger tatsächlich von einem Botschaftsangehörigen eine solche Auskunft erteilt worden sein sollte. Auch dann wäre er
aufgrund der Fragestellung ohne eigene Wertung und Berücksichtigung von anderweitiger Informationsquellen verpflichtet gewesen,
die Ehe gegenüber dem Rentenversicherungsträger anzugeben und dies war aufgrund der Fragestellung auch ohne weiteres erkennbar.
Nach dem bisherigen Sachstand und den Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil kann im Übrigen nicht davon
ausgegangen werden, dass die Angaben des Klägers stimmen, auch hier ist von einer Schutzbehauptung auszugehen. Denn er ist
im Rahmen der Befragung im Erörterungstermin vom 6. Februar 2019 nicht in der Lage gewesen, darzulegen, wann und wo er mit
welchem Botschaftsangehörigen gesprochen haben will.
Es sind auch keine Fehler bei der Ausübung des Ermessens ersichtlich.
Die für eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit einzuhaltenden Fristen sind von der Beklagten gewahrt worden. Weil
von einer grob fahrlässigen Mitteilungspflichtverletzung auszugehen ist, gilt die Zweijahresfrist des § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht. Vielmehr kann der Verwaltungsakt gemäß Satz 3 bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen
werden.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist auch die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten worden. Nach dieser Norm muss die Behörde bei einer Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit den Verwaltungsakt
innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes
für die Vergangenheit rechtfertigen. Von einer umfassenden Kenntnis der Behörde von den für eine Rücknahme erforderlichen
Tatsachen kann grundsätzlich erst nach Abschluss der gebotenen Ermittlungen zur Einsichtsfähigkeit des Begünstigenden ausgegangen
werden. Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X kann daher regelmäßig erst nach erfolgter Anhörung des Betroffenen beginnen (BSG v. 27. Juli 2000 – B 7 AL 88/99 R in juris, Rn. 24; Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 45 SGB X (Stand: 08.06.2020), Rn. 112).
Die Jahresfrist ist gewahrt worden, denn abzustellen ist auf den Zeitpunkt, in dem der Ausgangsbescheid erlassen worden ist.
Ob der Rücknahmebescheid vom 2. März 2015 hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 SGB X gewesen ist, kann dahingestellt bleiben, denn auch wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, liegt aufgrund der Einheitlichkeit
zwischen Ausgangs- und Widerspruchsbescheid kein Verstoß gegen das Bestimmtheitserfordernis mehr vor. Denn auch in solchen
Fällen kommt es nicht zu einer Verlagerung des für die Jahresfrist relevanten Zeitpunktes auf den Widerspruchsbescheid. Für
die Wahrung der Jahresfrist ist die erstmalige Aufhebungs- bzw. Rücknahmeentscheidung maßgeblich (BSG v. 24. Juni 2020 – B 4 AS 10/20 R in juris, Rn. 33; LSG Niedersachsen-Bremen – L 11 AS 239/18 in juris, Rn. 39 mit weiteren Nachweisen; s.a. LSG Hamburg v. 30.09.2019 in juris, Rn. 37). Wie bereits dargelegt, stellen sich Ausgangs- und Widerspruchsbescheid als Einheit dar. Streitgegenstand im gerichtlichen
Verfahren ist der mit der Klage angefochtene ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid
gefunden hat (§
95 SGG). Bei einem durchgängig betriebenem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren bleibt es auch bei einer Konkretisierung im Widerspruchsbescheid
dabei, dass die Jahresfrist durch den Ausgangbescheid gewahrt wird und es nicht von Belang ist, dass der Widerspruchsbescheid
außerhalb der Frist erlassen worden ist (LSG Niedersachsen-Bremen v. 26. Februar 2013 – L 11 AS 1394/09 in juris,, Rn. 34). Nur wenn der Ausgangsbescheid im weiteren Zeitablauf ausdrücklich aufgehoben bzw. – ohne dass weiterhin an ihm festgehalten
werden würde – vollständig ersetzt wird, kann für die Frist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X nicht mehr an den infolge der Aufhebung bzw. infolge der vollständigen Ersetzung nicht mehr existenten Erstbescheid angeknüpft
werden (vgl. hierzu: BSG v. 27. Juli 1989 und 15. Februar 1990 in juris). Ein solcher Fall liegt nicht vor, der Ausgangsbescheid ist nicht aufgehoben oder ersetzt worden.
Ungeachtet dieses Befundes liegt auch kein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz vor, weil auch der Rücknahmebescheid vom
2. März 2015 einer Auslegung in dem Sinne, dass der ursprüngliche Bewilligungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen
werden sollte, zugänglich ist.
Die Auslegung eines Verwaltungsakts hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in §
133 BGB ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern auf den wirklichen Willen
der Behörde bzw. des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die
Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts
der Verfügung beitragen können und die dem Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht.
Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und die Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte. Für die Auslegung kommt
es über den bloßen Wortlaut hinaus auf den objektiven Sinngehalt des Verwaltungsakts an, also darauf, wie der Empfänger dessen
Inhalt (Verfügungssatz und Begründung) bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen konnte
und musste. Die Auslegung geht aus vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der alle Begleitumstände und Zusammenhänge
(Vorgeschichte, Anträge, Begleitschreiben, Situation des Adressaten, genannte Rechtsnormen, auch Interesse der Behörde) berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (BSG v. 25. Oktober 2017 – B 14 AS 9/17 R in juris, Rn. 22; BSG v. 20. März 2013 – B 5 R 16/12 R in juris, Rn. 18).
Unter Berücksichtigung der Begründung des Bescheides und der Gesamtumstände ergibt sich der wirkliche Wille der Beklagten
mit hinreichender Deutlichkeit, den nicht ausdrücklich genannten Bewilligungsbescheid zurückzunehmen. Dieser Wille wird dadurch
erkennbar, dass sowohl in der Anhörung als auch im Bescheid selbst der Zeitpunkt genannt wurde, ab welchem die Rücknahme wirken
sollte, nämlich der 1. März 2011. Ab diesem Zeitpunkt wurde die in Rede stehende Hinterbliebenenrente von der Beklagten gezahlt.
Im Zusammenhang mit der geltend gemachten Erstattungsforderung in Höhe von 24.855,58 € ist der Zeitrahmen nochmals angegeben
worden (1. März 2011 bis 30. September 2014). Unter Berücksichtigung der vorgehenden Bemühungen der Beklagten mit zahlreichen Anfragen beim Kläger, den Sachverhalt im
Hinblick auf die in Ä. geschlossene Ehe näher aufzuklären, musste einem objektiven Empfänger bei verständiger Würdigung klar
sein, dass der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 6. Mai 2011 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden
sollte und nicht nur die späteren Änderungsbescheide vom 6. Juni 2011 und 1. April 2011. Denn aus der gesamten Korrespondenz
wird der Wille deutlich, aufgrund der unbekannten Ehe die Bewilligung der Rente von Anfang an und nicht zu einem späteren
Zeitpunkt zurückzunehmen. Hiervon ist der Kläger im Übrigen selbst ausgegangen, wie sich aus seinem Widerspruch ergibt. Er
hatte — aufgrund des genannten Zeitraums für die Erstattungsforderung — keinen Zweifel daran, dass auch der nicht ausdrücklich
genannte Bewilligungsbescheid zurückgenommen worden ist und hat im Widerspruch inhaltlich und nicht formal argumentiert, indem
er auf die seiner Auffassung rechtsungültige Ehe verwiesen hat bzw. dass er eine solche Auskunft erhalten habe.
(2) In Bezug auf die geltend gemachte Erstattung ist jedoch nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften nur eine Feststellung
zulässig, der Bescheid ist insoweit umzudeuten und zu korrigieren. Während eines insolvenzrechtlichen Verfahrens darf ein
Leistungsträger grundsätzlich keinerlei Vollstreckungsmaßnahmen vorbereiten und einleiten, um die insolvenzrechtlichen Sonderregelungen
nach der
Insolvenzordnung nicht zu umgehen. Die Vorschrift des §
87 InsO, welche Insolvenzgläubiger auf die Vorschriften über das Insolvenzverfahren verweist, regelt die Verfolgung von Insolvenzforderungen
generell. Die von ihr erfassten Forderungen können unabhängig von der tatsächlichen Teilnahme des Gläubigers am Insolvenzverfahren
nur nach den Maßgaben der
InsO verfolgt werden, d. h. sie sind nach den §§
174 ff.
InsO zur Insolvenztabelle anzumelden (LSG Niedersachsen-Bremen v. 27. März 2019 – L 13 AS 234/17 –, Rn. 41, juris). Zu den Vollstreckungsmaßnahmen gehört nach herrschender Meinung der Erlass eines Leistungsbescheids (BSG v 17.05. 2001 – B 12 KR 32/00 R –, BSGE 88, 146-153, SozR 3-2400 § 24 Nr 4, SozR 3-7910 § 61 Nr 1, SozR 3-7910 § 146 Nr 1, Rn. 16; LSG Sachsen-Anhalt v. 09.10.2014 – L 5 AS 673/13 in juris, Rn 48 mit weiteren Nachweisen). Die Regelungen der
Insolvenzordnung hindern die Insolvenzgläubiger schon daran, sich außerhalb des Insolvenzverfahrens einen Titel wegen einer Insolvenzforderung
zu verschaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2003 - 3 C 21/02, juris Rn. 17). Ein Leistungsträger hat deshalb keine Befugnis, zur Durchsetzung einer Insolvenzforderung einen Verwaltungsakt zu erlassen,
mit dem eine Erstattung verlangt wird (vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 16; BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 a.a.O.; LSG Sachsen-Anhalt v. 09.10.2014 – L 5 AS 673/13 in juris, Rn. 48). Eine Feststellung ist jedoch erforderlich und zulässig, wenn die zur Tabelle angemeldet Forderung – wie hier – im Prüfungstermin
bestritten wird. Denn die Beklagte hat die Befugnis, eine im Prüfungstermin bestrittene Insolvenzforderung durch Bescheid
festzustellen. Sie ist nicht verpflichtet, die Insolvenzforderung durch Feststellungsklage vor den Sozialgerichten geltend
zu machen (BSG v. 17.05.2001 – B 12 KR 32/00 R –, BSGE 88, 146-153, SozR 3-2400 § 24 Nr 4, SozR 3-7910 § 61 Nr 1, SozR 3-7910 § 146 Nr 1, Rn. 16). Unerheblich ist, dass die Feststellung erst dann erforderlich ist, wenn die Forderung bestritten wird und die Beklagte die
angefochtenen Bescheide zuvor erlassen hat, weil sie einen Feststellungsbescheid umgehend wieder erlassen könnte, wenn der
frühere Bescheid aufgehoben würde (BSG v. 17.05.2001 a.a.O.). Nach zwischenzeitlicher Beendigung des Insolvenzverfahrens (14. Oktober 2016) ist der Kläger auch (wieder) der richtige Adressat des Feststellungbescheides.
Im Fall des Bestreitens ist eine Umdeutung eines Leistungsbescheides in einen Feststellungsbescheid möglich, wenn eine Anmeldung
der Forderung zur Tabelle erfolgt ist und diese Forderung bestritten wurde, was hier der Fall ist (s. BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2003 – 3 C 21/02 in juris, Rn. 22). Eine solche Umdeutung ist ohne weiteres möglich, weil in einem Leistungsbescheid die Feststellung enthalten ist, dass die
Forderung besteht – sonst würde sie nicht geltend gemacht – und berechtigt erhoben wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG. Das Unterliegen der Beklagten im Hinblick auf die Feststellung der Rechtmäßigkeit ist als geringfügig zu werten und führt
deshalb nicht zu einer Quotelung.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gemäß §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.