Entscheidung des Unfallversicherungsträgers über die Weitergewährung einer als vorläufige Entschädigung gewährten Verletztenrente
Tatbestand
Streitig ist die Weitergewährung einer als vorläufige Entschädigung gewährten Verletztenrente.
Der im Jahre 1968 geborene Kläger stürzte am 11. August 2015 auf dem Weg von der Arbeit nach Hause mit dem Fahrrad bei einem
Bremsmanöver an einer roten Ampel auf den rechten Ellenbogen. Die Erstbehandlung erfolgte im D.-Klinikum H., wo sich röntgenologisch
am rechten Ellenbogengelenk eine supracondyläre Humerusfraktur speichenseitig zeigte. Wegen einer vom Kläger durchgeführten
Marcumar-Therapie und bestehender komplizierter Gerinnungssituation erfolgte die Verlegung in das Universitätsklinikum H.E..
Dort erfolgte eine offene Reposition und Plattenosteosynthese mit winkelstabiler Platte und zwei Zugschrauben.
Im Rahmen des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens erhielt die Beklagte umfangreiche medizinische Unterlagen betreffend
den Kläger. Die Beklagte veranlasste sodann ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. K. vom 22.
April 2016. Bei einer im März 2016 durchgeführten Untersuchung stellte dieser beim Kläger am rechten Ellenbogengelenk ein
Streckdefizit von 30° bei maximaler Beugung bis 125° fest. Die Auswärtsdrehung des rechten Unterarms gelang dem Kläger bis
65°, die Einwärtsdrehung bis 90°. Der Sachverständige Dr. K. schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) seit dem 22.
Februar 2016 mit 20 vom Hundert (v.H.) ein. Es bestehe eine Bewegungseinschränkung des Ellenbogens rechts kombiniert mit einer
eingeschränkten Drehfähigkeit und einer deutlich eingeschränkten Beweglichkeit im rechten Handgelenk besonders für die Dorsalflektion.
In einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Chirurgen Dr. K1 vom 3. Mai 2016 schloss sich dieser der Bewertung mit einer
MdE in Höhe von 20 v.H. an. Er empfahl eine Nachprüfung in einem Jahr, da Verbesserungen im Rahmen von Anpassung und Gewöhnung
zu erwarten seien.
Auf dieser Grundlage gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 2. Juni 2016 eine Rente als vorläufige Entschädigung.
Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte die Beklagte nach operativ versorgtem Trümmerbruch des körperfernen, speichenwärtigen
Oberarms mit nachfolgendem Lymphödem rechts eine mittelgradige Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenks bei der Streckung
und Beugung, eine Kraftminderung des Arms, eine endgradige Bewegungseinschränkung des Handgelenks bei der Auswärtsdrehung
und eine Muskelminderung des Oberarms an. Nicht anerkannt wurden als Folgen des Arbeitsunfalls ein Zustand nach vorderer Kreuzbandplastik
rechts, eine myostatische Haltungsinsuffizienz mit hängendem Schultergürtel und leichtem Schultervorstand rechtsseitig sowie
Autoimmunerkrankungen. Die Rente werde für die Zeit vom 22. Februar 2016 bis zum 30. Juni 2016 nach einer MdE von 20 v.H.
als monatliche Teilrente in Höhe von monatlich 500,14 €, für die Zeit ab dem 1. Juli 2016 bis auf weiteres in Höhe von monatlich
521,40 € festgestellt.
Ein Rentengutachten zur Nachprüfung der MdE erfolgte durch den Arzt Dr. K. unter dem 23. März 2017. Dieser schätzte die MdE
nach wie vor mit 20 v.H. ein. Am rechten Ellenbogengelenk bestand beim Kläger ein Streckdefizit von 20° bei maximaler Beugung
bis 130°. Die Unterarmdrehung rechts nach außen war bei 75° limitiert, nach innen ungestört bis 90° möglich. Sowohl der rechte
Oberarm als auch der rechte Unterarm wiesen ein Umfangsplus von 1,5 cm auf.
In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 18. April 2017 führte der Chirurg Dr. K1 aus, dass er beim Vergleich der beiden
Rentengutachten eine wesentliche Besserung sehe und die MdE nunmehr mit 10 v.H. einschätze. Es bestehe keine Einschränkung
der Unterarmbeweglichkeit mehr sowie auch keine Muskelweichteilminderung des rechten Arms. Die Beweglichkeit des Ellenbogens
sei nur noch sehr geringfügig eingeschränkt, und die Bewegungseinschränkung des Handgelenks habe sich verbessert. Eine weitere
Verbesserung durch Anpassung und Gewöhnung und die Entfernung des Materials halte er für möglich.
Auf Nachfrage erklärte der Sachverständige Dr. K. unter dem 1. Juni 2017, dass er der Einschätzung des Arztes Dr. K1 - MdE
in Höhe von 10 v.H. - folge. Bei der Diskrepanz hinsichtlich der angegebenen Muskelminderung des rechten Arms im Rentengutachten
vom 23. März 2017 handele es sich um einen Fehler beim Abhören des Diktiergeräts. Es liege ganz offensichtlich eine Seitenverwechslung
vor.
Mit Schreiben vom 15. Juni 2017 hörte die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Entziehung der Rente an. Es sei eine
wesentliche Besserung eingetreten.
Am 10. August 2017 erließ die Beklagte gegenüber dem Kläger einen Bescheid. Darin heißt es wie folgt: „bisher haben Sie eine
Rente nach einer MdE von 20 v.H. erhalten. Mit Ablauf des Monats August 2017 wird diese Rente entzogen (1)“. Es folgt eine
Begründung, wonach sich die dem Bescheid vom 2. Juni 2016 zugrundeliegenden Verhältnisse wesentlich geändert hätten. Nach
operativ versorgtem Trümmerbruch des körperfernen, speichenwärtigen Oberarms mit nachfolgendem Lymphödem rechts bestehe die
Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenks bei der Beugung und Streckung nur noch sehr geringfügig. Die endgradige Bewegungseinschränkung
des Handgelenks bei der Auswärtsdrehung bestehe nicht mehr. Weiter heißt es im Bescheid: „Ihre Erwerbsfähigkeit wird durch
die Folgen des Versicherungsfalls jetzt nicht mehr in rentenberechtigendem Grade gemindert (2)“. Im Anschluss daran erläuterte
die Beklagte die von ihr getroffenen Entscheidungen in Form der „erstmaligen Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit und
Entziehung der vorläufigen Rente“.
Mit seinem hiergegen am 30. August 2017 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass eine wesentliche Besserung
nicht eingetreten sei. Er leide unter Schmerzen im Ellenbogen, und es bestünden schmerzbedingt unveränderte Bewegungseinschränkungen.
Durch die Fehlbelastung komme es zu Schmerzen in der rechten Schulter. Es sei weiterhin eine MdE in Höhe von 20 v.H. anzuerkennen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2018 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die MdE werde mit
10 v.H. eingeschätzt. Dr. K. habe in seinem ergänzenden Bericht dargelegt, dass eine Seitenverwechselung hinsichtlich einer
angenommenen Muskelminderung festgestellt worden sei, und bemesse die Unfallfolgen ebenfalls nach einer MdE von 10 v.H. Die
Schulterbeschwerden rechts würden von Dr. K. nicht als Unfallfolge bewertet. Er verweise vielmehr auf eine unfallunabhängige
Arthrose im rechten Schultereckgelenk. Im Vergleich zum Vorgutachten sei es zu einer wesentlichen Befundverbesserung gekommen.
Die im Bescheid vom 2. Juni 2016 festgestellte mittelgradige Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenks liege jetzt nur
noch geringgradig vor, und eine endgradige Bewegungseinschränkung des Handgelenks bestehe nicht mehr.
Hiergegen hat der Kläger am 12. März 2018 Klage bei dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Der Kläger hat sein bisheriges Vorbringen
wiederholt und vertieft. Es bestünden unveränderte Bewegungseinschränkungen im rechten Ellenbogen und im rechten Handgelenk.
Er leide unter Schmerzen im Ellenbogen, sodass die Gebrauchsfähigkeit des rechten Arms weiterhin eingeschränkt sei. Durch
die Fehlbelastung bemerke er Schmerzen in der rechten Schulter. Diese Einschränkungen würden sich in den Ergebnissen seiner
Begutachtungen im April 2016 und März 2017 widerspiegeln. Ausweislich der Messprotokolle sei lediglich eine geringe Besserung
der Bewegungsfähigkeit der rechten oberen Gliedmaßen eingetreten. Die Umfangsmaße der rechten oberen Gliedmaßen hingegen hätten
sich verschmälert. Es sei keine wesentliche Besserung eingetreten, die eine Reduzierung der MdE von 20 auf 10 v.H. rechtfertige.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass eine wesentliche Besserung eingetreten sei, was sich aus den Messwerten der gutachterlichen
Untersuchungen ergebe. Bei der Diskrepanz hinsichtlich der angegebenen Muskelminderung habe es sich um eine Seitenverwechselung
gehandelt. Dies habe der Gutachter Dr. K. korrigiert.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. K. vom 11. September 2018 eingeholt. Ferner hat es Beweis
erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Arztes für Chirurgie-Unfallchirurgie und Sozialmedizin
Dr. T. vom 25. September 2019. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die MdE seit September 2017 mit 10 v.H.
einzuschätzen sei. Nach dem Standardwerk von Schönberger/Mehrtens/Valentin werde die MdE mit 10 v.H. eingeschätzt, wenn eine
Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk mit 0 - 30 - 120° bei freier Unterarmdrehung vorliege. Im Rahmen des Rentengutachtens
vom 23. März 2017 habe Dr. K. am rechten Ellenbogengelenk ein Bewegungsausmaß von 0 - 20 - 100° festgestellt. Dementsprechend
sei die Streckminderung noch geringer ausgeprägt gewesen als in der Literatur angegeben. Die Unterarmwendebeweglichkeit sei
im Vergleich zur Gegenseite ungestört gewesen. Die Bewegungsdaten des rechten Handgelenks hätten sich seinerzeit nahezu in
einem Normwertbereich befunden. Im Rahmen der aktuellen Begutachtung habe er am rechten Ellenbogengelenk eine Streckminderung
von 25°, bei Beugung bis 130° festgestellt. Die Unterarmdrehung nach innen sei um 5° gemindert gewesen im Vergleich zur Gegenseite.
Eine MdE in rentenberechtigendem Grade werde nicht erreicht. Eine MdE von 20 v.H. werde erst bei einer Beugeeinschränkung
bei 90° und einer Streckminderung von 30° im Ellenbogengelenk gewährt. Diesbezüglich sei der Kläger besser gestellt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 25. Oktober 2019 hat das Sozialgericht den Sachverständigen Dr.
T. gehört und die Beweisanordnung erweitert. Der Sachverständige Dr. T. hat ausgeführt, dass aus medizinischer Sicht keine
erhebliche Änderung vorliege. Auf die Sitzungsniederschrift vom 25. Oktober 2019, Blatt 102 bis 103 der Gerichtsakte, wird
insoweit Bezug genommen.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass es der Diskussion, ob eine wesentliche Änderung eingetreten sei, nicht bedürfe. Der streitgegenständliche
Bescheid enthalte als Verfügungssatz, dass mit Ablauf des Monats August 2017 die Rente entzogen werde. Es handele sich somit
um die Entziehung der mit Bescheid vom 2. Juni 2016 zuerkannten Rente als vorläufige Entschädigung. Der Rechtsprechung folgend
enthalte die Entziehung der Rente als vorläufige Rente zugleich konkludent die Ablehnung der Rente auf unbestimmte Zeit. Es
werde nicht die MdE einer Rente als vorläufige Entschädigung neu festgestellt, sondern es werde festgestellt, dass keine Rente
mehr zu zahlen sei (negative Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit). Sie werde mit der Aufhebung des ursprünglichen
Rentenbescheids und der Entziehung der vorläufigen Rente verbunden. Der Verfügungssatz sei in seinem Regelungsgehalt in sich
widerspruchsfrei. Hieran ändere auch die in der Begründung erfolgte Erläuterung zu einer wesentlichen Änderung nichts. Die
Entziehung der Rente erfolge nach §
62 Abs.
2 S. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII). Des Nachweises einer wesentlichen Änderung bedürfe es nicht. Dass zum Zeitpunkt der Rentenentziehung bzw. Feststellung
der Rente auf unbestimmte Zeit keine MdE in rentenberechtigendem Grade vorgelegen habe, hätten sowohl die Gutachter im Verwaltungsverfahren
als auch der Gerichtsgutachter bestätigt. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, worauf der Sachverständige Dr. T. seine Auffassung
stütze, dass eine wesentliche Änderung nicht vorgelegen habe. Ein Vergleich der im April 2016 erhobenen Funktionseinschränkungen
mit den Befunden des Gutachtens aus März 2017 ergebe eine wesentliche Änderung. Insbesondere im Hinblick auf die im März 2017
nicht mehr eingeschränkte Beweglichkeit der angrenzenden Gelenke müsse von einer wesentlichen Änderung ausgegangen werden.
Zusätzlich habe sich die Unterarmwendebeweglichkeit verbessert.
Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass der Entzug der vorläufigen Rente keine Entscheidung über die Dauerrente sei. Die im
angefochtenen Bescheid mitgeteilte Entziehung habe über die Festsetzung hinaus keinen eigenen Regelungsgehalt. Das Nichtbestehen
eines Rechts auf eine Rente auf unbestimmte Zeit sei zusätzlich festzustellen. Hieran fehle es. Im Rahmen der Auslegung ergebe
sich, dass der angefochtene Bescheid nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ergangen sei. Die vorläufige Rente werde wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse entzogen. Eine solche sei nach
Auffassung des gerichtlich bestellten Sachverständigen jedoch nicht eingetreten. Eine Umdeutung des Bescheides sei nicht zulässig.
Eine Feststellung nach §
62 SGB VII sei aufgrund des Ablaufs der Dreijahresfrist nicht mehr möglich.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 17. April 2020 sind die Beteiligten zum beabsichtigten Erlass eines Gerichtsbescheides angehört
worden. Mit Schriftsatz vom 23. April 2020 hat die Beklagte gegen eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid Einwände erhoben.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. Mai 2020 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 10. August 2017 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2018 aufgehoben. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine wesentliche Änderung
in den tatsächlichen Verhältnissen, die dem Ursprungsbescheid vom 2. Juni 2016 zugrunde gelegen hätten, eingetreten sei. Nach
Auslegung der angefochtenen Bescheide, insbesondere des Ausgangsbescheides vom 10. August 2017, gehe das Gericht davon aus,
dass sich die Beklagte bei der Entziehung der Rente auf die Vorschrift des § 48 SGB X gestützt und nicht den möglichen §
62 SGB VII angewandt habe. Die Beklagte habe in den angefochtenen Bescheiden keine Rechtsgrundlage für die Entziehung der Rente genannt,
sodass die Auslegung ergeben müsse, welcher wirkliche Wille zugrunde zu legen sei. Die Auslegung des Bescheides nach dem objektiven
Empfängerhorizont ergebe, dass die Beklagte von einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ausgegangen
sei und dies dem Kläger gegenüber auch entsprechend festgestellt habe. Die Beklagte habe wörtlich ausgeführt, dass sich die
dem Bescheid vom 2. Juni 2016 zugrundeliegenden Verhältnisse wesentlich geändert hätten. Auch im Widerspruchsbescheid werde
von einer wesentlichen Änderung im Sinne einer Besserung gesprochen. Dieses Ergebnis decke sich mit dem Gutachtenauftrag an
Dr. K., der sich auf die Nachprüfung der MdE im Sinne von einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse bezogen
habe. Der Prüfungsmaßstab sei daher § 48 SGB X. Der medizinische Sachverständige Dr. T. habe ausgeführt, dass die funktionellen Messwerte, die insbesondere bei der Feststellung
einer MdE maßgebend seien, bei den Untersuchungen des Klägers in den Jahren 2016, 2017 und bei ihm Ende 2019 zwar leichte
Abweichungen/Änderungen aufwiesen. Diese begründeten aber keine Abweichung von mehr als fünf vom Hundert in der Einschätzung
der MdE. Die MdE sei bei den im März 2016 gemessenen Werten mit 10 v.H. einzuschätzen gewesen. Insoweit sei insgesamt in den
maßgeblichen Bewegungseinschränkungen zwischen 2016, 2017 und 2019 keine Änderung im Sinne einer Besserung von mehr als fünf
vom Hundert eingetreten. Der Auffassung der Beklagten, dass eine Rentenentziehung im Sinne des §
62 Abs.
2 SGB VII vorliege, werde nicht gefolgt. Zwar könne bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung der
Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht
wesentlich geändert hätten. Die Beklagte habe im vorliegenden Fall aber auf eine wesentliche Änderung der Verhältnisse abgestellt.
Das Gericht folge insoweit nicht den Ausführungen der Beklagten, dass die Entziehung der Rente als vorläufige Rente zugleich
konkludent die Ablehnung einer Rente auf unbestimmte Zeit sei. Die Beklagte habe darauf hingewiesen, dass die Erwerbsfähigkeit
durch die Folgen des Versicherungsfalls nicht mehr in rentenberechtigendem Grade gemindert werde. Hiermit habe die Beklagte
eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Rentenentziehung auf eine Besserung der Verhältnisse habe stützen wollen. Eine
Umdeutung des Bescheides komme nicht in Betracht, denn der angefochtene Ausgangsbescheid sei kein fehlerhafter Verwaltungsakt.
Die Beklagte hat gegen den ihr am 2. Juni 2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 19. Juni 2020 Berufung eingelegt. Eine Besserung
sei nachgewiesen. Die gegenteiligen, nicht detailliert dokumentierten Äußerungen des Sachverständigen Dr. T. überzeugten nicht.
Der Vergleich der am 23. März 2017 erhobenen Befunde mit den Funktionseinschränkungen des maßgebenden Gutachtens aus April
2016 ergäbe eine wesentliche Änderung. Eine eingeschränkte Beweglichkeit der angrenzenden Gelenke habe im März 2017 nicht
mehr festgestellt werden können. Zusätzlich habe sich die Unterarmwendebeweglichkeit verbessert. In der Zusammenschau der
funktionalen Verbesserungen seien diese als wesentlich anzusehen. Unabhängig von der Frage der wesentlichen Änderung sei zu
berücksichtigen, dass die Entziehung einer vorläufigen Rente zugleich konkludent die Ablehnung der Rente auf unbestimmte Zeit
enthalte. Es werde nicht die MdE einer Rente als vorläufige Entschädigung neu festgestellt, sondern es werde festgestellt,
dass keine Rente mehr zu zahlen sei (negative Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit). Sie werde mit der Aufhebung des
ursprünglichen Rentenbescheides und der Entziehung der vorläufigen Rente verbunden. Es habe für die Entziehung der Rente keines
Besserungsnachweises gebraucht. Dem Bestimmtheitserfordernis werde der Verfügungssatz des Bescheides vom 10. August 2017 gerecht.
Der Bescheid vom 10. August 2017 bezeichne in seinem Verfügungssatz konkret die Entziehung der Rente mit Ablauf des Monats
August 2017. Der Empfänger sei also eindeutig in die Lage versetzt worden, klar und unzweideutig zu erkennen, dass ihm ab
September 2017 keine Rente mehr gezahlt werde. Eine falsche Begründung beseitige die Klarheit nicht. Die Begründung eines
Verwaltungsaktes sei nur dann von erheblicher Bedeutung, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung zurückgegriffen
werden müsse. Im Übrigen sei in der weiteren Begründung auch zutreffend klargestellt worden, dass keine MdE in rentenberechtigendem
Grade mehr vorliege. Ein etwaiger Begründungsmangel nach § 35 Abs. 1 SGB X habe die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst. Im Übrigen wirke sich eine unzureichende oder fehlerhafte Begründung
bei einem gebundenen Verwaltungsakt nicht auf dessen formelle Rechtmäßigkeit aus. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung
verdränge §
62 Abs.
2 S. 2
SGB VII die Vorschrift des § 48 SGB X.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 28. Mai 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, dass eine wesentliche Änderung nicht eingetreten sei. Die vorgenommenen Messungen wichen nicht wesentlich voneinander
ab. Die Auffassung, dass es sich bei der Entziehung der Rente wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse zugleich
konkludent um eine Ablehnung der Rente auf unbestimmte Zeit gehandelt habe, vermöge nicht zu überzeugen. Auch die Beklagte
selbst sei hiervon nicht ausgegangen. Denn in einem Schreiben vom 2. Mai 2017 habe die Beklagte dem Gutachter Dr. K. mitgeteilt,
dass nicht die Maßstäbe der Rente auf unbestimmte Zeit anzulegen seien, sondern eine wesentliche Änderung der Verhältnisse
entscheidend sei. Eine abschließende Feststellung des Umfangs der MdE sei also nicht Gegenstand der Begutachtung gewesen.
Auch im Anhörungsverfahren habe die Beklagte auf eine wesentliche Besserung abgestellt. Im Übrigen müsse nach der Rechtsprechung
des BSG der Verwaltungsakt, der aufgehoben werden solle, in der Aufhebungsentscheidung genau benannt werden. Die hinreichende Bestimmtheit
der Entscheidung der Beklagten ergebe sich hier erst aus der Begründung. In der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom
16. März 2010 habe die dortige Beklagte ihre Entscheidung ausdrücklich auf §
62 SGB VII gestützt, weil gerade keine wesentliche Änderung der Verhältnisse bei Entziehung der vorläufig gewährten Rente vorgelegen
habe. Anders liege der Fall jedoch hier.
Mit Beschluss vom 29. Juni 2020 hat der Senat den Antrag der Beklagten auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem Gerichtsbescheid
des Sozialgerichts Hamburg vom 28. Mai 2020 abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte (§§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§
151 SGG) Berufung ist begründet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage (§
54 Abs.
1 SGG) unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10. August 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2018 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat noch hinreichend bestimmt die Feststellung des
Rechts auf Rente als vorläufige Entschädigung im Bescheid vom 2. Juni 2016 mit Ablauf des Monats August 2017 aufgehoben und
festgestellt, dass mit Ablauf des Monats August 2017 ein Recht auf Rente auf unbestimmte Zeit nicht besteht.
Rechtsgrundlage für diese beiden von der Beklagten erlassenen Verwaltungsakte ist §
62 Abs.
2 S. 2
SGB VII und nicht § 48 SGB X.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die Auslegung von Verfügungssätzen im Sinne des § 31 SGB X und die Bestimmung des objektiven Regelungsgehalts nicht für die Bestimmung der Rechtsgrundlage relevant, sondern vielmehr
für die Fragen, ob ein Verwaltungsakt vorliegt, welchen Regelungsgehalt dieser hat und ob der Verwaltungsakt hinreichend bestimmt
ist. Die Bestimmung der maßgeblichen Rechtsgrundlage tangiert dagegen das Verhältnis verschiedener Rechtsnormen zueinander.
Hier greift §
62 Abs.
2 S. 2
SGB VII, der die Vorschrift des § 48 SGB X verdrängt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. März 2010 – B 2 U 2 /09 R, juris).
Gemäß §
62 Abs.
1 S. 1
SGB VII soll der Unfallversicherungsträger während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall die Rente als vorläufige Entschädigung
festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Spätestens mit Ablauf von drei Jahren
nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung gemäß §
62 Abs.
2 S. 1
SGB VII als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Nach §
62 Abs.
2 S. 2
SGB VII kann bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung der Vomhundertsatz der MdE abweichend
von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben.
Die Spezialermächtigung des §
62 Abs.
2 S. 2
SGB VII greift nach der Rechtsprechung des BSG unter drei Voraussetzungen ein: Erstens darf der Träger das Recht auf die Rente bisher nur „vorläufig“ anerkannt haben. Zweitens
muss er beabsichtigen, diese vorläufige Feststellung zu ändern und erstmals darüber zu entscheiden, ob dem Versicherten der
Rentenanspruch auf unbestimmte Zeit zusteht. Drittens muss er diese Verwaltungsakte dem Versicherten innerhalb des Zeitraums
von drei Jahren seit dem Arbeitsunfall bekanntgeben (BSG, Urteil vom 16. März 2010 – B 2 U 2/09 R, juris).
§
62 Abs.
2 S. 2
SGB VII befugt den Unfallversicherungsträger dazu, über das Recht des Versicherten auf eine Dauerrente (Rente auf unbestimmte Zeit)
ohne Bindung an den Regelungsgehalt der letzten vorläufigen Anspruchsfeststellung erstmals und gegebenenfalls unter deren
Aufhebung oder Änderung zu entscheiden. Er darf dabei anders als in der vorläufigen Bewilligung entscheiden, ohne dass dafür
eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen eingetreten sein müsste, die bei Erlass der letzten vorläufigen Anspruchsfeststellung
vorgelegen hatten. Der Vorläufigkeitsvorbehalt, welcher der Feststellung des Rentenanspruchs durch den Zusatz: „als vorläufige
Entschädigung“ beigefügt war, schließt ein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherten auf diesen Verwaltungsakt aus, als dessen
Regelung auf der Tatsache der noch nicht abschließend einschätzbaren MdE beruht. Der Gesetzesbegriff „Feststellung einer Rente
auf unbestimmte Zeit“ bedeutet die Entscheidung des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung über das subjektiv-öffentliche
Recht eines Versicherten auf Rente. Diese Entscheidung kann auch negativ ausfallen, also zu der Feststellung führen, dass
ein Rentenanspruch nicht besteht (BSG, Urteil vom 16. März 2010 – B 2 U 2/09 R unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 31. März 1976 - 2 RU 151/74, juris). Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn die MdE den Wert von 20 v.H. (vgl. §
56 Abs.
1 S. 1
SGB VII) bzw. 10 v.H. (vgl. 56 Abs. 1 S. 2 - 4
SGB VII) nicht erreicht.
Diese Spezialvorschrift verdrängt in ihrem Anwendungsbereich die generelle Regelung des § 48 SGB X, auf den das Sozialgericht die Entscheidung der Beklagten gestützt hat. Die in § 48 SGB X allgemein erteilte Ermächtigung zur Aufhebung von Verwaltungsakten ist nicht anwendbar, wenn und solange es speziell um die
Änderung, Aufhebung und Ersetzung von vorläufigen Feststellungen eines Rentenanspruchs in der gesetzlichen Unfallversicherung
bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall geht (BSG, Urteil vom 16. März 2010 – B 2 U 2/09 R; Bayerisches LSG, Urteil vom 6. November 2013 – L 2 U 540/12, juris). Das Ermächtigungskonzept des §
62 SGB VII trägt der Erfahrung Rechnung, dass sich in der ersten Zeit nach einem Versicherungsfall dessen gesundheitliche Folgen und
deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit des Versicherten zumeist noch nicht stabilisiert haben. Die Folgen des Versicherungsfalls
unterliegen häufig noch allmählich oder auch kurzfristig eintretenden Veränderungen. So führen Anpassung und Gewöhnung an
die Folgen eines Versicherungsfalls, etwa durch Entwicklung von Ausgleichsfunktionen und durch das Erlernen des Umgangs mit
verletzten Gliedmaßen, des Öfteren zu einer Besserung. Nicht selten verändert sich die unfallbedingte MdE in den ersten Jahren
wechselhaft oder nimmt auch zu (BSG, Urteil vom 16. März 2010 – B 2 U 2/09 R, juris).
§ 48 SGB X findet dagegen in folgenden drei Fallgestaltungen Anwendung: Erstens, wenn der Träger von Anfang an den Rentenanspruch auf
Dauer festgestellt, also von der Ermächtigung des §
62 Abs.
1 SGB VII keinen Gebrauch gemacht hat. Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass die Vorschrift auch anwendbar ist, wenn eine als „vorläufig"
gewollte Bewilligung den Vorbehalt der erleichterten Abänderbarkeit nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, also eine
Feststellung über den dauerhaften Rentenanspruch verlautbart. Zweitens, wenn nach einer („vorläufigen") Feststellung des Rechts
unter Abänderungsvorbehalt der Dreijahreszeitraum abgelaufen war, sodass der Änderungsvorbehalt kraft Gesetzes entfallen und
dadurch die ursprünglich „vorläufige" Feststellung zu einer solchen über den Dauerrentenanspruch geworden war (§
62 Abs.
2 S. 1
SGB VII), jetzt aber eine abweichende Entscheidung über den Anspruch getroffen werden soll. Drittens, wenn eine im Dreijahreszeitraum
ergangene Entscheidung über die Feststellung einer Dauerrente, mit der zugleich die Feststellung einer Rente als „vorläufige
Entschädigung" aufgehoben worden war (§
62 Abs.
2 S. 2
SGB VII), ihrerseits aufgehoben werden soll (BSG, Urteil vom 16. März 2010 – B 2 U 2/09 R, juris).
Nach dieser Maßgabe greift hier §
62 Abs.
2 S. 2
SGB VII als spezialgesetzliche Rechtsgrundlage ein. Denn es handelt sich um eine Aufhebung von vorläufigen Feststellungen eines Rentenanspruchs
in der gesetzlichen Unfallversicherung innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren nach dem Versicherungsfall. Mit Bescheid
vom 2. Juni 2016 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung. Diese sollte mit Ablauf des Monats
August 2017 innerhalb von drei Jahren nach dem Versicherungsfall am 11. August 2015 entzogen, also aufgehoben werden. Die
in der Rechtsprechung des BSG genannten drei Fallgestaltungen, in denen § 48 SGB X Anwendung findet, liegen nicht vor.
Der angefochtene Bescheid vom 10. August 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2018 ist formell und materiell
rechtmäßig.
Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 15. Juni 2017 zu der beabsichtigten Entziehung der Rente gemäß § 24 Abs. 1 SGB X an. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10. August 2017 erklärte sie noch hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X, dass sie die Feststellung des Rechts auf Rente als vorläufige Entschädigung aufhebe, auch wenn sie den aufgehobenen Verwaltungsakt
nicht ausdrücklich unter Angabe des Datums benannte.
An dieser Stelle ist die vom Sozialgericht genannte Rechtsprechung des BSG zur Auslegung von Verwaltungsakten und zur Bestimmung des objektiven Regelungsgehalts relevant. Danach ist bei der Auslegung
von Verfügungsätzen im Sinne des § 31 SGB X vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten auszugehen. Maßgebend ist der objektive Sinngehalt der Erklärung. Nach
objektivem Empfängerhorizont war dem Bescheid vom 10. August 2017 hinreichend deutlich zu entnehmen, dass dieser den Verwaltungsakt
über die Bewilligung von Rente als vorläufige Entschädigung vom 2. Juni 2016 aufgehoben („entzogen“) hat. Denn so heißt es
im angefochtenen Bescheid im als (1) gekennzeichneten Verfügungssatz wie folgt: „Bisher haben Sie eine Rente nach einer MdE
von 20 v.H. erhalten. Mit Ablauf des Monats August 2017 wird diese Rente entzogen.“ Das BSG hat zwar ausgeführt, dass Rechtsklarheit und Rechtssicherheit es prinzipiell geböten, in der Aufhebungsentscheidung den Verwaltungsakt
genau zu benennen, der aufgehoben werden soll, und auch eindeutig zu sagen, in welchem Umfang er aufgehoben werde (BSG, Urteil vom 16. März 2010 – B 2 U 2/09 R, juris). Doch auch ohne datumsmäßige Benennung des Verwaltungsaktes, der aufgehoben wird, nimmt das BSG noch eine hinreichende Bestimmtheit nach § 33 Abs. 1 SGB X an (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 2010 – B 2 U 2/09 R, juris). So liegt der Fall auch hier. Für den Kläger ergab sich aus dem angefochtenen Bescheid vom 10. August 2017 unzweifelhaft,
dass er die Rente als vorläufige Entschädigung mit Ablauf des Monats August 2017 nicht mehr erhalten werde.
Die Voraussetzungen des §
62 Abs.
2 S. 2
SGB VII liegen vor. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 2. Juni 2016 festgestellt, dass der Kläger einen Anspruch auf eine Rente
als vorläufige Entschädigung hat. Der Vorbehalt erleichterter Abänderbarkeit war noch nicht kraft Gesetzes entfallen (§
62 Abs.
2 S. 1
SGB VII), weil der Dreijahreszeitraum seit dem Versicherungsfall vom 11. August 2015 bei der Bekanntgabe der angefochtenen Entscheidung
im August 2017 noch nicht verstrichen war.
Die Beklagte traf mit Bescheid vom 10. August 2017 auch eine erstmalige Entscheidung über das Recht auf Dauerrente im Sinne
des §
62 Abs.
2 S. 2
SGB VII. Mit Bescheid vom 2. Juni 2016 hatte sie dem Kläger die Rente als vorläufige Entschädigung gewährt. Da die MdE während des
Zeitraums dieser vorläufigen Entschädigung unter 20 v.H. gesunken war, war die Rente zu entziehen.
Ein solcher Entzug der Rente gilt auch als Ablehnung einer Rente auf unbestimmte Zeit (Padé, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB VII, 2. Aufl., §
62 SGB VII (Stand: 15. Februar 2017), Rn. 35 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 22. März 1983 - 2 RU 37/82, juris; Kranig, in: Hauck/Noftz, SGB, 01/17, §
62 SGB VII, Rn. 8). Wird eine Rente als vorläufige Entschädigung gezahlt und sinkt die MdE innerhalb des Dreijahreszeitraums auf unter
20 v.H., so wird nicht die MdE einer Rente als vorläufige Entschädigung neu festgestellt, sondern es wird festgestellt, dass
keine Rente mehr zu zahlen ist. Es handelt sich um die Feststellung, dass Rente auf unbestimmte Zeit nicht zu zahlen ist („negative
Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit). Sie wird mit der Aufhebung des ursprünglichen Rentenbescheides unter Entziehung
der vorläufigen Rente verbunden (Kranig, in: Hauck/Noftz, SGB, 01/17, §
62 SGB VII, Rn. 8).
So liegt der Fall hier. Die Beklagte erklärte im ersten Verfügungssatz, dass die Rente mit Ablauf des Monats August 2017 entzogen
werde. Es folgte sodann eine Begründung hierfür. Nach dieser Begründung heißt es in einem zweiten Verfügungssatz: „Ihre Erwerbsfähigkeit
wird durch die Folgen des Versicherungsfalls jetzt nicht mehr in rentenberechtigendem Grade gemindert“. Auch wenn dieser zweite
Verfügungssatz sich nicht direkt an den ersten Verfügungssatz anschließt, sondern erst ein Teil der Begründung vorgenommen
wird und sich dieser zweite Verfügungssatz erst daran anschließt, lässt sich aus diesem doch hinreichend bestimmt entnehmen,
dass die Beklagte beim Kläger keinen rentenberechtigenden Grad der MdE mehr annimmt. Darin kommt nach objektivem Empfängerhorizont
eine Ablehnung einer Rente auf unbestimmte Zeit zum Ausdruck. Dass die Beklagte eine solche Entscheidung über die Rente auf
unbestimmte Zeit getroffen hat, ergibt sich zudem aus den Erläuterungen der Beklagten im Bescheid. In diesen Erläuterungen
heißt es explizit „(1) Erstmalige Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit und Entziehung der vorläufigen Rente“.
Beim Kläger lag im September 2017 auch eine MdE von weniger als 20 v.H. vor. Maßgeblich ist hier das Ausmaß der MdE mit Ablauf
des Monats August 2017. Es bedarf keiner wesentlichen Änderung der Verhältnisse. Beim Übergang von der vorläufigen Entschädigung
zur Rente auf unbestimmte Zeit besteht keine Bindung an die im Rentenbescheid über vorläufige Entschädigung festgestellte
MdE. Der Unfallversicherungsträger hat bei der Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit die MdE unabhängig von vorausgegangenen
Feststellungen neu entsprechend dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Gesundheitszustand des Versicherten festzustellen. Danach
kann die MdE auch dann niedriger festgestellt werden als im Bescheid über Rente als vorläufige Entschädigung, wenn sich die
Verhältnisse nicht geändert haben (Kranig, in: Hauck/Noftz, SGB, 01/17, §
62 SGB VII, Rn. 10; Bayerisches LSG, Urteil vom 6. November 2013 – L 2 U 540/12, juris).
Die MdE des Klägers lag im September 2017 bei 10 v.H. Auf die Frage, ob die MdE im Bescheid vom 2. Juni 2016 mit 20 v.H. zutreffend
zugrunde gelegt worden ist, kommt es nicht an. Denn einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse bedarf es - wie soeben ausgeführt
- im Rahmen des §
62 Abs.
2 S. 2
SGB VII nicht.
Beim Kläger bestehen seit dem Unfallereignis Gesundheitsstörungen im rechten Ellenbogengelenk nach einer komplexen Fraktur
des körperfernen Oberarmanteils. Bereits in der Erstbehandlung wurde ein Abriss des Oberarmköpfchens sowie ein Bruch des speichenseitigen
Pfeilers am Oberarm festgestellt. Es erfolgte eine osteosynthetische Stabilisierung mit einzelnen Schrauben sowie Platte und
Schrauben.
Nach dem Rentengutachten des Arztes Dr. K. vom 23. März 2017 ist beim Kläger am rechten Ellenbogengelenk ein Bewegungsausmaß
von 0 - 20 - 130° festgestellt worden. Nach dem Standardwerk von Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit,
9. Aufl., Seite 568, wird die MdE mit 10 v.H. eingeschätzt, wenn eine Bewegungseinschränkung in Ellenbogengelenk mit 0 - 30
- 120° bei freier Unterarmdrehung vorliegt. Die Streckminderung zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. K. im März 2017 war
sonach noch geringer ausgeprägt als in der Literatur für eine MdE von 10 v.H. angegeben. Die Unterarmwendebeweglichkeit war
im Vergleich zur Gegenseite ungestört.
Während der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. T. konnte am rechten Ellenbogengelenk eine Streckminderung von 25°
bei Beugung bis 130° festgestellt werden. Die Unterarmdrehung nach innen war um 5° im Vergleich zur Gegenseite gemindert.
Danach beträgt die MdE 10 v.H. Eine MdE von 20 v.H. wird erst bei einer Beugeeinschränkung bei 90° und einer Streckminderung
von 30° im Ellenbogengelenk gewährt. Diesbezüglich ist der Kläger besser gestellt.
Mit diesen Feststellungen zu den Gesundheitsstörungen des Klägers und der Einschätzung der MdE folgt der Senat den schlüssigen
und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. T.. Er hat den Kläger untersucht und sich so ein Bild von seinem Gesundheitszustand
und den Folgen der MdE machen können. Das Gutachten stimmt mit der Einschätzung des Beratungsarztes Dr. K1, der ebenfalls
eine MdE von 10 v.H. angenommen hatte, überein. Auch der Gutachter Dr. K. hatte seine initial getroffene Einschätzung einer
MdE von 20 v.H. auf Nachfrage hin revidiert und darauf hingewiesen, dass eine Muskelminderung am rechten Arm nicht bestanden,
sondern es sich um eine Seitenverwechselung im Rahmen des Abhörens des Diktates gehandelt habe.
Ein Stützrententatbestand nach §
56 Abs.
1 S. 2
SGB VII ist nicht ersichtlich.
Sind die Voraussetzungen des §
62 Abs.
2 S. 2
SGB VII wie hier gegeben, hat die Beklagte trotz des Wortes „kann“ kein Ermessen. Das Gesetz trägt mit dem Wort „kann“ nur dem Umstand
Rechnung, dass die abschließende Feststellung der MdE zu einer anderen MdE als vorläufig festgesetzt, aber auch zu derselben
führen kann. Es befugt und verpflichtet den Träger, die abschließende Tatsachenfeststellung ungeachtet der bisherigen MdE-Feststellungen
und insbesondere ohne das Erfordernis einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zu treffen (BSG, Urteil vom 16. März 2010 – B 2 U 2/09 R, juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.