Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren; Beurteilung der Erfolgsaussichten bei der Geltendmachung
von Verfassungswidrigkeit
Gründe:
Die am 3. November 2010 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) eingelegte Beschwerde der Klägerin gegen den Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des SG vom 19. Oktober 2010 hat in der Sache keinen Erfolg.
Das SG hat zu Recht die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter anwaltlicher Beiordnung abgelehnt.
Gemäß §
114 S. 1
ZPO, der über die Verweisungsnorm des §
73a Abs.
1 S. 1
SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt, ist einem Beteiligten auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, der nach seinen
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen
kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig
erscheint.
Der Maßstab für die dabei geforderten Erfolgsaussichten ist im Lichte der grundrechtlich garantierten Rechtsschutzgleichheit
zu bestimmen. Sie folgt aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art.
3 Abs.
1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsgrundsatz aus Art.
20 Abs.
3 GG. Gefordert ist hiernach eine Angleichung der Rechtsschutzmöglichkeiten eines Unbemittelten mit denen eines Bemittelten, der
seine Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung des Kostenrisikos vernünftig abwägt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist
zu bejahen, wenn für den Antragsteller eine nicht fernliegende Möglichkeit besteht, sein Rechtsschutzziel durch Inanspruchnahme
gerichtlichen Rechtsschutzes jedenfalls unter Zuhilfenahme aller verfahrensrechtlich vorgesehenen Rechtsbehelfe gegen instanzgerichtliche
Entscheidungen durchzusetzen (Bundesverfassungsgericht, 14.6.2006 - 2 BvR 626/06; BVerfGE 81, 347 (357); stRspr). Ein höherer Wahrscheinlichkeitsgrad kann erforderlich sein, um die Prozessführung nicht mutwillig erscheinen
zu lassen, wenn die Bedeutung des Rechtsschutzzieles sonst völlig außer Verhältnis zum verbleibenden Prozesskostenrisiko steht.
So verstandene hinreichende Erfolgsaussichten kommen im sozialgerichtlichen Verfahren aus zwei Gesichtspunkten in Betracht.
Sie sind einerseits anzunehmen, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage weder angesichts der gesetzlichen Regelung oder
im Hinblick auf von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellter Auslegungshilfen ohne Schwierigkeiten beantwortet
werden kann (BVerfGE 81, 347 (359)) noch höchstrichterlich geklärt ist. Nur so verbleibt dem Unbemittelten die Möglichkeit seinen klärungsbedürftigen
Rechtsstandpunkt zumindest im Hauptsacheverfahren zu vertreten und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen (BVerfG,
14.6.2006 - 2 BvR 626/06 mwN).
Andererseits sind die Erfolgsaussichten grundsätzlich als hinreichend anzusehen, wenn eine weitere Sachverhaltsaufklärung
- über die geforderte Mitwirkungsobliegenheit des Antragstellers nach §
103 S. 1
SGG hinaus - ernstlich in Betracht kommt. Dabei darf die Erfolgsprognose in sehr engen Grenzen auf eine vorweggenommene Beweiswürdigung
gestützt sein. Hinreichende Erfolgsaussichten bestehen nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die
weitere Sachverhaltsaufklärung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lasten des Antragstellers ausgehen wird (vgl. für Zivilprozess:
BVerfG, 29.9.2004 - 1 BvR 1281/04, NJW-RR 2005, 140 mwN).
Anhand dieses Maßstabs sind hinreichende Erfolgsaussichten nicht festzustellen. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen
gemäß §
142 Abs.
2 S. 3
SGG auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Reichweite hinreichender Erfolgsaussichten
verkennen, wenn sie annehmen, jede nur denkbare Rechtsaufassung könne diese bereits begründen, solange Erfolgsaussichten nicht
ohne jeden Zweifel auszuschließen sind. Stützt sich der Antragsteller allein darauf, die einfachrechtlich zu seinen Lasten
bestehende Rechtslage halte einer verfassungsrechtlichen Prüfung des Bundesverfassungsgerichts nicht stand, ist vorausschauend
zu beurteilen, ob unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG hinreichende Anhaltspunkte für eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit
bestehen. Insoweit hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass das BVerfG in seinem Kammerbeschluss vom 10.3.2010 - 1 BvL 11/07 eindeutige Hinweise darauf gegeben hat, dass nach seiner bisherigen Rechtsprechung dem grundrechtlichen Gewährleistungsbereich
des Art.
6 Abs.
1 GG nicht eine Pflicht zu entnehmen ist, jegliche familiäre Belastung in allen Sozialleistungssystemen auszugleichen. Darauf
gestützt ist nicht erkennbar, wieso der Gesetzgeber verpflichtet sein soll, über den Tatbestand des §
26 Abs.
1 Nr.
2a SGB III hinaus die anwartschaftsbegründende Versicherungspflicht über die Vollendung des dritten Lebensjahres des betreuten Kindes
vorzusehen; zumal aufgrund des Betreuungsanspruchs aus § 24 S. 1 SGB VIII vom vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes an ein Anspruch auf Betreuung in einer Tageseinrichtung besteht. Aus dem Zusammenwirken
beider Regelungen lässt sich entnehmen, dass der Versicherungspflichttatbestand nur greifen soll, solange typischerweise die
Kindererziehung der Aufnahme einer Beschäftigung entgegenstehen kann (vgl. Gesetzesbegründung: BT-Drucks 14/6944 S. 30).
Nicht ins Gewicht fällt, dass das BVerfG in der vorbenannten Entscheidung nur die Unzulässigkeit der Richtervorlage festgestellt
hat, weil sich seine Hinweise auf die gefestigte Rechtsprechung zu Art.
6 Abs.
1 GG in der Sache beziehen.
Eine anwaltliche Beiordnung nach §
73a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
121 Abs.
2 ZPO kommt daher nicht in Betracht.
Der Senat hat davon abgesehen, vorab der Beklagten die Beschwerdebegründung zu übermitteln, weil sie durch die Entscheidung
nicht beschwert ist.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Bewilligungsverfahren wie das Hauptsacheverfahren kostenfrei ist (§
183 SGG) und eine Erstattung der dem Gegner entstandenen Kosten ausgeschlossen ist (§
73a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
118 Abs.
1 S. 4
ZPO, für Beschwerdeverfahren: §
127 Abs.
4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit einer weiteren Beschwerde angefochten werden (§
177 SGG).