LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.02.2010 - 15 P 33/06
Öffentliche Förderung teilstationärer Pflegeeinrichtungen
Zuwendungen aus Landes-Glückspiel-Vereinbarungen
Art und Umfang der Anrechung auf Leistungen nach dem SGB XI
Die Finanzhilfen aus Konzessionsabgaben nach dem ländereigenen Lotto-/Toto-Gesetz sind bei Abschreibungen im Rahmen der Finanzhaushalte
der Pflegeheimbetreiber nach dem SGB XI nicht zu berücksichtigen.
2. Das gilt auch für Zinsersparnisse.
Vorinstanzen: SG Osnabrück 23.06.2006 S 14 P 40/02
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 23. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Klägerin, Investitionsaufwendungen für die vollstationäre Pflege und die
Tagespflege gesondert berechnen zu dürfen.
Die Klägerin ist Trägerin der Pflegeeinrichtung "J." (Seniorenzentrum K.) in L ... In dem hier streitigen Zeitraum von Januar
1999 bis Juni 2000 verfügte die Einrichtung über 44 Pflegeplätze für Langzeitpflege (vollstationäre Pflege) und 10 Plätze
für die Tagespflege (teilstationäre Pflege). Teilweise wurden die Langzeitpflege-Plätze auch für die Durchführung von Kurzzeitpflege
genutzt. Der Beklagte hatte die Einrichtung dem Grunde nach als förderfähig nach dem Niedersächsischen Pflegegesetz (NPflegeG)
mit Bescheiden vom 2. September 1996 (bezüglich der Dauerpflege) und vom 16. Januar 1998 (bezüglich der Tagespflege) anerkannt.
Da am 1. Januar 1999 eine andere gesetzliche Regelung über die Förderung der Investitionsfolgekosten in Kraft trat, beantragte
die Klägerin bei dem Beklagten mit Schreiben vom 23. Dezember 1998 die Förderung nach dem NPflegeG ab 1. Januar 1999. Nach
Übersendung umfangreicher Unterlagen u. a. über Zinsen für Fremdkapital, Eigenkapital, Kosten für Instandhaltung und Abschreibungen
etc. stimmte der Beklagte mit Bescheid vom 10. August 2000 der gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen für die
Zeit vom 1. Januar 1999 bis 30. Juni 2000 in Höhe von täglich 28,49 DM für die Tagespflege zu. Mit Bescheid vom selben Tag
stimmte er der gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen in Höhe von 44,25 DM pro Platz und Tag für die Zeit vom
1. Januar 1999 bis 30. Juni 2000 für die Dauerpflege zu. Der Betrag könne als kalendertäglicher Tagesbetrag in Höhe von 43,64
DM oder als Monatsbetrag in Höhe von 1.327,50 DM in Rechnung gestellt werden. Als Rechtsgrundlage wurden in beiden Bescheiden
§ 82 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - ( SGB XI) und §§ 19, 9 NPflegeG sowie die dazugehörigen Bestimmungen der Durchführungsverordnung zum NPflegeG angeführt. Eine Förderung gewährte
der Beklagte dem Heim der Klägerin für den genannten Zeitraum nur insoweit, als er mit Bescheid vom 14. September 2000 für
die Kurzzeitpflegeplätze für sechs Quartale insgesamt 31.082,80 DM bewilligte (Belegungstage pro Quartal x 43,64 DM).
Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 25. August 2000, bei dem Beklagten am 7. September 2000 eingegangen, Widerspruch gegen
die Bescheide vom 10. August 2000. Zur Begründung gab sie an, dass sie eine abweichende Auffassung über die Anrechnung von
Toto-Lotto-Mitteln bei der Ermittlung der Investitionskosten habe. Der Beklagte informierte daraufhin die Klägerin mit Schreiben
vom 8. September 2000 darüber, dass aufgrund eines Runderlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und
Soziales vom 6. Juni 2000 (Az. 107.1-43 590/14.1) bei der Ermittlung von Zinsen für Eigenkapital sowie von Abschreibungen
als Folgeaufwendungen nach § 9 NPflegeG Mittel aus staatlicher Förderung unberücksichtigt bleiben. Dies gelte auch für Konzessionsabgabemittel
(Lotto-Toto-Mittel), die seit dem 1. Januar 1994 den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege zugeflossen seien. Folglich sei
es nicht möglich, Konzessionsabgabemittel, die nach dem 1. Januar 1994 zugeflossen seien - die Förderung der Klägerin erfolgte
1996/1997 - bei der gesonderten Berechnung von Investitionskosten nach dem NPflegeG als förderfähige Aufwendungen in irgendeiner
Form zu berücksichtigen. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2000 verwies die Klägerin auf ein Gutachten von Prof. Dr. M./Rechtsanwalt
N. vom 2. Juni 2000, das sich zwar mit der Bewertung von Mitteln aus der Glücksspirale beschäftige, dessen Erwägungen sich
aber auf den vorliegenden Fall, d. h. die Bewertung von Lottomitteln, übertragen ließen. Sie kündigte im Übrigen an, die genannten
Sachverständigen mit einem Gutachten über die niedersächsische Rechtslage zu beauftragen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2001 verband der Beklagte die beiden Widerspruchsverfahren gegen die Zustimmungsbescheide
bezüglich der vollstationären und der teilstationären Pflege zu einem Verfahren und wies die Widersprüche als unbegründet
zurück. Zur Erläuterung führte er Folgendes an: Träger von teilstationären Pflegeeinrichtungen erhielten Zuschüsse in Höhe
der Aufwendungen nach § 9 NPflegeG. Die in dieser Vorschrift bezeichneten Aufwendungen seien gesondert berechenbare Aufwendungen
im Sinne von § 82 Abs. 3 und Abs. 4 SGB XI. Zum Eigenkapital gehörten nicht die Mittel aus unmittelbarer und mittelbarer staatlicher Förderung. Folgeaufwendungen aus
Investitionen, die mit diesen Mitteln getätigt worden seien, würden nur insoweit berücksichtigt, als sie dem Träger der Pflegeeinrichtung
tatsächlich entstünden (§ 9 Abs. 3 NPflegeG). Eine Berücksichtigung der der Klägerin aus Konzessionsabgaben von Lotterien
zugewendeten Mittel sei demnach weder als Eigenkapital noch bei den Abschreibungen auf die dadurch erworbenen Wirtschaftsgüter
möglich. Dies sei nicht nur in dem Erlass des zuständigen Ministeriums vom 6. Juni 2000 bestimmt worden, sondern ergebe sich
auch aus folgenden Erwägungen. Die Lotto-Toto-Mittel entstammten der Konzessionsabgabe, die von den Wettunternehmen an das
Land abzuführen sei. Es handele sich dabei folglich um Abgaben, die - sobald sie in den Verfügungsbereich des Landes gelangt
seien - zu öffentlichen Mitteln würden. § 9 Abs. 3 NPflegeG schließe eine Doppelförderung durch die öffentliche Hand aus.
Die Einrichtung der Klägerin sei bereits deshalb öffentlich gefördert worden, weil ihr aus den Lotto-Mitteln 500.000,00 DM
zugewendet worden seien. Aus der von Prof. Dr. M./Rechtsanwalt N. erarbeiteten Stellungnahme folge nichts anderes. Darin werde
zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass die Herkunft der Fördermittel für die Beurteilung, ob es sich um öffentliche Mittel
handele, unerheblich sei. Es sei zwar so, dass alle Abgaben zunächst aus privater Hand kämen. Sie würden jedoch in dem Zeitpunkt
zu öffentlichen Mitteln, in dem sie in den Verfügungsbereich des Staates gelangten. Erst dann sei der Staat - hier das Land
Niedersachsen - in der Lage, diese Mittel zu verteilen. Ein weiteres, angeblich bei Prof. Dr. M./Rechtsanwalt N. in Auftrag
gegebenes Gutachten über die Verwendung von Lotto-Toto-Mittel in Niedersachsen sei - entgegen der Ankündigung der Klägerin
- nicht vorgelegt worden.
Gegen den ihr am 20. Juni 2001 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Osnabrück
erhoben, das mit Beschluss vom 24. Mai 2002 das Verfahren an das Sozialgericht (SG) Osnabrück verwiesen hat. Obwohl die Klage zunächst gegen die Bezirksregierung Weser-Ems erhoben worden sei, sei sie zulässig.
Es sei lediglich das Rubrum berichtigt worden, indem man die Klage nunmehr gegen den Landkreis Osnabrück richte. Die angefochtenen
Bescheide seien rechtswidrig. Denn sie - die Klägerin - habe sowohl Anspruch auf höhere Festsetzung der förderfähigen Investitionsfolgeaufwendungen
(gemäß §§ 9, 11 Abs. 1 NPflegeG) als auch auf Zustimmung zur gesonderten Berechnung höherer Investitionsfolgekosten gemäß
§ 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI als von dem Beklagten bewilligt. Er habe bei der Ermittlung der förderfähigen Kosten ihre jährlichen Aufwendungen für die
Pflegeeinrichtung unzutreffend berechnet, weil das Eigenkapital zu niedrig angesetzt worden sei. Denn entgegen der Auffassung
des Beklagten seien auch die von ihr eingesetzten Lotto-Mittel in Höhe von 500.000,00 DM als Eigenkapital zu veranschlagen
und nicht etwa als Mittel aus unmittelbarer oder mittelbarer staatlicher Förderung. Dies habe zur Konsequenz, dass ein weitaus
höherer Zinsaufwand für Eigenkapital bei der Ermittlung ihrer jährlichen Aufwendungen in die Berechnung einzustellen sei.
Seit dem 1. Januar 1999 habe die Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege einen Anspruch auf insgesamt 31,2 %
der von den Wettunternehmen an das Land abzuführenden Konzessionsabgabe, wobei diese als Finanzhilfe ausgestaltet sei. Nach
dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers seien diese Mittel wie Eigenmittel der Empfänger zu behandeln, um insbesondere
zu vermeiden, dass der Einsatz von Mitteln aus der Finanzhilfe nach § 7 Niedersächsisches Lotteriegesetz (NLottG) den Empfänger
von der Gewährung von Zuwendungen ausschließe. Deshalb unterliege die Finanzhilfe auch nicht den für die Zuwendungen des Landes
geltenden Bestimmungen. Für die Ausgestaltung als Eigenmittel spreche auch, dass die von den Wettunternehmen abzuführende
Konzessionsabgabe historisch als ein der Allgemeinheit zuzuführender Ausgleich für die Gestaltung einer an sich unzulässigen
Betätigung entstanden sei. Die Verwendung eines Teils dieser Mittel für soziale Zwecke lasse sich als Ausgleich für die in
einzelnen Fällen zu erwartenden negativen Folgen übermäßigen Glücksspiels (Vermögensverfall und Spielsucht etc.) begründen.
Da diese negativen Folgen insbesondere den Aufgabenbereich der freien Wohlfahrtspflege belasteten, sei die zweckentsprechende
Verwendung der Konzessionsabgabe als Ausgleich gedacht. Das Niedersächsische Sozialministerium sehe die hier in Rede stehende
Finanzierungshilfe dementsprechend als Eigenmittel an. Dies sei im sog. Lotterievertrag, einer vertraglichen Vereinbarung
des Landes Niedersachsen mit den einzelnen Verbänden der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege vom 27. März
1998 so geregelt. Auch stehe die Veranstaltung von Lotterien verfassungsrechtlich unter dem Schutzbereich der Berufsfreiheit
nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz ( GG). Gemeinnützigen Lotterieveranstaltern stehe daher das bislang vom Staat in Anspruch genommene Recht zu, die zwingend abzuführenden
Zweckerträge selbst zu verteilen. Deshalb habe der Staat insoweit kein Verteilungsmonopol für die von den Lotterieveranstaltungen
erwirtschafteten Zweckerträge. Die autonomen Verteilungsentscheidungen der jeweiligen Lotterieveranstalter beruhten auf autonomen
Vereinbarungen zwischen ihnen und dem Begünstigten. Es sei als grundrechtlicher Reflex anzusehen, dass auch der gemeinnützige
Zweckertragempfänger vor Eingriffen des Staates grundrechtlich geschützt werde, insbesondere dann, wenn er durch Einbringung
seines guten Rufes in die jeweilige Lotterieveranstaltung zum Spielkonzept und Erfolg dieser Lotterie beitrage.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klage sei unbegründet. Die Bezirksregierung habe zutreffend das Verfahren hinsichtlich
der Förderung der teilstationären Pflege mit demjenigen verbunden, das sich mit der Berechnung von Investitionsaufwendungen
bei der stationären Pflege beschäftige, weil in beiden Fällen dieselbe Rechtsgrundlage, nämlich § 9 NPflegeG einschlägig sei.
Nach § 9 Abs. 3 NPflegeG gehörten zum Eigenkapital nicht die Mittel aus "unmittelbarer oder mittelbarer staatlicher Förderung
und das aus diesen Mitteln Erworbene". Die Vorschrift bestimme außerdem, dass "Folgeaufwendungen aus Investitionen, die aus
Mitteln nach Satz 1 getätigt würden, bei einer Förderung nach diesem Gesetz nur insoweit berücksichtigt würden, als sie dem
Träger der Pflegeeinrichtung tatsächlich entstünden". Die der Klägerin gewährten Zuwendungen aus den Lotteriemitteln seien
als unmittelbare staatliche Förderung in dem genannten Sinne anzusehen. Deshalb könnten die ihr gewährten Lotteriemittel weder
als Eigenkapital noch bei den Abschreibungen auf die dadurch erworbenen Wirtschaftsgüter berücksichtigt werden. Dies ergebe
sich aus dem Runderlass des Niedersächsischen Sozialministeriums vom 2. Juni 1998 (gemeint: 6. Juni 2000), der mit höherrangigem
Recht im Einklang stehe. Die Behandlung der fraglichen Zuwendung als Eigenmittel ergebe sich insbesondere nicht aus § 3 Abs.
2 des Lotterievertrages. Denn dort werde angeordnet, dass die Lotteriemittel als Eigenmittel einsetzbar seien, soweit dies
unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften zulässig sei. Mithin knüpfe der Lotterievertrag an gesetzliche Regelungen an,
verdränge diese aber nicht. Es komme nicht entscheidend darauf an, dass die Veranstaltung von Lotterien als private Tätigkeit
dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG unterfalle, denn entscheidend sei nicht die juristische Einordnung der Lotterie als solcher, sondern die Einordnung der Mittel
aus der Konzessionsabgabe. Die Konzessionsabgabe gemäß § 6 NLottG sei schon deshalb eine öffentliche Einnahme, weil sie an
das Land abzuführen sei. Selbst wenn also die Einnahmen aus der Lotterie als privat zu qualifizieren seien, so sei doch die
Konzessionsabgabe eine öffentliche Einnahme. Es handele sich dabei um eine Art von Besteuerung des aus der Lotterie gewonnenen
"Spielkapitals". Insoweit unterscheide sich die Konzessionsabgabe nicht von sonstigen staatlichen Einnahmen wie z. B. Steuern,
die ebenfalls privat erwirtschaftet würden, vom Staat eingezogen und dann als öffentliche Mittel für diverse Staatsaufgaben
eingesetzt würden. Die Mittelverwendung setze logisch und systematisch voraus, dass der Staat Inhaber dieser Mittel sei, weshalb
es sich um öffentliche Mittel handele. Im Übrigen könne der Staat nicht über die Verwendung privater Mittel entscheiden. Würden
die Zuwendungen als Eigenmittel eingesetzt, ergebe sich im Rahmen der Förderung nach dem NPflegeG ein zusätzlicher, nicht
gerechtfertigter Berechnungsvorteil.
Mit Urteil vom 23. Juni 2006 hat das SG Osnabrück die Bescheide des Beklagten vom 10. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 19. Juni 2001 aufgehoben. Zur Begründung hat es Folgendes angeführt: Entsprechend der Entscheidung des BSG vom 24. Juli 2003 (BSGE 91, 182) bedürfe die landesrechtliche Förderung von stationären Pflegeeinrichtungen durch Investitionskostenzuschüsse in Form der
gesonderten Berechnung betriebsnotwendiger Investitionsaufwendungen keiner Zustimmung der zuständigen Landesbehörde. Denn
diese Aufwendungszuschüsse seien ausschließlich bewohnerbezogen und beinhalteten keine öffentlich-rechtliche - objektbezogene
- Förderung nach § 9 SGB XI. Sinn dieser Regelung sei gewesen, einkommensschwache pflegebedürftige Heimbewohner zu fördern, um sie von der Inanspruchnahme
von Sozialhilfe freizuhalten. Mithin falle die Klägerin unter die Pflegeeinrichtungen des § 82 Abs. 4 SGB XI, die nicht nach Landesrecht gefördert würden. Die Pflegeeinrichtungen dürften ihre betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen
selbst berechnen, ohne dass es der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde bedürfe. Der Landesbehörde müsse lediglich der
ermittelte Betrag angezeigt werden. Der Bescheid vom 10. August 2000, der sich mit der Förderung der stationären Pflege beschäftige,
sei mithin rechtswidrig, weil er einer Rechtsgrundlage entbehre. Die Erwägungen des BSG seien auch auf die Frage der Förderung von Tages- bzw. Kurzzeitpflege-Plätzen zu übertragen. Mithin sei auch der andere am
10. August 2000 ergangene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtswidrig.
Gegen das ihm am 14. Juli 2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 14. August 2006 Berufung eingelegt, die er wie folgt
begründet. Das von dem SG angeführte BSG-Urteil, das in wesentlichen Zügen einer Entscheidung des OVG Lüneburg (Urteil vom 22. Januar 2003, Az. 4 LC 146/02) entspreche,
beziehe sich ausdrücklich nur auf die Förderung von vollstationären Einrichtungen. Es werde in Frage gestellt, ob es auf die
Förderung teilstationärer Pflegeeinrichtungen übertragbar sei. Darauf komme es jedoch nicht entscheidend an, weil Gegenstand
des vorliegenden Rechtsstreits die Frage sei, ob die sog. Lotto-Toto-Mittel Zuflüsse der öffentlichen Förderung im Sinne von
§ 9 SGB XI und § 9 Abs. 2 NPflegeG seien. Die Klägerin erhalte Mittel aus öffentlicher Förderung. Dabei sei unerheblich, ob sie abrechnungstechnisch
wie Eigenmittel zu behandeln seien, da sie dennoch öffentliche Zuwendungen darstellten. Da die Klägerin diese Mittel auch
objektbezogen einzusetzen habe, hätten diese Rückwirkung auf die Höhe der betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen im
Sinne von § 82 SGB XI, so dass die gesonderte Berechnung eines vom Heimbewohner verlangten Betrages für Investitionsfolgekosten der Zustimmung
durch den Beklagten gemäß § 82 Abs. 3 SGB XI bedürfe.
Der Bescheid des Beklagten vom 10. August 2000, der sich mit den Investitionsaufwendungen für die "vollstationäre Pflege"
beschäftige, beziehe sich nicht nur auf die Plätze der vollstationären Dauerpflege der Einrichtung der Klägerin, sondern auch
auf diejenigen Dauerpflegeplätze, die im Rahmen der sog. eingestreuten Kurzzeitpflege belegt würden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 23. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Sie vertritt die Auffassung, dass es nicht darauf ankomme, wie die aus
Lottomitteln zufließende Konzessionsabgabe bei der Förderung zu berücksichtigen sei.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes sowie der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird auf die Gerichtsakte
und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung
und der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zwar zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das SG in seinem Urteil vom 23. Juni 2006 die Bescheide des Beklagten vom 10. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 19. Juni 2001 aufgehoben, denn sie sind rechtswidrig.
Zutreffend hat das SG die Zulässigkeit der Klage bejaht. Die Klägerin hat zwar erst nach Ablauf der Klagefrist die Klage gegen den jetzigen Beklagten
gerichtet. Hierbei handelte es sich jedoch nicht um eine Klageänderung i.S.d. § 99 Sozialgerichtsgesetz ( SGG), sondern nur um eine Berichtigung des Passivrubrums (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 1981 - 8/8a RU 108/79, BSGE 51, 213; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 99 Rdnr. 6a m.w.N.), die - zumindest wenn sie nur eine Berichtigung im Verhältnis von Widerspruchs- und Ausgangsbehörde darstellt
- auch noch nach Ablauf der Klagefrist zulässig ist (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Dezember 1967 - VI OVG A 137/66, DVBl. 1967, 425).
1.) Zutreffend hat das SG den die Dauerpflegeplätze betreffenden Bescheid des Beklagten vom 10. August 2000 aufgehoben, denn er steht nicht im Einklang
mit § 82 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - SGB XI (in der Fassung des Gesetzes vom 14. Juni 1996 - BGBl. I, S. 830 -, in Kraft ab 25. Juni 1996). Die genannte Gesetzesvorschrift lautete: § 82 SGB XI (3) Soweit betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen nach Abs. 2 Nr. 1 oder Aufwendungen für Miete, Pacht, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder sonstige abschreibungsfähige Anlagegüter
nach Abs. 2 Nr. 3 durch öffentliche Förderung gem. § 9 nicht vollständig gedeckt sind, kann die Pflegeeinrichtung diesen Teil
der Aufwendungen den Pflegebedürftigen gesondert berechnen. Gleiches gilt, soweit die Aufwendungen nach S. 1 vom Land durch
Darlehen oder sonstige rückzahlbare Zuschüsse gefördert werden. Die gesonderte Berechnung bedarf der Zustimmung der zuständigen
Landesbehörde; das nähere hierzu, insbesondere auch zu Art, Höhe und Laufzeit sowie die Verteilung der gesondert berechenbaren
Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen, wird durch Landesrecht bestimmt.
Zwar sind die von der Klägerin geltend gemachten Investitionsfolgekosten, insbesondere in Form von Zinsen für Darlehen und
sonstige Fremdmittel Investitionsaufwendungen i. S. von § 82 Abs. 3 S. 1 (bzw. Abs. 2 S. 1 Nr. 1) SGB XI. Es fehlt jedoch an der öffentlichen Förderung gem. § 9 SGB XI i. S. von § 82 Abs. 3 S. 1 SGB XI. Eine öffentliche Förderung i. S. dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn sie einrichtungs- bzw. objektbezogen, nicht
jedoch nur bewohner- bzw. subjektbezogen erfolgt. Bewohner- bzw. subjektbezogene Zuschüsse stellen keine öffentliche Förderung
der Einrichtung, sondern eine dem jeweiligen Pflegebedürftigen zugute kommende Sozialleistung sui generis dar (BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 - B 3 P 1/03 R, BSGE 91/182; OVG Lüneburg, Urteil vom 22. Januar 2003 - 4 LC 146/02, zitiert nach juris). Das niedersächsische Pflegegesetz
(NPflegeG) vom 22. Mai 1996 (Niedersächsisches GVBl. Nr. 10/1996, S. 245, geändert durch das Gesetz zur Änderung des NPflegeG
vom 29. Januar 1998, Niedersächsisches GVBl. 3/1998, S. 50 und das Haushaltsbegleitgesetz vom 21. Januar 1999, Niedersächsisches
GVBl. 2/1999, S. 10), das aufgrund der Ermächtigung in § 9 SGB XI erging, regelt in § 13 Abs. 1, dass Träger von vollstationären Einrichtungen der Dauerpflege bewohnerbezogene Zuschüsse für diejenigen nach § 8 Abs. 3 zu berücksichtigenden Pflegebedürftigen erhalten, die Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz oder den Vorschriften über die Kriegsopferfürsorge erhalten oder ohne den bewohnerbezogenen Aufwendungszuschuss erhalten
würden. Anhand dieser Formulierung wird deutlich, dass die gem. § 13 NPflegeG zu zahlenden Zuschüsse von der wirtschaftlichen
Bedürftigkeit des Heimbewohners abhängen und mithin subjektbezogen sind. Zwar sieht § 12 Abs. 1 NPflegeG auch eine Förderung
von Maßnahmen in vollstationären Einrichtungen der Dauerpflege für die Träger dieser Einrichtungen vor, dies führt im vorliegenden
Fall jedoch nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn es ist aufgrund des vorliegenden Sachverhalts schon nicht davon auszugehen,
dass die Einrichtung der Klägerin für die Dauerpflegeplätze tatsächlich entsprechende Fördermittel in dem hier in Rede stehenden
Zeitraum von Januar 1999 bis 30. Juni 2000 erhalten hat, außerdem wäre eine solche Förderung im vorliegenden Fall auch aus
folgenden Erwägungen nicht relevant. Die Förderung nach § 12 erfolgt für Zinskosten, die für eingesetztes Fremdkapital für
folgende Maßnahmen anfallen: Maßnahmen zur Verbesserung der pflegerischen Versorgungsstruktur, insbesondere in Form von Umstrukturierung
oder Modernisierung oder Ersatz von Teilen der Einrichtung. Die von der Klägerin geltend gemachten Investitionsfolgekosten
betreffen jedoch die damalige Errichtung des Pflegeheims, nicht aber spätere Maßnahmen der Umstrukturierung. Es fehlt mithin
an einer öffentlichen Förderung der Investitionsfolgekosten, die die Klägerin ihren Heimbewohnern, die Dauerpflegeplätze innehatten,
in Rechnung stellen wollte. Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass der Beklagte einige Dauerpflegeplätze, die
die Klägerin vorübergehend für Kurzzeitpflege nutzte (sog. "eingestreute" Kurzzeitpflege), förderte (s. Bescheid vom 14. September
2000). Denn der angegriffene Bescheid vom 10. August 2000, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2001, bezieht
sich ausschließlich auf die Inhaber der Dauerpflegeplätze.
Die von der Klägerin für die Dauerpflegeplätze begehrte Förderung fällt vielmehr nach dem bereits genannten Urteil des BSG unter § 82 Abs. 4 SGB XI, wonach Pflegeeinrichtungen, die nicht nach Landesrecht gefördert werden, ihre betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen
den Pflegebedürftigen ohne Zustimmung der zuständigen Landesbehörde gesondert berechnen. Die gesonderte Berechnung ist danach
der zuständigen Landesbehörde mitzuteilen. Die insoweit von der Klägerin begehrte Förderung ist mithin nicht zustimmungspflichtig
durch den Beklagten gewesen, so dass der Zustimmungsbescheid vom 10. August 2000 rechtswidrig ist.
2.) Auch der die Tagespflegeplätze der Klägerin betreffende Bescheid des Beklagten vom 10. August 2000 ist rechtswidrig. Er
steht ebenfalls nicht im Einklang mit § 82 Abs. 3 SGB XI (in der ab 25. Juni 1996 gültigen Fassung). Auch im vorliegenden Fall fehlt es daran, dass die in Rede stehenden Investitionsaufwendungen
"durch öffentliche Förderung gem. § 9 nicht vollständig gedeckt sind". Denn die Klägerin hat auch für ihre Tagespflegeplätze
keine öffentliche Förderung im Sinne dieser Vorschrift erhalten. Nach ihren Angaben hat sie für ihre Tagespflegeplätze zwischen
Januar 1999 und Juni 2000 keine Förderung i. S. d. NPflegeG erhalten. Vielmehr handelt es sich auch hinsichtlich der Tagespflegeplätze
um einen Fall des § 82 Abs. 4 SGB XI (a. F.). Die Einrichtung der Klägerin ist tatsächlich nicht nach Landesrecht gefördert worden. Dazu reicht es nicht aus,
dass diese Plätze grundsätzlich förderungsfähig i. S. von § 11 Abs. 1 NPflegeG sind, wonach Träger von teilstationären Pflegeeinrichtungen
Zuschüsse i. H. der Aufwendungen nach § 9 erhalten. Denn dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist zu entnehmen, dass es
nicht auf diese theoretische Förderungsmöglichkeit ankommt, sondern vielmehr darauf, ob diese Pflegeeinrichtung - tatsächlich
- nach Landesrecht gefördert wird (BVerwG, Urteil vom 20.09.2001, Az.: 5 B 54/01, FEVS 53, 504 f.; OVG Lüneburg aaO.). Auch ist nicht die in der Vergangenheit erfolgte Zuwendung von öffentlichen Mitteln
- z. B. der Konzessionsabgabe aus Lotto- und Totomitteln - als Förderung in diesem Sinne anzusehen, weil nicht jegliche denkbare
öffentliche Förderung damit gemeint ist, sondern nur diejenige von Investitionsfolgekosten (so im Ergebnis auch: Udsching:
SGB XI, 2. Aufl. 2000, § 82 Rdnr. 8). Außerdem stellen die Lotto-Toto-Mittel deshalb keine öffentliche Förderung im Sinne der genannten Vorschrift dar,
weil sie der Klägerin bereits vor 1999 zugeflossen sind. Der Wortlaut des § 82 Abs. 4 SGB XI a. F. verlangt jedoch, dass die Pflegeeinrichtungen gefördert werden, also zumindest in dem jeweils in Rede stehenden Zeitraum
eine solche Förderung erhalten. Dieses Verständnis der Begriffs der Förderung in § 82 Abs. 3 bzw. Abs. 4 SGB XI a. F. ist bereits deshalb sachgerecht, weil das Zustimmungserfordernis durch die zuständige Landesbehörde i. S. von § 82 Abs. 3 SGB XI der präventiven Kontrolle dient und verhindern soll, dass Kostenanteile berechnet werden, die bereits durch die (öffentliche)
Förderung abgedeckt sind (vgl. BSG, aaO.). Erfolgt jedoch keine tatsächliche Förderung nach Landesrecht i. S. v. § 82 Abs. 4 SGB XI a. F., besteht diese Notwendigkeit nicht. Vielmehr wird durch die Anzeigepflicht erreicht, dass die Länder einen Überblick
über die den Pflegebedürftigen gesondert berechneten Investitionskostenanteile erhalten. Anhand dieser Informationen könne
sie entscheiden, ob eine nicht geförderte Pflegeeinrichtung in die Förderung aufgenommen werden soll (BSG, aaO.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
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