Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Versorgung mit einem Hubschwenksitz einschließlich der Montage des Sitzes in den
Pkw der Eltern.
Die am 1985 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an einer Spina bifida in Form einer Meningomyelocele
mit Lähmungsniveau ab TH 10 und einem Hydrocephalus und kann weder stehen noch gehen. Sie ist daher auf den ständigen Gebrauch
eines Rollstuhls angewiesen und erhält Leistungen der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II. Am 1. Dezember 2005 beantragte
sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für den Einbau eines Hubschwenksitzes in den Pkw der Familie. Auf Grund ihres Körpergewichtes
könne ihre Mutter sie nicht mehr in das Auto heben. Sie fügte einen Kostenvoranschlag der R. GmbH vom 28. November 2005 bei,
nach welchem die begehrten Leistungen zu einem Preis von insgesamt 4.906,80 EUR angeboten wurden.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 2005 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für einen Pkw-Schwenksitz ab, da die Nutzung eines
Pkws zur Vergrößerung des persönlichen Freiraums nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern
in den Bereich der Eigenverantwortung falle. Außerdem habe dem Antrag nicht die erforderliche ärztliche Verordnung beigelegen.
Am 23. Dezember 2005 reichte die Klägerin eine ärztliche Verordnung vom 19. Dezember 2005 für einen Pkw-Hubschwenksitz, ausgestellt
von der Gemeinschaftspraxis W., nach und legte gegen die ablehnende Entscheidung der Beklagten Widerspruch ein. Sie verwies
insbesondere auf ein Urteil des Bundessozialgerichts, nach welchem ein Schwerstpflegebedürftiger Anspruch auf einen schwenkbaren
Autositz zum Ausgleich der Behinderung habe. Ihre Mutter sei nicht in der Lage, sie aus dem Rollstuhl in das Auto zu setzen
und der Vater komme nur zwei- bis dreimal im Monat von seiner auswärtigen Arbeitsstelle nach Hause.
Die Beklagte führte mit Schreiben vom 29. Dezember 2005 aus, der dem Bundessozialgericht zur Entscheidung vorliegende Sachverhalt
lasse sich nicht mit dem Sachverhalt der Klägerin vergleichen, weil die dortige Antragstellerin zur Durchführung ärztlicher
Behandlung und lebensnotwendiger Therapiemaßnahmen zwingend auf die Transportmöglichkeit mit dem Pkw unter Zuhilfenahme des
Schwenksitzes angewiesen gewesen sei. Das Bundessozialgericht habe am gleichen Tag in einem anderen Fall eine Klage auf Versorgung
mit einem Pkw-Schwenksitz abgewiesen.
Die Klägerin teilte daraufhin mit, der Hubschwenksitz werde benötigt, um die Hausärztin Dipl. Med. W. in J., die Zahnärztin
Dr. J. in A., fünf- bis sechsmal jährlich den Kieferorthopäden Dr. B. in W. sowie drei- bis viermal jährlich das Sozialpädiatrische
Zentrum in B. und einmal jährlich den Augenarzt im V.-Klinikum in B. aufzusuchen. Bei Komplikationen gebe es zusätzliche Termine.
Außerdem habe die Klägerin im Mai 2006 einen Termin im Schlaflabor im St. H.-Krankenhaus in B. sowie einen Termin in der Hörklinik
ebenfalls in B ... Sich daraus ergebende Folgetermine seien noch nicht abschätzbar. Nach einem Arztbesuch müsse die Klägerin
in die Werkstatt für behinderte Menschen gefahren werden, da ein gesonderter Transport durch das Arbeitsamt in diesem Fall
nicht möglich sei. Dies sei auch am 1. März 2006 nach einem Besuch des MDK zur Wiederholungsbegutachtung nötig gewesen. Zudem
habe es Termine beim Arbeitsamt gegeben. Da die Klägerin nicht lange alleine bleiben könne und wolle, begleite sie ihre Mutter
auch zum Einkaufen oder zu sonstigen Erledigungen. Eine Betreuung sei kurzfristig nicht möglich. Am Wochenende würden Veranstaltungen
und Freunde besucht und der Pkw werde zweimal im Jahr für Urlaubsreisen eingesetzt. Sie sei daher dringend auf den Schwenksitz
angewiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin als
unbegründet zurück. Autofahren gehöre nicht zu den Grundbedürfnissen und die Möglichkeit, ein Auto zu benutzen, sei keine
körperliche Grundfunktion, die durch Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung wieder herzustellen sei. Die Klägerin sei
mit einem Rollfiets und einem Aktivrollstuhl versorgt, womit die Fortbewegung im Nahbereich sichergestellt sei und eine ausreichende
Bewegungsfreiheit zur Erfüllung der Grundbedürfnisse ermöglicht werde. Die Fortbewegung in einem größeren Umkreis mittels
Pkw gehöre nicht mehr zum Basisausgleich, für den die Krankenkasse zuständig sei. Das Urteil des Bundessozialgerichts im Falle
einer Wachkomapatientin sei wegen eines anderen Sachverhaltes nicht übertragbar. Die Klägerin müsse ihre Ärzte nicht mehrmals
in der Woche aufsuchen.
Hiergegen hat die Klägerin am 3. Mai 2006 Klage erhoben und auf ein Urteil des 8. Senats des Bundessozialgerichts verwiesen,
wonach ein schwenkbarer Autositz ein Hilfsmittel sei, wenn dem Versicherten dadurch die Nutzung eines Pkw ermöglicht und die
Unfähigkeit, zu gehen oder ein Fortbewegungsmittel zu besteigen, ausgeglichen werde. Ein schwenkbarer Autositz sei danach
als Hilfsmittel von der Krankenkasse zu gewähren, wenn im Einzelfall dieses Hilfsmittel zur Erschließung eines körperlichen
Freiraums trotz bereits zur Verfügung stehender anderweitiger Hilfsmittel oder Leistungen tatsächlich benötigt werde. Auf
Grund ihrer Erkrankungen seien regelmäßige Arztbesuche notwendig und die Inanspruchnahme der ärztlichen Dienste habe sich
insbesondere auf Grund von Stoffwechselproblemen noch erhöht. Sie gab die Entfernungen der verschiedenen Ärzte zu ihrem Wohnort
und die damit verbundenen jährlichen Transportkosten mit mindestens 2.333,18 EUR an. Der Hubschwenksitz habe sich daher spätestens
im dritten Jahr amortisiert und die Inanspruchnahme professioneller Krankentransporte sei keine preiswertere Alternative.
Die Mutter der Klägerin könne diese nunmehr auf Grund eines strikten ärztlichen Verbotes gar nicht mehr heben und tragen.
Daher sei sie in noch größerem Umfang als bisher auf die permanente Inanspruchnahme professioneller Krankentransporte angewiesen.
Hierdurch würden die jährlichen Transportkosten auf ca. 3.000,- bis 3.500,- Euro ansteigen. Sie hat eine Aufstellung der Behandlungs-
und Untersuchungstermine beigefügt (Bl. 47/48, 61, 62 d. GA). Professionelle Krankentransporte seien mit Schwierigkeiten der
Organisation und Durchführung verbunden, weil sie so kurzfristig nicht abgesichert werden könnten und erst während der Untersuchungen
entschieden werde, ob die Klägerin stationär aufgenommen werden müsse. Im Hinblick auf ihre Berufstätigkeit und die zurückzulegenden
Entfernungen könne der als Begleitperson im Krankenwagen mitfahrenden Mutter bei kurzfristiger stationärer Aufnahme der Klägerin
nicht zugemutet werden, anschließend mit öffentlichen Verkehrsmitteln den Rückweg anzutreten. Aus diesen Gründen habe jeweils
die Mutter die Klägerin gefahren. Im Jahre 2007 hätten die Transportkosten bereits in den ersten vier Monaten 3.300,79 EUR
betragen.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von Dr. M. vom Sozialpädiatrischen Zentrum des C.-Klinikums B. vom 6. Dezember 2006
eingeholt. Auf dessen Inhalt wird Bezug genommen.
Das Sozialgericht Dessau hat die Beklagte mit Urteil vom 9. Mai 2007 unter Aufhebung ihres Bescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
verurteilt, die Klägerin nach Maßgabe der ärztlichen Verordnung mit einem Hubschwenksitz für ihren Pkw zu versorgen. Zur Begründung
hat es ausgeführt, bei der Klägerin stehe erkennbar das Bedürfnis, Ärzte und Krankenhäuser aufzusuchen, im Vordergrund, auch
wenn nicht auszuschließen sei, dass mit dem Hubschwenksitz lediglich der Mobilitätsradius vergrößert werde.
Gegen das der Beklagten am 31. Mai 2007 zugestellte Urteil hat diese am 20. Juni 2007 Berufung eingelegt mit der Begründung,
nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei ein Hilfsmittel zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung
im gesamten täglichen Leben beseitige oder mildere und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffe.
Bei dem Grundbedürfnis des Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums sei auf die Entfernungen abzustellen, die ein
Gesunder zu Fuß zurücklegen könne. Die Ausstattung mit einem Autoschwenksitz zur Herstellung einer den Nahbereich überschreitenden
Mobilität komme nur bei zusätzlichen qualitativen Merkmalen in Betracht. Maßgebend seien nicht die konkreten Wohn- und Lebensverhältnisse
des Versicherten, sondern die Tatsache, dass in einem städtischen Nahbereich grundsätzlich Ärzte, Apotheken und Therapeuten
vorhanden und erreichbar seien. Ein Anspruch könne nicht wegen der Besonderheiten des Wohnortes eines Versicherten und der
damit verbundenen größeren Entfernungen oder auf Grund der freien Arzt- bzw. Therapeutenwahl begründet sein. Bei der Klägerin
sei die Erschließung des Nahbereichs durch ihre Versorgung mit einem Aktivrollstuhl, einem weiteren Rollstuhl sowie mit einem
Rollfiets sichergestellt. Für eine Erweiterung ihres persönlichen Aktionsradius sei die Beklagte nicht zuständig.
Auf Nachfrage des Gerichts hat die Beklagte eine Aufstellung der von der Klägerin vorgenommenen und abgerechneten Fahrten
vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass solche Fahrten teilweise mit dem privaten Pkw, teilweise mit dem Taxi und teilweise als
Krankentransport durchgeführt worden sind. Diesbezüglich hat die Beklagte noch darauf hingewiesen, dass die Klägerin einen
Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten hat und die Mutter der Klägerin nicht verpflichtet ist, diese mit ihrem privaten Pkw
zu ärztlichen oder therapeutischen Terminen zu fahren. Daher könne auch eine Kostenersparnis bei der Gewährung des begehrten
Pkw-Schwenksitzes nicht sichergestellt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 9. Mai 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat ausgeführt, die großen Entfernungen zu den aufzusuchenden Ärzten und Therapeuten resultierten nicht aus der Auswahlfreiheit,
sondern seien dem medizinischen Leiden der Klägerin geschuldet. Komplexe Krankheitsbilder erforderten das Aufsuchen von hierauf
spezialisierten Fachärzten und Therapeuten. Das begehrte Hilfsmittel sei zum Aufsuchen dieser Ärzte erforderlich. Auf Aufforderung
des Gerichts hat sie einen aktuellen Kostenvoranschlag vom 23. Februar 2009 vorgelegt, nach welchem die begehrte Leistung
zu einem Preis von 6.850,47 EUR angeboten wird.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und
der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§
143,
151 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte und nach §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG statthafte Berufung ist zulässig und begründet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2005 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht im Sinne von §§
157,
54 Abs.
2 Satz 1
SGG, denn sie hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit einem Hubschwenksitz.
Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt hat, dass ihr Antrag auf Versorgung
mit einem Hubschwenksitz nicht auf Ansprüche aus Gesichtspunkten der Eingliederungshilfe bzw. sonstiger Ansprüche aus dem
Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) gerichtet war, sind solche Ansprüche, die gegen die Beklagte möglicherweise
als erstangegangener Rehabilitationsträger nach §
14 Abs.
2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (
SGB IX) in Betracht kommen, nicht Gegenstand des Verfahrens. Versicherte können ihre Anträge insoweit beschränken. Insbesondere
muss es ihnen überlassen bleiben, ob ein Sozialhilfeanspruch - für den auch eine umfassende Bedürftigkeitsprüfung durchzuführen
wäre - geltend gemacht werden soll, wenn gegen eine Sozialversicherung kein entsprechender Anspruch gegeben ist. Auch eine
Beiladung des Sozialhilfeträgers kam daher nicht in Betracht.
Rechtsgrundlage des Leistungsanspruchs im Krankenversicherungsrecht ist §
33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (
SGB V) in der ab 1. April 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV-Wettbewerbsstärkungssetz vom 26. März 2007, BGBl. I 378). Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch
auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen oder anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich
sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen,
soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach §
34 Abs.
4 SGB V ausgeschlossen sind. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung gelten auch
hier die Grundsätze der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungen nach §
2 Abs.
1, 4 und §
12 Abs.
1 SGB V. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen Leistungserbringer
nicht bewirken und Krankenkassen nicht bewilligen.
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" (§
33 Abs.
1 Satz 1 1. Alternative
SGB V) den beantragten Hubschwenksitz zu bewilligen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts betrifft die 1. Alternative
des §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V lediglich solche Gegenstände, die auf Grund ihrer Hilfsmitteleigenschaft spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten
Krankenbehandlung eingesetzt werden, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Daher muss mit dem Hilfsmittel ein therapeutischer Erfolg
angestrebt werden. Eine weitergehende Ausdehnung der unter diese Alternative fallenden Hilfsmittel auch auf solche, die eine
ärztliche Behandlung erst ermöglichen, ist nicht geboten, denn insoweit geht es bereits um die Frage eines Behinderungsausgleichs,
der von der 3. Alternative des §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V erfasst wird (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. April 2007, Az.: B 3 KR 9/06 R m. w. N.).
§
33 Abs.
1 Satz 1 2. Alternative
SGB V, die der Vorbeugung einer drohenden Behinderung dient, liegt ersichtlich nicht vor. Schließlich besteht auch kein Anspruch
der Klägerin auf Versorgung mit einem Hubschwenksitz "um eine Behinderung auszugleichen" (§
33 Abs.
1 Satz 1 3. Alternative
SGB V). Gegenstand eines möglichst weitgehenden Behinderungsausgleichs sind zunächst solche Hilfsmittel, die auf den Ausgleich
der Behinderung selbst gerichtet sind, also dem unmittelbaren Ersatz der ausgefallenen Funktion dienen (vgl. BSG zuletzt Urt.
v. 25. Juni 2009 - B 3 KR 2/08 R sowie B 3 KR 19/08 R, zu Badeprothesen). Auch nach dem Inkrafttreten des
SGB IX (vgl. §
31 Abs.
1 Nr.
3 SGB IX) hat die gesetzliche Krankenversicherung nicht sämtliche direkten und indirekten Folgen einer Behinderung auszugleichen.
Aufgabe der Krankenkassen ist nach wie vor allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung
der Gesundheit und der Organfunktionen, einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbständiges Leben führen
und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Damit sind über den unmittelbaren Behinderungsausgleich hinaus nicht
sämtliche direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sogenannter mittelbarer Behinderungsausgleich). Ein
Hilfsmittel ist von der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs nur zu gewähren,
wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis
des täglichen Lebens betrifft. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer
Sozialleistungssysteme. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehören zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen
des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrung aufnehmen, Ausscheiden, die elementare
Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (vgl. nur
BSG, Urt. v. 12. August 2009, Az.: B 3 KR 8/08 R - zitiert nach Juris - m. w. N.). Im Bereich der Mobilität bezieht sich dies auf den Bewegungsradius, den ein Gesunder üblicherweise
noch zu Fuß erreicht (st. Rspr. vgl. nur BSG, Urt. v. 20. November 2008, Az.: B 3 KR 6/08 R - zitiert nach Juris m. w. N.,). Dazu ist der Versicherte nach Möglichkeit zu befähigen, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen
und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die üblicherweise im
Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (BSG, Urt. vom 20. November
2008, aaO.). Dagegen hat er grundsätzlich keinen Anspruch darauf, in Kombination von Auto und Rollstuhl den Radius der selbständigen
Fortbewegung erheblich zu erweitern. Dies gilt auch, wenn im Einzelfall die Stellen der Alltagsgeschäfte nicht im Nahbereich
liegen, dafür also längere Strecken zurückzulegen sind, die die Kräfte eines Rollstuhlfahrers möglicherweise übersteigen.
Besonderheiten des Wohnortes können für die Hilfsmitteleigenschaft nicht maßgeblich sein (vgl. hierzu ebenfalls BSG, Urt.
v. 20. November 2008 aaO. m. w. N.). Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen
worden ist, sind immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl. BSG, Urt. v. 16. September 2004, Az.: B 3 KR 19/03 R sowie BSG, Urt. v. 12. August 2009 - Az.: B 3 KR 8/08 R - jeweils zitiert nach Juris).
Ein Anspruch auf Hilfe zur Mobilität über den Nahbereich hinaus kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dann
bestehen, wenn die medizinische Versorgung Anforderungen stellt, die regelmäßig im Nahbereich der Wohnung nicht erfüllbar
sind. Davon ist aber in aller Regel nicht auszugehen, denn das Bedürfnis, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten
aufzusuchen, wird regelmäßig durch die Erschließung des Nahbereichs ausreichend erfüllt; auch insoweit hat die Krankenkasse
nicht für individuelle Besonderheiten der Wohnsituation einzustehen (vgl. BSG, Urt. v. 20. November 2008, Az.: B 3 KR 6/08 R - zitiert nach Juris m. w. N.). Anders kann es sich dann verhalten, wenn die Krankenbehandlung besondere Anforderungen stellt,
denen ausnahmsweise durch einen Pkw-Transport Rechnung zu tragen ist, denn die notwendige medizinische Versorgung ist grundlegende
Voraussetzung, um die elementaren Bedürfnisse des täglichen Lebens befriedigen zu können (vgl. BSG, Urt. v. 16. September
2009 - Az.: B 3 KR 19/03 R - zitiert nach Juris). Ein Hubschwenksitz kann danach ein von der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung zu stellendes
Hilfsmittel sein, wenn es einem Versicherten dadurch ermöglicht wird, einen Pkw zu benutzen, um damit die Unfähigkeit zu gehen
auszugleichen (so auch der 8. Senat des BSG, vgl. Urt. v. 26. Februar 1991 - Az.: 8 RKn 13/90 - zitiert nach Juris). Allerdings muss in jedem Einzelfall gesondert festgestellt werden, ob ein Versicherter dieses Hilfsmittel
trotz bereits zur Verfügung stehender anderweitiger Hilfsmittel zur Befriedigung seines körperlichen Freiraums tatsächlich
benötigt. Dies gilt auch für den behinderungsgerechten Umbau eines Pkw. Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin kein Anspruch
auf Versorgung mit einem Hubschwenksitz zu. Da die Beklagte rechtlich verpflichtet ist, die Kosten für Fahrten zu übernehmen,
die aus medizinischen Gründen notwendig sind, kann es nicht darauf ankommen, ob die Klägerin wegen ihres komplexen Krankheitsbildes
spezialisierte Fachärzte und Therapeuten aufsuchen muss und ob hierfür die Erschließung des Nahbereichs ausreicht. Durch die
Verpflichtung der Beklagten die medizinisch notwendigen Transporte durch entsprechende Krankentransporte bzw. Fahrten mit
dem Taxi sicher zu stellen, stehen der Klägerin jedenfalls für ihr Bedürfnis, Ärzte und Therapeuten aufzusuchen, hinreichende
Leistungen zur Verfügung.
Die Beklagte - nicht die Mutter der Klägerin - ist rechtlich verpflichtet, der Klägerin das Aufsuchen von Ärzten und Therapeuten
durch die Übernahme der Transportkosten der entsprechenden Fahrdienste zu ermöglichen. Durch den Einbau eines Hubschwenksitzes
in den Pkw der Eltern der Klägerin kann daher ein Transport der Klägerin zu Ärzten oder Therapeuten nicht sichergestellt werden.
Selbst bei einer Versorgung der Klägerin mit dem begehrten Hubschwenksitz hätte die Klägerin weiterhin einen Anspruch gegen
die Beklagte auf Kostenübernahme für Transporte zu ärztlichen und therapeutischen Terminen mit dem Taxi bzw. durch Krankentransport.
Daher kann die Versorgung mit dem begehrten Hubschwenksitz nicht maßgeblich auf Transporte zu Ärzten oder Therapeuten gestützt
werden und ist jedenfalls im Hinblick darauf für die Beklagte auch nicht wirtschaftlich.
Zudem wird der Klägerin durch eine Versorgung mit dem begehrten Hubschwenksitz keine größere Eigenständigkeit und Bewegungsfreiheit
ohne Hilfe durch andere Personen ermöglicht. Sie wäre auch mit dem Sitz nicht in der Lage, selbständig Ärzte oder Therapeuten
aufzusuchen, verfügt selbst nicht über einen Pkw und könnte einen solchen auch nicht ohne Hilfe nutzen.
Der Fall der Klägerin ist auch nicht mit dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall der Wachkomapatientin (BSG, Urt. v.
16. September 2004, B 3 KR 19/03 R, zitiert nach Juris) vergleichbar, weil für die Wachkomapatientin der Weg zu Ärzten und Therapeuten erst durch die Benutzung
des Pkws ermöglicht wurde. Nur durch den Transport im vertrauten Fahrzeug und in Gegenwart der Eltern wurden der Wachkomapatientin
Angstzustände genommen und zusätzliche spastische Anfälle vermieden. Diese besondere Konstellation rechtfertigte es, der Notwendigkeit,
bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufsuchen zu können, ausnahmsweise durch die Möglichkeit eines Pkw-Transportes
Rechnung zu tragen.
Die Situation der Klägerin ist jedoch eine völlig andere, da ihr der Transport in dem Taxi oder mittels Krankentransport zumutbar
ist. Sie hat diese auch in der Vergangenheit regelmäßig in Anspruch genommen und im Zuge der Vergleichsverhandlungen ausdrücklich
erklärt, hierauf auch in Zukunft nicht vollständig oder zu einem gewissen Teil verzichten zu können und zu wollen. Die Beklagte
ist auch verpflichtet, professionelle Krankentransporte kurzfristig abzusichern, wenn diese Kurzfristigkeit medizinisch begründet
ist. Organisatorische Schwierigkeiten bei der Absicherung der Transporte können einen Anspruch der Klägerin auf Versorgung
mit einem Hubschwenksitz schon deshalb nicht begründen, weil diese möglicherweise gerade dann auftreten, wenn eine Fahrt nicht
durch die Mutter der Klägerin mit dem privaten Pkw abgesichert werden kann. Bei organisatorischen Problemen, die dadurch entstehen,
dass die Mutter der Klägerin diese bei den Arztbesuchen begleitet, wäre ggf. zu prüfen, ob und inwieweit die Beklagte auch
für Fahrkosten einer wegen der Behinderung der Klägerin erforderlichen Begleitperson aufzukommen hat (vgl. hierzu Höfler in
Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd. 1 §
60 Rd.-Nr. 12; vgl. auch §
53 SGB IX). Jedenfalls kann dadurch nicht ein Anspruch auf Versorgung mit einem Hubschwenksitz begründet werden, wenn die Beklagte
weiterhin verpflichtet bleibt, Fahrten der Klägerin zu Ärzten und Therapeuten (ob mit oder ohne Begleitung) durch die Übernahme
der Kosten der entsprechenden Fahrdienste abzusichern.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da es sich um die Entscheidung eines Einzelfalls auf Grund gesicherter Rechtsgrundlage
handelt.