LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.02.2010 - 2 VG 16/08
Anforderungen an die Feststellung einer Traumatisierung durch sexuellen Missbrauch im Kindesalter
1. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung setzt eine Traumatisierung voraus.
2. Ein sexueller Missbrauch im Kindesalter kann nicht dadurch schlüssig begründet werden, dass die für eine solche Traumatisierung
maßgeblichen Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung in klassischer Weise vorliegen.
3. Die beantragte Vernehmung eines Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens, dessen Inhalt das Gericht nicht für
schlüssig und nachvollziehbar hält, kann unterbleiben, wenn der Sachverständige die Beweisfragen eindeutig beantwortet hat
und weitere Fragen, die Anlass zur Vernehmung geben könnten, nicht formuliert werden.
Normenkette: ,
KOVVFG § 15 ,
Vorinstanzen: SG Schleswig 05.03.2008 S 14 VG 1/05
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 5. März 2008 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung von Schädigungsfolgen und die Gewährung von Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz ( OEG) wegen der Folgen sexuellen Missbrauchs.
Die 1969 geborene Klägerin absolvierte nach Abschluss der Realschule und dem Besuch eines Fachgymnasiums von 1988 bis 1990
Ausbildungen mit dem Abschlüssen "Geprüfte Fremdsprachensekretärin DSV" und "Staatlich anerkannte Fremdsprachensekretärin
ABW", anschließend einen Schwesternhelferinnenlehrgang und war von November 1991 bis ca. Juli 1992 als Schwesternhelferin
und von Februar 1994 bis Juli 1994 als Eisverkäuferin beschäftigt. Im Zeitraum von ca. Juni 1995 bis Juli 1997 nahm sie an
einer Qualifizierungs- bzw. AB-Maßnahme als Erziehungshelferin teil. Nach Arbeitslosigkeit seit August 1997 bezog und bezieht
sie seit dem 1. Juli 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Seit 1984 war die Klägerin wiederholt in psychiatrischer Behandlung. Hierzu ergibt sich aus der Akte zusammengefasst im Wesentlichen
Folgendes: Im Rahmen stationärer Behandlungen in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie S______ vom 23. August bis 2.
November 1984 und erneut vom 10. November bis 20. Dezember 1984 wurde die Diagnose einer narzisstischen Neurose bzw. Adoleszentenkrise
bei narzisstischer Neurose gestellt. Im Februar 1985 erfolgte in derselben Klinik eine "Krisenintervention nach erneutem Suizidversuch";
dazwischen und danach bis 1987 wurde eine ambulante Psychotherapie in der Klinik durchgeführt. Von 1990 bis 1992 war die Klägerin
bei der Psychotherapeutin R____ Ra______ in Behandlung, die eine Borderline-Störung annahm. Auffällig seien die sehr distanzierte
Beziehung zur Mutter und die starke Abwehrhaltung gegen den Vater bei gleichzeitiger Abgrenzungsschwierigkeit. Die Klägerin
neige zur positiven wie negativen Überbewertung der Eltern, insbesondere des Vaters, den sie früher stark und fehlerlos erlebt
habe, jetzt fürchte. Sie ekle sich vor den Eltern. Von Anfang 1991 bis Mitte 1993 wurde die Klägerin ausweislich der Bescheinigung
der Dipl.-Psychologin A_____ aus März 1999 außerdem durch die Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern der Stadt
F________ betreut und seit April 1992 durch den Allgemeinarzt Dr. H_____ wegen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung behandelt.
Wegen einer Verschlimmerung der psychischen und psychosomatischen Symptome erfolgte von März 1993 bis Januar 1994 die stationäre
Behandlung in der Klinik G_________, wo die Diagnosen Essstörung, PTBS, Panikstörung mit Agoraphobie, Borderline-Persön-lichkeitsstörung
gestellt wurden. Die Klägerin gab dort u. a. an, von ihrem Vater sexuell missbraucht worden zu sein und sich an entsprechende
Erlebnisse vom dritten Lebensjahr an erinnern zu können. Die sexuellen Übergriffe des Vaters hätten bis zu ihrem 10. Lebensjahr
gedauert. Seit März 1994 erfolgte eine psychiatrische Behandlung durch Dr. Sa_____, Pro Familia. Hier wurde von einer schweren
Borderline-Persönlich-keitsstörung vor dem Hintergrund frühkindlicher Vernachlässigung und fortgesetzter seelischer und körperlicher
Traumatisierung und Fremdbestimmung ausgegangen. Seit August 1995 erfolgte die Behandlung durch den Psychiater Dr. Sb________;
die Diagnose lautete "Borderline-Persönlichkeitsstörung". Die Therapeutin E____ von der Fa___________ e.V. F________ bescheinigte
im Rahmen der ambulanten Behandlung seit November 1998 eine schwere Borderline-Erkrankung und Panikstörung. Im Rahmen einer
stationären Behandlung von März bis Juli 2000 in der Fachklinik Ha___________ wurden die Hauptdiagnose "Borderline-Persönlichkeitsstörung"
und die Nebendiagnosen "Posttraumatische Belastungsstörung; Panikstörung" genannt. Die Klägerin gab dort u. a. an, der Vater
habe sie im Alter von 3 Jahren bzw. bereits im Alter von 2 1/2 Jahren missbraucht; sie sei auch geschlagen und weggesperrt
oder durch Kälte und Missachtung bestraft worden. Seit Oktober 2002 befand sich die Klägerin in tiefenpsychologisch fundierter
psychologischer Behandlung bei der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Aa____ M_____, die eine Borderline-Persönlichkeitsstörung
und posttraumatische Belastungsstörung diagnostizierte; sexueller Missbrauch durch den Vater spiele bei der Entwicklung der
psychischen Erkrankung die wesentliche Rolle und sei deshalb auch zentrales Thema in der jetzigen Psychotherapie. Die Dres.
Fb___ und J______ bescheinigten im Rahmen der seit September 2003 durchgeführten Therapie eine PTBS sowie Borderline-Persönlichkeitsstörung
mit dissoziativen Tendenzen.
Den Kontakt zu ihrer Familie hat die Klägerin vollständig abgebrochen und ihren Namen ändern lassen.
Im Juni 2003 stellte die Klägerin bei dem Landesamt für soziale Dienste Schleswig-Holstein (LAsD) den Antrag auf Beschädigtenversorgung
nach dem OEG. Sie gab zum Tathergang "vollzogener sexueller Missbrauch im Elternhaus 1971-1982, sexuelle Übergriffe und emotionaler Missbrauch
bis 1992, Vernachlässigung 1969 - 1987" an. Hinsichtlich der Folgen der Taten machte sie Posttraumatische Belastungsstörung
(PTBS), Borderline-Störung, Asthma bronchiale, Allergien, seronegative Polyarthritis, chronifizierte Schlafstörung, geltend
und wies darauf hin, dass sie aufgrund der Schädigung eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Dauer beziehe. Sie übersandte dazu
zahlreiche Entlassungsberichte und Bescheinigungen über die stationären psychiatrischen Behandlungen. Im weiteren Verlauf
legte sie außerdem eigene handschriftliche (Tagebuch-)Aufzeichnungen aus (soweit datiert) 1986, August 1989 und aus dem Zeitraum
von Juni 1990 bis April 1992 vor.
Das LAsD zog weitere Entlassungsberichte über die stationären psychiatrischen Behandlungen der Klägerin, eine Aufstellung
der AOK-Schleswig-Holstein über Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin und die zugrunde liegenden Diagnosen, Befundberichte
der Dipl.-Psychotherapeutin Ra___ (7/03) nebst beigefügter Bescheinigung zur Vorlage beim Rentenversicherungsträger, des Facharztes
für Allgemeinmedizin/Psychotherapie P_________ (7/03 und 2/04) und der Ärzte für Neurologie und Psychiatrie J______ und Fb___
(2/04), die Unterlagen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aus dem Rentenverfahren sowie eine schriftliche Zeugenaussage
der ehemaligen Klassenlehrerin der Klägerin in der 1. und 2. Klasse der Grundschule, I___-Ma______ S______, vom 17. Mai 2004
bei und führte im Mai 2004 eine persönliche Befragung der Klägerin durch seine Mitarbeiterin Frau Sc________ durch (Wortlautprotokoll
Bl. 206 ff. Verwaltungsakte).
Durch Bescheid vom 11. Juni 2004 lehnte das LAsD den Antrag ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Zu den vorliegenden
medizinischen Unterlagen sei zusammenfassend festzustellen, dass sich in den Berichten über die ersten stationären Behandlungen
1984 und 1985 weder Hinweise auf sexuellen Missbrauch noch auf rohe Misshandlungen oder böswillige Vernachlässigung im strafrechtlichen
Sinne fänden. Es sei eine "Adoleszenenkrise bei narzisstischer Neurose" diagnostiziert worden. Ein Verdacht auf sexuellen
Missbrauch habe sich offenbar erstmals im Rahmen der ambulanten Behandlung durch die Psychotherapeutin R____ Ra_____1990 bis
1992 ergeben. Nach den Aufzeichnungen der Klägerin setzten ihre Erinnerungen ca. im Januar 1991 ein. In den früheren Aufzeichnungen
fänden sich dazu keine Angaben. In dem Bericht der Psychotherapeutin Dr. Sa_____ aus September 1999 werde festgestellt, dass
wenige bewusste Erinnerungen an die geltend gemachten Taten vorlägen, die bereits im vorsprachlichen Bereich begonnen haben
sollten. Auch im Rahmen der Anhörung am 5. Mai 2004 habe die Klägerin auf Nachfragen kaum detaillierte Angaben zu Einzelheiten
der Tatgeschehen machen können, die sich auf Realitätskennzeichen untersuchen ließen. Wie es zu den ersten Erinnerungen an
Übergriffe gekommen sei, lasse sich nicht mehr feststellen. Es habe aber in der Folgezeit mehrfache, auch länger andauernde
psychotherapeutische Behandlungen gegeben, in denen die mutmaßlichen Taten wiederholt thematisiert worden seien (z. B. in
der Klinik für psychosomatische Medizin G_________, in der Fachklinik H___________ und bei der Psychotherapeutin Dr. Sa____).
Aus der einschlägigen Forschung sei bekannt, dass es in einer derartigen Konstellation zu Überlagerungen des Originalgedächtnisses
durch Inhalte kommen könne, die erst im Zuge einer späteren Aufarbeitung der berichteten Vorfälle entstanden sein könnten.
Die vielfache Auseinandersetzung mit dieser Thematik führe gerade bei ohnehin vorhandenen psychischen Problemen häufig dazu,
dass ein vermeintlich traumatisches Erlebnis als Erklärung für diese Probleme betrachtet werde. Die so gefundene Erklärung
sei subjektiv erleichternd, da sie eine gewisse Kontrolle über die Probleme vermittle. Die Therapeutin Dr. Sa_____ weise in
ihrem Bericht aus September 1999 ausdrücklich auf die hohe Motivation der Klägerin hin, "an ihrer Problematik zu arbeiten"
und auf das "tiefe Bedürfnis, sich selbst und was in ihr vorgeht, umfassend zu verstehen". Es sei daher nicht auszuschließen,
dass die tatsächlichen Erinnerungen der Klägerin durch Therapieinhalte überlagert und/oder umgedeutet worden seien. Weitere
Ermittlungsansätze böten sich leider nicht. Das Gespräch der Klägerin mit der Zeugin Sd_____ habe erst lange nach Therapiebeginn
stattgefunden. Die Zeugin habe nicht von eigenen früheren Wahrnehmungen berichten können, die eindeutige Rückschlüsse auf
die angegebenen Taten zuließen. Eine Befragung der Eltern sei auf den ausdrücklichen Wunsch der Klägerin nicht erfolgt. Mit
den zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen diagnostischen Methoden der Aussagepsychologie, wie sie auch in der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zur Glaubhaftigkeitsbegutachtung gefordert würden, sei es nicht möglich, zwischen tatsächlichen Erinnerungen
und nachträglicher Überlagerung und Umdeutung zu unterscheiden. Eine aussagepsychologische Begutachtung komme daher hier zur
Sachverhaltsaufklärung nicht in Betracht. Im sozialen Entschädigungsrecht müssten die Tatbestandsvoraussetzungen nachgewiesen
sein. Es gelte der Grundsatz der objektiven Beweislast. Danach habe diejenige, die aus einer Tatsache ein Recht herleiten
wolle, die Folgen der Nichtfeststellbarkeit oder Nichtbeweisbarkeit einer Tatsache zu tragen.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend: Das LAsD habe bei seiner Entscheidung
einen unzutreffenden Beweismaßstab angelegt. Dies ergebe sich aus dem ablehnenden Bescheid, aber auch bereits aus den Äußerungen
der Sachbearbeiterin Frau Sc________ im Rahmen der persönlichen Anhörung, in der diese davon gesprochen habe, dass sie das
Geschehen nach den Schilderungen der Klägerin für wahrscheinlich halte, dass eine Wahrscheinlichkeit aber hier nicht ausreiche,
und weiter, dass andere Ursachen völlig auszuschließen sein müssten. Demgegenüber reiche in Anwendung des § 15 KOV-VfG die überwiegende Wahrscheinlichkeit aus. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entspreche dieser Beweismaßstab dem bei sonstigen - später eingeführten - Tatbeständen der Beweiserleichterung im Sozialrecht
Üblichen, wonach eine Tatsache glaubhaft gemacht sei, wenn Ihr Vorliegen nach den Ergebnissen der Ermittlungen überwiegend
wahrscheinlich sei, und zwar auch dann, wenn der Leistungsbewerber aus eigenem Wissen keine Angaben machen, sondern nur eine
Behauptung aufstellen könne. Gerade in Fällen sexuellen Missbrauchs in der Kindheit, an die sich die Betroffenen erst Jahre
später erinnerten, sei diese Beweiserleichterung häufig entscheidend. Da es in der Regel keine Zeugenaussagen gebe, Strafanzeige
durch das Opfer (im Kindesalter) nicht gestellt worden sei und Unterlagen über Verletzungen oder über Auffälligkeiten des
missbrauchten Kindes nicht oder nicht mehr existierten, befänden sich die Opfer in erheblicher Beweisnot, so das "Handbuch
Opferschutz und Opferhilfe". Hier sei die Beweissituation insofern noch etwas günstiger, als sie sexuellen Missbrauch und
Misshandlungen durch den Vater und Übergriffe schildern könne. Zwar sei in dem ältesten Klinikbericht über den Aufenthalt
in der Fachklinik S________ im Zeitraum von August bis Dezember 1984 sexueller Missbrauch nicht ausdrücklich erwähnt, es sei
aber von Ekelgefühl gegenüber den Eltern, positiver und negativer Überbewertung der Eltern, insbesondere des Vaters, wochenlanger
Weigerung, die Eltern zu sehen, Autoaggressionen die Rede. Diese Beobachtungen passten zu ihrer Schilderung, der Vater sei
gegen ihren Willen in die Klinik gekommen, er habe ihr in einem Brief ein Schweigegebot auferlegt. Zu diesen Unterlagen passten
auch die Erinnerungen der beiden Lehrerinnen Sd______ und Dr. Ja____. Das Gespräch mit Frau Sd______ habe allerdings nach
ihrer Erinnerung deutlich früher als von der Zeugin angegeben stattgefunden. Die Zeugin Sd______ schildere sie in der 1. und
2. Grundschulklasse als bedrücktes Kind mit guten Schulleistungen. Bei schulischen Problemen habe der Vater massiv die Kollegen
beschuldigt. Die spätere Klassenlehrerin, Dr. Ja___, habe sich an die Zeit des Selbstmordversuches, der Grund für die Einweisung
in die Fachklinik S________ gewesen sei, erinnert sowie daran, dass sie ihre Eltern nicht habe sehen wollen und dass der Vater
alle Schuld von sich und seiner Familie gewiesen habe. Es sei typisch, dass ein traumatisierter Mensch nicht in der Lage sei,
zeitnah über das Erlebte zu sprechen. Ab 1990 lägen zahlreiche ärztliche oder psychologische Gutachten vor, in denen eine
posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert werde, ein Krankheitsbild, das nur bei Vorliegen streng klassifizierter
Störungsbilder diagnostiziert werde und dessen Vorliegen unstreitig sein dürfte. Eine solche Störung erfordere ein zugrunde
liegendes Trauma oder mehrere Traumata. Unstreitig sei auch, dass bei ihr eine Störung bereits im Jugendalter, spätestens
1984, vorgelegen habe. Ein anderes Trauma sei nicht ersichtlich. Das wiedergegebene Zitat von Dr. Sa______ sei falsch bzw.
aus dem Zusammenhang gerissen; die Therapeutin betone gerade ihren verzweifelten Kampf gegen die Krankheit und um Normalität.
Das LAsD wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 2005 zurück, im Wesentlichen mit der Begründung: Der
für eine Versorgung nach § 1 OEG zu fordernde Nachweis einer durch vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff verursachten gesundheitlichen Schädigung
sei im Falle der Klägerin nicht erbracht. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 15 KOV-VfG. Glaubhaft im Sinne dieser
Vorschrift seien die Angaben der Antragstellerin dann, wenn sie überwiegend wahrscheinlich seien. Könne die Antragstellerin
nur Behauptungen aufstellen, so sei unter Würdigung der weiteren Beweismittel zu prüfen, ob die Behauptungen überwiegend wahrscheinlich
seien. Die Klägerin habe lediglich allgemein gehaltene Angaben gemacht. Bei deren Untersuchung auf ihre Glaubwürdigkeit würden
die vom Bundesgerichtshof zur Glaubwürdigkeitsbegutachtung aufgestellten Kriterien angewandt. Es werde dazu eine Methode angewendet,
bei der von der so genannten Nullhypothese ausgegangen werde, d. h. eine Aussage werde so lange als unwahr angesehen, bis
dies mit den erzielten Ergebnissen nicht mehr vereinbar sei. Wenn also schon eine einzige Alternativhypothese nicht mehr ausgeschlossen
werden könne, könne bereits zu diesem Begutachtungszeitpunkt nicht mehr ausgeschlossen werden, dass die Aussage unwahr sei.
In einem solchen Fall könne von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 15 KOV-VfG nicht mehr die Rede sein.
In Fällen, in denen bereits eine Vielzahl von Therapien stattgefunden habe, sei es möglich, dass die Aussage durch einen Therapeuten
suggeriert worden sei. Wenn jemand eine durch Suggestion verursachte Aussage mache, beständen keine qualitativen Unterschiede
zu wahren Aussagen wie bei einem Vergleich zwischen bewusst unwahren und wahren Behauptungen. Denn die aussagende Person halte
in Fällen der Suggestion ihre eigene Aussage subjektiv für wahr. In derartigen Konstellationen sei es erforderlich, die Entstehung
und Entwicklung der Aussage, die so genannte Geburtsstunde der Aussage aufzuklären. Es seien daher Angaben unbeteiligter Zeugen
zu berücksichtigen, denen gegenüber sich das Opfer zu den Tatvorwürfen geäußert habe. Wichtig sei, dass Zeugen, denen möglichst
früh von den Tatvorwürfen berichtet worden sei, die Geburtsstunde der Aussage belegten. Diese habe hier jedoch nicht ermittelt
werden können. Weder die Klägerin noch die von ihr benannten Zeugen machten detaillierte Schilderungen zu den Taten. Auch
habe sich der Verdacht des Missbrauchs erst nach längerer Therapiezeit in den Vordergrund geschoben. Das Gespräch mit der
Zeugin Sd______ habe nach Durchführung mehrerer Therapien stattgefunden.
Zur Begründung ihrer dagegen am 28. Januar 2005 bei dem Sozialgericht Schleswig erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen
die Widerspruchsbegründung wiederholt und ergänzend vorgetragen: Die Vorgehensweise des LAsD, wonach sexueller Missbrauch
nur angenommen werden könne, wenn ihre Aussage bei keinem anderen Erlebnishintergrund zustande gekommen sein könne, überspanne
die Beweisanforderungen deutlich. Die genannten Maßstäbe würden im Strafrecht zum Schutz des Angeklagten im Sinne des Grundsatzes
"in dubio pro reo" angewandt. Die von dem LAsD angedeutete Möglichkeit einer therapieinduzierten Erinnerung sei durch nichts
belegt. Aus keinem Bericht in der Akte ergäben sich Hinweise darauf, dass eine Therapeutin das Thema "sexuelle Übergriffe"
in die Therapie eingebracht hätte. Im Gegenteil ergebe sich aus dem Bericht der Frau Ra___, das diese bereits 1990-1992 den
Verdacht auf sexuellen Missbrauch gehabt habe, dass aber eine Aufarbeitung des Problems wegen ihrer (der Klägerin) Überforderung
und ihren starken Verdrängungsmechanismen nicht möglich gewesen sei. Frau Ra____ habe festgestellt, dass ein therapeutisches
Angehen dieser Verdrängung wegen der ausgeprägten Borderline-Störung der Klägerin kontraindiziert gewesen wäre. Bereits aus
dem Bericht über den ersten stationären Klinikaufenthalt ergebe sich zudem, dass sie ihre Eltern wochenlang nicht haben sehen
wollen; sie ekle sich vor diesen. Die von ihrem Vater verfassten, während des ersten Klinikaufenthaltes an sie gerichteten
Briefe seien von ihr vernichtet worden. Im weiteren Verlauf des sozialgerichtlichen Verfahrens hat sich die Klägerin die Beurteilung
aus dem von dem Sozialgericht eingeholten Gutachten des Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin
Dr. O________ und der Klinischen Psychologin Dipl.-Psychologin Hb______-D________ vom 22. Juni 2007 zu eigen gemacht, wonach
bei ihr das klassische Bild einer schwer traumatisierten, sexuell missbrauchten Betroffenen bestehe und dass, abgesehen von
der neu entwickelten sozialen Phobie, alle anderen bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen auf die Ursache des sexuellen
Missbrauchs durch ihren Vater zurückgeführt werden könnten. Auch die Vorgaben aus der Rechtsprechung des BSG seien damit erfüllt. Ein langjähriger, früh beginnender sexueller Missbrauch rechtfertige es nach der herrschenden Meinung
in der medizinischen Wissenschaft, dass das Opfer auf diese traumatischen Gewalterlebnisse mit Furcht, Hoffnungslosigkeit
oder Verzweiflung reagiere, wie es bei ihr der Fall sei. Sie hat sich weiter auf eine Bescheinigung der Nervenärztin Dr. Pa____
aus Dezember 2007 bezogen, wonach sie unter einer posttraumatischen Belastungsstörung nach schweren Traumata in ihrer Kindheit
sowie zusätzlich unter einer Angst- und Panikstörung leide.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Juni 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 2005
zu verurteilen, ihr Versorgung nach dem OEG nach einer MdE von mindestens 80 v. H. gewähren.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat sich auf die angefochtenen Bescheide bezogen und ergänzend dargelegt: Es gebe keine wissenschaftlich anerkannte Methode,
aus einer psychischen Symptomatik Rückschlüsse auf ein spezifisches Ereignis zu ziehen. Nach Eingang des genannten Gutachtens
des Dr. O________ und der Dipl.-Psychologin Hb_____-D___________ hat sich das beklagte Land auf die Stellungnahme der Ärztin
für Neurologie und Psychiatrie B____ aus Juli 2007 (Bl. 114-116 d. A.) bezogen. Darin ist zusammengefasst dargelegt, dass
das Gutachten nicht den Anforderungen an ein Gutachten im sozialen Entschädigungsrecht genüge. Angaben zur somatischen Vorgeschichte
fehlten gänzlich. Es fehle zudem die chronologische Darstellung der Entwicklung der psychischen Beschwerdesymptomatik im Zusammenhang
mit lebensgeschichtlich bedeutsamen Ereignissen und deren Behandlung. Die Erhebung der biografischen Anamnese sei unvollständig,
und auch bezüglich der aktuellen Symptomatik wären genauere Angaben wünschenswert. Die Symptomatik werde dann unter Vorwegnahme
der Frage des ursächlichen Zusammenhangs als komplexe PTBS sowie als dissoziative Störung eingeordnet, ohne dass mitwirkende
Bedingungen genannt und in ihrer Bedeutung hinsichtlich der Genese der vorliegenden Störung abgewogen würden. Eindeutig nicht
in ursächlichem Zusammenhang mit dem sexuellen Missbrauch, vorausgesetzt ein solcher sei als OEG-Tatbestand bei der Klägerin anerkannt, ständen die von den Gutachtern genannten organischen Erkrankungen. Zudem sei die MdE
mit 100 v. H. zu hoch bewertet. Im Übrigen sei auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 8. November
2005 (L 2 VG 7/02) hinzuweisen, in dem in einem vergleichbaren Fall entschieden worden sei, dass die Art der Erkrankung, an der die Klägerin
leide, nicht den Schluss zulasse, dass es zu einem sexuellen Missbrauch oder einer anderen Gewalttat gekommen sein müsse.
Allenfalls könne mit einer Wahrscheinlichkeit hierauf geschlossen werden, was für die Gewährung von Leistungen nach dem OEG jedoch nicht ausreichend sei.
Das Sozialgericht hat zunächst das Gutachten des Dr. O_______/der Dipl.-Psychologin Hb_____-D___________ (vom 15. September
2006) zu der Frage der Zumutbarkeit der Mitwirkung der Klägerin an der Sachverhaltsaufklärung (u. a. bei einer Zeugenvernehmung
der Eltern und des Bruders) eingeholt und bei der Psychotherapeutin Ra____ betreffend Aufzeichnungen aus der dortigen Therapie
angefragt. Nach Mitteilung der Frau Ra____ seien kaum noch Unterlagen vorhanden, daher erfolge eine Schilderung dessen, was
sie noch erinnere (Schreiben vom 19. Februar 2006). Die an die Mutter und den Vater der Klägerin, die Zeug(inn)en K____ und
Hc________ L_____, gerichtete Anfrage wegen einer schriftlichen Zeugenaussage zu dem Beweisthema "Sexueller Missbrauch der
Klägerin durch ihren Vater", die unter dem neuen Nachnamen der Klägerin erfolgte, ist von den Zeugen dahin beantwortet worden,
dass sie bereit wären, sich zu den Fragen zu äußern, sofern es sich um ihre Tochter Ma____ L_____ handeln sollte (Schreiben
vom 24. April 2007).
Das Sozialgericht hat zudem das bereits genannte Gutachten sowie eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters Dr. O________
(vom 13. Dezember 2007, Bl. 131-133 d. A.) eingeholt, den Gutachter in der mündlichen Verhandlung zur Erläuterung des Gutachtens
vernommen und durch Urteil vom 5. März 2008 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und das beklagte Land verurteilt, der Klägerin
Versorgung nach einer MdE um 80 v. H. zu gewähren. In den Entscheidungsgründen ist im Wesentlichen dargelegt: Die Kammer sehe
die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG als mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt an. Die Angaben der Klägerin wirkten nicht nur glaubhaft
und seien durch Tagebucheintragungen unterlegt, sondern hätten auch die vom Gericht beauftragten Sachverständigen bereits
bei der Begutachtung 2006 veranlasst, das klassische Bild einer schwer traumatisierten, sexuell missbrauchten Betroffenen
zu konstatieren. In ihrem Gutachten vom 22. Juni 2007 führten die Sachverständigen aus, dass davon auszugehen sei, dass die
PTBS der Klägerin ohne die massive sexuelle Traumatisierung in der Kindheit und Jugend nicht entstanden wäre. Als Nebendiagnose
hätten sie eine dissoziative Störung angenommen, da diese Störung in ihrer Massivität eine eigene Diagnose rechtfertige. Die
PTBS stehe unmittelbar und kausal mit einem sexuellen Missbrauch durch den Vater der Klägerin im Zusammenhang. Die Entwicklung
einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, wie sie bei der Klägerin bestehe, sei nach Aussage der Gutachter umso
wahrscheinlicher und entwicklungspsychologisch auch kohärenter, je früher auf die Entwicklung eines Menschen schädigend eingewirkt
werde. Die Tatsache, dass ein direkter Zeugenbeweis nicht vorliege, führe zu keiner anderen Beurteilung. Zutreffend habe bereits
das beklagte Land im Verwaltungsverfahren auf Wunsch der Klägerin von einer Zeugeneinvernahme der Eltern der Klägerin abgesehen.
Bereits bei ihren Krankenhausaufenthalten habe die Klägerin einen Besuch durch den Vater nicht hinnehmen wollen und ängstlich
abgewehrt. Sie habe ihren Namen zweimal geändert, um Nachforschungen ihrer Eltern zu entgehen. Die Reaktion der Eltern auf
das Anschreiben des Gerichts hinsichtlich einer schriftlichen Zeugenaussage lasse nicht den Schluss zu, durch eine Vernehmung
höheren Erkenntnisgewinn erlangen zu können. Zudem müsste nach dem Gutachten aus September 2006 befürchtet werden, dass eine
Zeugenvernehmung jedenfalls im Sinne einer Konfrontation der Klägerin mit den Zeugen ihrer Gesundheit abträglich wäre. Die
Kammer halte es nicht für opportun, es zu einer solchen Konfrontation kommen zu lassen. Die medizinischen Aussagen seien eindeutig
genug. In der Vergangenheit habe nach Angaben der Klägerin deren Vater immer damit gedroht, dass sie in ein Heim komme und
er immer wüsste und sähe, was sie tue, denke und fühle. Gleichzeitig habe er immer wieder gesagt, dass das, was er mit ihr
mache, nur das sei, was sie auch wolle. Dies habe sie immer sehr verunsichert und sie habe sich dessen geschämt, weil sie
ihren Vater nicht habe verlieren wollen. Nach Aussage der Sachverständigen sei diese Ambivalenz und Konfusion von Gefühlen
in Bezug auf den Täter bei sexuellem Missbrauch von Kindern relativ typisch, da die Kinder sehr früh in eine emotionale Diskoordonanz
gerieten, in der das eigene Erleben von Liebe, Demütigung und Angst durch die Täter, von denen sie abhängig seien, abgesprochen
und, schlimmer noch, selbstverschuldet oder gewollt suggeriert werde. Die Drohung des elterlichen Verlustes bedeute für diese
Kinder eine existenzielle Bedrohung, die mit Schuldgefühlen und Scham einher gehe und in der Regel das Kind effizient zum
Schweigen bringe. Infolge dieser klassischen Manipulationen blieben traumatisierte Menschen häufig sehr verunsichert bezüglich
der eigenen Wahrnehmung und trauten ihren eigenen Empfindungen nicht mehr. Die Auffassung der Sachverständigen werde nach
Auffassung des Gerichts gestützt durch die Berichte der Diplom-Psychologin/Psychotherapeutin Ra____ aus Juli 2003 und Februar
2006. Diese habe darauf hingewiesen, dass die Beziehung der Klägerin zu ihrem Vater extrem ambivalent gewesen sei. Sie habe
zwischen Angst und Abwehr und einer gleichzeitigen "Grenzenlosigkeit" zwischen ihm und ihr geschwankt. Das Verhältnis zur
Mutter sei schlecht gewesen, weil diese auf die Klägerin sehr eifersüchtig gewesen sei ("der Vati liebt Dich mehr als mich").
Die Angst der Klägerin vor ihrem Vater sei nachvollziehbar, wenn sie davon spreche, dass allein die in ihr auftauchenden Bilder
vom Vater in einem dunklen Raum auf sie so verstörend und beängstigend wirkten, dass sie sich nicht weiter darauf einlassen
wolle. Die Kammer sehe keine Möglichkeiten, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Die seinerzeit gehörte Lehrerin könnte ebenfalls
nur Angaben vom Hörensagen machen. Naturgemäß sei bei einem sexuellen Missbrauch von Kindern der Zeugenbeweis selten. Die
in den angefochtenen Bescheiden angeführte Möglichkeit, dass die Aussage der Klägerin durch ihre Therapeuten suggeriert worden
sein könnte, halte die Kammer nach den Äußerungen der Sachverständigen Dr. O________ und Hb_____-D__________ für eher unwahrscheinlich.
Die Klägerin sei u. a. wegen Selbstmordversuchen in psychiatrischer Behandlung gewesen. Für andere Gesundheitsstörungen, die
zu den Selbstmordversuchen geführt hätten, hätten die Sachverständigen keine Anhaltspunkte gefunden. Nachvollziehbar führten
die Sachverständigen die PTBS und die dissoziative Störung sowie auch die soziale Phobie der Klägerin unmittelbar kausal auf
einen sexuellen Missbrauch und lang anhaltende Traumatisierung zurück. Diese Gesundheitsstörungen seien als Schädigungsfolgen
anzuerkennen und insgesamt mit einer MdE um 80 v. H. zu bewerten. Die Kammer halte diese Einschätzung durch die Sachverständigen
unter Berücksichtigung der "Anhaltspunkte für die Begutachtung im sozialen Entschädigungsrecht" (Nr. 26.3) für zutreffend.
Gegen das ihm am 5. Mai 2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 29. Mai 2008 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht
eingegangene Berufung des beklagten Landes, zu deren Begründung das beklagte Land im Wesentlichen vorträgt: Über die Gewalttaten
im Sinne des OEG bestehe im Falle der Klägerin keine Klarheit. Ein Strafverfahren gegen den Vater habe nicht stattgefunden. In der von der
Klägerin zu dem Antrag überreichten Tabelle seien die Tathandlungen jeweils nur allgemein umschrieben; in keinem Fall würden
nähere Umstände einer einzelnen Tat geschildert. Als Täter werde der Vater genannt; es solle auch zu sexuellen Belästigungen
durch Gäste der Eltern gekommen sein. Letzteres werde nicht wieder aufgegriffen. Außerdem würden in der Tabelle die Vernachlässigung
durch die Mutter sowie problematische Erziehungsmethoden des Vaters oder auch beider Elternteile erwähnt, die aber nicht als
Gewalttaten im Sinne des OEG anzusehen seien. Bei der Anhörung in der Außenstelle S________ des LAsD habe die Klägerin, wie sich bei einem nachträglichen
Vergleich der Niederschrift der Anhörung mit den von der Klägerin überreichten Aufzeichnungen ergeben habe, Letztere nicht
lediglich als Gedächtnisstütze benutzt, vielmehr stimmten ihre Angaben in der Anhörung vor Gericht mit den Aufzeichnungen
überein. Hinsichtlich einer Tat, die sich im Urlaub im Harz ereignet haben solle, bleibe die Beschreibung ebenfalls so vage,
dass eine Nachprüfung nicht möglich sei. Die Tatortangaben seien in der zunächst eingereichten Liste geschwärzt. Soweit die
Klägerin die Tatzeit in dieser Liste mit ca. 1971 bis 1980 angegeben und im Rahmen der Anhörung und auch an anderer Stelle
den Beginn des Missbrauchs im Lebensalter von zwei Jahren bzw. im vorsprachlichen Bereich angegeben habe, sei dies ungewöhnlich,
weil normalerweise an diese Zeit keine Erinnerungen vorlägen. Die Angabe der Klägerin im Rahmen der Anhörung, wonach der Missbrauch
beendet worden sei, als sie mit 15 Jahren ihren ersten Freund gehabt habe, stehe nicht in Einklang mit früheren Angaben, wonach
der Missbrauch 1980 geendet habe. Im Antrag sei das Ende der Taten noch mit 1992 angegeben worden. In einem nach der Anhörung
eingereichten "Situationsbericht" vom 26. April 1992 schreibe die Klägerin, dass sie seit 15 Monaten zweimal wöchentlich in
die Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche gehe und sich seit 15 Monaten daran erinnere, dass sie in ihrer Kindheit sexuell
missbraucht worden sei, was ihrer Meinung nach ihre Störungen ausgelöst habe. In Tagebucheinträgen aus Dezember 1991 werde
der Missbrauch erwähnt, jedoch seien auch darin keine Tatschilderungen enthalten. Diese Angaben seien zwar kürzere Zeit nach
den dem Antrag zu Grunde liegenden Taten gemacht worden, aber noch unpräziser als die späteren Angaben. Die von der Klägerin
als Zeugin benannte Klassenlehrerin Sd_____ habe aus eigener Anschauung nichts über die Taten sagen können sondern nur geschildert,
dass die Klägerin ihr vor einigen Jahren von einem sexuellen Missbrauch durch den Vater berichtet und sie daran nicht gezweifelt
habe. Insgesamt sei es damit im Verfahren bisher nicht gelungen aufzuklären, welche Gewalttaten die Klägerin erlitten habe.
Die Befragung der Eltern habe das Sozialgericht begonnen, aber nicht zu Ende geführt. Der Bruder der Klägerin sei nicht gehört
worden. Seit 1983 lägen zwar zahlreiche Arzt- und Therapeutenberichte vor, in denen seit einigen Jahren auch ein sexueller
Missbrauch erwähnt werde. Genaueres ergebe sich jedoch auch hieraus nicht. Die ohne Zweifel sehr schwere psychische Beeinträchtigung
der Klägerin erlaube keinen Rückschluss auf einen stattgefundenen sexuellen Missbrauch. Seiner Auffassung nach reichten allein
die Angaben der Klägerin auch nicht aus, um auf der Grundlage von § 15 KOV-VfG zu einer Anerkennung von Schädigungsfolgen
zu gelangen. Auch hierfür müsste eine genauere Schilderung der Tatumstände vorliegen, als sie hier gegeben sei. Das von dem
Sozialgericht trotz Unklarheit über die Gewalttaten im Sinne des OEG in Auftrag gegebene Gutachten sei mangelhaft. Der Gutachter erhebe keine ausführliche Anamnese. Die Tatsachen, die Grundlage
des Gutachtens seien, seien offensichtlich den Akten entnommen und blieben demnach unbestimmt. Die einzelnen Symptome der
von den Gutachtern festgestellten PTBS würden nicht dargestellt. Weitere belastende Umstände, etwa die von der Klägerin ebenfalls
geltend gemachte Vernachlässigung durch die Mutter, würden überhaupt nicht erwähnt. Insoweit hätte eine Erörterung auch im
Hinblick auf die Kausalität erfolgen müssen. Die körperlichen Gesundheitsstörungen würden pauschal als Folge eines sexuellen
Missbrauchs angesehen, ohne dass deren Art und Ausmaß näher bezeichnet würden.
Das beklagte Land beantragt,
das angefochtene Urteil vom 5. März 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stellt ferner folgende Anträge,
den Sachverständigen Dr. O________ zu dem Beweisthema zu vernehmen, dass die bei ihr festgestellten Folgen auf einen sexuellen
Missbrauch in der Kindheit/Jugend zurückzuführen sind, und, soweit der Senat die Sachkunde des Sachverständigen in Zweifel
zieht, hilfsweise, ein Sachverständigengutachten zum selben Beweisthema einzuholen,
die Diplompsychologin und Psychotherapeutin R____ Ra____ zum selben Beweisthema zu vernehmen; die näheren Einzelheiten ergeben
sich aus dem Schriftsatz vom 18. August 2009,
die Zeugin U___ E_____ zum Beweisthema zu vernehmen, dass sie im Zeitraum von 1998 bis 2005 unter schweren und dauerhaften
Ängsten, Erinnerungen, Flashbacks, Körpererinnerungen an den sexuellen Missbrauch im Rahmen der Alltagsbegleitung berichtet
hat; die ladungsfähige Anschrift ergibt sich aus dem Schriftsatz vom 18. August 2009
die Zeugin Ia___ Z_________ zu dem gleichen Beweisthema zu vernehmen; die näheren Einzelheiten zu dem Beweisantrag und die
ladungsfähige Anschrift ergeben sich aus dem Schriftsatz vom 18. August 2009,
den ehemaligen Hausarzt F. G. H zu dem Beweisthema zu vernehmen, dass sie diesem gegenüber von ihren Ängsten gegenüber ihren
Eltern und ihren daraus resultierenden Panikattacken berichtet hat; die ladungsfähige Anschrift ergibt sich aus dem Schriftsatz
vom 18. August 2009,
Frau Se_____ C_________ als Zeugin zu vernehmen zu dem Beweisthema, dass sie ihr gegenüber von ihren Ängsten gegenüber ihrem
Vater berichtet hat. Die Zeugin C_________ kann darüber hinaus Bekundungen dazu machen, dass bei ihr durch Rückblenden und
Körpererinnerungen/Panikattacken erhebliche Probleme in der Alltagsbewältigung aufgetreten sind, weiterhin dazu, dass massive
Alltagseinschränkungen bei ihr zu beobachten waren, die nach den wissenschaftlichen Kriterien auf einen verübten sexuellen
Missbrauch in der Kindheit/Jugend zurückzuführen sind; die ladungsfähige Anschrift ergibt sich aus dem Schriftsatz vom 18.
August 2009,
den Zeugen Rb___ Sf_____ zu vernehmen zu massiven Ängsten bis hin zu Todesangst.
Frau Ab_______ Ga_______ zum Beweisthema zu vernehmen, dass die bei ihr festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen
in physischer und psychischer Hinsicht auf einen sexuellen Missbrauch in der Kindheit/Jugend zurückzuführen sind.
die Sachverständige Frau Hb______-D___________ zu dem Beweisthema zu vernehmen, dass die bei ihr festgestellten gesundheitlichen
Beeinträchtigungen in physischer und psychischer Hinsicht auf einen sexuellen Missbrauch in der Kindheit/Jugend zurückzuführen
sind.
Darüber hinaus habe sie in der mündlichen Verhandlung am 7. Januar 2010 weitere im Protokoll aufgeführte Personen namentlich
benannt, die ebenfalls als Zeugen in dieser Sache gehört werden müssten. Dies betreffe den von ihr geschilderten Sachverhalt,
als ihr Vater in die Klinik gestürmt sei und dabei einen Mitarbeiter der Klinik zur Seite gestoßen und sie sich in ihrem Zimmer
verbarrikadiert habe. In diesem Zusammenhang habe sie namentlich eine Mitpatientin benannt, die als Zeugin zu hören sei. Zudem
habe sie die Ärztin Dr. Hb_______ benannt, der sie den sexuellen Missbrauch durch ihren Vater berichtet habe.
Die Klägerin schließt sich den aus ihrer Sicht überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts Schleswig an und vertieft ihr
bisheriges Vorbringen. Substantiierte Einwände gegen die Feststellungen des Sozialgerichts bringe das beklagte Land nicht
vor. Mit Schriftsätzen vom 5. September 2008 und 18. August 2009 hat die Klägerin weitere Zeugen und Zeuginnen genannt, mit
denen sie im Rahmen von Therapien oder aufgrund privater Freundschaft/Bekanntschaft über den sexuellen Missbrauch und über
die Ängste in Bezug auf ihre Familie gesprochen habe; insoweit wird auf Bl. 189/190 sowie Bl. 221-223 d. A. Bezug genommen.
Die Klägerin hat außerdem eine "psychologische Stellungnahme" der Diplom-Psychologin Ab_______ Ga_______ vom 6. Oktober 2009
(Bl. 231/232) überreicht und zum Gegenstand ihres Vorbringens gemacht. Danach sei das Gesamtbild der bei ihr bestehenden Symptomatik
typisch für einen über einen längeren Zeitraum anhaltenden sexuellen Missbrauch in der Kindheit durch eine Bezugsperson. Dieser
Missbrauch müsse, um eine solch starke Symptomatik auszulösen, mit Todesangst, Hilflosigkeit und einem Kippen des Weltbildes
(der oft so lieb erlebte Vater begehe gleichzeitig schreckliche Taten) verbunden sein. Durch die Erinnerungsfragmente, die
typisch in einem solchen Fall seien, gebe es zusätzlich erhebliche Hinweise auf Sexualdelikte durch den Vater. Des Weiteren
gebe es keine Hinweise auf weitere Ereignisse in der Vergangenheit der Klägerin, die diese drei Kriterien erfüllten und über
einen längeren Zeitraum angehalten hätten. Von daher könne davon ausgegangen werden, dass sie Opfer einer Straftat bzw. von
Straftaten, die über einen längeren Zeitraum angedauert hätten, geworden sei. Aufgrund der durch die Straftaten bedingten
PTBS sei von einer MdE um 100 v. H. auszugehen.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts den Befundbericht von Dr. Pa____, Ärztin für Neurologie und Psychiatrie,
(11/08) über die Behandlung der Klägerin seit April 2007 beigezogen und in der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2009
die Eltern der Klägerin Hb_____ L____ und K____ L_____, den Bruder der Klägerin, Ba_____ L______, und die ehemaligen Lehrerinnen
der Klägerin I___-Ma______ Sd______ und Dr. Hd___________ Ja____ sowie in der mündlichen Verhandlung am 7. Januar 2010 die
früheren Schulfreundinnen der Klägerin Mb____ He__________ und Hf____ Da____ sowie den früheren Freund der Klägerin, Jb_____
T______, als Zeug(inn)en vernommen. Außerdem ist die Klägerin persönlich in der mündlichen Verhandlung am 7. Januar 2010 angehört
worden. Wegen des Ergebnisses der Zeugenvernehmung und der Anhörung der Klägerin wird auf die Sitzungsniederschriften vom
14. Oktober 2009 und 7. Januar 2010 Bezug genommen. Der Senat hat die Beteiligten zudem auf Urteile des Senats vom 8. November
2005 (L 2 VG 7/02), des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13. Januar 2004 (L 6 VG 14/02) und des LSG Niedersachsen-Bremen vom 5. August 2008 (L 13 VG 1/05) betreffend die Problematik des Verhältnisses zwischen medizinischen Diagnosen und Feststellung eines stattgehabten sexuellen
Missbrauchs hingewiesen und Gutachten/gutachtliche Stellungnahmen aus dem Parallelverfahren S 14 VG 4/06/L 2 VG 28/08 bei
dem Sozialgericht Schleswig/Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Insoweit wird
auf Bl. 350-376 d. A. verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des beklagten Landes
Bezug genommen, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der abschließenden Beratung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des beklagten Landes ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil die Klägerin keinen
Anspruch auf Versorgung nach dem OEG hat.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) auf Antrag Versorgung, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs
gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens kann ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff zu Lasten der Klägerin nicht
festgestellt werden. Es kann dahinstehen, ob insoweit als Beweismaßstab der Vollbeweis, d. h. die an Sicherheit grenzende
Wahrscheinlichkeit zu fordern ist oder in Anwendung des § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung
(KOV-VfG) eine Glaubhaftmachung ausreicht. Unabhängig davon sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 OEG nicht erfüllt. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hält der Senat einen wiederholten sexuellen Missbrauch der Klägerin
durch ihren Vater, wie er hier nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin als rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des
OEG allein in Betracht kommt, nicht für bewiesen und auch nicht für glaubhaft gemacht. Dabei geht der Senat von Folgendem aus:
Ein sexueller Missbrauch zu Lasten der Klägerin kann zunächst nicht aufgrund der durch den Senat durchgeführten Beweisaufnahme
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt und damit als bewiesen angesehen werden. Keiner der durch den
Senat vernommenen Zeugen hat einen sexuellen Missbrauch zu Lasten der Klägerin bestätigt. So hat der vermeintliche Täter,
der Vater der Klägerin, die ihm von der Klägerin vorgeworfenen Taten auch auf Vorhalt im Einzelnen ausdrücklich verneint.
Auch die Mutter und der drei Jahre jüngere Bruder der Klägerin, Ba_____ L_____, die mit dieser und dem Ehemann bzw. Vater
jeweils in der gemeinsamen Wohnung lebten, die von der Klägerin als einer der regelmäßigen Tatorte angegeben wird, haben Missbrauchshandlungen
zu Lasten der Klägerin nicht bestätigt. Dabei haben sowohl der Vater als auch die Mutter und der Bruder der Klägerin einen
glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Sie haben die Fragen des Gerichts jeweils offen und erkennbar um Genauigkeit bemüht beantwortet
und dabei auch Umstände nicht verschwiegen, die einen negativen Eindruck hinterlassen könnten. So hat z. B. die Mutter der
Klägerin eingeräumt, zwischen ihrer Tochter und ihr sei es Thema gewesen, dass sie sich nicht genug um Mc____ gekümmert habe,
dass sie zu wenig Zeit für sie habe. Auch hat sie die von der Klägerin in der Aufstellung zu den Taten angegebene Begebenheit
bestätigt, wonach es 1981 während eines Spanienurlaubs, in dem sie mit den Kindern in einem gemeinsamen Zimmer geschlafen
hätten, zu Geschlechtsverkehr zwischen ihr und ihrem Ehemann gekommen sei, was ihre Tochter mitbekommen habe. Ebenfalls hat
sie eingeräumt, einen Zettel aus einem Buch ihrer Tochter genommen und diesen gelesen zu haben. Dafür, dass der Zeuge Ba_____
L_____ nichts von einem sexuellen Missbrauch zu Lasten der Klägerin weiß, spricht neben dem Eindruck aus der mündlichen Verhandlung
auch die Aussage der Zeugin Da____, wonach Ba_____ L_____ geschockt gewesen sei, als sie ihm - nach den Angaben des Zeugen
ca. 2006, nach den Angaben der Zeugin Da____ etwa 2008 - von dem Gespräch mit der Klägerin betreffend sexuellen Missbrauch
berichtet habe; er habe von nichts gewusst, so der Eindruck der Zeugin. Hierfür spricht auch die Schilderung des eigenen Verhaltens
durch den Zeugen Ba_____ L_____ nach dem Gespräch mit der Zeugin Da____. Er hat sehr offen und in jeder Hinsicht plausibel
geschildert, dass er erst einmal habe nachdenken müssen, wie er mit diesem Vorwurf innerhalb der Familie habe umgehen sollen,
dies vor allem deshalb, weil er drei Kinder habe, die auch regelmäßig bei den Großeltern seien. Er habe sich das zwar nicht
vorstellen können, habe dann auch mit seiner Frau gesprochen und schließlich das Gespräch mit seinem Vater gesucht, das im
Rahmen eines längeren Spaziergangs stattgefunden habe. Er habe seinen Vater auf den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs angesprochen
was dieser abgestritten und dabei auch geäußert habe, dass er von dem Vorwurf wisse. Sie hätten länger miteinander gesprochen,
und seine Äußerungen seien für ihn glaubwürdig gewesen. Er habe auch noch hinterher mit seiner Frau gesprochen, und dann sei
das Thema für sie "abgehakt gewesen". Diese glaubhafte Schilderung belegt zur Überzeugung des Senats, dass der Zeuge Ba_____
L_____ durch das Gespräch mit der Zeugin Da____ mit einem für ihn gänzlich neuen Geschehen konfrontiert wurde.
Auch von den übrigen Zeug(inn)en hat keine(r) Tathandlungen unmittelbar beobachtet - was auch nicht zu erwarten wäre - oder
Hinweise auf einen sexuellen Missbrauch der Klägerin erinnert, die als Indiz für das behauptete Geschehen angesehen werden
könnten. Dies gilt zunächst für die Schulfreundin der Klägerin, die Zeugin Mb____ He__________, die nach eigener Aussage mit
der Klägerin etwa im Alter von 13 bis 14 Jahren, d.h. 1982/83, eng befreundet war. Nach Aussage der Zeugin sei die Klägerin
zur dieser Zeit ihre "beste Freundin" gewesen. Die Zeugin He__________ hat erklärt, die Klägerin habe ihr gegenüber nie berichtet,
sexuell missbraucht worden zu sein. Über die Eltern hätten sie damals gar nicht gesprochen. Sie konnte auch keine auf einen
sexuellen Missbrauch hindeutenden Begebenheiten erinnern. Sie konnte sich lediglich daran erinnern, dass die Klägerin ihr
einmal geschildert habe, ihr Vater habe ihr in den Nacken gefasst, was sie als unangenehm empfunden habe. Die Zeugin habe
dies damals als überzogene Reaktion der Klägerin angesehen. Allein der Umstand, dass die Zeugin sich nach so langer Zeit an
eine solche, aus ihrer Sicht harmlose Begebenheit erinnern kann, bietet kein Indiz dafür, dass die Zeugin entgegen ihrem Bekunden
hinter dieser Begebenheit einen Hinweis auf sexuelle Übergriffe des Vaters der Klägerin dieser gegenüber gesehen hat. Denn
auf ausdrückliche Nachfrage hierzu hat sie für den Senat überzeugend geschildert, dass sie sich nach Erhalt der Ladung Gedanken
über das Beweisthema gemacht und ihre Erinnerung bemüht habe, dass ihr aber nichts weiter eingefallen sei als diese einzige
Begebenheit, die überhaupt einen Hinweis auf eine Reaktion der Klägerin auf eine Berührung ihres Vaters beinhaltete. Auch
die näheren Umstände des seitens der Klägerin gemeinsam mit der Zeugin He__________ unternommenen Suizidversuchs geben keinen
Hinweis auf sexuellen Missbrauch der Klägerin als Ursache hierfür. Die Zeugin He__________ hat hierzu geschildert, damals
sei bei der Klägerin die Stimmung umgekippt von "zack auf gleich". Sie sei hektisch, unruhig und nervös geworden. Sie habe
dann nur gesagt, sie wolle sich jetzt umbringen. Sie, die Zeugin, sei mit der Situation komplett überfordert gewesen. Auch
gegenüber der Zeugin Hf____ Da____, mit der die Klägerin eng befreundet war, als sie die achte Klasse wiederholte, berichtete
die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt nicht über sexuellen Missbrauch. Die Zeugin erinnerte auch im Übrigen nichts, was auf
einen sexuellen Missbrauch der Klägerin durch ihren Vater hätte hindeuten können. Gleiches gilt für den Zeugen Jb_____ T______,
mit dem die Klägerin von Mai bis Dezember 1985 befreundet war, was nach der Aussage des Zeugen T______ auch eine sexuelle
Beziehung mit Geschlechtsverkehr beinhaltete. Mit dem Zeugen T______ sprach die Klägerin nach dessen Bekunden auch über persönliche
Dinge. Einen sexuellen Missbrauch berichtete sie jedoch zu keinem Zeitpunkt. Auch unabhängig davon konnte der Zeuge hinsichtlich
des Sexualverhaltens der Klägerin keine Auffälligkeiten berichten, die ein Indiz für sexuellen Missbrauch hätten sein können.
Auch die ehemaligen Lehrerinnen der Klägerin, die Zeuginnen Sd______ und Dr. Ja____, konnten aus der Schulzeit nichts erinnern,
was ein Indiz für sexuellen Missbrauch der Klägerin beinhalten könnte. Dass die Zeugin Sd______ zu dem - worauf noch näher
einzugehen sein wird, etwa 1998 geführten - Gespräch mit der Klägerin, in dem diese ihr erst- und einmalig von sexuellem Missbrauch
durch ihren Vater berichtete, sinngemäß erklärte, sie habe der Schilderung der Klägerin geglaubt, "weil sie mir logisch nachvollziehbar
erschien" (vgl. das Schreiben der Zeugin vom 17. Mai 2004, Bl. 252 Verwaltungsakte), hat die Zeugin auf Vorhalt in der mündlichen
Verhandlung näher erläutert. Sie habe Biologie unterrichtet, wozu auch die Aufklärung von Schülern und in diesem Rahmen auch
ein Film "Sag nein" gehört habe, in dem eine Kette ablaufe, die sie zu der zitierten Äußerung veranlasst habe. In dem Film
werde auch geschildert, dass Missbrauch von Familienangehörigen ausgehen könne und auch mit Drohungen verbunden sei in dem
Sinne, dass die Betroffenen darüber nicht reden dürften, weil ihnen sonst Schlimmes passieren könnte. Ihre Kenntnisse aus
dem Film und die Schilderung der Klägerin auf dem Spaziergang hätten für sie gut zusammengepasst. Aufgrund dieser nachvollziehbaren
und uneingeschränkt glaubhaften Erklärung der Zeugin sowie deren eindeutiger Bekundung in der mündlichen Verhandlung, wonach
sie während der Schulzeit der Klägerin keine Hinweise auf sexuellen Missbrauch durch den Vater der Klägerin gesehen habe,
kann deren Äußerung in dem Schreiben vom 17. Mai 2004 nicht als Indiz für den behaupteten sexuellen Missbrauch angesehen werden.
Weitere unmittelbare Tatzeugen oder -zeuginnen, von denen aufgrund ihrer Nähe zu der Klägerin und deren Familie im Zeitraum
der behaupteten Taten eine eigene Wahrnehmung eines Tatgeschehens unmittelbar oder von Indizien für ein solches Geschehen
zu erwarten sein könnte, sind nicht ersichtlich und insbesondere auch von der Klägerin selbst nicht benannt worden. Insbesondere
lebt auch keine(r) der Großmütter und -väter der Klägerin mehr.
Auch durch die zahlreichen medizinischen Unterlagen in der Akte sind die behaupteten rechtswidrigen tätlichen Angriffe nicht
bewiesen. Objektive Befunde, die z.B. auf gewaltsamen Geschlechtsverkehr hindeuten könnten, sind in keinem der Entlassungsberichte/Arztbriefe
erfasst. Demnach beruhen die in den jeweiligen Befundunterlagen wiedergegebenen anamnestischen Daten zu sexuellem Missbrauch
durch den Vater in der Kindheit allein auf den Angaben der Klägerin. Befundunterlagen, die lediglich die Erinnerungen der
Klägerin wiedergeben, können nicht zum Beweis des Tatgeschehens herangezogen werden. Sie können, worauf noch einzugehen sein
wird, wie die übrigen Angaben der Klägerin selbst allein im Zusammenhang mit der Frage einer Glaubhaftmachung gewürdigt werden.
Auch die im Rahmen der Therapien gestellten Diagnosen erlauben nicht den sicheren Rückschluss auf sexuellen Missbrauch und
können damit nicht zum Beweis des Tatgeschehens dienen. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung,
die sich in nahezu allen Entlassungsberichten/Arztbriefen über psychiatrische Behandlungen der Klägerin findet. Insoweit ergibt
sich aus dem in einem weiteren Verfahren des Senats (L 2 VG 28/08) im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Ta______ vom 2. Juli
2007, das in anonymisierter Form in dieses Verfahren eingeführt wurde, dass die Borderline-Störung eine Persönlichkeitsstörung
ist, die zwar in der Literatur teilweise kausal mit traumatischen Kindheitserinnerungen in Verbindung gebracht und insoweit
als Subtyp eines chronischen posttraumatischen Belastungssyndroms angesehen werde, dass diese Annahme auf wissenschaftlicher
Ebene aber keine Evidenz finde. Dazu hat Dr. Ta______ auf die Veröffentlichung von Prof. Dr. Bb___, Deutsches Ärzteblatt 2006
(S. A-3345) hingewiesen. In dieser Veröffentlichung ("Psychopathologie und Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung")
ist dargelegt, dass sich in einer Zwillingsstudie eine erhebliche genetische Bedeutung für die Entstehung der Borderline-Störung
gezeigt habe. Ein weiterer, indirekter Hinweis auf genetische Beteiligung sei, dass etwa 50 % der Betroffenen retrospektiv
über ein manifestes Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) in der Kindheit berichteten, bei dem eine klare
genetische Prädisposition gesichert sei. An biographisch relevanten psychosozialen Belastungsfaktoren ließen sich sexuelle
Gewalterfahrung (etwa 65 %), körperliche Gewalterfahrungen (etwa 60 %) und schwere Vernachlässigung (etwa 40 %) identifizieren.
Bei der sexuellen Gewalt handele es sich zum Teil um sehr frühe, langwierige Traumatisierungen und es zeige sich, dass Borderline-Patienten
diese Erfahrungen eher in der Familie machten. Dennoch erscheine es wichtig darauf hinzuweisen, dass sexuelle Traumatisierung
weder eine notwendige noch hinreichende Voraussetzung für die Entwicklung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung darstelle.
Die unter Klinikern stark verbreitete Annahme, dass es sich bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung um ein chronisches posttraumatisches
Belastungssyndrom handele, finde auf wissenschaftlicher Ebene keine Evidenz. Damit kommt ein Nachweis der behaupteten Taten
durch Rückschluss aus der Diagnose einer Borderline-Störung nicht in Betracht. Denn unabhängig davon, ob man diese Störung
nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung überhaupt mit einer frühkindlichen Traumatisierung in ursächlichen
Zusammenhang bringen kann (vgl. zu dieser Anforderung BSG, Urt. v. 18. Oktober 1995 - 9/9a RVg 4/92, BSGE 77, 1, juris Rn. 15 ff; BSG, Urt. v. 12. Juni 2003 - B 9 VG 1/02 R, BSGE 91, 107) oder nicht, ergibt sich aus dem Vorstehenden jedenfalls, dass es keinerlei gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse dahingehend
gibt, dass eine Borderline-Persönlichkeitsstörung zwingend eine Traumatisierung voraussetzt. Erst recht kann nicht auf die
Art des Traumas, hier auf einen sexuellen Missbrauch durch den Vater, geschlossen werden. Dass die Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung
bei der Klägerin vor allem deshalb gestellt worden sei, weil diese Diagnose, ebenso wie diejenige einer narzisstischen Neurose,
ihre "diagnostische Blütezeit" in den 8oer Jahren des letzten Jahrhunderts erlebt habe, wie es in dem Gutachten von Dr. O________/Frau
Hb______-D___________ anklingt, überzeugt vor dem Hintergrund der Darlegungen in der von Dr. Ta______ zitierten Veröffentlichung
und auch vor dem Hintergrund, dass die genannte Diagnose sowohl im ICD-10 (F 60.31 "Emotional instabile Persönlichkeitsstörung:
Borderline-Typ" [WHO-Version 2006]) als auch im DSM IV (vgl. 301.83) erfasst ist, nicht. Auch in dem Entlassungsbericht der
Klinik Ha___________ über die stationäre Behandlung der Klägerin im Jahr 2000 wird die Borderline-Persönlichkeitsstörung weiterhin
als Hauptdiagnose genannt.
Nichts anderes würde hinsichtlich des Rückschlusses von der Diagnose auf sexuellen Missbrauch im Übrigen gelten, wenn man
von einer dissoziativen Störung ausgeht, wie dies Dr. O________/Frau Hb__-D__________ tun. Wie dem Senat aus dem weiteren
Verfahren L 2 VG 7/02 bekannt ist, wird die Häufigkeit von kindlichen Traumatisierungen im Vorfeld der Entwicklung dissoziativer Störungen in der
Literatur überwiegend mit Werten zwischen 60% und 80% angegeben. Als Traumatisierungen kommen Vernachlässigung, körperliche
Misshandlung oder sexueller Missbrauch in Betracht. Auf Grund des klinischen Bildes lässt sich nicht differenzieren, welche
Form der Traumatisierung im Einzelfall vorgelegen hat. Auch gibt es kein spezifisches Krankheitsbild, welches sich infolge
frühkindlicher Traumatisierung herausbildet. So gibt es keine kausale Beziehung zwischen sexuellem Missbrauch und einer spezifischen
Psychopathologie im Erwachsenenalter. Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass kindliche Traumatisierungen häufig für die
spätere Entwicklung einer dissoziativen Störung ursächlich sind, dass aber nicht jede Traumatisierung zur Ausprägung einer
dissoziativen oder anderen psychischen Störung führt und dass dissoziative Störungen auch auftreten können, ohne dass sich
in der Vorgeschichte ein sexueller Missbrauch oder eine andersartige Traumatisierung sichern lässt. Danach spricht zwar bei
Unterstellung einer dissoziativen Störung eine statistische Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klägerin Opfer kindlicher Traumatisierungen
geworden ist. Eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit lässt sich jedoch nicht feststellen. Zudem lässt das Vorliegen
einer dissoziativen Störung keinen Rückschluss darauf zu, ob es sich bei der Traumatisierung ggf. um eine Vernachlässigung,
körperliche Misshandlung oder sexuellen Missbrauch gehandelt hat (vgl. Urt. vom 8. November 2005, veröffentl. in juris, Rn.
27; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 13. Januar 2004 - L 6 VG 14/02, juris Rn. 20, 21; LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 5. Juni 2008 - L 13 VG 1/05, juris Rn. 36). Der Senat hat die Erkenntnisse aus dem Verfahren L 2 VG 7/02 durch Hinweis auf das veröffentlichte Urteil in das Verfahren eingeführt. Auch in diesem Verfahren lassen sich daher gesicherte
Rückschlüsse auf sexuellen Missbrauch selbst dann nicht ziehen, wenn man mit Dr. O________/Frau Hb___-D___________ davon ausgeht,
dass die Klägerin unter einer dissoziativen Störung leidet.
Eine posttraumatische Belastungsstörung, die ihrerseits Rückschlüsse auf ein Trauma und dabei auf eine bestimmte Art der Traumatisierung
erlaubt, kann ebenfalls nicht angenommen werden. Zwar wird diese Diagnose in verschiedenen Befundberichten/Entlassungsberichten
gestellt, und auch die durch das Sozialgericht vernommenen Sachverständigen Dr. O________/Frau Hb-___D___________ nehmen als
Hauptdiagnose eine komplexe PTBS an. Diese Diagnose setzt jedoch schon begriffslogisch eine Traumatisierung voraus. Der sexuelle
Missbrauch zu Lasten der Klägerin als Grundlage der Diagnose steht jedoch gerade nicht fest. Der Neurologe und Psychiater
Dr. Ta______ stellt deshalb in seinem in dem Verfahren S 14 VG 4/06/L 2 VG 28/08 erstatteten Gutachten zur Recht fest, dass
eine PTBS als komorbide Störung durchaus angenommen werden könne, "soweit der sexuelle Missbrauch belegt werden kann". Gerade
bei der PTBS, bei der die Diagnosestellung bereits ein Trauma voraussetzt, kann nicht erst aus Symptomen auf das Trauma geschlossen
werden. Allenfalls kann von einer Verdachtsdiagnose gesprochen werden, so lange das Trauma nicht feststeht. Die Sachverständigen
Dr. O________/Frau Hb___-D___________ berücksichtigen diese Problematik nicht hinreichend, wenn sie auf Seite 4 ihres Gutachtens
vom 22. Juni 2007 darlegen, sexueller Missbrauch gehöre zu den typischen Ereigniskriterien/A nach DSM-IV, die diese Diagnose
rechtfertigten, sodann ohne nähere Begründung dieses Kriterium bejahen und auf Seite 2 ihrer ergänzenden Stellungnahme vom
13. Dezember 2007 lediglich darlegen, dass die Klägerin bereits bei der ersten Begutachtung im September 2006 das klassische
Bild einer schwer traumatisierten sexuell missbrauchten Betroffenen gegeben habe. Das sog. Ereigniskriterium/A kann jedoch
nicht seinerseits schlüssig damit begründet werden, dass die übrigen Kriterien einer PTBS in klassischer Weise vorliegen.
Vielmehr muss das "Ereigniskriterium" zunächst festgestellt sein, bevor zu der Frage des Vorliegens einer PTBS eine schlüssige
gutachtliche Stellungnahme erfolgen kann.
Allein auf die Aussage der Klägerin kann die Feststellung, dass sie Opfer sexuellen Missbrauchs durch ihren Vater geworden
sei, nicht gestützt werden. Zwar hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats am 7. Januar 2010 einzelne Handlungen
ihres Vaters geschildert, die jeweils einen Straftatbestand erfüllen und auch unabhängig davon einen rechtswidrigen tätlichen
Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG beinhalten würden. Auch hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen und der
Senat geht auch davon aus, dass sie selbst davon überzeugt ist, dass sich die von ihr geschilderten Taten so ereignet haben
wie von ihr dargestellt. Der Senat hat, wie bereits dargelegt, allerdings auch keine Anhaltspunkte dafür gewonnen, dass der
Vater der Klägerin oder einer der anderen vernommenen Zeugen und Zeuginnen die Unwahrheit gesagt hat. Bei umfassender Würdigung
der Aussage der Klägerin im Lichte der Gesamtumstände sprechen jedoch insgesamt mehr Indizien gegen als für die Darstellung
der Klägerin, so dass der Senat nicht die Überzeugung von der Richtigkeit der Schilderung der Klägerin zu gewinnen vermag,
dies auch nicht im Sinne einer Glaubhaftmachung im Sinne des § 15 KOV-Vfg. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind die Angaben
des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, wenn Unterlagen nicht
vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind,
der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Glaubhaftmachung bedeutet
das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, d.h. der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus
gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Urt. v. 22. September 1977 - 10 RV 15/77, BSGE 45, 1; vgl. auch BSG, Beschl. v. 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4; juris Rn. 5 m.w.Nw.). Hier überwiegen nach den Gesamtumständen die Zweifel an der Richtigkeit der
Darstellung Klägerin, d.h. es verbleiben deutlich mehr als nur gewisse Zweifel, so dass der Senat sich im Ergebnis auch von
der "guten Möglichkeit" in dem genannten Sinne nicht zu überzeugen vermag. Im Einzelnen:
Bestimmte Schilderungen der Klägerin lassen sich nicht mit der Wahrnehmung mehrerer Zeugen in Einklang bringen. So ist den
Angaben der Klägerin nicht allein sexueller Missbrauch durch den Vater zu entnehmen, sondern sie schildert auch andere körperliche
Misshandlungen im Rahmen einer insgesamt aufbrausenden und zur Gewalttätigkeit neigenden Persönlichkeitsstruktur ihres Vaters.
Insbesondere hat sie wiederholt geschildert, ihr Vater habe sie und ihren Bruder nachts aus dem Schlaf gerissen, um sie zu
beschimpfen und ihnen aufzuzählen, was sie alles falsch gemacht hätten. Ihre Mutter habe ihn angefleht, doch aufzuhören, doch
er habe nicht von ihnen abgelassen. An eine solche Situation konnte sich der Bruder der Klägerin, der Zeuge Ba_____ L____,
jedoch, für den Senat glaubhaft, nicht erinnern. Angesichts der von der Klägerin geschilderten Gewalttätigkeit und Lautstärke
dieser Vorfälle, die sie selbst mit Angst erfüllt hätten, und die auch nicht nur als ein einmaliges Ereignis geschildert sondern
als sich über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholend dargestellt werden, müsste sich ihr drei Jahre jüngerer Bruder an
derartige Vorkommnisse erinnern, hätten sie sich tatsächlich so ereignet wie von der Klägerin geschildert. Der Zeuge Ba_____
L_____ hat derartige Vorkommnisse jedoch eindeutig verneint, wobei sich auch insoweit keine Anhaltspunkte für eine Unglaubwürdigkeit
des Zeugen ergeben haben. Ebenso hat er nicht bestätigt, dass die Klägerin aus Angst immer gewollt habe, dass er bei ihr schlafe
und er dies auch des Öfteren getan habe.
Nicht bestätigt werden konnte von den Zeuginnen Mb____ He_______ und Hf____ Da____ die Angabe der Klägerin, dass diese die
Gewalttätigkeit ihres Vaters gespürt und Angst vor ihm gehabt hätten. Insgesamt ist die aufbrausende und zur Gewalt neigende
Wesensart des Vaters, die die Klägerin dargestellt hat, durch keine(n) der Zeug(inn)en bestätigt worden. So haben sowohl die
früheren Kolleginnen des Zeugen Hb_____ L_____, die Zeuginnen Dr. Ja____ und Sd______, als auch seine früheren Schüler(innen),
die Zeug(inn)en He_______, Da____ und T______ den Zeugen als ruhig und besonnen wirkenden Menschen geschildert. Der Zeuge
T______ hat geschildert, dass der Zeuge Hb_____ L_____ zwar der strengste Lehrer der Schule gewesen sei, jedoch nur in dem
Sinne, dass man bei ihm am meisten Angst hatte, schlechte Noten zu bekommen. Er habe sie aber nicht im Unterricht angeschrien,
sondern sei eher ein ruhiger Typ gewesen. Eine von der Klägerin geschilderte und ihm vorgehaltene Situation nach der Beendigung
der Beziehung mit ihr, in der er versucht haben solle, die Beziehung zu der Klägerin fortzusetzen und in diesem Zusammenhang
von dem Vater aus einer Wohnung herausgeworfen worden sei, erinnerte der Zeuge nicht. Insgesamt gab er an, dass der Zeuge
L______ im familiären Bereich sehr nett zu ihm gewesen sei. Die Zeugin Dr. Ja___ konnte eine von der Klägerin geschilderte
Situation in der Schule, in der die Klägerin Angst vor ihrem Vater gehabt und dies auch geäußert habe, nicht erinnern.
Auch der von der Klägerin geschilderte Umstand, dass sie mit Anfang 20, d. h. 1989, als sie einen Freund gehabt habe, festgestellt
habe, dass sie nicht mehr Jungfrau sei und dass sie das alles schon kenne mit der Sexualität, was sie selbst als Indiz für
sexuellen Missbrauch durch ihren Vater wertet (vgl. Bl. 207 Verwaltungsakte), spricht nicht für, sondern gegen die Richtigkeit
ihrer Angaben, weil sie nach der glaubhaften Aussage des Zeugen T______ mit diesem bereits 1985 Geschlechtsverkehr gehabt
hatte. Sie selbst hat in ihrer Anhörung ebenfalls Sexualität mit dem Zeugen T______ bestätigt.
Auch für die Richtigkeit der Angabe der Klägerin, ihr Vater sei Alkoholiker gewesen, hat sich nach dem Gesamtergebnis des
Verfahrens, insbesondere nach der Beweisaufnahme durch den Senat, kein Hinweis ergeben.
Der im Termin zur mündlichen Verhandlung von dem Vater der Klägerin vorgelegte, an ihn gerichtete Brief der Klägerin aus dem
Jahr 2002 und auch sein Antwortschreiben darauf geben ebenfalls keine Hinweise auf sexuellen Missbrauch in der Kindheit. Vielmehr
bedankt sich die Klägerin ausdrücklich bei ihrem Vater. Soweit sie dies im Rahmen der Anhörung damit erklärt hat, dass sie
sich Ende 1999 sehr mit dem buddhistischen Glauben befasst und im Zusammenhang damit versucht habe, ihren Frieden zu finden,
auch mit ihrem Vater, den sie immer sehr geliebt habe, bedarf dies keiner weiteren Würdigung. Jedenfalls bietet der Inhalt
des Briefs der Klägerin, ebenso wie der Antwortbrief des Zeugen Lassen, keine Hinweise darauf, dass es sexuellen Missbrauch
gegeben hat.
Auch die umfangreichen Befundunterlagen können die gute Möglichkeit der Richtigkeit der Angaben der Klägerin nicht begründen.
Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich Angaben über sexuellen Missbrauch in den ausführlichen Berichten über
die stationären Behandlungen 1984/1985 und damit zeitnah zu dem behaupteten Geschehen nicht finden. Soweit darin festgestellt
wird, die Klägerin neige zur positiven wie negativen Überbewertung der Eltern, insbesondere des Vaters, den sie früher als
stark und fehlerlos erlebt habe, jetzt fürchte, und dass sie angegeben habe, sich vor den Eltern zu ekeln, kann hieraus kein
hinreichendes Indiz für sexuellen Missbrauch der Klägerin durch ihren Vater abgeleitet werden. Die Klinik ordnete dies, dem
ausführlichen Entlassungsbericht über die beiden stationären Behandlungen 1984 zufolge, als Adoleszentenkrise bei narzisstischer
Neurose ein. Während der Behandlung habe die Klägerin sich psychisch stabilisiert und auch die Beziehung zu den Eltern habe
sich harmonisiert, obgleich sie gelegentlich noch von Ekelgefühlen ihnen gegenüber gesprochen habe. In dem Bericht über die
weitere stationäre Behandlung 1985 heißt es, die Klägerin sei sehr anspruchsvoll gewesen, habe den Eltern ein hohes Maß an
Einfühlungsvermögen und Toleranz abverlangt. Die Eltern hätten sich auch alle Mühe gegeben, diesen Anforderungen gerecht zu
werden und ihr viel Abwechslung und Kontakt mit Gleichaltrigen zu bieten. Demnach bietet dieser Bericht unter Berücksichtigung
auch der Würdigung durch die behandelnden Psychotherapeuten der Klinik keine konkreten Anhaltspunkte für einen sexuellen Missbrauch.
Die von ihr angegebenen an sie gerichteten Drohbriefe ihres Vaters während der Therapie hat die Klägerin nach eigenen Angaben
vernichtet. Gegen die Behauptung der Klägerin, ihr Vater habe eine Therapie damals verhindern wollen, spricht allerdings die
Angabe der Zeugin Dr. Ja___, wonach der Zeuge L____ sie damals ermuntert habe, nach einem ersten Besuch der Klägerin in der
Klinik weitere Besuche dort zu machen. Das Gespräch zwischen ihr und den Eltern der Klägerin sei auch von diesen gesucht worden.
Demnach ergeben sich im Zusammenhang mit den Klinikaufenthalten 1984/1985 keine Hinweise auf einen sexuellen Missbrauch der
Klägerin. Erstmals die Psychotherapeutin Ra____ beschreibt in ihren Berichten, vor allem in demjenigen aus Februar 2006, über
die dortige Behandlung von 1990 bis 1992 den Verdacht auf stattgehabten sexuellen Missbrauch angesichts des extrem ambivalenten
Verhältnisses zu dem Vater, schwankend zwischen Angst und Abwehr, bei gleichzeitiger "Grenzenlosigkeit" zwischen der Klägerin
und ihm. Gelegentlich seien Bilder von dem Vater in einem dunklen Raum aufgetaucht, die so verstörend gewesen seien, dass
sie sich nicht weiter darauf habe einlassen wollen. Konkretere Angaben finden sich erstmals in dem Bericht der Klinik G_________
über den dortigen Aufenthalt von März 1993 bis Januar 1994, wo die Klägerin angab, von ihrem Vater sexuell missbraucht worden
zu sein und sich an entsprechende Erlebnisse vom dritten Lebensjahr an erinnern zu können. Die sexuellen Übergriffe des Vaters
hätten bis zu ihrem 10. Lebensjahr gedauert. Dass konkrete Erinnerungen an sexuellen Missbrauch bei der Klägerin erst Anfang
der Neunzigerjahre auftraten, entspricht dem Inhalt der handschriftlichen Aufzeichnungen aus 1986, 1989 sowie aus dem Zeitraum
seit 1990 und auch den eigenen Angaben der Klägerin im Rahmen dieses Verfahrens. Auf Nachfrage des Senats, warum sie zu keinem
Zeitpunkt während des mehrjährigen sexuellen Missbrauchs mit einer Freundin oder dem Zeugen T______ über den Missbrauch gesprochen
oder diesen zumindest angedeutet habe, hat die Klägerin erklärt, das alles sei völlig weggeschlossen gewesen; sie habe sich
zu dieser Zeit selbst nicht an Missbrauch erinnern können. Handelt es sich nach den eigenen Erklärungen der Klägerin demnach
um Erinnerungen, die erst deutlich nach dem Tatzeitraum im Laufe von Psychotherapien entstanden sind bzw. konkrete Form angenommen
haben, so kann aus ärztlichen Berichten hierüber nichts weiteres gefolgert werden, als dass die Klägerin selbst zu dem jeweiligen
Zeitpunkt das geschilderte Geschehen als real angenommen hat, was der Senat auch nicht bezweifelt. Dabei ist allerdings weiter
zu berücksichtigen, dass die Erinnerungen von dem Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens an nicht vollständig und konstant vorhanden
waren, sondern dass sie erst im Laufe eines längeren Zeitraumes entstanden sind, wobei es offenbar auch Erinnerungsschwankungen
gab. So heißt es etwa in dem Bericht der Dr. Sa______ (Pro Familia) aus September 1999 zur Vorlage bei der Fachklinik Ha___________
über die bei ihr seit März 1994 durchgeführte ambulante Psychotherapie, dass "nun langsam die lange Zeit völlig abgespaltene
Thematik des sexuellen und emotionalen Missbrauchs durch den Vater an die Oberfläche" komme, die Klägerin habe wenig bewusste
Erinnerungen an den sexuellen Missbrauch, eher flashbacks, während die Klägerin im Rahmen der vorangegangenen stationären
Therapie in der Klinik G_________ 1993 bereits konkrete Angaben zu sexuellem Missbrauch gemacht und zuvor in handschriftlichen
Aufzeichnungen ebenfalls Details geschildert hatte. Gegenüber der Zeugin Da____ gab sie wiederum noch im Jahr 1995 oder 1996
an, es könne sein, sie wisse es selbst nicht, ob und von wem sie missbraucht worden sei. Der Senat hat keinen Zweifel an der
Richtigkeit dieser Schilderung der Zeugin Da____, die sich noch genau an die Situation, in der das Gespräch stattfand, und
an die Äußerungen der Klägerin erinnern konnte. Dies erscheint auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Abstandes von mehreren
Jahren nachvollziehbar, weil die Zeugin die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nach langer Zeit wiedergesehen hatte und die ihr
von der Klägerin bei dieser Gelegenheit mitgeteilten Umstände sie schockierten. Im Übrigen hat auch der Zeuge Ba_____ L_____
bekundet, die Zeugin Da____ habe ihm gegenüber gesagt, dass seine Schwester Mc____ geäußert habe, dass sie selbst nicht benennen
könne, wer sie sexuell missbraucht habe. Soweit die Klägerin auf Vorhalt des Senats angegeben hat, dass sie die Äußerung,
die Frau D____ wiedergegeben habe, nicht getan habe, ist dies demnach für den Senat nicht glaubhaft.
Soweit die Befundunterlagen nicht nur die Angaben der Klägerin wiedergeben, sondern eigene Wertungen enthalten, geben sie
zwar gewisse Hinweise auf sexuellen Missbrauch insoweit, als die behandelnden Ärzte nach der geschilderten Symptomatik und
dem Gesamteindruck von einer Traumatisierung der Klägerin durch sexuellen Missbrauch ausgegangen sind und diesen als Hypothese
für die jeweilige Therapie zugrunde gelegt haben. Gleiches gilt, soweit die Sachverständigen Dr. O________/Hb__-D___________
im Jahr 2007 bei der Klägerin das typische Bild einer schwer sexuell traumatisierten Frau erkannt haben. Angesichts der genannten
gegen die Richtigkeit der Behauptungen der Klägerin sprechenden Umstände kann aber allein daraus, dass Therapeuten die Angaben
der Klägerin aufgrund eines dazu passenden klinischen Bildes als zutreffend zugrunde gelegt haben, nicht mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit auf die Richtigkeit dieser Hypothese geschlossen werden. Dies gilt umso mehr, als die Sachverständigen
selbst auf Seite 2 ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 13. Dezember 2007 mit näherer Erläuterung auf die Schwierigkeit hinweisen,
bei der Bewertung von Erinnerungen zu entscheiden, ob es um reale Erlebnisse gehe oder nicht.
Auch aus dem Gespräch mit der Zeugin Sd______ kann nichts Weiteres für die Richtigkeit der Behauptungen der Klägerin abgeleitet
werden. Denn dieses Gespräch, in dem die Klägerin - ohne Schilderung von Details - sexuellen Missbrauch durch ihren Vater
angab, fand erst etwa 1998 statt und damit zu einem Zeitpunkt, als die Erinnerung der Klägerin bereits in dem genannten Sinne
aktiviert worden war. Soweit die Klägerin der Meinung ist, das Gespräch mit der Zeugin Sd______ müsse viel früher stattgefunden
haben, steht dem die Angabe der Zeugin entgegen. Die Frage des Zeitpunktes des genannten Gesprächs ist in der mündlichen Verhandlung
mit der Zeugin erörtert worden. Diese war sich sicher, dass der beschriebene Spaziergang sehr viel später als etwa fünf Jahre
nach den Selbstmordversuchen stattgefunden gefunden habe. Die Zeitangabe 1998 sei eine - allerdings eher konkrete - Schätzung.
Im Jahr 2000 sei es mit Sicherheit nicht gewesen, weil sie zu diesem Zeitpunkt krank gewesen sei.
Nach alledem vermag der Senat nach den Gesamtumständen nicht im Sinne der oben definierten guten Möglichkeit und erst recht
nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass die Klägerin Opfer sexuellen Missbrauchs durch ihren
Vater geworden ist.
Weitere Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung, die sich im Rahmen der Amtsermittlungspflicht aufdrängen würden, sieht der
Senat nicht. Die insoweit gestellten Beweisanträge der Klägerin sind abzulehnen. Es kann unterstellt werden, dass die Erhebung
der Beweise das von der Klägerin behauptete Ergebnis erbrächte, ohne dass dies Einfluss auf das Ergebnis des Rechtsstreits
haben würde. Im Einzelnen: Soweit die Klägerin mehrere weitere Zeug(inn)en benannt hat, denen sie über die Missbrauchshandlungen
berichtet habe, handelt es sich sämtlich nicht um Zeug(inn)en, die sie im Zeitraum des angegebenen Tatgeschehen(s) gekannt
hat und denen sie während dieses Zeitraumes oder zeitnah dazu davon berichtet hat, sondern die Schilderungen stammen ebenfalls
erst aus dem Zeitraum nach der Erinnerungsaktivierung ab etwa 1991. Zeugen, denen die Klägerin in der Zeit seit dem Auftreten
der Erinnerung an sexuellen Missbrauch hiervon berichtet hat, vermögen aus den genannten Gründen zur Beweisführung nicht mehr
beizutragen als die wiederholten Schilderungen der Klägerin im Rahmen von Therapien sowie in diesem Verfahren. Hinsichtlich
Tagebuchaufzeichnungen, die Hinweise auf sexuellen Missbrauch enthalten und deren Beibringung sie angeboten hat, hat die Klägerin
in der mündlichen Verhandlung nochmals erklärt, dass diese erst aus der Zeit seit etwa 1989 vorliegen. Damit geben sie nicht
Eindrücke der Klägerin aus der Zeit der behaupteten Missbrauchshandlungen wieder, sondern aus der Zeit der therapeutischen
Aufarbeitung des nach und nach erinnerten Geschehens. Damit gilt dasselbe wie hinsichtlich Schilderungen gegenüber Zeugen
aus diesem Zeitraum. Gleiches gilt hinsichtlich der beantragten Vernehmung von Ärzten/Psychotherapeuten (Dr. H_____, Frau
C_________, Frau E____, Frau Ga_______), denen die Klägerin über ihre Ängste vor ihren Eltern, Panikattacken, Körpererinnerungen,
flashbacks berichtet habe. Auch diese Schilderungen stammen erst aus dem Zeitraum nach der Erinnerungsaktivierung. Im Übrigen
haben die von der Klägerin insoweit benannten Therapeutinnen/Ärzte ihre Wahrnehmungen bereits in ärztlichen Berichten niedergelegt.
Die Vernehmung des Dr. O________ und der Dipl. Psychologin Hb___-D___________ ist abzulehnen, weil unterstellt werden kann,
dass die Sachverständigen die Gesundheitsstörungen der Klägerin auf sexuellen Missbrauch der Klägerin in deren Kindheit/Jugend
zurückführen. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus deren im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Gutachten und der ergänzenden
Stellungnahme hierzu. Konkrete weitere Fragen, die Anlass zur Vernehmung der Sachverständigen zur Erläuterung ihres Gutachtens
geben könnten, hat die Klägerin nicht formuliert. Die Würdigung der Ausführungen der Sachverständigen ist dagegen ausschließlich
Aufgabe des Senats, der der Auffassung der Sachverständigen aus den bereits ausführlich dargelegten Gründen nicht zu folgen
vermag. Anlass zur Vernehmung eines anderen ärztlichen Sachverständigen besteht aus der Sicht des Senats nicht, weil aus den
ebenfalls bereits dargelegten Gründen die Voraussetzung für die Einholung eines Gutachtens, nämlich der Nachweis bzw. die
Glaubhaftmachung eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs nicht gegeben ist und ein solcher nicht aus einem Gutachten abgeleitet
werden kann. Gleiches wie hinsichtlich der Vernehmung des Dr. O________/der Frau Hb___-D__________ gilt, soweit die Klägerin
zu dem genannten Beweisthema auch die Vernehmung der Psychotherapeutinnen Ra__, C_________, E____ und Ga______ beantragt.
Dass diese Psychotherapeutinnen die psychische Störung der Klägerin auf sexuellen Missbrauch durch den Vater zurückführen,
ergibt sich aus deren jeweiligen Berichten und kann auch unabhängig davon unterstellt werden, ändert jedoch nichts an der
Problematik des fehlenden Nachweises/der fehlenden Glaubhaftmachung des sexuellen Missbrauches. Auch der Antrag, Zeugen zu
der Behauptung der Klägerin zu vernehmen, dass ihr Vater während der Therapie 1984 in die Klinik gestürmt und einen Mitarbeiter
beiseite gestoßen habe und dass sie sich in ihrem Zimmer verbarrikadiert habe, ist abzulehnen. Dies kann als wahr unterstellt
werden, ohne dass sich daraus Hinweise auf einen sexuellen Missbrauch der Klägerin ergeben. Insbesondere würde, ein solches
Verhalten in einer Ausnahmesituation unterstellt, die es auch für die Eltern der Klägerin gewesen ist, nicht für die behauptete
generelle Gewalttätigkeit des Vaters der Klägerin sprechen, die, wie dargelegt, durch die übrigen Beweisergebnisse nicht belegt,
sondern widerlegt ist. Die Vernehmung der Ärztin Dr. Hc_______ ist abzulehnen, weil diese bereits durch ausführliche von ihr
mitunterschriebene Entlassungsberichte die aus ärztlicher Sicht wesentlichen Einzelheiten der Klinikaufenthalte 1984/1985
dargestellt hat. Hierauf hat sie zudem in einer zur Vorlage bei dem Rentenversicherungsträger bestimmten Stellungnahme vom
4. August 1998 Bezug genommen und darin nochmals die wesentlichen Gesichtspunkte zusammengefasst. Hinweise auf sexuellen Missbrauch
durch den Vater der Klägerin finden sich darin nicht. Dies schließt nicht aus - und kann insoweit als wahr unterstellt werden
-,dass die Klägerin der Ärztin im Rahmen der Behandlung darüber berichtete, dass ihr Vater mit ihr geschlafen habe, wobei
ihr diese Erinnerung in einer Aufwachphase gekommen sei, wie es die Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung
am 7. Januar 2010 schilderte. Nach der weiteren Schilderung der Klägerin wurde dies jedoch nicht weiter vertieft und von der
Ärztin als ein mit der erwachenden Sexualität der Klägerin zusammenhängender Traum gedeutet. Dies wiederum passt ohne Weiteres
zu dem Inhalt der von Dr. Hc_______ (mit-)verfassten ärztlichen Berichte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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