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BAG, Urteil vom 27.07.2017 - 2 AZR 681/16
Überwachung mittels Keylogger – Verwertungsverbot Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Recht auf institutionelle Selbstbestimmung Datenerhebung und -verarbeitung als Eingriff in das Recht auf institutionelle Selbstbestimmung Speicherung von Tastatureingaben und Nutzung von Keylogger-Software als Datenerhebung im Sinne des Datenschutzrechts Recht auf institutionelle Selbstbestimmung und verdeckte oder offene Nutzung von Keylogger-Software
Der Einsatz eines Software-Keyloggers ist nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG erlaubt, wenn kein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht.
Orientierungssätze:
1. Die Aufzeichnung und Speicherung der Tastureingaben an einem dienstlichen Computer und das Fertigen von Bildschirmfotos (Screenshots) stellen Datenerhebungen iSv. § 3 Abs. 1 bis 3 BDSG dar. In diesen Datenerhebungen liegt - gleich, ob sie verdeckt oder offen erfolgen - zugleich ein Eingriff in das Recht des betroffenen Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung. Ein Eingriff in dieses Recht setzt nicht notwendig voraus, dass die Privatsphäre des Betroffenen ausgespäht wird.
2. Allein darin, dass ein Arbeitnehmer dem ihm mitgeteilten Einsatz eines Keyloggers nicht widerspricht, liegt keine Einverständniserklärung in die Informationserhebung. Das Unterlassen eines Protests kann nicht mit einer Einwilligung iSv. § 4a Abs. 1 BDSG gleichgesetzt werden.
3. Kontrollmaßnahmen, die hinsichtlich der Intensität des durch sie bewirkten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers mit einer (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar sind, sind nach § 32 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BDSG nur erlaubt, wenn gegen den Betroffenen der durch konkrete Tatsachen begründete "einfache" Verdacht (Anfangsverdacht) einer Straftat oder einer anderen schweren Pflichtverletzung besteht. Ergreift der Arbeitgeber solche Maßnahmen "ins Blaue hinein", stellen sie sich als jedenfalls nicht verhältnismäßig im engeren Sinne dar.
4. Kontrollmaßnahmen, die weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreifen, können nach § 32 Abs. 1 BDSG auch ohne das Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdachts zulässig sein. Dies gilt vor allem für nach abstrakten Kriterien durchgeführte, keinen Arbeitnehmer besonders unter Verdacht stellende offene Überwachungsmaßnahmen, die der Verhinderung von Pflichtverletzungen dienen sollen.
5. Die vorübergehende Speicherung und stichprobenartige Kontrolle der Verlaufsdaten eines Internetbrowsers kann zulässig sein, um die Einhaltung des Verbots oder einer Beschränkung der Privatnutzung von IT-Einrichtungen des Arbeitgebers zu kontrollieren.
Fundstellen: AP BGB § 626 Nr. 263, ArbRB 2017, 331, AuR 2017, 508, BAGE 159, 380, BB 2017, 2682, CR 2018, 27, DB 2017, 2488, DStR 2017, 2754, DStR 2018, 365, EzA BDSG § 32 Nr. 6, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 61, EzA-SD 2017, 3, ITRB 2017, 201, ITRB 2017, 275, MDR 2017, 1430, NJW 2017, 3258, NZA 2017, 1327, Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 31 vom 27.07.2017, ZIP 2017, 2022
Normenkette:
GG Art. 1 Abs. 1
,
GG Art. 1 Abs. 3
,
GG Art. 2 Abs. 1
,
BDSG § 1 Abs. 1
,
BDSG § 1 Abs. 2
,
BDSG § 3 Abs. 1
,
BDSG § 3 Abs. 2
,
BDSG § 3 Abs. 3
,
BDSG § 7
,
BDSG § 28 Abs. 1
,
BDSG § 32 Abs. 1
Vorinstanzen: LAG Hamm 17.06.2016 16 Sa 1711/15 , ArbG Herne 14.10.2015 6 Ca 1789/15
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Juni 2016 - 16 Sa 1711/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!

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